Sachverhalt:
Neue BauO NRW 2018
Am 12. Juli 2018 hat der
nordrhein-westfälische Landtag das Gesetz zur Modernisierung des
Bauordnungsrechts in Nordrhein-Westfalen – Baurechtsmodernisierungsgesetz
beschlossen. Die dadurch geänderte, neue Bauordnung tritt (überwiegend) am 01.
Januar 2019 in Kraft.
Im Zusammenhang mit der Umsetzung der
SEVESO-III-Richtlinie sind insbesondere die Anforderungen der Richtlinie an die
Öffentlichkeitsbeteiligung in das Landesrecht übernommen worden (s. § 72 Abs. 3
bis 6 und § 79 Abs. 1. S. 1) und mit dem Tag der Verkündung des Gesetztes in
Kraft getreten.
Mit der neuen Bauordnung gehen umfangreiche
und teilweise grundlegende Änderungen einher. Dies zeigt sich bereits in der
Neunummerierung der Paragraphen. Für die Bauherrinnen und Bauherren sowie die
Bauaufsichtsbehörden entscheidende Neuerungen betreffen besonders die Themen
Abstandsflächen, Vollgeschosse, Brandschutz, Barrierefreiheit, Stellplätze und
das Verfahren.
In Zukunft sind geringere Abstände zwischen
Wohngebäuden erlaubt. So setzt § 6 Abs. 5 BauO n. F. die Tiefe der
Abstandsflächen von bisher 0,8 H (H = Gebäudehöhe) auf 0,4 H, mind. aber 3,00
m. In Gewerbe- und Industriegebieten genügt nun statt der vorherigen Tiefe von
0,25 H eine solche von 0,2 H, mind. aber 3,00 m.
Mit der neuen Bauordnung wird in § 2 Abs. 6
BauO auch der Begriff des „Vollgeschosses“ verändert. Während die Mindesthöhe
von 2,30 m bisher von Oberkante Fußboden bis Oberkante Fußboden der darüber
liegenden Decke gemessen wurde, wird nun auf die lichte Höhe abgestellt und
somit als obere Grenze auf die Unterkante der darüber liegenden Decke. Nach dem
gesetzgeberischen Willen soll hiermit u. a. eine nachträgliche Wärmeisolierung
erleichtert werden, ohne dass allein dadurch ein weiteres Vollgeschoss
entsteht.
Im Übrigen ist ein Geschoss nur dann ein
Vollgeschoss, wenn es die o.g. Höhe über mehr als drei Viertel der Grundfläche
des darunter liegenden Geschosses hat. Eine Regelung zu Staffelgeschossen ist
komplett entfallen.
Diese neue Vollgeschossregelung bewirkt
jedoch, dass gestapelte Geschosse keine Vollgeschosse mehr sind, solange sie drei Viertel des
darunterliegenden Geschosses nicht überschreiten. Städtebauliche Festsetzungen
zur maximal zulässigen Geschosszahl würden damit hinfällig. Zukünftig wird im
B-Plan die Höhe von Gebäuden ausschließlich über Festsetzungen zur Trauf- und
Firsthöhe und zur max. Gebäudehöhen festgesetzt werden müssen.
Auf bestehenden Bebauungspläne hat die
Neuregelung hingegen keine Aus-wirkungen, da Festsetzungen zur
Vollgeschossigkeit statisch anzuwenden sind.
Der Begriff des Vollgeschosses wird in der
Landesbauordnung in der jeweils gültigen Fassung definiert. Die
Baunutzungsverordnung (BauNVO) des Bundes in der jeweils gültigen Fassung
verweist hinsichtlich der Definition des Vollgeschosses auf die
landesrechtlichen Vorschriften. Diese Verweisung ist jedoch als statisch
anzusehen, wie zuletzt durch Urteil des OVG NRW vom 03.05.2018 bestätigt.
Statisch bedeutet, dass für die Prüfung, ob ein Geschoss ein Vollgeschoss ist,
in Bebauungs-plangebieten diejenige Landesbauordnung zugrunde zu legen ist, die
zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Bebauungsplans bzw. seiner
Bekanntmachung gültig gewesen ist.
Brandschutz
§ 2 Absatz 3 Satz 1 BauO n. F. enthält eine
neue, Einteilung der Gebäude in Gebäudeklassen (GKL).
Gebäudeklasse 1:
·
freistehende
Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten
< 400 qm
·
freistehende
land- oder forstwirtschaftliche Gebäude
Gebäudeklasse 2:
·
Gebäude
mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungsein-
heiten < 400 m²
Gebäudeklasse 3:
·
sonstige
Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m
Gebäudeklasse 4:
·
Gebäude
mit einer Höhe bis zu 13 m und nicht mehr als zwei Nutzungsein-
heiten < 400 m²
Gebäudeklasse 5:
·
sonstige
Gebäude einschließlich unterirdische Gebäude
Die angegebene
Höhe bezieht sich auf das Maß der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen
Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist. Die besonderen Brandschutzanforderungen
knüpfen an die neuen Gebäudeklassen an. Die Brandschutzanforderungen lösen sich
damit von der bisherigen Abstufung allein
nach der Gebäudehöhe und richten sich nach einer Kombination dieses Kriteriums
mit der Zahl und Größe von Nutzungseinheiten.
Barrierefreiheit
Durch die Neufassung des § 2 Abs. 10 BauO wird die Definition der
„Barrierefreiheit“ der Musterbauordnung
(Vereinbarung zwischen den 16 Bundesländern) und dem Behindertengleichstellungsgesetz
Nordrhein-Westfalen angepasst. Hierdurch sollen einheitliche soziale Standards
gewährleistet werden. Künftig sind Wohnungen in
Gebäuden der GKL 3 und höher barrierefrei und eingeschränkt für Rollstuhlfahrer
nutzbar zu bauen.
§ 49 Abs. 1 BauO verschärft die bereits
jetzt bestehende Pflicht zur Barrierefreiheit für solche baulichen Anlagen, die
öffentlich zugänglich sind. Nach der Neuregelung müssen nun alle öffentlich
zugänglichen Anlagen in allen Teilen im erforderlichen Umfang barrierefrei
sein. Zuvor war die Pflicht zur Barrierefreiheit auf Bereiche des allgemeinen
Besucherverkehrs begrenzt und nur für bestimmte Anlagen (z. B. Altenheime,
Heime für Menschen mit Behinderungen) vollumfänglich gefordert.
Stellplätze
Werden Anlagen errichtet, bei denen ein Zu-
oder Abfahrtsverkehr zu erwarten ist, sind Stellplätze oder Garagen und
Fahrradabstellplätze in ausreichender Zahl und Größe und in geeigneter
Beschaffenheit herzustellen (notwendige Stellplätze). Das für Bauen zuständige
Ministerium wird durch Rechtsverordnung die Zahl der notwendigen Stellplätze
regeln. Diese Regelung liegt bisher noch nicht vor.
Die Gemeinde kann auch gem. § 48 Abs. 3 bzw.
§ 89 Abs. 1 BauO NRW n. F. durch Satzung die Zahl, Größe und Beschaffenheit von
Stellplätzen durch eine gemeindliche Satzung regeln. Den Städten und Gemeinden
wird hierdurch eine größere Flexibilität hinsichtlich der örtlichen
spezifischen Gegebenheiten gewährt. Intention dieser Regelung war, auf
Veränderungen im Mobilitätsverhalten besser reagieren zu können und eine
mögliche Nachverdichtung zu erleichtern, indem die Stellplatzanzahl reduziert
werden kann.
Die Kommunen werden zudem in die Lage versetzt, über eine örtliche
Bauvorschrift zu regeln, dass bei der Errichtung von Anlagen, ggf. unter
Berücksichtigung einer Quote, notwendige Stellplätze mit einer Vorbereitung der
Stromleitung (Leerverrohrung) für die Ladung von Elektro-Fahrzeugen versehen
werden können. Dieser inhaltliche Ansatz trägt einer sich verändernden
Mobilität in Richtung E-Mobilität Rechnung.
Im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zu den Genehmigungsverfahren
bleibt das sogenannte „Freistellungsverfahren“ (§ 63 BauO NRW n. F) in
Nordrhein-Westfalen für die im Gesetz bezeichneten Bauvorhaben (Wohngebäude der
GBK 1 – 3, sonstige Gebäude der GKL 1 und 2, und Nebengebäude und Nebenanlagen
für Gebäude der o.g. Fälle) erhalten.
Änderungen betreffen genehmigungsfreie Bauvorhaben gem. § 62 BauO NRW
n.F. Demnach sind u.a. Gebäude bis 75
m³ (bisher 30 m³), Terrassenüberdachungen mit einer Fläche von 30 m² und
einer Tiefe von 4,50 m (bisher 3,00 m), Balkonverglasungen und
Balkonüberdachungen bis 30 m² Grundfläche (neu) genehmigungsfrei.
Ebenfalls genehmigungsfrei sind nunmehr zeitlich begrenzte Änderungen
der Nutzung von Räumen zu Übernachtungszwecken im Rahmen von erzieherischen
(z.B. Pyjamaparty in Kita), kulturellen, künstlerischen, politischen oder
sportlichen Veranstaltungen. Anforderungen an den ersten und zweiten
Rettungsweg sind gem. § 33 BauO NRW n.F. jedoch zu beachten.
Mit § 71 Abs. 1 BauO n. F. wird die Frist
zur Durchführung einer Vollständigkeitsprüfung durch die Bauaufsichtsbehörde von
bisher einer Woche auf zwei Wochen verlängert. Bei Unvollständigkeit oder
erheblichen Mängeln des Bauantrags ist die Bauaufsichtsbehörde nicht mehr wie
bisher zur Zurückweisung des Antrags angehalten. Vielmehr fingiert § 71 Abs. 1
Satz 3 BauO nun die Rücknahme des Bauantrags durch die Bauherrinnen und
Bauherren, sofern die Mängel (nach Aufforderung durch die Untere
Bauaufsichtsbehörde) nicht innerhalb einer angemessenen Frist behoben werden.
Beschlussvorschlag:
Die Sachverhaltsdarstellung der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.