Sachverhalt:
1. Anlass / Inhalt der Vorlage
Anlass
und Inhalt der Vorlage sind
Ø
die
Entwicklungen betreffend die Situation
- der von
Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen,
- der von
Wohnungslosigkeit betroffenen und unterzubringenden Menschen,
- der
Übergangswohnheime / Unterbringungskapazitäten für Wohnungslose
Ø
die
vorhandene / sich abzeichnende Situation / Bedarfslage zu preiswerten Wohnraum
(Sozialwohnungen) auch für Flüchtlinge
sowie
Ø der Antrag der
WLH-Ratsfraktion vom 05.07.2016 (Anlage 1).
2. Statistik
Zur
Verdeutlichung der Entwicklung in den Bereichen
-
untergebrachte Wohnungslose,
-
Räumungsklagen und
-
Wohnungslosenhilfe / Betreuungsmanagement
werden
nachfolgend die „Fallzahlen“ dargestellt:
Ø In
Übergangswohnheimen untergebrachte Wohnungslose
Jahr |
2013 |
2014 |
2015 |
bis 07/2016 |
Anzahl Personen im Jahresdurchschnitt |
25,8 |
26,2 |
28,4 |
31,4 |
Ø Anzahl der vom
Gericht mitgeteilten Räumungsklagen
Jahr |
2013 |
2014 |
2015 |
bis 15.8.2016 |
Anzahl der mitgeteilten Räumungsklagen davon - Einzelpersonen - Familien, nur Volljährige - Familien mit
minder- jährigen Kindern |
14
5 2 7 |
14
8
6 |
29
15 3 11 |
24 1)
13 3 8 |
1) Hochrechnung
bis 31.12.2016: 38
Ø Fallzahlen der
Wohnungslosenhilfe / des Betreuungsmanagements der Caritas
Jahr |
2013 |
2014 |
2015 |
bis 15.08.2016 |
Anzahl „Fälle“ 2) - Präventivberatung - Vermittlung in Wohnraum - Wohnungserhalt |
48 17 nicht erfasst |
54 7 nicht erfasst |
36 13
19 |
101 13
21 |
2) Quelle: Caritasverband für
den Kreis Mettmann e. V.
3. Übergangswohnheime
Derzeit
stehen für die Unterbringung von Wohnungslosen die Übergangswohnheime Dellerstraße 90, 90 a, 90
b und Heidfeld 14 zur Verfügung.
Die
Gebäude wurden errichtet 1957 (Dellerstraße) und 1966 (Heidfeld). Es handelt
sich um kleine Schlichtwohnungen mit niedrigstem Standard, die mit Familien
und Einzelpersonen belegt sind.
Die genannten Übergangswohnheime können bei
vollständiger Nutzung – abhängig von den Belegungsstrukturen (Familien /
Einzelpersonen) und unter Berücksichtigung der heutigen Maßstäbe mit rd. 50 –
55 Personen belegt werden.
Teile
des Gesamtkomplexes an der Dellerstraße sind insbesondere wegen des baulichen
Zustandes (z. B. keine Heizungsanlage) und Bewohnerverhaltens immer wieder
problembelastet.
Das
Gebäude Heidfeld 12 ist seit vielen Jahren aufgrund des Zustandes nicht mehr
nutzbar und als abgängig zu betrachten. Die beiden Gebäude Heidfeld 12 und 14
sind nach heutigen Maßstäben nur für
eine relativ geringe Belegungskapazität ausgelegt.
4. Beschlusslage
In
der Vergangenheit geriet der Standort Dellerstraße wiederholt in die Kritik der
Anwohner und in die politische Diskussion.
Markante
Eckpunkte:
- In
2006 beschloss der Rat u. a. die Veräußerung der Liegenschaft Dellerstraße, die
Festlegung der Liegenschaft Heidfeld für die Ersatzbebauung für Wohnungslose
und für Letzteres die Beauftragung zur Einleitung der Änderung des vorhandenen
Bebauungsplanes.
- Zur
Liegenschaft Heidfeld sollte in der Sitzung des PLUA am 15.04.2008 der
Aufstellungsbeschluss für die 3. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 19 gefasst
werden, diese Beschlussfassung erfolgte seinerzeit nicht.
- In
2008 beschloss der Rat die Zusammenarbeit mit dem Caritasverband für den Kreis
Mettmann e. V. im Rahmen eines Betreuungsmanagements. Dies führte dazu, dass
die Zahl der untergebrachten Wohnungslosen innerhalb von zwei Jahren halbiert
werden konnte.
- In
2010 setzte der Rat die in 2006 gefassten Beschlüsse aus (bis zur Vorlage eines
neuen / überarbeiteten Unterbringungskonzepts), hiervon ausgenommen wurde der
Beschluss betreffend die Veräußerung der Liegenschaft Dellerstraße.
5. Entwicklungen, Bewertungen
Die
dargestellten statistischen Zahlen verdeutlichen, dass die sozialen Problemstellungen
in allen Tätigkeitsfeldern im Zusammenhang mit drohendem Wohnungsverlust /
Eintritt des Wohnungsverlusts ansteigen.
Die
Fälle / Zahlen des Caritasverbandes und die Erkenntnisse aus den Handlungsfeldern
des Allgemeinen Sozialen Dienstes der Sozialverwaltung weisen darauf hin, dass über die Problematik
der Unterbringung von wohnungslosen Personen hinaus verstärkt
sozialproblematische Sachverhalte (z. B. niedrige Renten, Wohnungserhalt im
Alter, für Transferleistungsbezieher preiswerter Wohnraum kaum verfügbar) mit
Handlungsdruck zu verzeichnen sind.
Die
Vermeidung von Wohnungslosigkeit - dieses Handlungsfeld ist bei Verwaltung und
beim Caritasverband als Auftragnehmer für das Betreuungsmanagement mit hoher
Priorität versehen - wird schwieriger, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des
in Haan nur eingeschränkt verfügbaren
preiswerten Wohnraums / der angespannten Wohnungsmarktlage.
Derzeit
stehen in Haan rd. 1.100 mietpreisgebundene Wohnungen (Sozialwohnungen) zur
Verfügung. Der Leerstand in diesem Vermietungssegment ist seit Jahren gering
und in erster Linie bedingt durch Fluktuation (siehe hierzu auch Vorlage
61/100/2016 - Geförderter Wohnungsbau in Haan). Sozialwohnungen stehen einem
„berechtigten Personenkreis“ zur Verfügung, der Bezug erfordert den
Wohnberechtigungsschein, der einkommensabhängig ausgestellt wird. Auch hier
wird allein aus der Kombination des Anstiegs der Einwohnerzahl oberhalb des
Erwerbsalters und der prognostizierten Rentenentwicklung die zunehmende
Nachfrage / Bedarfslage nach „bezahlbarem“ Wohnraum deutlich. Derzeit beträgt
das Rentenniveau der Standardrente (Netto vor Steuern) 47,9 Prozent, Sozialstudien
und der Rentenversicherungsbericht 2015 der Bunderegierung gehen aufgrund von
Modellberechnungen von einem Wert in Höhe von rd. 44,6 Prozent zu Ende des
nächsten Jahrzehnts aus.
Aufgrund
der Flüchtlingssituation mit der hohen Zuwanderungszahl in 2015 wird sich die
Wohnungssituation künftig weiter verschärfen und der Bedarf an angemessenen,
preiswerten Wohnraum deutlich steigern bedingt durch die hohe Gesamtschutzquote
und den in den kommenden Jahren zu erwartenden Familiennachzug. Ohne
ausreichend verfügbaren preiswerten Wohnraum wäre die zu vermeidende
Alternative, dass anerkannte Flüchtlinge (Aufenthaltserlaubnis) über einen
längeren Zeitraum in einer Gemeinschaftsunterkunft verweilen müssen.
Alle
Anzeichen sprechen dafür, dass eine intensivere Vorbereitung auf eine größer
werdende Anzahl von unterzubringenden Wohnungslosen (u. U. mit einer längeren
Verweildauer in einer Gemeinschaftsunterkunft) dringend geboten ist, also mehr
geeigneter Wohnraum (als Gemeinschaftsunterkunft oder andere Schlichtwohnung)
durch die Stadt zur Verfügung zu stellen bzw. vorzuhalten ist.
Aus
Sicht der Verwaltung muss der öffentlich geförderte Wohnungsbau (Sozialwohnungen)
gegenüber der Neubautätigkeit in den Jahren zwischen 2006 und 2011 (135 neue
Wohneinheiten) und dem folgenden Stillstand deutlich intensiviert werden. Dies
geht derzeit vor allem nur über die der Stadt für Wohnbauentwicklung zur
Verfügung stehenden Liegenschaften. Der Gesetzgeber hat hierfür verbesserte
finanzielle Förderung sowie Rahmenbedingungen geschaffen.
Betreffend
die Liegenschaft Heidfeld wird hinsichtlich der derzeit baurechtlich eingeschränkten
Möglichkeit und des beabsichtigten weiteren Verfahrens auf Vorlage 61/117/2016
(Heidfeld - menschenwürdige Unterkünfte - sozialer Wohnungsbau in
Holzbauweise) verwiesen. Die Vorlage führt aus, dass (auch) für
öffentlich-geförderten Wohnungsbau das Baufenster zu erweitern und somit eine
Planrechtsänderung erforderlich ist.
6. Maßnahmen aktuell
Zur
Beherrschung des akuten Problemfeldes Wohnungslosigkeit kann aktuell nur mit
kurzzeitig umsetzbaren Maßnahmen agiert werden. Die kurzfristige Grundsanierung
der Bestandsgebäude an der Dellerstraße bietet nach derzeitiger Erkenntnis die
Möglichkeit, den aktuellen und kommenden Bedarf in angemessener Zeit Rechnung
tragen zu können.
Maßnahmen
auf anderen Liegenschaften bzw. Maßnahmen, die längere Planungsvorlaufzeiten
(wie z. B. die Schaffung / Änderung von Baurecht) erfordern, beinhalten aus
Sicht der Verwaltung in zeitlicher Hinsicht ein Risiko.
Die
Grundsanierung / Aktivierung der Bestandsgebäude Dellerstraße erfordert vorab
die Aufhebung bzw. Aussetzung des Ratsbeschlusses aus 2006 sowie die entsprechende
Mittelbereitstellung bzw. einen Einplanungsbeschluss für den Haushalt 2017.
Über Kennzahlen ermittelt wird der Aufwand für die Instandsetzung in der
Größenordnung von rd. 900.000 EUR liegen, vorbehaltlich einer weiteren
Konkretisierung.
Zum
Antrag der WLH-Fraktion vom 05.07.2016 - Ortstermin in Solingen (Bauen mit Holz
- Möglichkeiten für Kommunen) - vertritt die Verwaltung vor dem Hintergrund
der vorstehenden Ausführungen die Auffassung, dass derzeit nicht Detailfragen
zu einer noch nicht beschlossenen Neubaumaßnahme zu lösen sind. Erste
Informationen sind durch den ebenso von der WLH-Fraktion beantragten
Informationsvortrag im Fachausschuss zu erhalten.
7. Fazit
Aus
Sicht der Verwaltung ist die Grundsanierung / Aktivierung der Übergangswohnheime
Dellerstr. 90, 90 a und 90 b die gebotene Maßnahme für die zentrale
Unterbringung der Wohnungslosen und zur kurzfristigen Lösung der aufgezeigten Problementwicklung. Die
Schaffung von anderen Unterbringungskapazitäten, die zunächst als
Voraussetzung planungsrechtliche Änderungen erfordern (wie z. B. für die
Liegenschaft Heidfeld), sind im Hinblick auf die zeitlichen Erfordernisse /
Abläufe keine Alternative.
Beschlussvorschlag:
1. Der
Ratsbeschluss vom 20.06.2006 betreffend der Veräußerung der Liegenschaft
Dellerstraße 90, 90 a und 90 b wird aufgehoben.
2. Die
Verwaltung wird beauftragt, bei Produkt 100400 - Städt. Unterkünfte, Übergangswohnheime
- für die Grundsanierung / Aktivierung der Übergangswohnheime Dellerstr. 90,
90 a und 90 b für die zentrale Unterbringung der Wohnungslosen investive Auszahlungsmittel in Höhe von 900.000 EUR in
den Haushaltsplanentwurf 2017 einzuplanen.
Die
Verwaltung wird beauftragt, die notwendigen Maßnahmen für die Grundsanierung
der Übergangswohnheime zur Unterbringung von Wohnungslosen in der Dellerstraße
90, 90 a und 90 b kurzfristig umzusetzen.
3. Die
Liegenschaft Heidfeld 12/14 wird für die Schaffung von öffentlich-gefördertem
Wohnungsbau (Sozialwohnungen) vorgesehen. Die Verwaltung wird beauftragt, die
vorbereitenden Maßnahmen einschließlich Bebauungsplanverfahren einzuleiten.
Finanz. Auswirkung:
Nach derzeitiger Einschätzung sind für die
Grundsanierung / Aktivierung der Übergangswohnheime Dellerstr. 90, 90 a und 90
b investive Auszahlungsmittel in Höhe von rd. 900.000 EUR im Haushalt 2017
erforderlich.
Die Finanzierung soll kreditfinanziert
erfolgen. Es wird damit gerechnet, dass Darlehen mit einem Zins von unter 1 %
angeboten werden.
Nach Fertigstellung fallen im
Ergebnishaushalt über die gesamte Lebensdauer der Gebäude (80 Jahre) anteilige
Abschreibungen (11.250 EUR/Jahr) an. Aufgrund der umfangreichen Sanierung /
Instandsetzung wird mit Einsparungen beim Heizenergieverbrauch gerechnet.