Betreff
Bauaufsichtsangelegenheiten
Vorlage
61/241/2018
Art
Informationsvorlage

Sachverhalt:

Neue BauO NRW 2018

Am 12. Juli 2018 hat der nordrhein-westfälische Landtag das Gesetz zur Modernisierung des Bauordnungsrechts in Nordrhein-Westfalen – Baurechtsmodernisierungsgesetz beschlossen. Die dadurch geänderte, neue Bauordnung tritt (überwiegend) am 01. Januar 2019 in Kraft.

Im Zusammenhang mit der Umsetzung der SEVESO-III-Richtlinie sind insbesondere die Anforderungen der Richtlinie an die Öffentlichkeitsbeteiligung in das Landesrecht übernommen worden (s. § 72 Abs. 3 bis 6 und § 79 Abs. 1. S. 1) und mit dem Tag der Verkündung des Gesetztes in Kraft getreten.

Mit der neuen Bauordnung gehen umfangreiche und teilweise grundlegende Änderungen einher. Dies zeigt sich bereits in der Neunummerierung der Paragraphen. Für die Bauherrinnen und Bauherren sowie die Bauaufsichtsbehörden entscheidende Neuerungen betreffen besonders die Themen Abstandsflächen, Vollgeschosse, Brandschutz, Barrierefreiheit, Stellplätze und das Verfahren.

Abstandsflächen

In Zukunft sind geringere Abstände zwischen Wohngebäuden erlaubt. So setzt § 6 Abs. 5 BauO n. F. die Tiefe der Abstandsflächen von bisher 0,8 H (H = Gebäudehöhe) auf 0,4 H, mind. aber 3,00 m. In Gewerbe- und Industriegebieten genügt nun statt der vorherigen Tiefe von 0,25 H eine solche von 0,2 H, mind. aber 3,00 m.

Vollgeschosse

Mit der neuen Bauordnung wird in § 2 Abs. 6 BauO auch der Begriff des „Vollgeschosses“ verändert. Während die Mindesthöhe von 2,30 m bisher von Oberkante Fußboden bis Oberkante Fußboden der darüber liegenden Decke gemessen wurde, wird nun auf die lichte Höhe abgestellt und somit als obere Grenze auf die Unterkante der darüber liegenden Decke. Nach dem gesetzgeberischen Willen soll hiermit u. a. eine nachträgliche Wärmeisolierung erleichtert werden, ohne dass allein dadurch ein weiteres Vollgeschoss entsteht.

Im Übrigen ist ein Geschoss nur dann ein Vollgeschoss, wenn es die o.g. Höhe über mehr als drei Viertel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses hat. Eine Regelung zu Staffelgeschossen ist komplett entfallen.

Diese neue Vollgeschossregelung bewirkt jedoch, dass gestapelte Geschosse keine Vollgeschosse mehr sind, solange sie drei Viertel des darunterliegenden Geschosses nicht überschreiten. Städtebauliche Festsetzungen zur maximal zulässigen Geschosszahl würden damit hinfällig. Zukünftig wird im B-Plan die Höhe von Gebäuden ausschließlich über Festsetzungen zur Trauf- und Firsthöhe und zur max. Gebäudehöhen festgesetzt werden müssen.

Auf bestehenden Bebauungspläne hat die Neuregelung hingegen keine Aus-wirkungen, da Festsetzungen zur Vollgeschossigkeit statisch anzuwenden sind.

Der Begriff des Vollgeschosses wird in der Landesbauordnung in der jeweils gültigen Fassung definiert. Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) des Bundes in der jeweils gültigen Fassung verweist hinsichtlich der Definition des Vollgeschosses auf die landesrechtlichen Vorschriften. Diese Verweisung ist jedoch als statisch anzusehen, wie zuletzt durch Urteil des OVG NRW vom 03.05.2018 bestätigt. Statisch bedeutet, dass für die Prüfung, ob ein Geschoss ein Vollgeschoss ist, in Bebauungs-plangebieten diejenige Landesbauordnung zugrunde zu legen ist, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Bebauungsplans bzw. seiner Bekanntmachung gültig gewesen ist.

Brandschutz

§ 2 Absatz 3 Satz 1 BauO n. F. enthält eine neue, Einteilung der Gebäude in Gebäudeklassen (GKL).

Gebäudeklasse 1:

·         freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten < 400 qm

·         freistehende land- oder forstwirtschaftliche Gebäude

 

Gebäudeklasse 2:

·         Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungsein-

heiten < 400 m²

 

Gebäudeklasse 3:

·         sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m

 

Gebäudeklasse 4:

·         Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und nicht mehr als zwei Nutzungsein-

heiten < 400 m²

 

Gebäudeklasse 5:

·         sonstige Gebäude einschließlich unterirdische Gebäude

 

Die angegebene Höhe bezieht sich auf das Maß der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist. Die besonderen Brandschutzanforderungen knüpfen an die neuen Gebäudeklassen an. Die Brandschutzanforderungen lösen sich damit von der bisherigen Abstufung allein nach der Gebäudehöhe und richten sich nach einer Kombination dieses Kriteriums mit der Zahl und Größe von Nutzungseinheiten.

Barrierefreiheit

Durch die Neufassung des § 2 Abs. 10 BauO wird die Definition der „Barrierefreiheit“ der Musterbauordnung (Vereinbarung zwischen den 16 Bundesländern) und dem Behindertengleichstellungsgesetz Nordrhein-Westfalen angepasst. Hierdurch sollen einheitliche soziale Standards gewährleistet werden. Künftig sind Wohnungen in Gebäuden der GKL 3 und höher barrierefrei und eingeschränkt für Rollstuhlfahrer nutzbar zu bauen.

 

§ 49 Abs. 1 BauO verschärft die bereits jetzt bestehende Pflicht zur Barrierefreiheit für solche baulichen Anlagen, die öffentlich zugänglich sind. Nach der Neuregelung müssen nun alle öffentlich zugänglichen Anlagen in allen Teilen im erforderlichen Umfang barrierefrei sein. Zuvor war die Pflicht zur Barrierefreiheit auf Bereiche des allgemeinen Besucherverkehrs begrenzt und nur für bestimmte Anlagen (z. B. Altenheime, Heime für Menschen mit Behinderungen) vollumfänglich gefordert.

Stellplätze

Werden Anlagen errichtet, bei denen ein Zu- oder Abfahrtsverkehr zu erwarten ist, sind Stellplätze oder Garagen und Fahrradabstellplätze in ausreichender Zahl und Größe und in geeigneter Beschaffenheit herzustellen (notwendige Stellplätze). Das für Bauen zuständige Ministerium wird durch Rechtsverordnung die Zahl der notwendigen Stellplätze regeln. Diese Regelung liegt bisher noch nicht vor.

Die Gemeinde kann auch gem. § 48 Abs. 3 bzw. § 89 Abs. 1 BauO NRW n. F. durch Satzung die Zahl, Größe und Beschaffenheit von Stellplätzen durch eine gemeindliche Satzung regeln. Den Städten und Gemeinden wird hierdurch eine größere Flexibilität hinsichtlich der örtlichen spezifischen Gegebenheiten gewährt. Intention dieser Regelung war, auf Veränderungen im Mobilitätsverhalten besser reagieren zu können und eine mögliche Nachverdichtung zu erleichtern, indem die Stellplatzanzahl reduziert werden kann.

Die Kommunen werden zudem in die Lage versetzt, über eine örtliche Bauvorschrift zu regeln, dass bei der Errichtung von Anlagen, ggf. unter Berücksichtigung einer Quote, notwendige Stellplätze mit einer Vorbereitung der Stromleitung (Leerverrohrung) für die Ladung von Elektro-Fahrzeugen versehen werden können. Dieser inhaltliche Ansatz trägt einer sich verändernden Mobilität in Richtung E-Mobilität Rechnung.

Verfahren

Im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zu den Genehmigungsverfahren bleibt das sogenannte „Freistellungsverfahren“ (§ 63 BauO NRW n. F) in Nordrhein-Westfalen für die im Gesetz bezeichneten Bauvorhaben (Wohngebäude der GBK 1 – 3, sonstige Gebäude der GKL 1 und 2, und Nebengebäude und Nebenanlagen für Gebäude der o.g. Fälle) erhalten.

 

Änderungen betreffen genehmigungsfreie Bauvorhaben gem. § 62 BauO NRW n.F. Demnach sind u.a. Gebäude bis 75 m³ (bisher 30 m³), Terrassenüberdachungen mit einer Fläche von 30 m² und einer Tiefe von 4,50 m (bisher 3,00 m), Balkonverglasungen und Balkonüberdachungen bis 30 m² Grundfläche (neu) genehmigungsfrei.

 

Ebenfalls genehmigungsfrei sind nunmehr zeitlich begrenzte Änderungen der Nutzung von Räumen zu Übernachtungszwecken im Rahmen von erzieherischen (z.B. Pyjamaparty in Kita), kulturellen, künstlerischen, politischen oder sportlichen Veranstaltungen. Anforderungen an den ersten und zweiten Rettungsweg sind gem. § 33 BauO NRW n.F. jedoch zu beachten.

 

Mit § 71 Abs. 1 BauO n. F. wird die Frist zur Durchführung einer Vollständigkeitsprüfung durch die Bauaufsichtsbehörde von bisher einer Woche auf zwei Wochen verlängert. Bei Unvollständigkeit oder erheblichen Mängeln des Bauantrags ist die Bauaufsichtsbehörde nicht mehr wie bisher zur Zurückweisung des Antrags angehalten. Vielmehr fingiert § 71 Abs. 1 Satz 3 BauO nun die Rücknahme des Bauantrags durch die Bauherrinnen und Bauherren, sofern die Mängel (nach Aufforderung durch die Untere Bauaufsichtsbehörde) nicht innerhalb einer angemessenen Frist behoben werden.

 

Beschlussvorschlag:

Die Sachverhaltsdarstellung der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.