Sachverhalt:
Dem Ausschuss liegt der Bürgerantrag der JUSOS (Sektion Haan &
Gruiten) vom 16.03.2020 zur Thematik „Seebrücke -Schafft Sichere Häfen!“ zur
Beratung und Entscheidung vor. Der Antrag wird nochmals als Anlage beigefügt.
Mit Vorlage Nr. 10/238/2020 hat der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Haan
am 09.06.2020 einstimmig die Verweisung dieser Angelegenheit in den Sozial- und
Integrationsausschuss (SIA) beschlossen.
Der vorgenannte Bürgerantrag setzt sich insbesondere mit der Thematik
der Seenotrettung im europäischen Mittelmeerraum und der daraus folgenden Aufnahme
von geflüchteten Migranten vom afrikanischen bzw. asiatischen Kontinent in der Bundesrepublik
Deutschland auseinander. Bezüglich der einzelnen Forderungen wird zur
Vermeidung von Wiederholungen auf den o. a. Bürgerantrag Bezug genommen.
Auf den einstimmigen Beschluss des Kreistages hat sich der Landrat des
Kreises Mettmann in dieser Sache an die Bürgermeister der kreisangehörigen
Städte gewendet und darum gebeten schutzbedürftige geflüchtete Menschen von den
griechischen Inseln in der eigenen Stadt aufzunehmen und sich dem Bündnis
„Sichere Häfen“ anzuschließen.
Zur
Seenotrettung im Mittelmeerraum und der Aufnahme von Flüchtlingen gibt es
verschiedene Initiativen. Eine grobe Skizzierung soll im Folgenden versucht
werden:
Sichere
Häfen
Bereits
eine Vielzahl von Städten hat sich deutschlandweit mit unterschiedlichen
Beschlüssen bzw. Resolutionen zum „Sicheren Hafen“ erklärt bzw. sich gegen die
zusätzliche Aufnahme von geflüchteten Migranten entschieden. Aktuell haben
einige Städte sich bereit erklärt, unbegleitete Minderjährige aus den
griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen.
Seebrücke
- Schafft sichere Häfen
Die
Seebrücke ist eine zivilgesellschaftliche
Bewegung, die für Solidarität mit Menschen auf der Flucht und Bewegungsfreiheit
steht. Die Aktivisten setzen sich
bundesweit dafür ein, dass die Städte aus Seenot gerettete Menschen zusätzlich
zur ohnehin bestehenden Quote aufnehmen. Die wesentlichen Forderungen der
Seebrücke sind in dem o. a. Antrag der Jusos übernommen worden.
Bündnis
„Städte Sicherer Häfen“
Das
Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ wurde am 14. Juni 2019 im Rahmen des von
der Initiative „Seebrücke“ veranstalteten Kongresses „Sichere Häfen. Leinen los
für kommunale Aufnahme“ in Berlin offiziell gegründet. An der Gründung
beteiligten sich 12 Kommunen. Das
Bündnis vernetzt aufnahmebereite Kommunen und Gemeinden und bündelt die
gemeinsamen Interessen, um den Forderungen gegenüber der Bundesregierung
Gewicht zu verleihen.
Die Bundesregierung hat gemeinsam mit der Europäischen Union auf die o.
a. zivilgesellschaftlichen Forderungen bereits in der Vergangenheit mit
zusätzlichen Aufnahmeprogrammen (Resettlement) für
schutzbedürftige Flüchtlinge, die sich in
Erstzufluchtsstaaten aufhalten, vielschichtig reagiert. Bekannterweise sind Millionen
Menschen weltweit auf der Flucht. Viele
sind in Staaten geflüchtet, in denen sie nicht dauerhaft bleiben können. Laut
UNHCR können mehr als 1,44 Millionen besonders schutzbedürftige Flüchtlinge
weltweit nicht in diesem Erstzufluchtsstaat bleiben. Dort sind ihr Leben, ihre
Freiheit, Sicherheit, Gesundheit und/oder andere fundamentale Rechte gefährdet
bzw. ist ihnen dort kein dauerhafter Verbleib zumutbar. Diese besonders
schutzbedürftigen Menschen brauchen dringend eine Lebensperspektive in einem
anderen Land. Resettlement ermöglicht besonders schutzbedürftigen Personen die
legale und sichere Einreise aus einem Erstaufnahmeland in einen zu ihrer
Aufnahme bereiten Drittstaat. Dieser Drittstaat bietet den Personen eine
dauerhafte Aufnahme und einen umfassenden Flüchtlingsschutz. Das
Resettlement-Verfahren richtet sich an bereits vom Flüchtlingshilfswerk der
Vereinten Nationen (UNHCR) anerkannte Flüchtlinge. Resettlement ist kein Ersatz
für reguläre Asylverfahren, sondern nur eine Ergänzung zum Schutz besonders
vulnerabler Flüchtlinge. Das UNHCR hat für die Auswahl der für ein
Resettlement-Verfahren in Betracht kommenden Flüchtlinge spezifische Kriterien
entwickelt, welche den Schutzbedarf der Personen definieren. Zuletzt wurde
beispielsweise das ergänzende Aufnahmeprogramm „Neustart im Team“ (NesT) durch
die Bundesregierung aufgelegt, damit besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aus
Erstfluchtländern -ohne den gefährlichen Seeweg über das Mittelmeer- direkt in
Deutschland aufgenommen werden können. Die Aufnahme ist an die Unterstützung
durch eine Mentor(innen)gruppe vor Ort gebunden. Das heißt indem sich einzelne
Menschen oder Organisationen zu einer Gruppe zusammenschließen, können sie
Flüchtlinge aufnehmen. Mindestens fünf Personen bilden eine Mentoring-Gruppe. Mit
NesT wird besonders Schutzbedürftigen ein neuer und sicherer Zugangsweg nach
Deutschland eröffnet. Mentor(inn)en unterstützen die geflüchteten Menschen
dabei, in Deutschland eine neue Heimat zu finden. Die aufgenommenen
Schutzbedürftigen leben am Wohnort der Mentorinnen und Mentoren. So können die
Schutzbedürftigen von der Unterstützung der Mentorinnen und Mentoren
profitieren. Die Schutzsuchenden kommen sofort
in Kontakt mit der Aufnahmegesellschaft und können am gesellschaftlichen Leben
teilnehmen. Durch persönlichen Kontakt zwischen Schutzbedürftigen und
Mentor(inn)en werden die Akzeptanz von Flüchtlingen und die
Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft erhöht. Die aufgenommenen Personen
erhalten aus humanitären Gründen einen Aufenthaltstitel (§ 23 Abs. 4
Aufenthaltsgesetz) zunächst für drei Jahre. Danach kann dieser Aufenthaltstitel
verlängert werden. Damit erhalten sie auch Leistungen vom Jobcenter gemäß SGB
II und können an einem Integrationskurs zur Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse
teilnehmen. Die
Verpflichtungen sind für die Mentorinnen und Mentoren zeitlich begrenzt und von
vornherein kalkulierbar. Sie suchen eine geeignete Wohnung und finanzieren die
Kaltmiete für zwei Jahre. Außerdem unterstützen sie die Schutzbedürftigen ein
Jahr lang ideell auf ihrem Weg zur gesellschaftlichen Teilhabe.
In Haan leben aktuell bereits über 500 Flüchtlinge. Davon sind rund 200
Personen weiterhin in den städtischen Wohnunterkünften zur Vermeidung von
Obdachlosigkeit untergebracht. Etwa 110 Personen sind lediglich geduldet und
somit ausreisepflichtig. Die Stadt Haan nimmt weiterhin -trotz andauernder Corona-Pandemie-
regulär ganzjährig Flüchtlinge gemäß den Quoten aus dem sogenannten
Königsteiner-Verteilungsschlüssel auf, damit für diese das Asyl(folge)verfahren
durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durchgeführt werden kann.
Bereits in der Vergangenheit hat die Stadt Haan ein willkommensfreundliches
Gesicht gezeigt und in Einzelfällen ausländerrechtlichen Umverteilungsanträgen zugestimmt.
Hierdurch wurden zusätzliche Flüchtlinge aufgenommen. Beispielsweise wurde eine
alleinreisende Mutter aus familiären Gründen (Schwester wohnt in der Umgebung
von Haan) aus einer Gemeinde in der Eifel aufgenommen sowie einem jungen
Erwachsen mit Duldung zur Aufnahme einer Berufsausbildung in Haan der Zuzug
ermöglicht. Im Jahr 2020 wurden bisher bereits 27 Personen nach Haan neu zugewiesen
(Stand Mitte August 2020). Hierbei ist die Stadt Haan jeweils für die Sicherung
des Lebensunterhaltes durch die Gewährung von Leistungen nach
Asylbewerberleistungsgesetz verantwortlich, so dass grundsätzlich jede weitere Aufnahme (erhebliche) finanzielle
Auswirkungen hat. Nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz für das Land
Nordrhein-Westfalen (FlüAG NRW) erhält die Stadt Haan pro Person aktuell rund
10.400 EUR/Jahr vom Land Nordrhein-Westfalen, soweit diese im Sinne des FlüAG
NRW anerkannt wird. Für Geduldete / Ausreisepflichtige werden weiterhin keine
Kostenerstattungen von dort gewährt. Die Gesamtschutzquote lag zuletzt bei
unter 40%; sodass rund 60% der Personen eine Ablehnung erhalten und i. d. R.
längerfristig geduldet werden. Die Kosten für geduldete Personen steigen und
belasten auch die zukünftigen Haushaltsplanungen. Ein Gutachten der
Landesregierung zur Evaluierung der Kostenpauschale aus dem Jahr 2018 geht
aktuell von einer unzureichenden Erstattung aus, da mit jährlichen
Nettoaufwendungen von durchschnittlich 13.274 EUR/Person (NRW-Durchschnitt) zu
kalkulieren ist.
Soweit den antragsgemäßen Forderungen des o. a.
Bürgerantrages zur Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge zugestimmt würde, müssten
hier vor Ort in Haan neben den obligatorischen Personalressourcen und
Unterbringungskapazitäten auch die erforderlichen finanziellen Haushaltsmittel
eingeplant werden. Aufgrund der obigen Kalkulation liegt es daher nahe, dass
bei der zusätzlichen Aufnahme von beispielsweise 50 Flüchtlingen / Jahr auch
zusätzliche Finanzmittel in Höhe von 663.700 EUR (50 Personen x 13.274 EUR) in
den Haushalt 2021 ff. bei Produkt 050200 eingestellt werden müssten, die nur
für die Dauer des Anerkennungsverfahren zum Teil erstattet werden (10.400 EUR
pro Person/Jahr siehe oben).
Beschlussvorschlag:
Beschlussfassung
nach Beratung
Finanz. Auswirkung:
s. Sachverhalt