Betreff
Umsetzung des Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz - BKiSchG)
Vorlage
51/086/2012
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

1.              Anlass der Vorlage

 

Das Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendli­chen (Bundeskinderschutzgesetz - BKiSchG) vom 22.12.2011 (siehe Anlage) trat zum 01.01.2012 in Kraft.

 

Das Gesetz umfasst:

 

Ø  Art.1       Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG)

Ø  Art. 2      Änderungen im SGB VIII

Ø  Art. 3      Änderungen in § 21 Abs. 1 SGB IX, §§ 2, 4 SchwKonfliktG

(Schwangerschaftskonfliktgesetz)

Ø  Art. 4      Evaluation des BKiSchG

Ø  Art. 5      Bekanntmachung

Ø  Art. 6      Inkrafttreten

Ziel des Bundesgesetzes ist, den Kinderschutz deutlich zu verbessern durch Stärkung der Präventions- und Interventionsmöglichkeiten sowie eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Träger, Einrichtungen und Institutionen.

Insbesondere erreicht werden soll, dass Familien frühzeitig über Leistungen und Hilfen informiert werden. Mit dem BKiSchG soll der Kinderschutz durch Förderung der elterlichen Erziehungskompetenzen gestärkt und verbessert werden. Die bereits vorhandenen Angebote, Hilfen und Leistungen sollen stärker vernetzt und den Eltern bekannter werden.

Die Verwaltung versteht diese Vorlage als ein erstes Teilkonzept und als Einbringung. Nicht alle der unter 2. aufgeführten wesentlichen Änderungen / Regelungen konnten bereits geprüft bzw. aufgearbeitet werden. Hier bedarf es in den kommenden Wo­chen weiterer Vorbereitungen,  Aufarbeitungen und Beratungen in den zu beteiligenden Gremien. Dies insbesondere nach Vorlage der vom Landesjugendamt mit Rundschreiben vom 02.07.2012 für August / September d. J. angekündigten Handlungsempfehlungen.

 

Die Handlungsempfehlungen des Landesjugendamtes sind nach „Redaktionsschluss“ für diese Vorlage hier eingegangen und sind dieser Vorlage beigefügt. Eine inhaltliche Betrachtung für und Berücksichtigung in dieser Vorlage war nicht mehr möglich.

 

Anmerkungen:

Das KKG ist nicht ins SGB VIII integriert und somit ein eigenständiges Ge­setz. Ebenso wurde es nicht ins SGB I (Allgemeiner Teil)  und ins SGX X (Verwaltungsverfahren) eingebunden. Die Vorschriften der Bücher des SGB finden für das KKG keine Anwendung.

Im Juli d. J. teilte die Landesregierung mit, auf die steigenden Zahlen der Inobhutnahme von Kindern durch Jugendämter mit einem Gesetz zum prä­ventiven Kinderschutz reagieren zu wollen.

 

 

2.              Wesentliche Regelungen / Änderungen durch das BKiSchG

 

2.1         Informationspflicht (§ 2 KGG)

 

Eltern sowie werdende Mütter und Väter sollen (= „müssen“ im Regelfall) über Leistungsangebote informiert werden. Hierzu ist ein persönliches Gespräch anzubieten, dass auf Wunsch der Eltern auch in ihrer Wohnung stattfinden kann.

 

2.2         Frühe Hilfen im Netzwerk (§ 3 Abs. 1-3 KGG)

 

Die frühen Hilfen, Hilfeangebote für Familien vor und nach der Geburt sowie in den ersten Lebensjahren des Kindes sollen leicht zugänglich sein. Zu die­sem Zweck werden die wichtigsten Akteure im Kinderschutz (z. B. Jugend­ämter, freie Träger der Jugendhilfe, Kindertageseinrichtungen, Schulen, Gesundheitsämter, Krankenhäuser, Ärzte, Hebammen, Schwangerschafts­konfliktberatung, u. a.) in einem Netzwerk zusammengeführt.

Verantwortlich für die Organisation des Netzwerkes ist der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sofern Landesrecht keine andere Regelung trifft.

Da es sich bei § 3 Abs. 1 - 3 KKG um eine (die) Kernaussage des Gesetzes handelt, wird die Vorschrift nachfolgend wiedergegeben.

 

§ 3 Rahmenbedingungen für verbindliche Netzwerkstrukturen im Kinderschutz

(1) In den Ländern werden insbesondere im Bereich Früher Hilfen flächendeckend verbindliche Strukturen der Zusammenarbeit der zuständigen Leistungsträger und Institutionen im Kinderschutz mit dem Ziel aufgebaut und weiterentwickelt, sich gegenseitig über das jeweilige Angebots- und Aufgabenspektrum zu informieren, strukturelle Fragen der Angebotsgestaltung und -entwicklung zu klären sowie Verfahren im Kinderschutz aufeinander abzustimmen.

(2) In das Netzwerk sollen insbesondere Einrichtungen und Dienste der öffentlichen und freien Jugendhilfe, Einrichtungen und Dienste, mit denen Verträge nach § 75 Absatz 3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bestehen, Gesundheitsämter, Sozialämter, Gemeinsame Servicestellen, Schulen, Polizei- und Ordnungsbehörden, Agenturen für Arbeit, Krankenhäuser, Sozialpädiatrische Zentren, Frühförderstellen, Beratungsstellen für soziale Problemlagen, Beratungsstellen nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, Einrichtungen und Dienste zur Müttergenesung sowie zum Schutz gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen, Familienbildungsstätten, Familiengerichte und Angehörige der Heilberufe einbezogen werden.

(3) Sofern Landesrecht keine andere Regelung trifft, soll die verbindliche Zusammenarbeit im Kinderschutz als Netzwerk durch den örtlichen Träger der Jugendhilfe organisiert werden. Die Beteiligten sollen die Grundsätze für eine verbindliche Zusammenarbeit in Vereinbarungen festlegen. Auf vorhandene Strukturen soll zurückgegriffen werden.

 

2.3         Einsatz von Familienhebammen (§ 3 Abs. 4 KKG)

 

Der Bund stellt ab 2012 des Ländern zweckgebundene Mittel für den Auf- und Ausbau des Netzwerkes sowie für den Einsatz der Familienhebammen zur Verfügung.

Familienhebammen sind Hebammen mit einer zusätzlichen Ausbildung für die psychosoziale Begleitung der Eltern. Der Einsatz von Kinderschwestern/-pfleger ist möglich.

Bisher werden Hebammen nur bis zu zwei Monate nach der Geburt medizi­nisch tätig, länger nur nach ärztlicher Anordnung bei medizinischer Indika­tion.

 

2.4         Befugnisnorm für Berufsgeheimnisträger zur Informationsweitergabe an das Jugendamt (§ 4 KKG)

 

Die Norm richtet sich an Berufsgeheimnisträger, die mit Kindern und Jugend­lichen Arbeiten, und soll einerseits die Vertrauensbeziehung zwischen Geheimnisträger und „Geheimniszuträger“ schützen, andererseits die Wei­tergabe wichtiger Informationen an das Jugendamt ermöglichen. Die Offen­barungsbefugnis ist in einem dreistufigen Modell

- Erörterung mit dem Kind und den/dem Personensorgeberechtigten mit Hin­weis auf Hilfen

- Inanspruchnahme der Fachberatung

- Hinweis auf Einschaltung des Jugendamtes und entspr. Mitteilung

geregelt.

Personen, die berufsmäßig Zugang zu Kindern und / oder Jugendlichen haben, haben Kinderschutz in eigener Verantwortung wahrzunehmen und, wenn dies nicht möglich ist, eine Kindeswohlgefährdung dem Jugendamt zu offenbaren.

 

2.5         Regelungen zum Schutzauftrag (§ 8a SGB VIII)

 

Nach § 8a Abs. 1 S. 2 SGB VIII ist der Hausbesuch durch das Jugendamt verpflichtend, wenn dadurch der wirksame Schutz des Kindes nicht in Frage gestellt wird und seine Durchführung nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist.

 

Die Erforderlichkeit ist gerichtlich nachprüfbar, für die Einschätzung besteht ein Beurteilungsspielraum.

Nach § 8a Abs. 4 sind unter den veränderten Vorzeichen zwischen dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe und den Trägern von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen (freie Träger der Jugendhilfe), Vereinbarungen entsprechend dem Gesetzestext zu schließen.

 

 

2.6         Fachliche Beratung und Begleitung zum Schutz von Kindern und Jugend­lichen (§ 8b SGB VIII)

 

Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen stehen, haben bei der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung gegenüber dem örtlichen Träger der Jugendhilfe einen Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft.

 

Dieser Anspruch gilt auch für Personen, die außerhalb der Jugendhilfe tätig sind, nicht jedoch für ehrenamtlich Tätige. Der Anspruch richtet sich aus­schließlich auf Beratung. Diese Erörterung / Beratung muss unter Datenschutzaspekten pseudonymisiert oder anonymisiert erfolgen.

 

 

2.7         Vereinbarungen mit freien Trägern über die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses (§ 72a SGB VIII)

 

Die Norm mit der Überschrift „Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen“ richtet sich zunächst nur an den öffentlichen Träger der Jugend­hilfe. Der automatische Ausschluss zur Beschäftigung erstreckt sich auf die in Abs. 1 genannten Straftaten mit rechtskräftiger Verurteilung. Die freien Träger sollen mit entsprechenden Vereinbarungen entsprechend eingebun­den werden, um sicherzustellen, dass weder beim öffentlichen Träger, noch bei den freien Trägern einschlägig Vorbestrafte als Hauptamtliche oder Ehrenamtliche beschäftigt werden.

 

 

2.8         Standards und Qualitätsentwicklung, Evaluation (§ 79a SGB VIII)

 

Dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe wird in allen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe eine Qualitätsentwicklung vorgeschrieben. Es sind Grund­sätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität sowie geeignete Maß­nahmen zu ihrer Gewährleistung zu entwickeln, anzuwenden und regelmäßig zu überprüfen. Zuständig hierfür ist nach § 71 SGB VIII der Jugendhilfeaus­schuss.

 

Festzulegen sind die Ergebnis-, Prozess- und Strukturqualität. Hierbei ist sich an den Empfehlungen des Landesjugendamtes zu orientieren.

 

In der Vorschrift werden die freien Träger nicht angesprochen. Steuerbar wäre dies über § 74 SGB VIII (Förderung der freien Jugendhilfe), über Ver­einbarungen oder Selbstverpflichtungserklärungen.

 

 

2.9         Übermittlungspflicht von Sozialdaten (§ 86c Abs. 2 SGB VIII)

 

Der örtlich (zuständige) Träger, der Kenntnis von Umständen erhält, die den Wechsel der Zuständigkeit begründen, hat den anderen Träger hiervon unverzüglich zu unterrichten und die für die Hilfegewährung sowie den Zuständigkeitswechsel maßgeblichen Sozialdaten zu übermitteln.

 

Dies soll gewährleisten, dass die Ziele der Hilfeleistung und deren Kontinuität gesichert bleiben (siehe auch Abs. 1) sowie das sog. „Jugendamts-Hopping“ möglichst unterbunden wird.

 

 

3.           Umsetzung des BKiSchG

- Bestandaufnahme und Handlungsbedarfe

 

 

Nachfolgend stellt die Verwaltung bei den aus Ihrer Sicht dringlich anzuge­henden Punkten den Ist-Zustand (Bestandsaufnahme) sowie den Hand­lungsbedarf dar. Andere Teilbereiche bleiben einer weitergehenden konzep­tionellen Aufarbeitung vorbehalten.

 

Vorab festzuhalten ist, dass die für notwendige Entwicklungs- / Umsetzungs­arbeiten erforderlichen  Personalressourcen nicht oder nur stark einge­schränkt bei Wegfall anderer Tätigkeiten zur Verfügung stehen. Darauf hin­zuweisen ist, dass auch die Kräfte des Bezirkssozialdienstes nicht für zusätzliche Tätigkeiten zur Verfügung stehen. Mit Vorlage 51/082/2012 wurde die hohe Fallzahl dargestellt, die deutlich über der GPA-Richtzahl liegt. Hier wird die Verwaltung zu den Stellenplanberatungen 2013 eine Darstellung vorlegen.

 

 

Nachfolgend geht die Verwaltung auf folgende Bereiche, die die Verwaltung als Kernbereiche betrachtet, ein:

 

Ø  die Willkommensbesuche für Neugeborene,

Ø  die Familienhebammen,

Ø  die Netzwerke „Frühe Hilfen“

Ø  die Beratung nach § 8 b SGB VIII durch die insoweit erfahrenen Fach­kräfte

 

3.1         Willkommensbesuche für Neugeborene

 

Bestandsaufnahme:

Der Besuch der Eltern nach der Geburt eines Kindes wird seit März 2010 angeboten. Im Rahmen einer 0,5 Stelle werden die Familien auf Wunsch und nach Ankündigung eines Hausbesuches aufgesucht. Auf Grund einer lang­fristigen Ausfall- und Vertretungssituation konnten in 2012 nur wenige dieser Hausbesuche durchgeführt werden.

 

Handlungsempfehlung:

In der Erbringung von Willkommensbesuchen sollte eine regelmäßige Qualitätsentwicklung stattfinden. Dazu muss ein Konzept erstellt wer­den, aus dem auch ersichtlich wird, dass der Willkommensbesuch kein Hausbesuch nach § 8a SGB VIII zur Ermittlung von gewichtigen Anhaltspunkten ist und der Willkommensbesuch dazu klar abgegrenzt wird.

Den Eltern ist der Auftrag des Willkommensbesuches  als Begrüßung und Informationsgespräch transparent zu machen.

Zu prüfen ist, ob und wie eine Einbeziehung anderer Dienststellen der Verwaltung bzw. externer Kooperationspartner erfolgen kann. Dies auch vor dem Hintergrund, hierdurch eine zusätzliche Personalressource im Jugendamt für andere Aufgaben nach dem Bundeskinderschutzgesetz zu generieren.

 

 

3.2         Familienhebammen

 

Bestandaufnahme:

Familienhebammen sind staatlich examinierte Hebammen mit einer gesetz­lich nicht geregelten Zusatzqualifizierung. Sie bieten aufsuchende Hilfeleis­tungen in der Schwangerschaft und im ersten Lebensjahr des Kindes an. Sie sind Partnerinnen in einem interdisziplinären Netzwerk „Frühe Hilfen“ und haben ihren Tätigkeitsschwerpunkt auf der medizinischen und psychosozia­len Betreuung / Beratung von belasteten Schwangeren, Müttern, Familien. Der überwiegende Teil der Familienhebammen ist freiberuflich tätig und wird für die Hilfe zur Erziehung über Fachleistungsstunden finanziert.

Nach der Begründung zum BKiSchG sollen Familienhebammen als Lotsen im Netzwerk „Frühe Hilfen“ fungieren und die Hilfeanteile der im präventiven Kinderschutz zentralen Systeme „Gesundheitswesen“ und „Kinder- und Jugendhilfe“ zusammenführen.

 

Handlungsempfehlung

Die Familienhebamme sollte wie bisher freiberuflich mit Anbindung an das Jugendamt als Teil des Netzwerkes „Frühe Hilfen“ eingesetzt wer­den. Die Finanzierung weiterhin über Fachleistungsstunden erfolgen.

Zu prüfen ist, ob eine Förderung nach § 3 Abs. 4 KKG in Anspruch genommen werden kann und ggf. welche Regelungen als Vorausset­zung erforderlich sind.

 

 

3.3         Frühe Hilfen

 

Bestandsaufnahme:

Die Prävention und dabei insbesondere das System Frühe Hilfen stellen einen besonderen Kernbereich im neuen Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) dar. Es werden durch das BKiSchG erstmals Frühe Hilfen gesetz­lich geregelt. Angebote der Frühen Hilfen sollen die Eltern schon ab der Schwangerschaft unterstützen und so die spätere Entwicklung der Kinder fördern. Sie sollen die Erziehungs-und Gesundheitsförderungskompetenz der Eltern stärken und ihnen helfen, sichere Eltern-Kind-Beziehungen aufzu­bauen.

§ 1 Abs.4 KKG beschreibt ein Leistungsangebot für Mütter, Väter und wer­dende Eltern bezogen auf die ersten Lebensjahre der Kinder. Im Mittelpunkt steht das Vorhalten von Information, Beratung und Hilfe. Bedeutendes Ele­ment des Unterstützungssystems Frühe Hilfen ist die Vernetzung.

§ 3 Abs. 1 - 3 KKG  verpflichtet zu verbindlichen Netzwerkstrukturen.

Am 16.09.2009 fand in Zusammenarbeit mit dem Institut für Soziale Arbeit e.V. die ganztägige Fachtagung der Stadt Haan zum Thema „Präventiver Kinderschutz“ statt. An der Veranstaltung nahmen teil Vertreter von verschiedensten in der Kinder- und Jugendarbeit/Jugendhilfe tätigen Institutionen, Vereinen, Verbänden, aus der Politik und Verwaltung.

Nach Eingangsreferaten (Inputs) wurde in mehreren Arbeitsgruppen aus verschiedenen Ansätzen die Themen Kinderschutz und Prävention bearbeitet. Über den fachlichen Austausch, der Bestands- und Bedarfsermittlung hinaus, diente die Veranstaltung der Erarbeitung von Schwerpunkten für weitere Schritte auf dem Weg zur Entwicklung eines Kinderschutzsystems. Hieraus entwickelte sich als erster Schritt das sog. „Babybegrüßungspaket“ (siehe auch Ziff. 3.1).

 

 

Handlungsempfehlung:

Die Entwicklung und der Ausbau eines niedrigschwelligen adressaten- und milieugerechten Zugangs zu Frühen Hilfen muss  sich an der zen­tralen Fragestellung ausrichten „Was brauchen werdende/junge Eltern in ihrer speziellen Lebenssituation?“

Die Beantwortung dieser Leitfrage stellt die Grundlage für eine entspre­chende Angebotsplanung dar, die in die Jugendhilfeplanung eingebettet ist. Für die Umsetzung sollte eine Bestandserhebung und Bewertung sowie nach Sichtung des Bedarfs die Angebotsplanung erfolgen.

Die „Frühen Hilfen“ sollten konzeptionell so ausgestaltet sein, dass sie nicht primär mit dem Kinderschutz begründet werden, sondern sich als allgemeines Angebot an alle Familie richten und dazu dienen, deren Lebensverhältnisse zu verbessern und Erziehungskompetenzen zu stärken bzw. zu verbessern.

Bestehende Netzwerke sind inhaltlich sowie hinsichtlich der Eingebun­denen zu überprüfen, ggf. ist zu versuchen, fehlende Akteure noch ein­zubinden und an den Zielen orientiert konzeptionell eine inhaltliche Anpassung vorzunehmen.

Derzeit kann der erforderliche Aufwand (eigene Personalressource - diese steht nicht zur Verfügung -, oder ggf. Sachaufwand bei einem Träger) nicht eingeschätzt werden. Im Austausch mit allen Akteueren muss hinsichtlich der (kurz-, mittel-, langfristigen) Bedarfe eine Einschätzung erfolgen.

 

 

3.4         Beratung nach § 8 b SGB VIII in Verbindung mit § 4 KKG (Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz)

 

Bestandsaufnahme:

Durch die Verabschiedung des BKiSchG haben sich die Rechtslage und die Aufgabenstellung für die Beteiligten in diesem Arbeitsfeld verändert.

In § 8b SGB VIII - Fachliche Beratung und Begleitung zum Schutz von Kin­dern und Jugendlichen heißt es:

(1) Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen stehen, haben bei der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung im Einzelfall gege­nüber dem örtlichen Träger der Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft.

(2) Träger von Einrichtungen, in denen sich Kinder oder Jugendliche ganztä­gig oder für einen Teil des Tages aufhalten oder in denen sie Unterkunft erhalten, und die zuständigen Leistungsträger, haben gegenüber dem über­örtlichen Träger der Jugendhilfe Anspruch auf Beratung bei der Entwicklung und Anwendung fachlicher Handlungsleitlinien

1.  zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Gewalt sowie

2.  zu Verfahren der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an strukturel­len Entscheidungen in der Einrichtung sowie zu Beschwerde­verfahren in persönlichen Angelegenheiten.

 

§4 KKG - Beratung und Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträ­ger bei Kinderwohlgefährdung - legt in den Absätzen 1 und 2 den kinder- und jugendnahen Berufsgeheimnisträgern bestimmte Pflichten auf, denen sie bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung nachkommen müssen. Dies sind die Information und Einbeziehung der Eltern und der Kinder und Jugendlichen in den Prozess der Risikoabschätzung, der Motivierung der Beteiligten zur Annahme von Hilfen und die kollegiale Beratung des Falls mit einer insoweit erfahrenen Fachkraft.

(1)  Werden

1.  Ärztinnen oder Ärzte, Hebammen oder Entbindungspfleger oder Angehö­rigen eines anderen Heilberufes, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatliche geregelte Ausbildung erfordert,

2.  Berufspsychologinnen oder -psychologen mit staatlich anerkannter wis­senschaftlicher Abschlussprüfung,

3.  Ehe-, Familien- oder Jugendberaterinnen oder -berater sowie

4.  Beraterinnen oder Beratern für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist,

5.  Mitgliedern oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes,

6.  Staatlich anerkannten Sozialarbeiterinnen oder -arbeitern oder staat­lich anerkannten Sozialpädagoginnen oder -pädagogen oder

7.  Lehrerinne oder Lehrern an öffentlichen und an staatlich anerkannten privaten Schulen

in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so sollen sie mit dem Kind oder Jugendlichen und den Personensorgeberech­tigten die Situation erörtern und, soweit erforderlich, bei den Personensorge­berechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.

(2) Die Personen nach Absatz 1 haben zur Einschätzung der Kindeswohlge­fährdung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft. Sie sind zu diesem Zweck befugt, dieser Person die dafür erforderlichen Daten zu übermitteln; vor einer Übermittlung der Daten sind diese zu pseudonymisieren.

(3) Scheidet eine Abwendung der Gefährdung nach Absatz 1 aus oder ist ein Vorgehen nach Absatz 1 erfolglos und halten die in Absatz 1 genannten Per­sonen ein Tätigwerden des Jugendamtes für erforderlich, um eine Gefähr­dung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen abzuwenden, so sind sie befugt, das Jugendamt zu informieren; hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, das damit der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen in Frage gestellt wird. Zu diesem Zweck sind die Personen nach Satz 1 befugt, dem Jugendamt die erforderlichen Daten mitzuteilen.

 

Gegenüber dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe haben die Berufsge­heimnisträger einen Anspruch auf Beratung durch eine solche Fachkraft. Dadurch sind die Berufsgeheimnisträger in ihrer Verantwortung für den Kin­derschutz mit den freien Trägern der Jugendhilfe gleichgestellt, sie haben zwar nicht dem Wortlaut aber dem Sinn nach dieselben Aufgaben zu erfüllen. Dies bringt vor allem für den Bereich der Gesundheitshilfe und der Schulen neue Aufgaben und Anforderungen mit sich, die vor allen in der Einbezie­hung der Betroffenen und der neuen Beratungsaufgabe liegen.

Das Jugendamt wird einen Pool von insoweit erfahrenen Fachkräften zusammenstellen müssen, um den Beratungsanspruch erfüllen zu können. Nach der Systematik des Gesetzes können dies nicht Mitarbeiter/innen des Bezirkssozialdienstes sein, denn mit der Beratung wäre dann eine vorzeitige Information des Jugendamtes verbunden. Erst wenn die Gefährdung des Kindes durch Einbeziehung der Betroffenen, Hilfeangebote und nach kolle­gialer Beratung nicht ausgeschlossen werden kann, sind die Geheimnisträ­ger befugt, nach Information der Eltern das Jugendamt zu informieren und die erforderlichen Daten mitzuteilen, wenn sie dies für erforderlich halten.

Eine besondere Rolle spielen bei der Umsetzung des § 4 KKG und des § 8 b SGB VIII die Kinderschutzfachkräfte. Sie sollen neben der Beratung der Jugendhilfe auch die Systeme der Schule und der Gesundheitshilfe und die in ihnen tätigen Fachleute in die Lage versetzen, ihre Aufgaben im Kinder­schutz angemessen wahrzunehmen.

 

Handlungsempfehlung:

Das Jugendamt sollte den Anspruch auf Beratung teilweise bzw. über­wiegend durch Vereinbarungen mit den freien Trägern und den kinder- und jugendnahen Berufsgeheimnisträgern sicherstellen. Es sollte sichergestellt werden, dass die Beratung durch die Kinderschutzfach­kräfte unabhängig von den Interessen der Einrichtungen der freien Trä­ger oder des Jugendamtes erfolgt.

In einem zu bildenden Arbeitskreis sollten koordinierende und einzelfallberatende Kinderschutzfachkräfte zusammenarbeiten. Sie sollten sich aus zertifi­zierten MitarbeiterInnen aus öffentlichen und freien Trägern zusam­mensetzen. Das Jugendamt muss sicherstellen, dass die Erreichbarkeit und Koordination der Kinderschutzfachkräfte gewährleistet ist.

Im Hinblick auf die Umsetzung des § 4 KKG und § 8b SGB VIII im Schulbereich bedarf es der Entwicklung von Verfahren und fester Ansprechpartner  im Schulbereich auf Basis von Kooperationsvereinba­rungen nach § 8 b SGB VIII und § 42 Schulgesetz.

Der Gesamtaufwand (eigener Aufwand – Personalressource - sowie der Sachaufwand für Trä­ger) wird derzeit auf rd. eine Vollzeitstelle geschätzt. Konkretisierungen erfolgen zu den Stellenplan- bzw. Haushaltsberatungen 2013.

 

 

Beschlussvorschlag:

 

Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis und beauftragt diese, die Auswirkungen des Bundeskinderschutzgesetzes weiter konzeptionell aufzubereiten und für die Stellenplanberatungen und Haushaltsberatung 2013 zu konkretisieren.

 

Finanz. Auswirkung:

 

Die finanziellen Auswirkungen der neuen bundesgesetzlichen Regelungen sind im Wesentlichen von den Kommunen zu tragen. Für den erforderlichen zusätzlichen Personalaufwand beim Jugendamt als örtlichen öffentlichen Träger der Jugendhilfe sowie den auf Grund der Gesetzlage und den zu treffenden Regelungen sich abzeichnenden Sachaufwand für die freien Träger der Jugendhilfe sind bisher keine finanziellen Entlastungen vorgesehen. Hiervon ausge­nommen sind der Aufbau und Ausbau der Netzwerke frühe Hilfen sowie der Einsatz von Familienhebammen, die vom Bund mitfinanziert werden (§ 3 Abs. 4 KKG). Die­ses wird über Verwaltungsvereinbarungen zwischen dem Bund und den Ländern umgesetzt.

Personal- und Sachaufwand sind für die Stellenplan- und Haushaltsberatungen 2013 zu konkretisieren.