Betreff
Krieg in der Ukraine - Aufnahme von Flüchtlingen in Haan
Vorlage
II/020/2022
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

Sachstandsbericht der Verwaltung zum Krieg in der Ukraine und die Auswirkungen auf unsere Kommune

 

Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine berichtet die Verwaltung im Folgenden zu den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine und seine Folgen für Haan:

 

Die Verwaltung hat wegen der starken Fluchtbewegungen einen Stab für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) eingerichtet. Aktuell und absehbar in den nächsten Wochen ist die Lage dynamisch, sodass sich die Erkenntnisse nahezu täglich verändern können. Daher werden als Entscheidungsgrundlage für den SAE alle maßgeblichen Informationen in eine Datenbank eingepflegt und ständig aktualisiert.

 

Wie andere Kommunen profitiert auch die Stadt Haan von ihren Erfahrungen aus den Jahren 2015/16. Im Unterschied zu damals ist aktuell allerdings eine neue Herausforderung zu bewältigen: Angesichts der Tatsache, dass Kriegsvertriebene aus der Ukraine im Bundesgebiet Freizügigkeit genießen und ihren Wohnort somit frei wählen können, ist bislang noch keine ausgewogene Verteilung der Menschen gelungen.

 

Erstverteilung durch das sog. EASY-Verfahren

 

Erst seit der 11. KW ist klar, dass das sog. EASY-Verfahren wieder Anwendung findet. So erfolgt die Erstverteilung der Asylsuchenden vor der Antragstellung beim Bundesamt für Migration seit dem 01.04.1993 durch ein computergestütztes System – EASY - Erstverteilung Asylbegehrende – nach einer festgelegten Aufnahmequote auf die Bundesländer. Ziel ist eine angemessene und gerechte Verteilung auf die Bundesländer. Die Aufnahmequote der einzelnen Bundesländer richtet sich nach dem sogenannten "Königsteiner Schlüssel". Der Anteil, den ein Land danach tragen muss, richtet sich zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl und wird jährlich durch das Büro der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz neu berechnet. Die NRW betreffende Aufnahmequote liegt derzeit bei 21,56%.

 

Dieses Verfahren bedingt, dass Schutzsuchende zunächst an die Landeserstaufnahmeeinrichtungen verwiesen werden, wo sie registriert werden, um dann entsprechend der individuellen Leistungsfähigkeit und Aufnahmekapazitäten auf die Kommunen weiterverteilt zu werden. Der für Haan geltende Verteilerschlüssel für Menschen aus den Erstaufnahmeeinrichtungen liegt derzeit bei 0,16%

 

Mit Stand 22.03.2022 geht die Verwaltung aus, dass sich 111 Kriegsvertriebene, davon 44 Kinder und Jugendliche in Haan aufhalten.

 

Unterbringung

 

Kriegsvertriebe aus der Ukraine, die bereits in Haan angekommen sind, die auch weiterhin gezielt nach Haan kommen oder seitens des Landes zugewiesen werden, werden wie folgt mit Unterkünften versorgt:

 

Mit Priorität 1 sind Kriegsvertriebene aus der Ukraine privat untergebracht worden – teilweise bei Verwandten oder Bekannten, teilweise bei Familien, die sich auf den Aufruf der Stadtverwaltung gemeldet haben und Menschen zumindest für eine Übergangszeit eine Bleibe bieten. Insgesamt leben zurzeit ca. 80 Kriegsvertriebene in privaten Unterkünften. Das private Engagement wird jedoch nach Einschätzung der Verwaltung bis auf Ausnahmefälle nicht über viele Monate aufrechterhalten werden (können). Anschlusslösungen werden daher bereits in den Fokus genommen. Gleichzeitig werden dem Amt für Soziales und Integration weiterhin neue Angebote unterbreitet, die z.T. auch eine längerfristige Perspektive beinhalten. Alle Angebote werden von Mitarbeitenden des Amtes für Soziales und Integration sorgfältig geprüft. Außerdem wird Kontakt zu den Gastfamilien gehalten, um bei Fragen und Problemen unterstützen zu können.

 

Mit Priorität 2 sind 17 Vertriebene bereits in die städtischen Unterkünfte aufgenommen worden. Es stehen noch ca. 70 Plätze in den städtischen Unterkünften zur Verfügung. Es ist jedoch zu beobachten, dass Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes derzeit entlastet werden. In diesem Kontext sind der Stadt Haan für die 12. KW zusätzlich zu den Kriegsvertriebenen aus der Ukraine 10 Ortskräfte und weitere 8 reguläre Flüchtlinge aus Afghanistan zugewiesen worden. Es ist damit zu rechnen, dass weitere Zuweisungen in den nächsten Wochen und Monaten verstärkt zu administrieren sind. Plätze in den städtischen Unterkünften stehen damit nur noch für einen kurzen Zeitraum zur Verfügung. Diese Entwicklung wird eine maximale Verdichtung in den Unterkünften zur Folge haben. Auch lässt sich eine strikte Trennung zwischen Geflüchteten und Wohnungslosen in der aktuellen Lage nicht mehr aufrechterhalten. Die Nutzung von Haus Rheinland und Haus Westfalen (ehem. LFS) ist unwirtschaftlich (0,5 bis 1 Mio. Euro) und benötigt eine Vorlaufzeit von mind. sechs bis neun Monaten. Das ehem. VHS-Gebäude und die Turnhalle Bachstr. sind abgängig (Heizung und Sanitär fehlt, Feuchtigkeit, Abriss geplant). Kaiserstr. 21 kann nach Brand nicht genutzt werden (Strom ist abgestellt).

 

Die Verwaltung schlägt vor, mit Priorität 3 alle verfügbaren Hotelzimmer in Haan für Vertriebene anzumieten, auch wenn die hierfür anfallenden Kosten nach aktuellem Erkenntnisstand die Erstattung durch die FlüAG-Pauschale übersteigen werden. Erste Ortsbesichtigungen und Verhandlungen haben Erfolg gehabt. Eine auch längerfristige Unterbringung von 30 bis 35 Menschen ist damit sichergestellt. Weitere Objekte sind noch in der Prüfung. Bisher sind 13 Personen im Haus Poock untergebracht worden.

 

Die Verwaltung schlägt vor, kurzfristig die Unterkunft Düsseldorfer Str. 141a notdürftig zu ertüchtigen. Hierfür fallen Kosten i.H.v. ca. 65 bis 80 T€ an. Mit der Fertigstellung ist in ca. sechs Monaten zu rechnen.

 

Nach Einschätzung des SAE wird die Anzahl der Menschen, die eine Unterkunft und Versorgung benötigen, in der zweiten April-Hälfte deutlich ansteigen. Spätestens dann muss eine größere Notunterkunft für eine Vielzahl an Vertriebenen bereitstehen. Die Verwaltung schlägt vor, hierfür die Sporthalle an der Adlerstraße zu nutzen und durch das DRK betreiben zu lassen. Die Halle muss für die notwendigen Vorbereitungsarbeiten ab dem 28.03.2022 geschlossen werden. Spanplatten für die Abdeckung des Hallenbodens sind bereits beschafft worden.

 

Betreuung durch die Stadtverwaltung

 

Die Stadt Haan muss sich somit kurz- und mittelfristig auf deutlich steigende Zuweisungen und Verteilungen aus den Landeserstaufnahmeeinrichtungen vorbereiten und die Unterbringung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit sowie die finanzielle Versorgung über Transferleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sicherstellen (Pflichtaufgabe). Die soziale Betreuung übernimmt das städtische Sozial- und Integrationsmanagement (SIM). Die Ehrenamtskoordinatorin wie auch das gesamte Ehrenamtsnetzwerk in Haan sind sehr engagiert, um den Kriegsvertriebenen ein gutes Willkommen und praktische Unterstützung in Haan angedeihen zu lassen. So werden beispielsweise spezielle Termine bei der Kleiderkammer auch an den Wochenenden ermöglicht. Die Tätigkeit der Ehrenamtskoordinatorin erhält Unterstützung durch Erzieherinnen im Beschäftigungsverbot, welche sich aus dem Homeoffice mit Gastfamilien und weiteren Ehrenamtlichen austauschen. Das gesamte Amt für Soziales und Integration unterstützt den Prozess, so auch durch Pflege der Datenbank mit den Wohnangeboten und weiteren Spendenzusagen.

 

Im Bereich Asyl werden die Leistungsanträge bearbeitet. Das technische Dezernat hat alle denkbaren Immobilien und Grundstücke einer Einschätzung zu einer kurz- bzw. mittelfristigen Nutzbarkeit für die Unterbringung von Kriegsvertriebenen unterzogen und damit einen wertvollen Beitrag geleistet. Ebenfalls beteiligt sind das Ordnungsamt und die Wirtschaftsförderung. Die gesamte Verwaltung unterstützt die Arbeit des SAE, damit die Kriegsvertriebenen in Haan trotz schwieriger Rahmenbedingungen den bestmöglichen Start haben.

 

Wichtig ist aus Sicht der Verwaltung vor allem bezahlbarer Wohnraum für die Menschen, die langfristig oder dauerhaft in Haan bleiben. Eine Unterbringung in einer Sporthalle ist einer Integration nicht förderlich und somit nur vorübergehend als Notlösung hinnehmbar. Auch der langfristige Verbleib in einer städtischen Unterkunft ist nach Überzeugung der Verwaltung für eine nachhaltige Integration nicht hilfreich, insbesondere wenn Kinder davon betroffen sind.

 

Kinderbetreuung

 

In Bezug auf die Plätze in der Kinderbetreuung kann mitgeteilt werden, dass der aktuelle Regelbetrieb keine regulären, zusätzlichen Betreuungsplatzkapazitäten vorsieht.

Ferner besteht jedoch rechtlich und auch praktisch die Möglichkeit, Überbelegungen einzelner Gruppen in den Kitas vorzunehmen. Aus pädagogischer Sicht ist dagegen unter der Voraussetzung einer ausreichenden Personaldecke nichts einzuwenden. Überbelegungen sind jedoch Angelegenheit der Träger und werden individuell zwischen Jugendamt und Träger thematisiert. Eine Überbelegungspflicht besteht nicht. Eine realistische Überbelegung könnte bei kleineren Einrichtungen (bis drei Gruppen) die Überbelegung mit einem Kind sein, in größeren Einrichtungen (ab vier Gruppen) die Überbelegung mit zwei Kindern. So ließe sich eine realistische zusätzliche Kapazität von 28 Plätzen (8 + 20 Plätze) bereitstellen. Die Träger der Kindertagesbetreuung wurden hierzu zunächst vorsorglich und formlos angefragt, ob weitere Aufnahmen im Rahmen von Überbelegungen im Bedarfsfall aus Trägersicht in Frage kommen könnten, die Bereitschaft war und ist hier grundsätzlich groß.

 

 

Besuch von Schulen

 

Die Zuweisung von Schüler/innen (SuS) an Schulen im Primarbereich (Kl. 1-4) erfolgt in direkter Abstimmung zwischen Schulen und Schulträger. Ziel ist, die ankommenden SuS kurzfristig direkt in den altersentsprechenden Klassen, gleichmäßig verteilt auf alle 5 Grundschulstandorte, zu beschulen. Die derzeit bereits in Haan angekommenen 8 SuS des Primarbereichs sollen am Standort Bollenberg beschult werden. Danach werden SuS sukzessiv auf alle anderen Grundschulstandorte verteilt. Hierzu haben alle Schulleitungen ihre Kapazitäten der einzelnen Standorte benannt, so dass in Abstimmung zwischen Schulverwaltung und dem Sozial und Integrationsmanagement der Stadt Haan schnell und zielgerichtet gehandelt werden kann. Ab der Sekundarstufe I erfolgt eine Zuweisung der SuS über das Kreisintegrationszentrum (KI). Nach aktueller Vorgabe der Schulaufsicht soll in Haan in Abstimmung mit den Schulleitungen vor Ort nach dem sog. „Duisburger Modell“ verfahren werden, d.h. die Gesamtschule ist zuständig für die Aufnahme von SuS der Klassen 5-7 und das Gymnasium für die Klassen 7-9. Ab der Klasse 10 gehen die SuS an die Berufskollegs. Auch hier liegt neben der Sprachförderung der Fokus auf bestmöglicher Integration in bestehende Klassenverbände. Die Kinder der Gesamtschule verbleiben nach der zweijährigen Förderphase (Erst- und Anschlussförderung) auf der Schule und die Kinder des Gymnasiums verbleiben je nach Bildungsstand ebenfalls dort oder wechseln direkt in die Berufskollegs.  Neben der Förderung in den Schulen durch die dort implementierten Maßnahmen gibt es bereits Angebote des Vereins „Du-Ich-Wir“, der die Schulen vor Ort flankierend unterstützen möchte. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass alle Prozesse in Haan schulübergreifend gemeinsam abgestimmt werden und hier eine bemerkenswerte Solidarität unter allen Schulleitungen besteht, die sich dieser Herausforderung gleichermaßen stellen im Interesse der ankommenden Familien und ihrer schulpflichtigen Kinder.

Beschlussvorschlag:

 

1.    Der Bericht der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.

 

2.    Die Verwaltung schlägt vor,

 

kurzfristig

 

a)    die Unterkunft Düsseldorfer Str. 141a zu ertüchtigen
(Kosten i. H. v. ca. 65 bis 80 T€, Vorlaufzeit ca. 3 bis 6 Monate)

b)    die Sporthalle Adlerstraße als Flüchtlingsunterkunft herzurichten. Die Einrichtungsleitung wird durch das DRK gestellt.

c)    eine Drei-Zimmer-Wohnung des Bauvereins ab dem 01.04.2022 anzumieten (527,70 € Warmmiete im öffentlich geförderten Segment)

 

3.    Die Verwaltung wird beauftragt, einen Vorschlag für die mittel- bis langfristige Flüchtlingsunterbringung auf dem städtischen Grundstück an der Kampheider Straße zu machen.

Finanz. Auswirkung:

 

Die finanziellen Auswirkungen sind in ihrer Gesamtheit noch nicht zu beziffern. Es ist davon auszugehen, dass zeitverzögert ein größerer Teil der zusätzlichen Aufwendungen durch die FlüAG-Pauschale des Landes refinanziert wird. Klar ist jedoch, dass die Stadt zunächst in Vorleistung treten muss.