Betreff
Städtische Wohnunterkünfte in Haan/ Standortentwicklung
- Festlegung von Mindeststandards
Vorlage
50/006/2018
Art
Informationsvorlage

Sachverhalt:

 

1. Grundlage

 

Die Politik hat die Stadtverwaltung (Antrag der CDU-Fraktion vom 21.11.2017/ Anlage 1) im Sozial- und Integrationsausschuss vom 23.11.2017 hochlaufend gebeten zu prüfen, ob es unter Berücksichtigung des jetzigen Baurechts möglich wäre, einen Neubau einer städtischen Wohnunterkunft am Heidfeld zur Unterbringung von Wohnungs- und Obdachlosen zu realisieren. In den bisherigen politischen Beratungen wurde seitens der Verwaltung eine Quote von 25 Personen genannt, die nicht in „normale“ Wohnungen vermittelbar sind. Eine Steigerungsquote wurde in den politischen Beratungen bislang noch nicht konkretisiert. Aufgabenstellung ist insofern die Ermittlung einer Höchstquote/ Personen für die Unterbringung am Standort Heidfeld auf der Grundlage des bestehenden Baurechts. Hierfür ist es erforderlich zunächst den Mindestraumstandard für eine städtische Wohnunterkunft für Obdachlose festzusetzen.

 

Die Entwicklung eines Mindeststandards einer städtischen Wohnunterkunft wurde in Zusammenarbeit mit dem von der Stadt Haan beauftragten Caritasverband des Kreises Mettmann vorgenommen. Ferner wurden überörtliche Publikationen u.a. das Positionspapier der BAG Wohnungslosenhilfe e.V. „Integriertes Notversorgungskonzept: Ordnungsrechtliche Unterbringung und Notversorgung  -Definition und Mindeststandards; Empfehlungen der Konferenz der Wohnungslosenhilfe in Bayern zu Standards von Obdachlosenunterkünften in Bayern, Karl-Heinz Ruder, Grundsätze der polizei- und ordnungsrechtlichen Unterbringung von (unfreiwillig) obdachlosen Menschen unter Berücksichtigung obdachloser Unionsbürger) in diesen Prozess mit einbezogen.

 

2. Allgemeines

 

Bei der Stadt Haan ist dem Amt 50 – Soziales und Integration - die Aufgabenstellung zugewiesen, in Fällen plötzlich auftretender Obdachlosigkeit, die Obdachlosigkeit als Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach § 14 Ordnungsbehördengesetz NRW (OBG NRW) zu beseitigen.

 

Die Verpflichtung zur Unterbringung von Obdachlosen gehört zu der von der Stadt Haan im eigenen Wirkungskreis zu vollziehenden Pflichtaufgabe, um somit die öffentliche Sicherheit und Ordnung im örtlichen Bereich aufrechtzuerhalten. Dem Schutz von Kindern kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu.

 

Obdachlose haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass ihnen jederzeit, ganztägig eine Unterkunft zur Verfügung steht. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 14 Ordnungsbehördengesetz. Dieser Anforderung muss die Unterbringung schon deshalb vollumfänglich entsprechen, weil den Menschen ohne ausreichendem Obdach nicht nur nachts, sondern auch tagsüber Schutz vor der Witterung und eine geschützte Sphäre zu bieten ist (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 04.03.1992, Az: 9 B 3839/91). Insoweit bleibt festzuhalten, dass selbst dann, wenn die Stadt Haan nur Übernachtungsmöglichkeiten von Obdach- und Wohnungslosen schaffen würde, ein zusätzlicher Aufenthaltsort tagsüber zur Verfügung gestellt werden müsste, der den Betroffenen eine geschützte Sphäre bietet.

 

 

3. Mindeststandards

 

Der vorab angesprochene Prozess führt im Ergebnis zu nachstehenden Standards für städtische Wohnunterkünfte für Obdachlose:

 

 

3.1. Art der Unterbringung

 

Die Festlegung der Standards der Unterkünfte obliegt der Gemeinde in eigener Verantwortung. Die einschlägige Rechtsprechung gibt vor, dass in vorübergehenden Unterkünften ein Obdachloser nur untergebracht werden darf, wenn diese den Mindestanforderungen einer menschenwürdigen Unterbringung entspricht.

Grundsätzlich gilt also, dass ein Maßstab bei der Entwicklung eines Mindeststandards herangezogen werden muss, der der Menschenwürde entspricht. Der Maßstab, was einer menschenwürdigen Unterkunft in Hinsicht z.B. der Größe der einzelnen Wohnbereiche entspricht, ist auch abhängig von den gesellschaftlich geltenden Gesamtstandards für Wohnraum.

Der hessische Verwaltungsgerichtshof (Hess VGH, Urt. v. 25.06.1999, Az: 11 UE 3675/88) hat ein „zivilisatorisches Minimum“ wie folgt umschrieben:

„Ein hinreichend großer Raum, der genügend Schutz vor Witterungsverhältnissen bietet, wozu im Winter die ausreichende Beheizbarkeit gehört, hygienische Grundanforderungen wie genügende sanitäre Anlagen, also eine Waschmöglichkeit und ein WC, eine einfache Kochstelle und eine notdürftige Möblierung mit mindestens einem Bett und einem Schrank, bzw. Kommode, einem Tisch mit zwei Stühlen, sowie elektrische Beleuchtung“.

 

 

3.2. Raumgröße

 

Anhaltspunkte zur Beurteilung, welche Raumgröße als menschenwürdig anzusehen ist, sind u.a. auch die festgesetzten Maßstäbe in anderen Lebensbereichen. Hierbei sind die Vorgaben der Zivilgerichte in Haftsachen zu nennen, die von einem Mindestmaß einer Haftzelle von 6 bis 7 m² pro Person ausgehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09 - ), wird der angemessene Wohnraum für eine Person gemäß § 35 Abs. 2 SGB XII derzeit in NRW mit 50 bis 55 m² zuzüglich weiteren 15 qm für eine weitere Person als angemessen angesehen.

 

Im Rahmen der Flüchtlingsunterbringung empfiehlt ein Teil der Ländergesetzgebung, mindestens 7 qm pro Person zur Verfügung zu stellen.

 

Nach § 9 des Wohnungsaufsichtsgesetz NRW darf Wohnraum nur überlassen oder benutzt werden, wenn für jede Bewohnerin oder jeden Bewohner eine Wohnfläche von mindestens 9 qm, für jedes Kind bis sechs Jahre eine Wohnfläche von mindestens 6 qm vorhanden ist. Die Wohnfläche ist entsprechend der Wohnflächenverordnung vom 25.11.2003 (BGBl. S. 2346) in der jeweiligen Fassung zu berechnen.

 

Zur Klarstellung wird hier ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich das Wohnungsaufsichtsgesetz NRW (WaG NRW) zwar auf Wohnraum bezieht, die Größenangaben allerdings wegen dem vergleichbaren Schutzzweck, auch für die Unterbringung von Obdachlosen herangezogen werden können.

 

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V., hat sich auch im Rahmen eines Gutachtens mit der angemessenen Mindestgröße eines Zimmers in einer Obdachloseneinrichtung auseinandergesetzt. Hier wurden Leitlinien erstellt, die laut Arbeitsgemeinschaft eingehalten werden sollten:

 

-           10 qm für einen alleinstehenden Erwachsenen,

-           20 qm für ein Ehepaar, Lebensgemeinschaft, etc. ohne Kind,

 

 

-           zusätzlich 6 qm für jedes Kind unter 6 Jahren und

-           10 qm für jedes Kind über 6 Jahre.

 

Die vorab dargestellten Richtwerte und die örtliche Situation in Haan waren Grundlage für den einvernehmlich mit dem Caritasverband des Kreises Mettmann geführten Prozess. Daraus wurden die nachfolgenden Mindestgrößen empfohlen:

 

            1.         15 qm für einen alleinstehenden Erwachsenen,

            2.         30 qm für ein Ehepaar, eine Lebenspartnerschaft etc. ohne Kind,

            3.         zusätzlich 10 qm für ein Kind unter 6 Jahren und

4.         15 qm für ein Kind über 6 Jahren.

 

 

3.3. Einzel- oder Mehrbettzimmer

 

Es gibt keinen Rechtsanspruch auf eine Unterbringung in einem Einzelzimmer, so dass auch eine Unterbringung grundsätzlich, in einem Mehrbettzimmer möglich ist.

 

Zur Vermeidung von Konfliktpotentialen in den Unterkünften sollte für Einzelpersonen grundsätzlich die Unterbringung in Einzelzimmern erfolgen, ohne dass hierauf ein durchsetzbarer Rechtsanspruch besteht. Wenn nicht anders möglich, ist ein Zimmer in der angemessenen Größe mit maximal zwei Personen zu belegen.

 

Die Belegung von allein unterzubringenden Frauen muss getrennt von den Räumlichkeiten von Männern erfolgen. Es muss gewährleistet sein, dass sich insbesondere alleinstehende Frauen in den Einrichtungen sicher bewegen und in separaten Zimmern wohnen können.

 

Sind Familien in einer städtischen Wohnunterkunft untergebracht, ergibt sich aus dem Recht auf Familienleben, dass die Familienmitglieder gemeinsam und unter sich bleibend unterkommen können. Auch die Rechte von Kindern sind zu gewährleisten.

 

 

4. Gemeinschaftsräume/ Kinderspielzimmer

 

Zur Verbesserung der Kommunikation und des sozialen Austausches, sollte in einer städtischen Unterkunft bei einer Belegungszahl zwischen 40 und 50 Personen,

mindestens ein Gemeinschaftsraum mit einer Größe von ca. 20 qm vorhanden sein.

 

 

5. Küchen:

 

Es wird für die Unterkünfte das Kochen in einer Gemeinschaftsküche vorgegeben.

Eine Gemeinschaftsküche ist bei je angefangenen 7 Bewohnern mit einem Herd mit mindestens 4 funktionsfähigen Herdkochplatten mit einer Backröhre, sowie einer Küchenspüle mit Geschirrablage, auszustatten

 

6. Büro u. Lagerräume

 

Es müssen Funktionsräume u.a. für die Hausmeister, sowie für Lagerungsmöglichkeiten (Mobiliar, Kinderwagen, Roller, etc.) vorgehalten werden.

 

 

7. Toiletten und Duschen

 

Sanitäranlagen und Waschräume der städtischen Wohnunterkunft sollen mindestens folgende Anforderungen entsprechen:

 

a.         Es müssen jederzeit zugängliche und gut ausgeleuchtete Toiletten und Waschräume, getrennt für Männer und Frauen, zur Unterkunft gehören. Die Toilettenräume sollten in der Nähe der Schlaf- und Wohnräume liegen. Es muss mindestens ein WC für 8 Bewohner vorgehalten werden, für jeweils 15 männliche Personen zusätzlich ein Urinal.

 

b.         Es sind für jeweils 15 Personen mindestens zwei Handwaschbecken, sowie eine Dusche oder Wanne bereitzustellen. Es muss mindestens eine Waschgelegenheit für Kleinkinder vorhanden sein.

 

 

8. Wasch- und Trocknungsraum

 

Für jeweils 20 Personen muss mindestens eine Waschmaschine, sowie ein ausreichend großer Trockenraum zur Verfügung stehen. Die Größe der Räume ergibt sich im Rahmen der bereit zu stellenden Geräte und Flächen für Trockengelegenheiten.

 

9. Außenbereich

 

Auch die Rechte von Kindern sind zu gewährleisten. Aus dem Recht auf Spiel und aktive Erholung folgt, dass eine Außenanlagen zur Freizeitgestaltung zur Verfügung stehen muss.

 

Das Grundstück ist zudem mit Funktionsflächen (Müllentsorgung/Sperrmüll), einer ausreichend großen Stellfläche für PKWs, sowie Fahrradstellplätzen auszustatten.

 

 

Fazit

 

 

Die dargestellten Standards werden zukünftig Handlungsgrundlage und in die Planungsprozesse einzubinden sein.

 

Der von der WLH-Fraktion mit Mail vom 28.01.2018 angeforderten Aufstellung „optionale Grundstücke“ muss eine Festlegung der Standards/ Flächenbedarfe vorausgehen, die mit dieser Vorlage in die politischen Beratungen eingebracht wird.

Beschlussvorschlag:

 

Der Sozial- und Integrationsausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zum Mindeststandard für städtische Wohnunterkünfte zur Kenntnis.

Finanz. Auswirkung:

 

keine