Hier: Einleitungsbeschluss, Beschluss über die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung
Sachverhalt:
Grundlagen zur Lärmaktionsplanung
Die Lärmaktionsplanung ist ein Planungsinstrument, das an der Belastung durch Umgebungslärm ansetzt. Den rechtlichen Hintergrund bildet der sechste Teil des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG)[1] über die Lärmminderungsplanung in Verbindung mit der europäischen Umgebungslärmrichtlinie[2].
Umgebungslärm wird dabei gem. § 47 b BImSchG als belästigende oder gesundheitsschädliche Geräusche im Freien definiert, die durch Aktivitäten des Menschen ausgelöst werden. Hierin ist auch Lärm inbegriffen, der durch Straßenverkehr und Schienenverkehr entsteht.
In NRW sind zum einen die Kommunen für die Aufstellung von Lärmaktionsplänen verantwortlich.[3] Der Lärmaktionsplan ist dabei keine eigenständige Rechtsgrundlage z. B. zur Durchführung von Maßnahmen baulicher oder straßenverkehrlicher Art, sondern es sind zur Durchführung die sogenannten „spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen“ anzuwenden.
Zudem sind die Kommunen zwar die planaufstellende Behörde, selbst aber häufig nicht für die Durchführung von denkbaren Maßnahmen zuständig. Maßnahmen können nur wirksam in den Lärmaktionsplan aufgenommen werden, wenn die für die Umsetzung zuständigen Behörden bzw. Träger öffentlicher Verwaltung dem zugestimmt haben.
Die Stadt Haan hat im Jahr 2013 (Stufe 1), 2017 (Stufe 2) und 2022 (Stufe 3) Lärmaktionspläne erstellt. Gemäß § 47 d Abs. 5 BImSchG sind die Lärmaktionspläne alle 5 Jahre nach dem Zeitpunkt ihrer Aufstellung zu überprüfen und erforderlichenfalls zu überarbeiten.
Gem. § 47 d Abs. 3 wird die Öffentlichkeit zu Vorschlägen für Lärmaktionspläne gehört. Sie erhält rechtzeitig und effektiv die Möglichkeit, an der Ausarbeitung der Lärmaktionspläne mitzuwirken.
Als Grundlage für die Lärmaktionsplanung gem. § 47d BImSchG wird Umgebungslärm rechnerisch ermittelt und in Lärmkarten gem. § 47c BImSchG dargestellt. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) führt für Kommunen, die nicht Ballungsräume sind – somit auch für Haan – die Lärmkartierung durch.
Die Lärmkarten der 4. Runde werden voraussichtlich ab Anfang Mai 2023 nach Abschluss der Korrekturrunde im Umgebungslärmportal der Öffentlichkeit präsentiert. Für die Stadt Haan steht mit der Finalisierung der Lärmkartierung der 4. Runde durch das LANUV der Start in die 4. Runde der Lärmaktionsplanung an.
Lärmaktionsplanung im Kontext weiterer (räumlicher)
Planungen
Die Lärmaktionsplanung ist eine integrierte Planung. Sie ist mit der Bauleitplanung, der Verkehrsentwicklungsplanung und anderen gemeindlichen Planungen wie der Stadtentwicklungsplanung verzahnt. Z. B. sind bei der Aufstellung von Bauleitplänen Darstellungen von Plänen des Immissionsschutzrechtes nach § 1 Abs. 6 Nr. 7g Baugesetzbuch (BauGB) zu berücksichtigen, so auch die Festsetzung ruhiger Gebiete. Im Außenbereich können im Einzelfall ruhige Gebiete der Zulassung von nicht privilegierten Vorhaben nach § 35 Abs. 3 Nr. 2 BauGB entgegenstehen.
Neuerungen in der 4. Runde der Lärmminderungsplanung
Durch Änderungen in der EU-Umgebungslärmrichtlinie, durch die zwischenzeitlich erfolgte europäische Harmonisierung der Berechnungsverfahren für den Umgebungslärm – und auch als Resonanz auf das laufende Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland – wird die
4. Runde der Lärmaktionsplanung sowohl national sowie in NRW verschiedene Neuerungen beinhalten.
Die Stadt Haan wurde u. a. über das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (MULNV NRW) nachrichtlich über teils grundlegende Änderungen unterrichtet.
Europäische Rechtsprechung zur Aufstellung von
Lärmaktionsplänen
Mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) wurde die Pflicht zur Aufstellung von Lärmaktionsplänen konkretisiert.
Nach einer Entscheidung des EuGHs zum Vertragsverletzungsverfahren gegen einen anderen Mitgliedstaat müssen Lärmaktionspläne nunmehr generell für alle Bereiche aufgestellt werden, die von der verpflichtenden Lärmkartierung erfasst sind. Dies gilt unabhängig davon, wie hoch die Lärmpegel in den betreffenden Bereichen sind und auch unabhängig davon, ob es in den Bereichen Lärmbetroffenheiten gibt. In der 4. Runde der Lärmaktionsplanung besteht ein Ermessensspielraum nur bei der Frage, ob und welche Maßnahmen vorgesehen werden, nicht aber im Hinblick auf die Aufstellung des Lärmaktionsplans.
Die Stadt Haan wendet das Prinzip „Lärmkarte = Lärmaktionsplan“ bereits an. Somit ergibt sich hieraus keine Änderungsbedarf in Bezug auf die örtlich praktizierte Vorgehensweise.
Änderung der Berechnung des Umgebungslärms, Darstellung
der Lärmkarten
In der 4. Runde der Lärmaktionsplanung ist erstmals die europäisch harmonisierte Umgebungslärm-Berechnungsmethode „CNOSSOS-DE“ anzuwenden.
Die neue Berechnungsmethode für die Lärmkartierung beinhaltet u. a. geänderte Parameter bei der Schallausbreitungsrechnung und einen höheren Emissionsansatz bei den schweren LKW.
Der Umgebungslärm wird in Isophonenbändern für die Lärmindizes
- LDEN ab 55-59, ab 60-64, ab 65-69, ab 70-74, ab 75 dB (A) sowie
- LNight ab 50-54, ab 55-59, ab 60-64, ab 65-69, ab 70 dB (A) dargestellt.
Die Pegelklassen verschieben sich die um 0,5 dB (A) nach unten.[4]
Die Einwohnerverteilung erfolgt auf die lauteste Hälfte der Fassadenpunkte.
Bereits durch die Überführung der vormals anzuwendenden vorläufigen Berechnungsmethode in die aktuelle Berechnungsmethode sind auch in Haan rechnerisch erhebliche Betroffenenzuwächse – bis hin zu einer Vervielfachung –
zu erwarten.
Die Bund-/ Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI), die Hinweise zur Lärmaktionsplanung herausgibt, weist darauf hin, dass die Kartierungsergebnisse in der Regel nicht vergleichbar mit den Ergebnissen früherer Runden sind.
Damit die Lärmkarten auch (besser) von Menschen mit Sehbehinderungen gelesen werden können, gibt es eine Änderung der Farbgebung der Isophonen.
Planungserfordernis zur Aufstellung eines
Lärmaktionsplans der 4. Runde
Aus dem Mitte März vom LANUV übermittelten Arbeitsstand der Lärmkartierung geht hervor, dass es in Haan ausgehend von der A46, der L423 und der B228 Lärm im Sinne der Umgebungslärmrichtlinie gibt.
In Bezug auf die Autobahn und die Bundesstraße betrifft dies die Umgebung der gesamten Strecke und bei der Landesstraße die Umgebung eines Teilabschnittes. Dieser befindet sich zwischen der Stadtgrenze Mettmann und dem Knotenpunkt K 20n. Damit wird erstmals auch der Straßenabschnitt der L423 zwischen der Osterholzer Straße und der Düsseltalstraße erfasst. Die Teilabschnitte der L288 und die L357 sind hingegen nicht mehr Gegenstand der aktuellen Lärmkartierung des LANUV.
Die vorläufige Statistik des LANUV zur Anzahl der betroffenen Einwohner_innen aller untersuchten Straßen beinhaltet u. a. folgende Betroffenheiten:
Tabelle 1: Anzahl der
betroffenen Einwohner_innen der untersuchten Straßen
LDEN ab |
LDEN ab |
LDEN ab |
LDEN ab |
LDEN ab |
3194 |
963 |
1050 |
714 |
5 |
LNight ab |
LNight ab |
LNight ab |
LNight ab |
LNight ab |
1606 |
1193 |
779 |
10 |
0 |
Zudem werden ≥ 5 betroffene Schulen angegeben.
Die Modell- und Ergebnisdaten werden derzeit auf ihre Plausibilität geprüft.
Die Daten sind in jedem Fall dahingehend plausibel, dass die Auslösewerte für die Aktionsplanung erreicht werden und somit ein förmliches Planungserfordernis für die 4. Runde besteht.
Bearbeitungszeitraum, formelle Anforderungen an die
Berichterstattung
Nach den neuen Vorgaben liegen erstmals zwei Jahre zwischen der Frist zum Abschluss der Lärmkartierung und der Lärmaktionsplanung. Damit wird anerkannt, dass ein Jahr für die sachgerechte Aufstellung eines Lärmaktionsplans zu kurz ist. Die Lärmaktionspläne der 4. Runde sind bis zum 18.07.2024 zu erstellen bzw. zu überprüfen und zu überarbeiten.
Tatsächlich wird den Kommunen außerhalb der Ballungsräume in dieser Runde eher eine Verlängerung weniger Monate zur Verfügung stehen.[5]
Zudem haben sich die formalen Anforderungen an die Berichterstattung erhöht, was mit gewissen Herausforderungen verbunden sein kann.
Weitere Hinweise zum Inhalt und Verfahren der
Lärmaktionsplanung
Die LAI gibt Hinweise u. a. zum Inhalt, Verfahren und Analysemethoden der Lärmaktionsplanung, zur Prüfung, Festlegung und Umsetzung von Maßnahmen, zu ruhigen Gebieten, zur Verknüpfung mit anderen Planungen und zur Datenberichterstattung.
Auch sie betont, dass die Information und Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Lärmaktionsplanung ein entscheidender Faktor ist. Dabei lassen die rechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Verfahren zur Aufstellung und Überprüfung von Lärmaktionsplänen viel Freiraum. Sie empfiehlt ein zweistufiges Verfahren. Aus Sicht der Verwaltung ist damit auch eine höhere Verfahrenssicherheit verbunden.
Die Lärmbilanz 2020 des Umweltbundesamts kommt zu dem Ergebnis, dass die Identifizierung und Ausweisung von ruhigen Gebieten der bislang am häufigsten vernachlässigte Aspekt in Lärmaktionsplänen ist. Die für die Lärmaktionsplanung zuständigen Behörden sollten daher bei der Aufstellung und Überprüfung von Lärmaktionsplänen ein verstärktes Augenmerk auf den Schutz ruhiger Gebiete legen, auch um EU-rechtliche Defizite abzuwenden. Die bisherige Lärmaktionsplanung der Stadt Haan beinhaltet ein ruhiges Gebiet. Aufgrund der formellen Anforderungen wird die Stadt Haan das ruhige Gebiet / ruhige Gebiete mit einem konkreten Umring festlegen und melden müssen.
Beschlussempfehlung und weiteres Verfahren
Aufgrund der Ergebnisse der Lärmkartierung besteht eine Verpflichtung zur Erstellung eines Lärmaktionsplans der 4. Runde.
Die übergeordneten Behörden sehen es als unbedingt erforderlich an, dass die Lärmaktionspläne für die 4. Runde vollständig und pünktlich bis zum 18.07.2024 erstellt werden.
Sollte die Frist nicht eingehalten werden, ist nach Einschätzung des Bundesumweltministeriums mit der Einleitung eines Klageverfahrens durch die EU-Kommission zu rechnen, wobei Deutschland voraussichtlich unterliegen werde. Im Anschluss daran könnte die EU-Kommission ein Sanktionsverfahren einleiten.
Vor dem Hintergrund möglicher hoher Strafzahlungen der BRD im Vertragsverletzungsverfahren und da in der 4. Runde schon jetzt bei vielen Kommunen ein Zeitdefizit zu befürchten sei, wurde seitens der Bezirksregierung für alle Kommunen, die einen Lärmaktionsplan aufstellen müssen, eine engmaschige Begleitung angekündigt. Nach der Veröffentlichung der Lärmkarten wird fortlaufend vierteljährlich der aktuelle Sachstand der Lärmaktionsplanung zu berichten sein.
Die Verwaltung empfiehlt, in Anlehnung an die etablierten Verfahren der Bauleitplanung einen Einleitungsbeschluss zur Lärmaktionsplanung der 4. Runde zu fassen.
Sie empfiehlt zudem, sie auch bereits mit der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden zur Lärmaktionsplanung zu betrauen, damit im vorgegebenen Zeitraum ein zweistufiges Verfahren abgebildet werden kann.
Diese Beteiligungen würden auf der Grundlage der finalen Lärmkarten durchgeführt.
Die Verwaltung möchte dabei auch explizit dazu auffordern, sich mit Ideen zur Verortung von ruhigen Gebieten einzubringen.
Zur Erarbeitung des Lärmaktionsplans der 4. Runde ist entsprechend der Einplanung im Haushalt der Stadt Haan eine gutachterliche Begleitung vorgesehen.
Die Verwaltung strebt an, auf der Grundlage der Beteiligungsergebnisse bis Ende des Jahres einen Entwurf des Lärmaktionsplans der 4. Runde als überarbeiteten Lärmaktionsplan der 3. Runde in den Fachausschuss einzubringen.
[1] BImSchG §§ 47 a-f
[2] Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juli 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm
[3] Des Weiteren erstellt das Eisenbahnbundesamt einen bundesweiten Lärmaktionsplan für die Haupteisenbahnstrecken des Bundes mit Maßnahmen in Bundeshoheit (siehe auch Informationsseite unter www.laermaktionsplanung-schiene.de).
[4] Beispiel Pegelklasse 55 bis 60 dB (A)
Runde
3: Pegelwerte > 55,00 dB (A)bis < = 60,00 dB (A)
Runde 4: Pegelwerte > 54,49999 dB (A)bis < = 59,49999 dB (A)
[5] ursächlich sind Verzögerungen aufgrund der Einführung einer neuen Online-Plattform zur Bereitstellung der Modell- und Ergebnisdaten
Beschlussvorschlag:
- Die Lärmaktionsplanung der Stadt Haan der 4. Runde wird eingeleitet.
- Es wird eine frühzeitige Unterrichtung und Erörterung in Anlehnung an
§ 3 (1) BauGB in Form einer Online-Beteiligung durchgeführt. Der Beteiligungszeitraum beträgt mindestens zwei Wochen.