Betreff
Einsatz von mobilen Luftreinigungsgeräten in den Schulen der Stadt Haan
Vorlage
40/006/2021
Art
Informationsvorlage

Sachverhalt:

 

Mit Antrag vom 16.11.2020 verfolgt die SPD-Fraktion die Anschaffung und Einrichtung von H14-Schwebstofffiltern für die Haaner Schulen, wobei der Volumenstrom der Geräte dem sechsfachen des Raumvolumens pro Stunde entspricht und eine geräuscharme Durchführungsfunktion aufweist. Die dafür anfallenden Kosten sollen in den Haushaltsplan 2021 aufgenommen werden. Zielsetzung ist das „Kleinhalten“ des Infektionsrisikos bei einer gleichzeitigen Abkehr vom regelmäßigen Lüften in der kalten Jahreszeit.

 

Anlässlich der Sitzung des HFA am 15.12.2020 wurde die Verwaltung zunächst beauftragt, zwei bis drei mobile Raumluftreinigungsgeräte auszuleihen. Explizit wurde hierbei auf ein Haaner Fitnessstudio verwiesen, das bereit ist, Geräte kostenlos zu verleihen. Damit sollen Testungen vorgenommen werden. Die Ergebnisse der Testungen sollen in eine Vorlage für den nächsten HFA am 26.01.2021 einfließen. Blaupause hierfür ist eine Pilotphase an einigen Kreisschulen, innerhalb derer die Wirkungsweise der Kombinationsmaßnahmen „Luftreinigungsgeräte – CO2-Melder – Decken für einen Teil der Schülerschaft“ erprobt wird.

 

Mit Schulmail vom 21.10.2020 wurden die Hinweise und Verhaltensregeln für den Infektionsschutz an Schulen im Zusammenhang mit Covid 19 an alle Schulen und Schulträger weitergeleitet, ebenso die Empfehlung des Umweltbundesamtes zu Luftaustausch und effizientem Lüften zur Reduzierung des Infektionsrisikos durch virushaltige Aerosole in Schulen. Es gilt seitdem die Vorgabe:

  • Stoßlüften alle 20 Minuten
  • Querlüften, wo immer es möglich ist
  • Lüften währen der gesamten Pausendauer

Bei diesen Regelungen wird von einem ausreichend großen Raum und entsprechenden Lüftungsmöglichkeiten ausgegangen.

 

Seit dem 09.11.2020 existiert zudem eine Richtlinie zur Förderung von Investitionsausgaben für technische Maßnahmen zum infektionsschutzgerechten Lüften in Schulen. Zuwendungsfähig nach dieser Richtlinie ist die Beschaffung von mobilen Luftreinigungsgeräten mit Filterfunktion zur Verringerung der Aerosolkonzentration für Klassen- und Fachräume einschließlich der Lehrerzimmer sowie Sporthallen, die nicht ausreichend durch gezieltes Fensteröffnen oder durch eine Raumlufttechnische Anlage gelüftet werden können.

 

Schon in den Sommermonaten hat die Verwaltung geprüft, ob die Aufenthaltsräume in Schulen und Kitas vollständig zu lüften sind und kommt zu folgendem Ergebnis: Alle Klassenräume und sonstigen Aufenthaltsräume (z.B. Büros und Lehrerzimmer) der Schulen der Stadt Haan verfügen über baulich intakte Fenster, die eine Volllüftung ohne Einschränkung ermöglichen. Die Schulen sind organisatorisch dafür zuständig, die Empfehlungen des Schulministeriums zum effizienten Lüften umzusetzen. Hierzu sind bislang keine Abweichungen bekannt geworden. Die Vorgaben des Ministeriums zum Schutz von Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und sonstigem schulischen Personal sind somit vollumfänglich einzuhalten.

 

Eine aktuelle Bewertung der Bundesregierung (Stand 03.11.2020) führt aus, dass fachgerechtes und intensives Lüften unbestritten ein wichtiger Beitrag zum Infektionsschutz ist, insbesondere in mehrfach belegten Räumen. Ziel entsprechender Lüftungsmaßnahmen ist dabei vorrangig ein ausreichender, möglicher kontinuierlicher Luftaustausch der Raumluft mit Frischluft, um die Anreicherung möglicherweise virenbelasteter feinster Tröpfchen – sog. Aerosole – in der Raumluft zu verringern und damit das Infektionsrisiko zu senken. Lüftungsmaßnahmen bieten dabei aber keinerlei Schutz vor Tröpfcheninfektionen. Ausreichender Infektionsschutz besteht daher immer nur in Kombination mit anderen Infektionsschutzmaßnahmen. Auch intensives fachgerechtes Lüften kann die bekannten AHA-Maßnahmen Abstand, Hygienemaßnahmen, Alltagsmaske/Atemschutz nicht ersetzen.

 

Zum Einsatz sog. mobiler Luftreiniger (MLR) kommt die Bundesregierung in ihrer Bewertung zu dem Schluss, dass von den auf dem Markt verfügbaren Typen aktuell allenfalls Geräte mit HEPA-Filter bedingt empfohlen werden können. Bei den übrigen Typen fehlen entweder noch anerkannte Prüfnormen zur Bewertung der zulässigen Einsatzbedingungen, Wirksamkeit und evtl. Strahlenbelastung oder es ist wegen prinzipbedingter Schadstoffemissionen (Ozon und Stickoxide) vom Einsatz abzuraten. Hinzu kommt ein grundlegender Nachteil von MLR, und zwar deren räumlich begrenzte Wirkung, die zudem abhängig ist von der Raumgeometrie, der Anordnung von Möbeln und Personen sowie der Art und Anordnung der Raumheizung. Auch beim Einsatz von MLR ist weiterhin eine ausreichende Lüftung zur Abfuhr des von den im Raum befindlichen Personen ausgeatmeten Kohlenstoffdioxid (CO2) sowie der von den Personen eingebrachten Feuchte- und Wärmelasten unabdingbar. Auf diesen Zusammenhang wird in vielen Veröffentlichungen und Empfehlungen zum Einsatz von Luftreinigern nicht oder nur unzureichend eingegangen. Zu diesem höchst eingeschränkten Einsatz kommen die hohen Anschaffungskosten für MLR (ab ca. 3.000 € pro Stück).

 

Nach Einschätzung der Verwaltung ist zur Senkung des Infektionsrisikos wesentlich besser geeignet die Installation dezentraler raumlufttechnischer Anlagen (RLT), die kontinuierlich Frischluft zuführen und so evtl. virenbeladene Aeorosole verdünnen und abführen. Sie tragen zusätzlich aktiv zur Abfuhr von personenbedingten Feuchte- und Wärmelasten sowie Gerüchen bei. Ein erheblicher Nachteil der RLT-Anlagen ist jedoch, dass diese fest installiert werden müssen. Der bauliche Aufwand ist beträchtlich und bedarf u.a. eines Baugenehmigungsverfahrens. Damit sind solche effektiven Anlagen frühestens nach zwei bis drei Jahren realisierbar. Der Kostenaufwand hierfür ist zudem beträchtlich.

 

Die Bundesregierung kommt in ihrer fachlichen Bewertung vom 03.11.2020 zu dem Schluss: „Die mit dem Einsatz von MLR verbundenen Erwartungen an den Infektionsschutz sind bei genauerer Betrachtung oft überzogen sind und können schlimmstenfalls dazu verleiten, andere weiterhin notwendige und effizientere Schutzmaßnahmen wie die AHA-Regel zu vernachlässigen. Intensives und fachgerechtes freies Lüften reicht in den allermeisten Fällen auch in mehrfach belegten Räumen aus. (…) Die Notwendigkeit eines breiten und flächendeckenden Nachrüstens mit MLR oder dezentralen RLT-Anlagen allein aus Gründen des Infektionsschutzes besteht aus fachlicher Sicht daher nicht.“

 

Auch ein Fachbeitrag der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung vom 27.10.2020 kommt insgesamt zu dem gleichen Schluss wie die Bewertung der Bundesregierung. Die DGUV weist darauf hin, dass die MLR die notwendige Frischluftzufuhr durch Lüften über Fenster nicht ersetzen können und auch keinen Schutz vor einer möglichen Tröpfcheninfektion mit SARS-CoV-2 im Nachbereich bei einem Unterschreiten des Schutzabstandes von 1,5 m bieten.

 

Auch das städtische Amt für Gebäudemanagement hat sich bereits umfassend mit der Thematik auseinandergesetzt und kommt zu einer gleichlautenden Einschätzung. Der Einsatz von Raumluftfilteranlagen bzw. Raumluftfilter-Einzelgeräten wird äußerst kritisch gesehen bzw. sogar als gänzlich ungeeignet für eine wirkungsvolle Bekämpfung belasteter Aerosole gehalten. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass die Wirkung bzw. Schutzfunktion der derzeit marktüblichen Produkte weder nachgewiesen noch belastbar geprüft wurde. Zur Wirkung dieser Geräte muss man zudem wissen, dass erschwerend hinzukommt, dass sie keinen Luftaustausch mit Frischluft vornehmen, also die Keime wegführen, sondern nur versuchen, diese herauszufiltern. Durch das Ansaugen der Zimmerluft und das gleichzeitige Ausblasen der "gereinigten" Luft wieder ins Zimmer, entstehen im Raum selber Verwirbelungen, die genau die zu verhindernden Luftströme mit vermehrter Durchspülung der Räume mit kontaminierter, aerosolbelasteter Luft forcieren. Das Wirkprinzip solcher Komponenten ist an dieser Stelle also grundsätzlich in Frage zu stellen.

 

Zudem wird der Einsatz von MLR im Hinblick auf die Betreiberverantwortung äußerst kritisch gesehen. Je nach Platzierung im Raum bergen sie ein zusätzliches Unfallrisiko, das den Schulträger trifft, außerdem erhöht sich die Brandgefahr signifikant, wenn ein Gerät defekt oder überlastet ist. Wenn zudem Experten darauf hinweisen, dass trotz des Einsatzes solcher Geräte regelmäßig alle 20 Minuten eine Volllüftung durchgeführt werden muss, um das Infektionsrisiko zu begrenzen, geht die Kosten-Nutzen-Abwägung der Verwaltung insgesamt in Richtung eines Verzichtes auf MLR.

 

Alle zuvor dargestellten Kritikpunkte lassen sich sinngemäß ebenso auf größere Objekte wie Sport- und Turnhallen übertragen. Erschwerend kommt hier noch hinzu, dass durch die ausgeübte Tätigkeit des Sports wesentlich mehr Luftvolumina umgewälzt und gereinigt werden müssten. Die Auslegung der Lüftungsanlagen für einen maximalen Austausch der Luft in den Hallen (z. B. zwei- bis dreimal die Stunde, adäquat zur Lüftungsempfehlung 20-5-20-5 bei Schulen) würden massive bauliche Investitionen mit vorgelagerten Planungsleistungen von Ingenieurbüros mit sich bringen. Zudem wären diese Planungs- und Ausführungsleistungen im Wesentlichen brandschutz- sowie bauordnungsrechtlich abstimmungs- und genehmigungsbedürftig.

 

Den zeitlichen Horizont der Umsetzung einer solchen Maßnahme für die Turnhallen der Stadt schätzt das Amt für Gebäudemanagement auf mehrere Jahre, basierend auch auf erforderlichen Ressourcen von Fachplanern und Fachfirmen. Leider kann bei dem momentanen Erkenntnisstand zur Wirksamkeit solcher Maßnahmen (keine Erprobungen vorhanden) abschließend auch nicht gesagt werden, wie wirksam oder risikosenkend diese Maßnahmen tatsächlich sind. Das Nachrüsten der städtischen Turn- und Sporthallen mit RLT ist zeit- und kostenaufwändig und wird unter keinen Umständen innerhalb des Andauerns der aktuellen Corona-Pandemie umgesetzt werden können.

 

Die Pilotphase des Kreises Mettmann in einigen seiner Förderschulen basiert auf dem Umstand, dass etliche Schulräume für ihre Größe zu viele Menschen aufnehmen müssen, so dass im Ergebnis eine Lüftungsfrequenz von deutlich unter jeweils 20 Minuten realisiert werden muss. Zudem werden dort z.T. auch Schülerinnen und Schüler unterrichtet, die im Rollstuhl sitzen. Für diese sind die zusätzlichen Decken gedacht, die im Rahmen der Kombinationsmaßnahme angeschafft wurden. Die Kreisverwaltung testet die Wirksamkeit der vor diesem Hintergrund vereinzelt angeschafften Luftreinigungsgeräte mit einem CO2-Messgerät. Ein CO2-Messgerät kann zwar weder Coronaviren noch die Aerosole messen, es zeigt aber den Wert der Konzentration an Kohlenstoffdioxid in der Luft und ist damit ein Indikator für die Qualität der Raumluft. Zielsetzung der Kreisverwaltung ist, in den betroffenen Räumen, die entweder von vielen Menschen frequentiert oder nicht ausreichend gelüftet werden können, eine Lüftungsfrequenz von mindestens 20 Minuten zu realisieren. Diese kann – wie bereits ausgeführt – in den Schulgebäuden der Stadt Haan auch ohne MLR erreicht werden.

 

Gleichwohl ist die Testphase entsprechend des Auftrages des HFA vom 15.12.2020 derzeit in der Planung. Wegen der am 06.01.2021 durch das Land NRW verkündeten Schulschließung mit Distanzunterricht bis mindestens 31.01.2021 konnte der Test leider nicht vor dem zweiten Teil der Sitzung des HFA am 26.01.2021 durchgeführt werden. Zwei Schulen in Haan haben sich bereit erklärt, Klassenräume bzw. Lehrerzimmer für einen Test zur Verfügung zu stellen. Eingesetzt wird ein Luftreinigungsgerät der Marke Pure Mate PM 520 (Technische Daten: Bemessungsspannung 220-240V 50 Hz, Geräuschpegel 20 db(A) – niedrig; 60 db(A) – hoch, Produktionsfluss gereinigte Luft 78 cbm/Stunde). Zwar hat sich ein Haaner Fitnessstudio bereit erklärt, sein Reinigungsgerät unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, jedoch ist dieses für einen Raum mit einer Größe von 100 qm mit besonders hohem Aerosolausstoß infolge sportlicher Betätigung eindeutig zu groß dimensioniert für einen Klassenraum und hätte somit keine belastbaren Erkenntnisse liefern können. Flankierend werden zwei CO2-Tracker angeschafft, die konstant den CO2-Gehalt in der Raumluft messen und dokumentieren. Der Test wird parallel in zwei Klassenräumen mit annähernd der gleichen Anzahl von Schülerinnen und Schülern durchgeführt, um eine gute Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Um die Personen keiner zusätzlichen Infektionsgefahr auszusetzen, wird durch die Schule sichergestellt, dass in beiden Räumen alle 20 Minuten gelüftet wird.

 

Zudem wird parallel an allen Schulen in Haan ein Stimmungsbild der Schulleitung/des Kollegiums eingeholt, wie es um die Akzeptanz hinsichtlich des Einsatzes der mobilen Luftreinigungsgeräte bestellt ist.

 

Im Vorfeld der Testphase eingeholte Fachexpertise hat ergeben, dass ein sinnvoller Einsatz von MLR nur aufgrund einer individuellen Bestandsaufnahme eines jeden Raumes erfolgen kann. Hiermit muss ein Fachunternehmen beauftragt werden, das alle Aufenthaltsräume in Schulen (und Kitas) begutachtet und hinsichtlich verschiedener Parameter eine Fachempfehlung abgibt. Die Parameter sind z.B. Raumgröße und -zuschnitt, Möblierung, Raumhöhe, vollständig zu öffnende Fensterfläche, Anordnung der Heizungen, maximale Personenanzahl mit Zubehör (Jacken, Taschen). Zudem wurde erläutert, dass der konkrete Standort von MLR von hoher Bedeutung ist, da diese die gereinigte Luft wieder in den Raum abgeben und der Anteil gereinigter Luft im Raum sinkt, je weiter man sich von dem Gerät entfernt. Damit ist die Empfehlung für eine optimale Aufstellung mitten im Raum nicht unwahrscheinlich, was das Unfallrisiko deutlich erhöht, und zwar allein schon wegen des Stromkabels. Die aufwändige Einbindung eines Ingenieurbüros könnte jedoch genauso gut zum Ergebnis haben, dass die Raumlüftung durch die vorhandenen Fensterflächen ausreichend ist.

 

Das Angebot des Ingenieurbüros stellt Kosten i.H.v. je 1.750 € (incl. MwSt.) pro Klassenraum in Aussicht. Selbst wenn bei einem größeren Auftrag möglicherweise dieser Preis auf 1.500 € je Klassenraum reduziert werden könnte, ergibt sich bei einer überschläglichen Schätzung von ca. 233 Räumen ein Kostenaufwand i.H.v. knapp 350.000 € für die Begutachtung hinsichtlich Raumbeschaffenheit, Strömungsverhalten etc.

Beschlussvorschlag:

 

Die Ausführungen der Verwaltung als Zwischenstand zum Antrag der SPD-Fraktion vom 16.11.2020 (Planung der Anschaffung und Einrichtung von H14-Schwebstofffiltern für die Haaner Schulen) werden zur Kenntnis genommen. Die Beschlussfassung zum Antrag erfolgt im Rahmen der Haushaltsplanberatungen.