Sachverhalt:
Sachstandsbericht
der Verwaltung zum Krieg in der Ukraine und die Auswirkungen auf unsere Kommune
Vor dem Hintergrund des Krieges in der
Ukraine berichtet die Verwaltung im Folgenden zu den Auswirkungen des Krieges
in der Ukraine und seine Folgen für Haan:
Die Verwaltung hat wegen der starken
Fluchtbewegungen einen Stab für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) eingerichtet.
Aktuell und absehbar in den nächsten Wochen ist die Lage dynamisch, sodass sich
die Erkenntnisse nahezu täglich verändern können. Daher werden als
Entscheidungsgrundlage für den SAE alle maßgeblichen Informationen in eine
Datenbank eingepflegt und ständig aktualisiert.
Wie andere Kommunen profitiert auch die Stadt
Haan von ihren Erfahrungen aus den Jahren 2015/16. Im Unterschied zu damals ist
aktuell allerdings eine neue Herausforderung zu bewältigen: Angesichts der
Tatsache, dass Kriegsvertriebene aus der Ukraine im Bundesgebiet Freizügigkeit
genießen und ihren Wohnort somit frei wählen können, ist bislang noch keine
ausgewogene Verteilung der Menschen gelungen.
Erstverteilung durch das sog. EASY-Verfahren
Erst seit der 11. KW ist klar, dass das sog.
EASY-Verfahren wieder Anwendung findet. So erfolgt die Erstverteilung der
Asylsuchenden vor der Antragstellung beim Bundesamt für Migration seit dem
01.04.1993 durch ein computergestütztes System – EASY - Erstverteilung
Asylbegehrende – nach einer festgelegten Aufnahmequote auf die Bundesländer. Ziel
ist eine angemessene und gerechte Verteilung auf die Bundesländer. Die
Aufnahmequote der einzelnen Bundesländer richtet sich nach dem sogenannten
"Königsteiner Schlüssel". Der Anteil, den ein Land danach tragen
muss, richtet sich zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen und zu
einem Drittel nach der Bevölkerungszahl und wird jährlich durch das Büro
der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz neu berechnet. Die NRW betreffende
Aufnahmequote liegt derzeit bei 21,56%.
Dieses Verfahren bedingt, dass Schutzsuchende
zunächst an die Landeserstaufnahmeeinrichtungen verwiesen werden, wo sie
registriert werden, um dann entsprechend der individuellen Leistungsfähigkeit
und Aufnahmekapazitäten auf die Kommunen weiterverteilt zu werden. Der für Haan
geltende Verteilerschlüssel für Menschen aus den Erstaufnahmeeinrichtungen
liegt derzeit bei 0,16%
Mit Stand 22.03.2022 geht die Verwaltung aus,
dass sich 111 Kriegsvertriebene,
davon 44 Kinder und Jugendliche in Haan aufhalten.
Unterbringung
Kriegsvertriebe aus der Ukraine, die bereits
in Haan angekommen sind, die auch weiterhin gezielt nach Haan kommen oder seitens
des Landes zugewiesen werden, werden wie folgt mit Unterkünften versorgt:
Mit Priorität 1 sind Kriegsvertriebene
aus der Ukraine privat untergebracht worden – teilweise bei Verwandten
oder Bekannten, teilweise bei Familien, die sich auf den Aufruf der Stadtverwaltung
gemeldet haben und Menschen zumindest für eine Übergangszeit eine Bleibe
bieten. Insgesamt leben zurzeit ca. 80 Kriegsvertriebene in privaten
Unterkünften. Das private Engagement wird jedoch nach Einschätzung der
Verwaltung bis auf Ausnahmefälle nicht über viele Monate aufrechterhalten
werden (können). Anschlusslösungen werden daher bereits in den Fokus genommen.
Gleichzeitig werden dem Amt für Soziales und Integration weiterhin neue
Angebote unterbreitet, die z.T. auch eine längerfristige Perspektive
beinhalten. Alle Angebote werden von Mitarbeitenden des Amtes für Soziales und
Integration sorgfältig geprüft. Außerdem wird Kontakt zu den Gastfamilien
gehalten, um bei Fragen und Problemen unterstützen zu können.
Mit Priorität 2 sind 17 Vertriebene
bereits in die städtischen Unterkünfte aufgenommen worden. Es stehen noch
ca. 70 Plätze in den städtischen Unterkünften zur Verfügung. Es ist jedoch zu
beobachten, dass Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes derzeit entlastet werden.
In diesem Kontext sind der Stadt Haan für die 12. KW zusätzlich zu den
Kriegsvertriebenen aus der Ukraine 10 Ortskräfte und weitere 8 reguläre
Flüchtlinge aus Afghanistan zugewiesen worden. Es ist damit zu rechnen, dass
weitere Zuweisungen in den nächsten Wochen und Monaten verstärkt zu
administrieren sind. Plätze in den städtischen Unterkünften stehen damit nur
noch für einen kurzen Zeitraum zur Verfügung. Diese Entwicklung wird eine
maximale Verdichtung in den Unterkünften zur Folge haben. Auch lässt sich
eine strikte Trennung zwischen Geflüchteten und Wohnungslosen in der aktuellen
Lage nicht mehr aufrechterhalten. Die Nutzung von Haus Rheinland und Haus Westfalen (ehem. LFS) ist
unwirtschaftlich (0,5 bis 1 Mio. Euro) und benötigt eine Vorlaufzeit von mind. sechs
bis neun Monaten. Das ehem. VHS-Gebäude und die Turnhalle Bachstr. sind
abgängig (Heizung und Sanitär fehlt, Feuchtigkeit, Abriss geplant). Kaiserstr.
21 kann nach Brand nicht genutzt werden (Strom ist abgestellt).
Die Verwaltung schlägt vor, mit Priorität
3 alle verfügbaren Hotelzimmer in Haan für Vertriebene anzumieten,
auch wenn die hierfür anfallenden Kosten nach aktuellem Erkenntnisstand die
Erstattung durch die FlüAG-Pauschale übersteigen werden. Erste Ortsbesichtigungen
und Verhandlungen haben Erfolg gehabt. Eine auch längerfristige Unterbringung
von 30 bis 35 Menschen ist damit sichergestellt. Weitere Objekte sind noch in
der Prüfung. Bisher sind 13 Personen im Haus
Poock untergebracht worden.
Die Verwaltung schlägt vor, kurzfristig die Unterkunft
Düsseldorfer Str. 141a notdürftig zu ertüchtigen. Hierfür fallen Kosten
i.H.v. ca. 65 bis 80 T€ an. Mit der Fertigstellung ist in ca. sechs Monaten zu
rechnen.
Nach Einschätzung des SAE wird die Anzahl der
Menschen, die eine Unterkunft und Versorgung benötigen, in der zweiten
April-Hälfte deutlich ansteigen. Spätestens dann muss eine größere
Notunterkunft für eine Vielzahl an Vertriebenen bereitstehen. Die Verwaltung
schlägt vor, hierfür die Sporthalle an der Adlerstraße zu nutzen und
durch das DRK betreiben zu lassen. Die Halle muss für die notwendigen
Vorbereitungsarbeiten ab dem 28.03.2022 geschlossen werden. Spanplatten für die
Abdeckung des Hallenbodens sind bereits beschafft worden.
Betreuung durch die Stadtverwaltung
Die Stadt Haan muss sich somit kurz- und
mittelfristig auf deutlich steigende Zuweisungen und Verteilungen aus den
Landeserstaufnahmeeinrichtungen vorbereiten und die Unterbringung zur
Vermeidung von Obdachlosigkeit sowie die finanzielle Versorgung über
Transferleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sicherstellen
(Pflichtaufgabe). Die soziale Betreuung übernimmt das städtische Sozial- und
Integrationsmanagement (SIM). Die Ehrenamtskoordinatorin wie auch
das gesamte Ehrenamtsnetzwerk in Haan sind sehr engagiert, um den
Kriegsvertriebenen ein gutes Willkommen und praktische Unterstützung in Haan
angedeihen zu lassen. So werden beispielsweise spezielle Termine bei der
Kleiderkammer auch an den Wochenenden ermöglicht. Die Tätigkeit der
Ehrenamtskoordinatorin erhält Unterstützung durch Erzieherinnen im
Beschäftigungsverbot, welche sich aus dem Homeoffice mit Gastfamilien und
weiteren Ehrenamtlichen austauschen. Das gesamte Amt für Soziales und Integration
unterstützt den Prozess, so auch durch Pflege der Datenbank mit den
Wohnangeboten und weiteren Spendenzusagen.
Im Bereich Asyl werden die
Leistungsanträge bearbeitet. Das technische Dezernat hat alle denkbaren
Immobilien und Grundstücke einer Einschätzung zu einer kurz- bzw.
mittelfristigen Nutzbarkeit für die Unterbringung von Kriegsvertriebenen
unterzogen und damit einen wertvollen Beitrag geleistet. Ebenfalls beteiligt
sind das Ordnungsamt und die Wirtschaftsförderung. Die gesamte
Verwaltung unterstützt die Arbeit des SAE, damit die Kriegsvertriebenen in Haan
trotz schwieriger Rahmenbedingungen den bestmöglichen Start haben.
Wichtig ist aus Sicht der Verwaltung vor
allem bezahlbarer Wohnraum für die Menschen, die langfristig oder dauerhaft in
Haan bleiben. Eine Unterbringung in einer Sporthalle ist einer Integration
nicht förderlich und somit nur vorübergehend als Notlösung hinnehmbar. Auch der
langfristige Verbleib in einer städtischen Unterkunft ist nach Überzeugung der
Verwaltung für eine nachhaltige Integration nicht hilfreich, insbesondere wenn
Kinder davon betroffen sind.
Kinderbetreuung
In Bezug auf die Plätze in der
Kinderbetreuung kann mitgeteilt werden, dass der aktuelle Regelbetrieb keine
regulären, zusätzlichen Betreuungsplatzkapazitäten vorsieht.
Ferner besteht jedoch rechtlich und auch
praktisch die Möglichkeit, Überbelegungen einzelner Gruppen in den Kitas
vorzunehmen. Aus pädagogischer Sicht ist dagegen unter der Voraussetzung einer
ausreichenden Personaldecke nichts einzuwenden. Überbelegungen sind jedoch
Angelegenheit der Träger und werden individuell zwischen Jugendamt und Träger
thematisiert. Eine Überbelegungspflicht besteht nicht. Eine realistische
Überbelegung könnte bei kleineren Einrichtungen (bis drei Gruppen) die Überbelegung
mit einem Kind sein, in größeren Einrichtungen (ab vier Gruppen) die
Überbelegung mit zwei Kindern. So ließe sich eine realistische zusätzliche
Kapazität von 28 Plätzen (8 + 20 Plätze) bereitstellen. Die Träger der
Kindertagesbetreuung wurden hierzu zunächst vorsorglich und formlos angefragt,
ob weitere Aufnahmen im Rahmen von Überbelegungen im Bedarfsfall aus
Trägersicht in Frage kommen könnten, die Bereitschaft war und ist hier
grundsätzlich groß.
Besuch von Schulen
Die Zuweisung von Schüler/innen (SuS) an Schulen im Primarbereich (Kl. 1-4) erfolgt in direkter Abstimmung zwischen Schulen und Schulträger. Ziel ist, die ankommenden SuS kurzfristig direkt in den altersentsprechenden Klassen, gleichmäßig verteilt auf alle 5 Grundschulstandorte, zu beschulen. Die derzeit bereits in Haan angekommenen 8 SuS des Primarbereichs sollen am Standort Bollenberg beschult werden. Danach werden SuS sukzessiv auf alle anderen Grundschulstandorte verteilt. Hierzu haben alle Schulleitungen ihre Kapazitäten der einzelnen Standorte benannt, so dass in Abstimmung zwischen Schulverwaltung und dem Sozial und Integrationsmanagement der Stadt Haan schnell und zielgerichtet gehandelt werden kann. Ab der Sekundarstufe I erfolgt eine Zuweisung der SuS über das Kreisintegrationszentrum (KI). Nach aktueller Vorgabe der Schulaufsicht soll in Haan in Abstimmung mit den Schulleitungen vor Ort nach dem sog. „Duisburger Modell“ verfahren werden, d.h. die Gesamtschule ist zuständig für die Aufnahme von SuS der Klassen 5-7 und das Gymnasium für die Klassen 7-9. Ab der Klasse 10 gehen die SuS an die Berufskollegs. Auch hier liegt neben der Sprachförderung der Fokus auf bestmöglicher Integration in bestehende Klassenverbände. Die Kinder der Gesamtschule verbleiben nach der zweijährigen Förderphase (Erst- und Anschlussförderung) auf der Schule und die Kinder des Gymnasiums verbleiben je nach Bildungsstand ebenfalls dort oder wechseln direkt in die Berufskollegs. Neben der Förderung in den Schulen durch die dort implementierten Maßnahmen gibt es bereits Angebote des Vereins „Du-Ich-Wir“, der die Schulen vor Ort flankierend unterstützen möchte. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass alle Prozesse in Haan schulübergreifend gemeinsam abgestimmt werden und hier eine bemerkenswerte Solidarität unter allen Schulleitungen besteht, die sich dieser Herausforderung gleichermaßen stellen im Interesse der ankommenden Familien und ihrer schulpflichtigen Kinder.
Beschlussvorschlag:
1.
Der Bericht
der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.
2. Die Verwaltung schlägt vor,
kurzfristig
a) die Unterkunft Düsseldorfer Str. 141a zu ertüchtigen
(Kosten i. H. v. ca. 65 bis 80 T€, Vorlaufzeit ca. 3 bis 6 Monate)
b) die Sporthalle Adlerstraße als Flüchtlingsunterkunft herzurichten. Die
Einrichtungsleitung wird durch das DRK gestellt.
c) eine Drei-Zimmer-Wohnung des Bauvereins ab dem 01.04.2022 anzumieten
(527,70 € Warmmiete im öffentlich geförderten Segment)
3. Die Verwaltung wird beauftragt, einen Vorschlag für
die mittel- bis langfristige Flüchtlingsunterbringung auf dem städtischen
Grundstück an der Kampheider Straße zu machen.
Finanz. Auswirkung:
Die finanziellen Auswirkungen sind in ihrer
Gesamtheit noch nicht zu beziffern. Es ist davon auszugehen, dass zeitverzögert
ein größerer Teil der zusätzlichen Aufwendungen durch die FlüAG-Pauschale des
Landes refinanziert wird. Klar ist jedoch, dass die Stadt zunächst in
Vorleistung treten muss.