Betreff
Beschluss des UMA vom 23.11.22 zum Bürgerantrag Kampheider Straße
hier: Prüfung der Einrichtung von Schwellen und Vorschlag hierfür geeigneter Örtlichkeiten und Datenvergleich als Aufträge an die Verwaltung
Vorlage
66/042/2022
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

In der Diskussion über den Bürgerantrag zur Verkehrssituation Kampheider Straße wurde aus den Reihen der Ausschussmitglieder auf diverse Schwellen hingewiesen, die auf der Alternativstrecke Eipassstraße auf Solinger Stadtgebiet eingerichtet seien. Aus der Schlussfolgerung, dass diese geschwindigkeitsreduzierenden Maßnahmen der Grund dafür seien, dass die Verkehrsteilnehmenden die Fahrtstrecke über Haaner Gebiet wählen würden, entstand der Wunsch, einer solchen Verkehrsverlagerung durch den Bau von Schwellen auf Haaner Stadtgebiet entgegenzuwirken. Die Verwaltung wurde daher beauftragt, die Einrichtung von Schwellen zu prüfen und hierfür geeignete Örtlichkeiten am Ortseingang vorzuschlagen.

 

Mit Beschluss vom 23.11.22 wurde die Verwaltung beauftragt, die mittels städtischer Geschwindigkeitsmessung erhobenen Verkehrsdaten an der Kampheider Straße den im VEP des Gutachters Runge dokumentierten Daten der Verkehrserhebung gegenüberzustellen und Alternativen vorzustellen, wie die Kampheider Straße ab dem Ortseingangsschild in Haan durch Fahrbahnschwellen eingebremst werden kann. Außerdem sollte erörtert werden, welche Möglichkeiten bestehen, um den Verkehr in die Kampheider Straße zu erschweren.

 

Seitens der WLH wurde ergänzend darum gebeten, eine Argumentation bezüglich der Wirksamkeit eines Vorwegweisers darzustellen.

 

Stellungnahme der Verwaltung

Aufgrund gesetzlicher Vorgabe ist die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs vorrangige Zielsetzung. Beschränkungen des Verkehrs, zu denen auch verkehrsberuhigende Maßnahmen zählen, dürfen daher nur dort ergriffen werden, wo ein zwingendes Erfordernis besteht und das Ziel (hier: eine Verkehrsberuhigung) tatsächlich auch erreicht werden kann. Ein zwingendes Erfordernis wäre beispielsweise eine erhöhte Unfalllage oder der Schutz sensibler Einrichtungen. Der verständliche Wunsch nach Verbesserung der Wohnqualität hingegen stellt kein zwingendes Erfordernis dar. Um die Rechtmäßigkeit der gewünschten Maßnahme sicherstellen zu können, waren daher zunächst ihre Erforderlichkeit und ihre Zweckmäßigkeit zu prüfen.

Hierfür wurde die auf Solinger Stadtgebiet bestehende Verkehrs- und Wohnsituation mit der Situation auf Haaner Stadtgebiet bis zum Erreichen des Autobahnanschlusses Haan-Ost verglichen.

 

Haaner Stadtgebiet:

14 Häuser grenzen mit Ihren Grundstücken so an die Kampheider Straße, dass das Verkehrsaufkommen geeignet ist, die Wohnqualität zu reduzieren.

6 Häuser haben die Adresse Kampheider Straße, die Ausfahrten von 3 Häusern sind so angelegt, dass eine Wendung auf dem Grundstück nicht möglich ist und die Ausfahrt daher auch im Rückwärtsgang erfolgen muss. Die Ausfahrten sämtlicher weiterer, vom Verkehrsaufkommen mittelbar betroffener Einwohner (z. B. Kampheider Feld), erfolgen vorwärts über eine geeignete Ausfahrt unter guten bis akzeptablen Sichtverhältnissen.

Im Einmündungsbereich Landstraße ist die Ausfahrt auf die Landstraße mittels separatem Abbiegestreifen Richtung Autobahn bzw. in die Kampheider Straße auch im Berufsverkehr recht gut möglich. Richtung Autobahn ist die Durchfahrt durch das Gewerbegebiet bis zum Erreichen der Lichtsignalanlage Backesheide ungehindert und sicher möglich. Bis zum Erreichen der jeweiligen Autobahnauffahrt sind eine bzw. zwei LSA zu berücksichtigen. Die Fahrtstrecke verläuft zudem weitestgehend außerhalb von Wohnbebauung und somit frei von Unwägbarkeiten wie Fußgängerquerungen oder von Grundstücken bzw. dem Seitenstreifen einfahrender Kraftfahrzeuge.

 

Solinger Stadtgebiet:

Bis zum Erreichen der großen Splittersiedlung an der Eipassstraße, sind bereits 8 Wohngebäude mit direkter Zufahrt zur Eipassstraße zu passieren. Die Straße ist – vergleichbar mit der Fahrtstrecke über Haaner Gebiet (d. h. Kotzerter Straße und die darauf folgende Kampheider Straße) ausgesprochen schmal und nur mit erhöhter Aufmerksamkeit im Gegenverkehr zu befahren. Direkt am Beginn und am Ende der genannten, größeren Splittersiedlung befinden sich - zur Verkehrsberuhigung gebaute - Aufpflasterungen (Berliner Kissen), die sich jedoch sehr gut befahrbaren lassen und daher keine abschreckende Wirkung haben.

 

Im Bereich der Splittersiedlung sind Parkmöglichkeiten alternierend angeordnet, um eine konstante Drosselung der Geschwindigkeit im Bereich der Wohnbebauung zu erzielen. An den Einmündungen „Am Roggenkamp“, „Westring“ und der alten „Gräfrather Straße“ sind drei Lichtsignalanlagen zu passieren. Künftig wird mit der Inbetriebnahme der LSA am Daimler Truckcenter eine weitere LSA potentiell für eine Verlängerung der Fahrtzeit sorgen, so dass Verkehrsteilnehmer auf dieser Fahrtstrecke bis zum Erreichen der jeweils gewünschten Autobahnauffahrt gleich vier bis fünf Lichtsignalanlagen zu berücksichtigen haben. Demgegenüber ist die Fahrtstrecke über die Kampheider Straße zwar um ca. 600 m länger, bietet jedoch mit nur ein bis zwei LSA eine deutlich verzögerungsfreiere Fahrtmöglichkeit.

 

Fazit: Bei vergleichbarem Ausbau- und Straßenzustand beider Fahrtstrecken, wird sich der Verkehrsteilnehmende bereits wegen der vier möglichen Rotlichtphasen und der größeren Unwägbarkeiten innerhalb einer über längere Strecke auf der Eipassstraße zu durchfahrenden Wohnbebauung überwiegend gegen diese Fahrtstrecke und für die Fahrt über Haaner Stadtgebiet entscheiden.

 

Der Bau von verkehrsberuhigenden Maßnahmen in Form von Schwellen und Kissen zu Beginn des Haaner Stadtgebietes bliebe angesichts der weiterhin deutlich unkomfortableren Fahrt über die Eipassstraße und des ganz erheblichen Fahrzeugaufkommens wirkungslos. Das Ziel einer effektiven Reduzierung des Verkehrsaufkommens wäre damit nicht erreichbar.

 

Ein Umbau des Einmündungsbereiches Landstraße zwecks Erschwerung des Abbiegeverkehrs Fahrtrichtung Autobahn ginge – abgesehen von der rechtlichen Unzulässigkeit – zu Lasten aller derzeitigen und künftigen Anwohnenden der Kampheider Straße sowie des großen Wohngebietes im Einzugsbereich der Kampstraße.

 

Längere Wartezeiten im Einmündungsbereich Landstraße hätten erhöhte Lärm- und Schadstoffemissionen zur Folge und würden damit auch Lärm- und Klimaschutzzielen zuwiderlaufen. Um den künstlich herbeigeführten Rückstau zu umfahren, wäre eine verstärkte Ausfahrt aus dem Wohngebiet Kampstraße über den Knotenpunkt Kampstraße/B228 und damit eine stärkere innerstädtische Belastung der B228 zu erwarten.

 

Der Umbau des Einmündungsbereiches Kampheider Straße/Kampstraße – obwohl nach ersten Erkenntnissen mit einer V 85 von 28 km/h durchaus erfolgreich - wird von den Beschwerdeführern   u. a. hinsichtlich der Geschwindigkeitsreduzierung als unzureichend bewertet. Informationen über eine zu berücksichtigende Unfalllage auf freier Strecke oder auch im Bereich des Knotens Kampstraße/Kampheider Straße liegen der SVB bislang nicht vor.

 

Schwellen, die weit entfernt von Wohnbebauung auf freier Strecke errichtet werden, hätten lediglich die Zielsetzung, das Verkehrsaufkommen zu reduzieren. Eine Sicherheitsrelevanz wäre an einer solchen Stelle jedoch nicht ersichtlich.

 

Schwellen in unmittelbarer Nähe zu einzelnen Wohngebäuden wären zwar geeignet, die Geschwindigkeit punktuell zu drosseln, Beschwerden von Anwohnenden dieser einzelstehenden Gebäude sind jedoch vor Unterschriftensammlung für den Bürgerantrag nach Kenntnisstand der SVB nicht geführt worden. Hinweise auf eine kritische Sicherheitslage liegen nicht vor.

 

Die Maßnahme wäre somit als rechtlich unzulässig zu bewerten und würde für Motorradfahrende sogar latentes Gefahrenpotential bergen.

 

Gegenüberstellung der Verkehrsdaten

Der Auftrag zur Gegenüberstellung der Verkehrsdaten resultierte aus der im Bürgerantrag geschilderten Situation, der Umbau des Einmündungsbereiches Kampstraße/Kampheider Straße hätte zu einer Erhöhung des Verkehrsaufkommens geführt. Da eine Datenerhebung direkt vor Beginn der Maßnahme nicht erfolgte, kann ein Datenvergleich vorher/nachher nicht erfolgen.

 

In der Erhebung des VEP aus 2015 fehlt die hier relevante Zählstelle Kampheider Straße/Kampstraße. Im VEP I von 2008 wurden auf der Kampheider Straße jedoch bereits 26 Prozent des Gesamtverkehrsaufkommens des Kfz-Durchgangsverkehrs und 0,6 Prozent des Gesamt-LKW-Aufkommens auf Haaner Stadtgebiet gezählt. Die Angabe „weniger als 2000 Kfz an der Zählstelle Kampheider Straße/ Kampstraße“ bzw. „3000-4000 Kfz an der Zählstelle Kampheider Straße Landstraße“, jeweils in einem Zeitraum von 3 Stunden, lassen einen direkten Vergleich mit den aktuellen Daten der städtischen Messung von April 2021 nicht zu. Allerdings wird dennoch sehr deutlich, dass die Kampheider Straße schon in 2008 ein ganz erhebliches Verkehrsaufkommen an Durchgangsverkehr zu verzeichnen hatte, so dass die Kampheider Straße als überörtliche Verbindung zwischen den Städten Solingen und Haan bereits zu diesem Zeitpunkt im Bereich einer klassifizierten Straße angesiedelt werden konnte.

 

Auf die Darstellung der aus entwässerungstechnischer und fachtechnischer Sicht bestehenden Problematik wurde zunächst verzichtet, dies wird bei Bedarf jedoch gerne nachgereicht.

 

Erläuterung zum Thema Wegweisende Beschilderung

Der Gutachter Runge führt 2018 zum Thema Wegweisungsbeschilderung aus: „...die Stadt Haan ist aus dem Solinger Stadtgebiet über 4 Routen ausgewiesen. … Es zeigt sich, dass die Ausweisung des Haaner Stadtgebietes konsequent über das Hauptverkehrsstraßennetz und auf dem kürzesten Weg erfolgt. Die Wegweisungsbeschilderung innerhalb der Stadt Haan nach Solingen bzw. Solingen-Ohligs ist entsprechen in der Gegenrichtung vorgenommen.“ Eine Änderung der Beschilderung sieht der Gutachter als nicht sinnvoll an. (4-33)

 

Da die Wahrnehmung von Schildern durch die Fahrzeugführenden begrenzt ist, ist auch eine Schilderhäufung zu vermeiden. Die Wahrnehmung verkehrswichtiger Schilder verbessert sich, wenn die Sinneseindrücke nicht durch zu viele Eindrücke bzw. Informationen überfrachtet werden. Aus diesem Grund sind nur zwingend notwendige Schilder aufzustellen.

 

Angesichts eines Verkehrsaufkommens von täglich ca 4.500 Fahrten ist der zu erwartenden Erfolg eines Hinweises auf eine Alternativstrecke verschwindend gering. Von einer zwingenden Notwendigkeit zur Aufstellung eines wegweisenden Schildes kann daher keine Rede sein. Da Navigationsgeräte die Kampheider Straße als mögliche Verbindungsstrecke nach Solingen angeben und Ortskundige sich bewusst für diese Fahrtstrecke entscheiden, wird das mit Verkehrszeichen 250 und Zusatz angeordnete Verbot der Einfahrt für Nichtanlieger vorsätzlich ignoriert so dass die Aufstellung einer wegweisenden Beschilderung ohne Effekt bleiben würde.

 

Auf den im Ratsinformationssystem zum UMA am 23.11.21 eingestellten Bürgerantrag Kampheider Straße und die Beschlussvorlage Nr. 66/035/2021 wird ergänzend verwiesen.  

Beschlussvorschlag:

 

Der Bürgerantrag wird abgelehnt.

Nachhaltigkeitseinschätzung:

 

Keine Auswirkung bei Verzicht auf bauliche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung aufgrund des konstanteren Verkehrsflusses.

 

Erhöhung von Energieverbrauch, Schadstoff- und Lärmemissionen durch wechselnde Geschwindigkeiten im Bereich geschwindigkeitsreduzierender baulicher Elemente und Verlängerung von Wartezeiten im Einmündungsbereich Landstraße bei Umsetzung baulicher Maßnahmen.