- hier: Beratungen / Beschlussfassung zur Vorlage 10/238/2020/2 im SIGA am 04.03.2021
Sachverhalt:
Nach aktueller Rechtslage (§23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz)
können die Länder Flüchtlinge u. a. aus humanitären Gründen z. B. aus anderen
europäischen Staaten (z. B. Griechenland, Italien, Kanarische Inseln) nur im
Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern aufnehmen. Kommunen sind nicht
unmittelbar zur Aufnahme aus dem Ausland berechtigt und hierfür daher nicht
zuständig. Die Verteilung der Flüchtlinge ist in NRW u. a. über Verteilquoten
in § 3 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG NRW) geregelt. Soweit die zugewiesenen
Flüchtlinge die gesetzlichen Voraussetzungen für die pauschalierte Landeszuweisung erfüllen, erhält die aufnehmende Kommune
derzeit eine monatliche Kostenpauschale. Die Kommunen müssen allerdings in
Vorleistung treten und beantragen einzelfallbezogen die pauschalierte Landeszuweisung.
Die pauschalierte Landeszuweisung ist
insbesondere an den Aufenthaltsstatus geknüpft, so dass nach aktueller
Rechtslage für geduldete bzw. ausreisepflichtige Personen bereits nach kurzer
Zeit keine Kostenpauschalen durch das Land NRW gezahlt werden und mithin die
aufnehmende Kommune zu 100% die Kosten selbst tragen muss.
In Bezug auf den Bürgerantrag der Jusos Haan & Gruiten „Seebrücke“ ist
zunächst auszuführen, dass das Bundesministerium des
Innern nach Kenntnis der Verwaltung bislang das erforderliche Einvernehmen
gegenüber den Ländern überhaupt nicht erteilt hat und ggfls. zukünftig auch
nicht erteilen wird.
Angenommen, die
Landesregierung Nordrhein-Westfalen möchte aufgrund einer politischen
Entscheidung unabhängig vom bundesweiten Verteilschlüssel zusätzliche
Flüchtlinge z. B. auf Grundlage der zivilgesellschaftlichen Bewegung „Seebrücke“ z. B. aus anderen
europäischen Gebieten wie Griechenland, Italien, Kanarische Inseln aufnehmen
und erhält hierfür das erforderliche Einvernehmen durch das Bundesministerium
des Innern, würde die Landesregierung dann voraussichtlich die besonders
aufnahmewilligen Kommunen zeitnah über den weiteren Aufnahmeprozess
unterrichten. Diesen hervorgetretenen aufnahmewilligen Kommunen könnten dann
beispielsweise in Anlehnung an das Flüchtlingsaufnahmegesetz zusätzliche
Flüchtlinge über den Verteilschlüssel hinaus zugewiesen werden. Die Stadt Haan
als potenziell besonders aufnahmewillige Kommune dürfte dann mutmaßlich
allerdings keinen Einfluss darauf haben, ob z. B. junge Männer ohne
Bleibeperspektive vom afrikanischen Kontinent oder Familien aus Kriegsgebieten
mit Bleibeperspektive zugewiesen werden. Auch der jeweilige Aufenthaltsstatus
kann hier bei Zuweisung aus Landeseinrichtungen sehr differenziert ausfallen, so
dass möglicherweise zeitnah eine Aufenthaltserlaubnis mit Bleibeperspektive
(Kostenträger Jobcenter) erteilt werden könnte, ein (langwieriges)
Asylverfahren betrieben wird (Kostenträger Stadt Haan mit anteiliger Erstattung
durch Kostenpauschalen) oder auch ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet
zurückgewiesen wird und die Abschiebung durch Duldungen - unter Umständen über
viele Jahre bzw. dauerhaft - ausgesetzt wird (Kostenträger Stadt Haan ohne
Erstattung durch Kostenpauschalen).
Soweit der HFA in seiner Sitzung am 16.03.2021 dem Antrag der Jusos Haan & Gruiten zur
Aufnahme von 30 Flüchtlingen über dem Quorum zustimmen möchte, geht das Fachamt
unter Verweis auf die Vorlage 10/238/2020/2 von nachfolgenden zusätzlichen
finanziellen Auswirkungen aus:
Zusätzliche Aufnahme 30 Flüchtlinge: mindestens 398.220 EUR /
Jahr zusätzlich im Produkt 050200
(max. mögliche Refinanzierung gemäß FlüAG sind 312.000 EUR/ Jahr)
Evtl. Aufwendungen für besondere Krankenbehandlung, Trauma-Therapie usw.
sind einzelfallbezogen und daher nicht umfassend berücksichtigt. Weitere
Aufwendungen in Folge von Dauerduldungen (z. B. Verweigerung der Identitätsklärung
bzw. Passersatz-papierbeschaffung) und/oder Familiennachzug sind sehr
wahrscheinlich. Abschließend ist davon
auszugehen, dass daher eine etwaige Zustimmung zur Aufnahme zusätzlicher
Flüchtlinge auch die hiesigen Haushaltsplanungen bzw. Haushaltsberatungen in
den Folgejahren beeinflussen wird.
Beschlussvorschlag:
Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen.
Finanz. Auswirkung:
sh. Sachverhalt