Betreff
Unterbringungskonzept für Asylbewerber in der Stadt Haan
Vorlage
65/070/2014
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

Anlass

Aufgrund der seit Ende des Jahres 2012 merklich ansteigenden Zahl der von der Stadt Haan unterzubringenden Asylbewerber stellte die Verwaltung für das Jahr 2013 und folgende die Kosten für die Errichtung neuer Wohnunterkünfte für Asylbewerber an den Standorten Ellscheid 7 („Ellscheid II“) und Landstr. 7 in die Haushaltsplanung ein. Im Rahmen der Haushaltsberatungen 2013 wurde vom Rat der Stadt der geplanten Maßnahme am Standort Ellscheid (Ellscheid II) zugestimmt, die geplante 2-stufige Maßnahme am Standort Landstraße 7 wurde mit Sperrvermerk versehen.

Zwischenzeitlich hat das Baudezernat alle notwendigen Schritte zur Umsetzung der Maßnahme „Ellscheid II“ ergriffen. Die Fertigstellung des Gebäudes wird für Anfang August 2014 avisiert.

Die Verwaltung hat mit Vorlage 51/154/2014 vom 26.01.2014 verschiedene Maßnahmen zur Schaffung neuer Wohnunterkünfte für Flüchtlinge vorgeschlagen. Hierzu zählt auch die Aufhebung des Sperrmerks betreffend „Landstraße“ für die bauliche Umsetzung der geplanten Maßnahme (siehe Nr. 3. des Beschlussvorschlags in der vorgenannten Vorlage). Die Einbringung erfolgte in der Sitzung des Sozialausschusses am 12.02.2014. Der Beschlussteil „Aufhebung Sperrvermerk“ wurde zur Entscheidung an den Rat verwiesen (Sitzung am 25.03.2014).

Aufgrund der aktuellen Beratungen in verschiedenen Ausschüssen (SozA, HFA) und der Veränderung verschiedener Rahmenbedingungen greift die Verwaltung das Thema mit dieser Vorlage neu auf, um aus ganzheitlicher Betrachtung heraus ein Unterbringungskonzept für die Folgejahre zur Entscheidung zu entwickeln und vorzulegen.

 

 

Veränderte Randbedingungen

      Im Februar diesen Jahres sah sich die Sozialverwaltung gezwungen, die Prognose für die Anzahl der unterzubringenden Asylbewerber gravierend anzuheben. Siehe detaillierte Erläuterung im nächsten Absatz.

      Aufgrund aktueller Rechtsprechung ist eine Wohnnutzung durch Asylbewerber in Gewerbegebieten nicht mehr zulässig. Damit entfällt die Nutzungsmöglichkeit einiger potentieller Standorte entweder ganz oder ist nur über eine mit zeitlichen und anderen Risiken behaftete B-Plan-Änderung in „Fläche für Gemeinbedarf“ möglich. Hiervon ist auch der Standort Landstr. betroffen.

      Die Kaufpreisfinanzierung von Wohnheimen durch Krediteinnahmen ist dann möglich, wenn der Haushaltsausgleich im Ergebnisplan 2020 erreicht wird.

 

 

Anzahl unterzubringender Personen

Basierend auf den Ausarbeitungen der Sozialverwaltung vom Februar 2014 stellt sich die notwendige Anzahl von Unterbringungsplätzen wie folgt dar:

 

              Ausgangssituation März 2014, vorhandene Belegung

              -      Ellscheid I                                             39          Personen (überbelegt)

              -      Düsseldorfer Str.                                  27

              -      Bachstr. Pavillon                                  31          in Variantendarstellung „30“

              -      Polnische Mütze                                  23

              gesamt gerundet:                               ca. 120

              Bedarfsprognose Februar 2014

              -      Zugang 2014                                        50          Personen

              -      Zugang 2015                                        40

              -      Zugang 2016                                        40

              gesamt:                                                       130

Daraus ergibt sich für Ende des Jahres 2016 eine Gesamtzahl in Höhe von 250 Personen.

 

Anzahl zusätzlich zu schaffender Unterbringungsplätze – Platzdefizit – Status Quo

              Ausgangssituation März 2014, vorhandene Unterbringungsplätze

              -      Ellscheid I                                             39          Plätze (überbelegt)

              -      Düsseldorfer Str.                                  27

              -      Bachstr. Pavillon                                  31

              -      Polnische Mütze                                  23

              gesamt gerundet:                               ca. 120

              Kapazitätszugänge 2014 in Umsetzung

              -      Bachstr. OGS                                        20          Plätze

              -      Ellscheid II                                            30

              gesamt:                                                      + 50

Kapazitätsabgang durch Freizug Polnische Mütze in 2014

              -      Abgang                                                  23          Plätze

              -      davon in Wohnungen                        10

              gesamt gerundet:                               ca. - 15

Daraus ergibt sich bis zum 3. Quartal 2014 eine Belegungskapazität in Höhe von 155 Plätzen.

Bei der Ermittlung der Anzahl der zusätzlich zu schaffenden Unterbringungsplätze über den gesamten Betrachtungszeitraum ist zu berücksichtigen, dass es sich noch bei weiteren der momentan genutzten Räumlichkeiten um Provisorien oder nur zeitlich begrenzt zur Verfügung stehende Quartiere handelt (Bachstr. Pavillon, Bachstr. OGS-Räume).

              Abgänge Provisorien Bachstr.

              -      Bachstr. Pavillon                                  31          in Variantendarstellung „30“

              -      Bachstr. OGS                                        20

              gesamt gerundet:                                     - 50

Bei Berücksichtigung der Abgänge durch diese Provisorien verbliebe demnach lediglich eine Belegungskapazität von  105 Plätzen.

Unter Annahme des Bedarfs in Höhe von 250 Plätzen ergibt sich nach jetzigem Erledigungsstand über den Gesamtbetrachtungszeitraum gesehen ein noch zu bewältigendes gravierendes

 

 

Gesamtdefizit von ca. 145 Unterbringungsplätzen !

Zur weiteren Kompensation dieses Defizits war bisher von Seiten der Verwaltung die Errichtung zweier weiterer Unterkünfte am Standort Untere Landstr. vorgesehen. An diesem Standort können max. 60 Personen (auch Familien) untergebracht werden. Es verbliebe immer noch ein Defizit in Höhe von 85 Unterbringungsplätzen. Siehe hierzu Anlage 1, Diagramm Szenario 1 – „Status Quo“.

 

 

Aktuelle Standortanalyse

Aufgrund der zuvor benannten veränderten Rahmenbedingungen führten Liegenschaftsamt, Planungsamt und Gebäudemanagement in den vergangenen Wochen eine das ganze Stadtgebiet umfassende Analyse möglicher Unterbringungsstandorte / Unterbringungsmöglichkeiten durch.

Die Lösungsansätze wurden in folgende Kategorien unterteilt:

      Gebäude in städtischem Besitz

      Grundstücke in städtischem Besitz

      Zum Erwerb anstehende Grundstücke

      Zum Erwerb anstehende Gebäude

      Zur Miete anstehende Gebäude

      Wohnungsangebote

Diverse Standortvorschläge schieden aufgrund verschiedener Ausschlusskriterien (z.B. Lage und Topografie, Außenbereich oder Landschaftsschutz, Reservierung für andere städtebauliche Zwecke) von vorneherein von der weiteren Untersuchung aus. Die verbliebenen, näher untersuchten Standorte wurden gesichtet, nach verschiedenen Kriterien (Belegungskapazität, Planungsrecht, Kosten, Erstellungszeitrahmen, Akzeptanz potentieller Vermieter) beurteilt und bewertet.

Von den untersuchten 22 Standorten erwiesen sich 11 als ungeeignet. Die verbliebenen 11 Standorte können aufgrund der Schnelligkeit der Verfügbarkeit in 3 Gruppen aufgeteilt werden:

1.)    Bei der am schnellsten verfügbaren Gruppe handelt es sich um die bereits diskutierten möglichen Provisorien in aus der Nutzung genommenen städtischen Gebäuden:

-     Ehem. VHS-Gebäude Bachstr.

-     Ehem. Musikschule Dieker Str.

Die Inanspruchnahme dieser Standorte birgt jedoch, wie aus den anliegenden Szenarien-Darstellungen ersichtlich, das Risiko dauerhafter Blockade der Vermarktungsmöglichkeiten der Liegenschaften. Weitere, geeignete städtische Gebäude-Leerstände existieren nicht, da aufgegebene Standorte regelmäßig umgehend vermarktet wurden.

2.)    Ebenfalls relativ zügig können an folgende Standorten aus bestimmten Gründen bzw. unter bestimmten Bedingungen Unterkünfte neu errichtet werden:

-     Neandertalweg, am früheren Unterkunftsstandort

       (Bodenplatte und Erschließung vorhanden, Befreiung Landschaftsschutz nötig)

-     Ellscheid 7, 3tes Gebäude

       (Vorteil: B-Plan vorhanden, Nachteil: Ballung)

In den nachfolgend dargestellten Szenarien werden diese Standorte nicht zur Deckung des Grundbedarfs, sondern zur schnellstmöglichen Abfederung von Bedarfsspitzen eingesetzt.

3.)    Die nachfolgend genannten Standorte sind, unter bestimmten, zeitbeanspruchenden Bedingungen, grundsätzlich geeignet für die dauerhafte Errichtung weiterer Unterkünfte

-     Kampheider Str.

-     Landstr.

-     Heidfeld

-     Deller Str.

-     Düsselberger Str.

-     Zirkuswiese

Die Verwaltung spricht sich nach Würdigung der unterschiedlichsten Beurteilungskriterien deutlich für die Entwicklung des Standortes Kampheider Str. aus. Dieser Standort stand bisher nicht zur Verfügung, da er bis vor kurzem für andere, nun nicht mehr notwendige Zwecke vorgesehen war (Ausgleichsfläche für Erweiterung Gewerbebetrieb). Der Standort weist deutliche Vorteile gegenüber dem Standort an der Landstraße auf: geringes Baugrund- / Altlasten-, Bauzeit- und Kostenrisiko, geringere Schallschutzauflagen, aufgrund Befreiungsmöglichkeit und vorgezogener Genehmigung vor B-Plan-Änderung schneller umsetzbar.

 

 

Möglichkeiten / Angebote für Unterbringung auf dem freien Wohnungsmarkt

Einzelfallunterbringungen in Wohnungen sind möglich (siehe zuletzt Freiziehen des Gebäudes Elberfelder Str. 157). Derzeit befinden sich rd. 20 Flüchtlinge in Wohnungen. Auf dem Wohnungsmarkt in Haan sind aktuell bis langfristig nur begrenzt Kapazitäten für die Flüchtlingsunterbringung verfügbar.

 

 

Szenarien

Zur Verdeutlichung der Situation sind in den beigefügten Diagrammen (Szenarien 1 bis 4) die Entwicklung des Unterbringungsbedarfs und der zur Verfügung stehenden Kapazitäten in Abhängigkeit dargestellt.

In Szenario 1 – „STATUS QUO“ wird, wie oben schon beschrieben, der Stand der bisherigen Beschlusslage dargestellt.

In Szenario 2 – „PROVISORIEN“ wurde das Provisorium „Ehemalige Musikschule Dieker Str.“ in die Planung aufgenommen, da nur durch ein weiteres Provisorium im Jahr 2014 der für die 2te Jahreshälfte prognostizierte Bedarf überhaupt annähernd gedeckt werden kann. Desweiteren wurde aus o.g. Gründen anstelle des Standortes Landstraße der neue Standort Kampheider Str. dargestellt. Sollte der prognostizierte Anstieg des Bedarfs eintreten, blockiert dieses Szenario dauerhaft die Vermarktung der Standorte Bachstraße und Dieker Straße. Wie der Kurvenverlauf dieses Szenario verdeutlicht, könnte darüberhinaus selbst bei dauerhafter Belegung der Provisorien-Standorte im Verlauf des Jahres 2015 ein Kapazitäts-Engpass entstehen.

Siehe hierzu Anlage 2, Diagramm Szenario 2 – „PROVISORIEN“.

 

Daher wurde bei Szenario 3 – „FLEXIBEL“ die Reaktivierung des Standortes Neandertalweg in die Betrachtung mit einbezogen. Aufgrund der oben beschriebenen relativ schnellen Verfügbarkeit ermöglicht dieses Szenario eine verhältnismäßig flexible Reaktion auf den weiteren Verlauf der Bedarfsentwicklung. Sollte die Bedarfsentwicklung den Prognosen entsprechen, werden auch bei diesem Szenario die Vermarktungsabsichten eines oder beider Provisoriums-Standorte blockiert.

Siehe hierzu Anlage 3, Diagramm Szenario 3 – „FLEXIBEL“.

 

Erst das Szenario 4 – „MAXIMUM ermöglicht durch die Hinzunahme des Standortes Ellscheid III (3. Gebäude am Bestandsstandort) eine relativ verlässliche Aussicht auf den Freizug mindestens eines der beiden Provisorien-Standorte zum Jahresende 2015.

Siehe hierzu Anlage 4, Diagramm Szenario 4 – „MAXIMUM“.

 

 

Wertung der Szenarien aus sozialfachlicher / gesellschaftspolitischer Sicht

Die in dieser Vorlage zur Realisierung dargestellten neuen Standorte entsprechen den Anforderungen betreffend Standort / Anbindung an die Infrastruktur. Die Nutzung der Kindertageseinrichtungen und Schulen ist gesichert. Die Standorte sind angemessen verteilt über das Stadtgebiet und erfüllen die Anforderung der möglichst dezentralen Unterbringung.

Es ergeben sich Einschränkungen bei den Standorten Ellscheid III und Neandertalweg. Der zuletzt genannte Standort soll deshalb nur befristet vorgehalten werden. Ferner ist durch eine intensive Begleitung der Flüchtlinge durch den Caritasverband den negativen Aspekten an diesen Standorten entgegen zu wirken.

 

 

Handlungsempfehlung der Verwaltung

Als Ergebnis der durchgeführten Betrachtungen und dezernatsübergreifenden Abstimmungen, aufgrund der Unwägbarkeiten der Bedarfsprognosen und der angespannten Haushaltslage empfiehlt die Verwaltung ein abgestuftes Vorgehen:

Zur Deckung des absoluten Minimumbedarfs muss mindestens das Szenario 2 – „PROVISORIEN“ schnellstmöglich umgesetzt werden.

Desweiteren ist die Reaktivierung des Standortes Neandertalweg bezüglich Ausnahmegenehmigung und Planung vorzubereiten, um bei sich bestätigender Bedarfserhöhung schnellstmöglich reagieren zu können.

Im Weiteren ist zum Ende des Jahres 2014 und im Jahr 2015 die Entwicklung des Bedarfs regelmäßig zu überprüfen, um evtl. weiter notwendige Kapazitätserhöhungen rechtzeitig in die Haushaltsplanung 2015/2016 aufnehmen zu können, mit dem Ziel, eine langfristige Blockade der Vermarktung der Provisorien-Standorte zu vermeiden.

 

Beschlussvorschlag:

 

1.    Der Rat der Stadt Haan spricht sich für die schnellstmögliche, bedarfsorientierte Beseitigung des Unterbringungsdefizits für Asylbewerber aus.

2.    Hierzu soll aus baulicher Sicht das Szenario 2 – „PROVISORIEN“ umgesetzt werden. Dazu sind die Standorte „Provisorium ehemalige Musikschule Dieker Str.“ und „Kampheider Straße“ baulich umzusetzen.

3.    Dabei sind zur Beschleunigung der Umsetzung alle Möglichkeiten für vergaberechtliche Erleichterungen auszuschöpfen.

4.    Zur Vorbereitung weiterer Bedarfsdeckung über das Szenario 2 hinaus sind die notwendigen Maßnahmen für die Aktivierung der Standorte Neandertalweg und Ellscheid III zu ergreifen, die ohne Budgetbereitstellung möglich sind (Einholung Befreiung, interne Planung).

 

Finanz. Auswirkung:

 

Für die Herrichtung des Provisoriums Dieker Str. wurden im Rahmen einer groben Ermittlung Kosten in Höhe von 175.000 € ermittelt. Hierbei handelt es sich um konsumtive Mittel, die zusätzlich in die Haushaltsplanung 2014 (Ergebnisplan, Produkt 100400 - Städtische Unterkünfte, Übergangswohnheime) aufgenommen werden.

 

Grobe Kostenschätzung für die Errichtung von 2 Wohnheimen am Standort Kampheider Straße:

Herrichtung, Gründung, Erschließung etc.             400.000 €

Kaufpreis 2 Modulgebäude á 30 Plätze               2.000.000 €

Mehrkosten für massiven Sanitärkern                     480.000 €

Investitionskosten gesamt                                       2.880.000 €

 

Veranschlagung im Haushaltsplan 2014:

Produkt 100400 - Städtische Unterkünfte, Übergangswohnheime / Teilfinanzplan (Investitionen)

Ansatz 2014                                                                300.000 €
(Vermessung, Baugrunduntersuchung, Freimachen, Fachingenieure etc.)

Verpflichtungsermächtigung in 2014:                2.580.000 €
damit die Ausschreibung erfolgen kann.

Ansatz 2015:                                                            2.580.000 €

Die Baukosten werden durch eine Kreditaufnahme finanziert.

 

Wohnheime untere Landstraße

Die im Haushaltsplan 2014 ff. (Ergebnisplan) veranschlagten Aufwendungen für die anzumietenden Wohnheime entfallen.