- Festlegung von Mindeststandards
Sachverhalt:
1. Grundlage
Die Politik hat die Stadtverwaltung (Antrag der CDU-Fraktion vom 21.11.2017/ Anlage 1) im Sozial- und Integrationsausschuss vom 23.11.2017 hochlaufend gebeten zu prüfen, ob es unter Berücksichtigung des jetzigen Baurechts möglich wäre, einen Neubau einer städtischen Wohnunterkunft am Heidfeld zur Unterbringung von Wohnungs- und Obdachlosen zu realisieren. In den bisherigen politischen Beratungen wurde seitens der Verwaltung eine Quote von 25 Personen genannt, die nicht in „normale“ Wohnungen vermittelbar sind. Eine Steigerungsquote wurde in den politischen Beratungen bislang noch nicht konkretisiert. Aufgabenstellung ist insofern die Ermittlung einer Höchstquote/ Personen für die Unterbringung am Standort Heidfeld auf der Grundlage des bestehenden Baurechts. Hierfür ist es erforderlich zunächst den Mindestraumstandard für eine städtische Wohnunterkunft für Obdachlose festzusetzen.
Die Entwicklung eines Mindeststandards einer städtischen Wohnunterkunft wurde in Zusammenarbeit mit dem von der Stadt Haan beauftragten Caritasverband des Kreises Mettmann vorgenommen. Ferner wurden überörtliche Publikationen u.a. das Positionspapier der BAG Wohnungslosenhilfe e.V. „Integriertes Notversorgungskonzept: Ordnungsrechtliche Unterbringung und Notversorgung -Definition und Mindeststandards; Empfehlungen der Konferenz der Wohnungslosenhilfe in Bayern zu Standards von Obdachlosenunterkünften in Bayern, Karl-Heinz Ruder, Grundsätze der polizei- und ordnungsrechtlichen Unterbringung von (unfreiwillig) obdachlosen Menschen unter Berücksichtigung obdachloser Unionsbürger) in diesen Prozess mit einbezogen.
2. Allgemeines
Bei der Stadt Haan ist dem Amt 50 – Soziales und Integration - die
Aufgabenstellung zugewiesen, in Fällen plötzlich auftretender Obdachlosigkeit,
die Obdachlosigkeit als Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach §
14 Ordnungsbehördengesetz NRW (OBG NRW) zu beseitigen.
Die Verpflichtung zur Unterbringung von Obdachlosen gehört zu der von
der Stadt Haan im eigenen Wirkungskreis zu vollziehenden Pflichtaufgabe, um
somit die öffentliche Sicherheit und Ordnung im örtlichen Bereich
aufrechtzuerhalten. Dem Schutz von Kindern kommt hierbei eine besondere
Bedeutung zu.
Obdachlose haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass ihnen
jederzeit, ganztägig eine Unterkunft zur Verfügung steht. Dieser Anspruch
ergibt sich aus § 14 Ordnungsbehördengesetz. Dieser Anforderung muss die
Unterbringung schon deshalb vollumfänglich entsprechen, weil den Menschen ohne
ausreichendem Obdach nicht nur nachts, sondern auch tagsüber Schutz vor der
Witterung und eine geschützte Sphäre zu bieten ist (vgl. OVG Münster, Beschl. v.
04.03.1992, Az: 9 B 3839/91). Insoweit bleibt festzuhalten, dass selbst dann,
wenn die Stadt Haan nur Übernachtungsmöglichkeiten von Obdach- und Wohnungslosen
schaffen würde, ein zusätzlicher Aufenthaltsort tagsüber zur Verfügung gestellt
werden müsste, der den Betroffenen eine geschützte Sphäre bietet.
3. Mindeststandards
Der vorab angesprochene Prozess führt im Ergebnis zu nachstehenden Standards für städtische Wohnunterkünfte für Obdachlose:
3.1. Art der Unterbringung
Die Festlegung der Standards der Unterkünfte obliegt der Gemeinde in eigener Verantwortung. Die einschlägige Rechtsprechung gibt vor, dass in vorübergehenden Unterkünften ein Obdachloser nur untergebracht werden darf, wenn diese den Mindestanforderungen einer menschenwürdigen Unterbringung entspricht.
Grundsätzlich gilt also, dass ein Maßstab bei der Entwicklung eines Mindeststandards herangezogen werden muss, der der Menschenwürde entspricht. Der Maßstab, was einer menschenwürdigen Unterkunft in Hinsicht z.B. der Größe der einzelnen Wohnbereiche entspricht, ist auch abhängig von den gesellschaftlich geltenden Gesamtstandards für Wohnraum.
Der hessische Verwaltungsgerichtshof (Hess VGH, Urt. v. 25.06.1999, Az: 11 UE 3675/88) hat ein „zivilisatorisches Minimum“ wie folgt umschrieben:
„Ein hinreichend großer Raum, der genügend Schutz vor Witterungsverhältnissen bietet, wozu im Winter die ausreichende Beheizbarkeit gehört, hygienische Grundanforderungen wie genügende sanitäre Anlagen, also eine Waschmöglichkeit und ein WC, eine einfache Kochstelle und eine notdürftige Möblierung mit mindestens einem Bett und einem Schrank, bzw. Kommode, einem Tisch mit zwei Stühlen, sowie elektrische Beleuchtung“.
3.2. Raumgröße
Anhaltspunkte zur Beurteilung, welche Raumgröße als
menschenwürdig anzusehen ist, sind u.a. auch die festgesetzten Maßstäbe in
anderen Lebensbereichen. Hierbei sind die Vorgaben der Zivilgerichte in
Haftsachen zu nennen, die von einem Mindestmaß einer Haftzelle von 6 bis 7 m²
pro Person ausgehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09
- ), wird der angemessene Wohnraum für eine Person gemäß § 35 Abs. 2 SGB XII
derzeit in NRW mit 50 bis 55 m² zuzüglich weiteren 15 qm für eine weitere
Person als angemessen angesehen.
Im Rahmen der Flüchtlingsunterbringung empfiehlt ein Teil
der Ländergesetzgebung, mindestens 7 qm pro Person zur Verfügung zu stellen.
Nach § 9 des Wohnungsaufsichtsgesetz NRW darf Wohnraum nur
überlassen oder benutzt werden, wenn für jede Bewohnerin oder jeden Bewohner
eine Wohnfläche von mindestens 9 qm, für jedes Kind bis sechs Jahre eine
Wohnfläche von mindestens 6 qm vorhanden ist. Die Wohnfläche ist entsprechend
der Wohnflächenverordnung vom 25.11.2003 (BGBl. S. 2346) in der jeweiligen
Fassung zu berechnen.
Zur Klarstellung wird hier ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass sich das Wohnungsaufsichtsgesetz NRW (WaG NRW) zwar auf Wohnraum bezieht,
die Größenangaben allerdings wegen dem vergleichbaren Schutzzweck, auch für die
Unterbringung von Obdachlosen herangezogen werden können.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V., hat
sich auch im Rahmen eines Gutachtens mit der angemessenen Mindestgröße eines
Zimmers in einer Obdachloseneinrichtung auseinandergesetzt. Hier wurden
Leitlinien erstellt, die laut Arbeitsgemeinschaft eingehalten werden sollten:
- 10 qm für einen alleinstehenden Erwachsenen,
- 20 qm für ein Ehepaar, Lebensgemeinschaft, etc. ohne Kind,
- zusätzlich 6 qm für jedes Kind unter 6 Jahren und
- 10 qm für jedes Kind über 6 Jahre.
Die vorab dargestellten Richtwerte und die örtliche Situation in Haan waren Grundlage für den einvernehmlich mit dem Caritasverband des Kreises Mettmann geführten Prozess. Daraus wurden die nachfolgenden Mindestgrößen empfohlen:
1. 15 qm für einen alleinstehenden Erwachsenen,
2. 30 qm für ein Ehepaar, eine Lebenspartnerschaft etc. ohne Kind,
3. zusätzlich 10 qm für ein Kind unter 6 Jahren und
4. 15 qm für ein Kind über 6 Jahren.
3.3. Einzel- oder Mehrbettzimmer
Es gibt keinen Rechtsanspruch auf eine Unterbringung in einem Einzelzimmer, so dass auch eine Unterbringung grundsätzlich, in einem Mehrbettzimmer möglich ist.
Zur Vermeidung von Konfliktpotentialen in den Unterkünften sollte für Einzelpersonen grundsätzlich die Unterbringung in Einzelzimmern erfolgen, ohne dass hierauf ein durchsetzbarer Rechtsanspruch besteht. Wenn nicht anders möglich, ist ein Zimmer in der angemessenen Größe mit maximal zwei Personen zu belegen.
Die Belegung von allein
unterzubringenden Frauen muss getrennt von den Räumlichkeiten von Männern
erfolgen. Es muss gewährleistet
sein, dass sich insbesondere
alleinstehende Frauen in den Einrichtungen sicher bewegen und in separaten
Zimmern wohnen können.
Sind
Familien in einer städtischen Wohnunterkunft untergebracht, ergibt sich aus dem
Recht auf Familienleben, dass die Familienmitglieder gemeinsam und unter sich
bleibend unterkommen können. Auch die Rechte von Kindern sind zu gewährleisten.
4. Gemeinschaftsräume/
Kinderspielzimmer
Zur
Verbesserung der Kommunikation und des sozialen Austausches, sollte in einer
städtischen Unterkunft bei einer Belegungszahl zwischen 40 und 50 Personen,
mindestens
ein Gemeinschaftsraum mit einer Größe von ca. 20 qm vorhanden sein.
5. Küchen:
Es
wird für die Unterkünfte das Kochen in einer Gemeinschaftsküche vorgegeben.
Eine
Gemeinschaftsküche ist bei je angefangenen 7 Bewohnern mit einem Herd mit mindestens 4
funktionsfähigen Herdkochplatten mit einer Backröhre, sowie einer Küchenspüle
mit Geschirrablage,
auszustatten
6. Büro u. Lagerräume
Es
müssen Funktionsräume u.a. für die Hausmeister, sowie für Lagerungsmöglichkeiten
(Mobiliar, Kinderwagen, Roller, etc.) vorgehalten werden.
7. Toiletten und Duschen
Sanitäranlagen
und Waschräume der städtischen Wohnunterkunft sollen mindestens folgende
Anforderungen entsprechen:
a. Es müssen
jederzeit zugängliche und gut ausgeleuchtete Toiletten und Waschräume, getrennt
für Männer und Frauen, zur Unterkunft gehören. Die Toilettenräume sollten in
der Nähe der Schlaf- und Wohnräume liegen. Es muss mindestens ein WC für 8
Bewohner vorgehalten werden, für jeweils 15 männliche Personen zusätzlich ein
Urinal.
b. Es sind für
jeweils 15 Personen mindestens zwei Handwaschbecken, sowie eine Dusche oder
Wanne bereitzustellen. Es muss mindestens eine Waschgelegenheit für Kleinkinder
vorhanden sein.
8. Wasch- und Trocknungsraum
Für
jeweils 20 Personen muss mindestens eine Waschmaschine, sowie ein ausreichend
großer Trockenraum zur Verfügung stehen. Die Größe der Räume ergibt sich im
Rahmen der bereit zu stellenden Geräte und Flächen für Trockengelegenheiten.
9. Außenbereich
Auch
die Rechte von Kindern sind zu gewährleisten. Aus dem Recht auf Spiel und
aktive Erholung folgt, dass eine Außenanlagen zur Freizeitgestaltung zur
Verfügung stehen muss.
Das
Grundstück ist zudem mit Funktionsflächen (Müllentsorgung/Sperrmüll), einer
ausreichend großen Stellfläche für PKWs, sowie Fahrradstellplätzen
auszustatten.
Fazit
Die dargestellten Standards werden zukünftig Handlungsgrundlage und in die Planungsprozesse einzubinden sein.
Der von der WLH-Fraktion mit Mail vom 28.01.2018 angeforderten Aufstellung „optionale Grundstücke“ muss eine Festlegung der Standards/ Flächenbedarfe vorausgehen, die mit dieser Vorlage in die politischen Beratungen eingebracht wird.
Beschlussvorschlag:
Der Sozial- und Integrationsausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zum Mindeststandard für städtische Wohnunterkünfte zur Kenntnis.
Finanz. Auswirkung:
keine