Betreff
"Seebrücke - Schafft sichere Häfen" - Bürgerantrag der JUSOS Haan & Gruiten vom 16.03.2020
- hier: Beratungen / Beschlussfassung zur Vorlage 10/238/2020/2 im SIGA am 04.03.2021
Vorlage
10/238/2020/3
Art
Beschlussvorlage
Referenzvorlage

Sachverhalt:

 

Nach aktueller Rechtslage (§23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz) können die Länder Flüchtlinge u. a. aus humanitären Gründen z. B. aus anderen europäischen Staaten (z. B. Griechenland, Italien, Kanarische Inseln) nur im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern aufnehmen. Kommunen sind nicht unmittelbar zur Aufnahme aus dem Ausland berechtigt und hierfür daher nicht zuständig. Die Verteilung der Flüchtlinge ist in NRW u. a. über Verteilquoten in § 3 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG NRW) geregelt. Soweit die zugewiesenen Flüchtlinge die gesetzlichen Voraussetzungen für die pauschalierte Landeszuweisung erfüllen, erhält die aufnehmende Kommune derzeit eine monatliche Kostenpauschale. Die Kommunen müssen allerdings in Vorleistung treten und beantragen einzelfallbezogen die pauschalierte Landeszuweisung. Die pauschalierte Landeszuweisung ist insbesondere an den Aufenthaltsstatus geknüpft, so dass nach aktueller Rechtslage für geduldete bzw. ausreisepflichtige Personen bereits nach kurzer Zeit keine Kostenpauschalen durch das Land NRW gezahlt werden und mithin die aufnehmende Kommune zu 100% die Kosten selbst tragen muss.

In Bezug auf den Bürgerantrag der Jusos Haan & Gruiten „Seebrücke“ ist zunächst auszuführen, dass das Bundesministerium des Innern nach Kenntnis der Verwaltung bislang das erforderliche Einvernehmen gegenüber den Ländern überhaupt nicht erteilt hat und ggfls. zukünftig auch nicht erteilen wird.

Angenommen, die  Landesregierung Nordrhein-Westfalen möchte aufgrund einer politischen Entscheidung unabhängig vom bundesweiten Verteilschlüssel zusätzliche Flüchtlinge z. B. auf Grundlage der zivilgesellschaftlichen Bewegung „Seebrücke“ z. B. aus anderen europäischen Gebieten wie Griechenland, Italien, Kanarische Inseln aufnehmen und erhält hierfür das erforderliche Einvernehmen durch das Bundesministerium des Innern, würde die Landesregierung dann voraussichtlich die besonders aufnahmewilligen Kommunen zeitnah über den weiteren Aufnahmeprozess unterrichten. Diesen hervorgetretenen aufnahmewilligen Kommunen könnten dann beispielsweise in Anlehnung an das Flüchtlingsaufnahmegesetz zusätzliche Flüchtlinge über den Verteilschlüssel hinaus zugewiesen werden. Die Stadt Haan als potenziell besonders aufnahmewillige Kommune dürfte dann mutmaßlich allerdings keinen Einfluss darauf haben, ob z. B. junge Männer ohne Bleibeperspektive vom afrikanischen Kontinent oder Familien aus Kriegsgebieten mit Bleibeperspektive zugewiesen werden. Auch der jeweilige Aufenthaltsstatus kann hier bei Zuweisung aus Landeseinrichtungen sehr differenziert ausfallen, so dass möglicherweise zeitnah eine Aufenthaltserlaubnis mit Bleibeperspektive (Kostenträger Jobcenter) erteilt werden könnte, ein (langwieriges) Asylverfahren betrieben wird (Kostenträger Stadt Haan mit anteiliger Erstattung durch Kostenpauschalen) oder auch ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen wird und die Abschiebung durch Duldungen - unter Umständen über viele Jahre bzw. dauerhaft - ausgesetzt wird (Kostenträger Stadt Haan ohne Erstattung durch Kostenpauschalen).

 

Soweit der HFA in seiner Sitzung am 16.03.2021 dem Antrag der Jusos Haan & Gruiten zur Aufnahme von 30 Flüchtlingen über dem Quorum zustimmen möchte, geht das Fachamt unter Verweis auf die Vorlage 10/238/2020/2 von nachfolgenden zusätzlichen finanziellen Auswirkungen aus:

Zusätzliche Aufnahme 30 Flüchtlinge: mindestens 398.220 EUR / Jahr zusätzlich im Produkt 050200

(max. mögliche Refinanzierung gemäß FlüAG sind 312.000 EUR/ Jahr)

 

Evtl. Aufwendungen für besondere Krankenbehandlung, Trauma-Therapie usw. sind einzelfallbezogen und daher nicht umfassend berücksichtigt. Weitere Aufwendungen in Folge von Dauerduldungen (z. B. Verweigerung der Identitätsklärung bzw. Passersatz-papierbeschaffung) und/oder Familiennachzug sind sehr wahrscheinlich. Abschließend ist davon auszugehen, dass daher eine etwaige Zustimmung zur Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge auch die hiesigen Haushaltsplanungen bzw. Haushaltsberatungen in den Folgejahren beeinflussen wird.

 

Beschlussvorschlag:

 

Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen.

Finanz. Auswirkung:

 

sh. Sachverhalt