Betreff
Bebauungsplan Nr. 204 "Dieker Straße / Grünstraße“ als einfacher Bebauungsplan nach § 30 Absatz 3 BauGB im Verfahren der Innenentwicklung, § 13a BauGB
hier: Aufstellungsbeschluss, § 2 (1) BauGB, Beschluss der Planungsziele
Vorlage
61/027/2021
Art
Beschlussvorlage

Ausgangssituation:

Die Dieker Straße, Goethestraße, Grünstraße und Bleichstraße bilden ein Straßenkarree, welches die historische Entwicklung der Haaner Innenstadt exemplarisch abbildet. So finden sich neben einfachen, teils schieferverkleideten, eingeschossigen Wohngebäuden aus dem frühen 19. Jahrhundert vereinzelte gründerzeitliche Wohngebäude, Geschosswohnungsbau der „Wiederaufbauphase“ aus den 1950-er Jahren bis hin zu neuzeitlichen Wohngebäuden der 1980-er bis 2000-er Jahre. Der Innenbereich dieses Karrees ist durch Hausgärten geprägt, welche noch an die ursprüngliche, offene Siedlungsstruktur dieses Stadtquartiers im früheren Übergangsbereich vom Ortskern in die freie Landschaft erinnern. Während die Bebauung entlang der Grünstraße durch eingeschossige Einzel- und Doppelhausbebauung geprägt ist (nur an der Einmündung der Bleichstraße zweigeschossig verdichtet), stellt sich die Dieker Straße als ehemalige „Ausfallstraße“ der Innenstadt durch zwei- bis dreigeschossige Gebäude stärker verdichtet dar. Entlang der Goethestraße stoßen die offenen Gärten des Quartiers in Form der beiden Eckgrundstücke aneinander, sodass die Gartenlandschaft des Quartiers hier in den Straßenraum hinein wirkt. Bei dem derzeit mit einem kleinen, eingeschossigen Wohngebäude aus dem 19. Jahrhundert bebauten Eckgrundstück Dieker Straße 77 / Goethestraße handelt es sich aus Sicht der Verwaltung um eine städtebaulich besonders sensible Lage im Bereich des nordwestlichen Eingangstors in das Innenstadtzentrum.

Für dieses Grundstück wurden dem Gestaltungsbeirat der Stadt Haan Bebauungsabsichten für eine 4-geschossige Bebauung mit einem Mehrfamilienwohnhaus in Flachdachbauweise vorgetragen (obere Ebene als „Staffelgeschoss“). Im Gestaltungsbeirat wurde das Vorhaben am 15.06.2020 erstmalig diskutiert. In weiteren Vorstellungen am 16.11.2020 und letztmalig am 08.02.2021 wurde durch den Gestaltungsbeirat die erhebliche Nachverdichtung in Form der Höhen- und Massenentwicklung wiederholt kritisiert und auch entsprechende Änderungen des äußeren Erscheinungsbildes im Sinne der Gestaltungssatzung angemahnt. Ein mit dem Bauherrn bzw. dem Entwurfsverfasser einvernehmliches Abstimmungsergebnis konnte jedoch auch nach drei Vorstellungsterminen nicht erzielt werden.

Der Vorhabenträger wurde durch die Verwaltung auf die rechtlichen Rahmenbedingungen (unbeplanter Innenbereich, Erhaltungs- und Gestaltungssatzung) als Beurteilungsgrundlagen hingewiesen. Zwischenzeitlich hat der Vorhabenträger zwei Bauvoranfragen für das Grundstück eingereicht: Eine Variante mit Satteldach sowie eine Variante mit Flachdach.

 

 

Exkurs: Beurteilungsrahmen des § 34 (1) BauGB, hier: Maß der baulichen Nutzung

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 23. 3. 1994 – 4 C18.92 – darauf hingewiesen, dass bei einer Beurteilung nach § 34 Absatz 1 BauGB der aus der vorhandenen Bebauung zu gewinnende Maßstab notwendig grob und ungenau sei; (…) in erster Linie sei auf solche Maße abzustellen, die nach Außen wahrnehmbar in Erscheinung treten.

Daraus folgt, dass vorrangig die absoluten Größen von Grundflächen, Geschosszahlen und Höhen, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur umgebenden Freifläche, zu Grunde zu legen sind. Beurteilungen, die vornehmlich auf den in der Örtlichkeit vorhandenen Geschossflächen- und Grundflächenzahlen basieren, müssen im unbeplanten Innenbereich zurücktreten. Auf die Grundstücksgrenzen und die Größe der Grundstücke kommt es bei Anwendung des § 34 Abs. 1 grundsätzlich nicht an (z. B.: BVerwG, Urt. vom 12. 6. 1970 – 4 C 77.68).

 

Aus diesem ist ersichtlich, dass es Fallkonstellationen geben kann, in denen die Beurteilungsgrundlage des § 34 BauGB als Element insbesondere zur Formulierung des Maßes der Nutzung alleine nicht ausreicht, um im Plangebiet eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu steuern und den Gebietscharakter auch langfristig zu wahren. Dies ist aus Sicht der Verwaltung hier zutreffend:

Das Vorhabengrundstück bildet zurzeit die nach Westen „offene Flanke“ des Straßenquartiers. Da es als Eckgrundstück auch von der Goethestraße aus erschlossen ist, hat es im Falle einer – grundsätzlich zulässigen – baulichen Entwicklung eine vermittelnde Funktion im Übergangsbereich zwischen der kleinteiligen Bebauung an der Grünstraße und der stärker verdichteten Bebauung an der Dieker Straße. Mit dem beschriebenen, eher groben Rahmen der Beurteilung nach § 34 Absatz 1 BauGB kann diese Funktion jedoch nicht in ausreichendem Maße gewährleistet werden. Es besteht die Gefahr einer ungesteuerten, auf die Grundstücke der Grünstraße übergreifenden baulichen Entwicklung und somit der Entstehung bodenrechtlicher Spannungen im Quartier.

Um angesichts des bisherigen Beratungsverlaufs im Gestaltungsbeirat (s. o.) auf die Gefahr einer möglichen baulichen Fehlentwicklung an dieser sensiblen Stelle des Stadtquartiers hinzuweisen, hatte die Verwaltung die Planung dem Ausschuss für Stadtentwicklung, Planung und Bau am 15.06.2021 in nicht öffentlicher Sitzung zur Kenntnis gegeben. Der SPUBA beauftragte die Verwaltung nach Beratung damit, zur Anschlusssitzung des SPUBA am 24.06.2021 einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan für den oben beschriebenen Bereich vorzulegen, um mit dem Einsatz planungsrechtlicher Instrumentarien der §§ 14 ff. BauGB auf das vorgestellte Bauvorhaben reagieren zu können.

Dem entsprechend empfiehlt die Verwaltung die Einleitung des Bauleitplan-verfahrens. Dabei soll zunächst der Aufstellungsbeschluss unter Festlegung des Geltungsbereichs und Formulierung der städtebaulichen Ziele gefasst werden, um ggfs. Baugesuche, welche diesen Zielen widersprechen, gemäß § 15 (1) BauGB für die Dauer von max. 12 Monaten zurückstellen zu können.

 

 

Abgrenzung des Plangebiets

Nach Süden und Osten ist das Straßenkarree Dieker Straße, Goethestraße, Grünstraße und Bleichstraße von rechtskräftigen Bebauungsplänen eingerahmt. Das westlich anschließende Straßenkarree ist durch die baulichen Anlagen der städtischen Grundschule geprägt; die Randbebauung der Düppel- und Alsenstraße ist bereits stark verdichtet bzw. weist entsprechend große Bautiefen auf.

Die nördlich der Grünstraße vorhandene Bebauung des Dreiecks Grün-/ Goethe-/ Ellscheider Straße ist bis auf den spitz zulaufenden, östlichen Eckbereich ausschließlich durch I-II-geschossigen Familienwohnbau geprägt. Das hiermit vorgegebene Maß der baulichen Nutzung schließt eine verdichtete Bebauung mit Mehrfamilienwohngebäuden aus; zudem lassen die im schrägen Winkel an die Grünstraße stoßenden Grundstücksgrenzen eine solche Bebauung ohne umfassende Grundstücksneuregelungen nicht zu.

Ein Planungserfordernis ist deshalb auch für die Umgebung des Straßenkarrees nicht zu erkennen. Damit beschränkt sich das Planungserfordernis aus Sicht der Verwaltung auf den in der Anlage dargestellten Bereich.

 

Planungsziele:

Eine Weiterentwicklung des Bereichs Diekerstraße / Grünstraße i. S. einer baulichen Nachverdichtung wird aus Sicht der Verwaltung grundsätzlich befürwortet. Hierbei sind jedoch auch der Erhalt des Erscheinungsbildes der historisch gewachsenen Haaner Innenstadt als städtebaulicher Belang in die Bauleitplanung zu integrieren. Im Einzelnen ergeben sich daher folgende städtebauliche Ziele für das Quartier:

1.  Sicherung der vorhandenen, kleinteiligen Einfamilien-/Doppelhausbebauung im Bereich der Grünstraße.

2.  Schaffung eines Übergangsbereiches zwischen offener und verdichteter Bebauung im Bereich der Goethestraße.

3.  Sicherung einer verdichteten Bebauungsstruktur im Bereich der Diekerstraße sowie

4.  Wahrung des durchgrünten Gebietscharakters der historischen Haaner Innenstadt durch den Erhalt des den Block-Innenbereich prägenden Gartenlandes als private Gartenflächen.

Um diese Ziele zu erreichen sind im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens mindestens Festsetzungen zu folgenden Belangen zu treffen:

Entwicklung der Gebäudehöhen:

      Grünstraße 19 - 9: Begrenzung auf 2 Vollgeschosse, zweites Vollgeschoss als Drempelgeschoss im Dach;

      Goethestraße, Bleichstraße und Gebäude Grünstraße 7 und 5: Begrenzung auf 2 Vollgeschosse + Dachgeschoss;

      Dieker Straße: Festsetzung von 3 Vollgeschossen + Dachgeschoss;

Fassadenbreiten und Bautiefen:

      Festsetzung von bestandsbezogenen, maximalen Fassadenbreiten und maximalen Bautiefen entlang der Grünstraße und der Goethestraße;

      Festsetzung von maximalen Bautiefen entlang der Bleichstraße und der Dieker Straße.

Erlebniswert Stadtraum - Gartenstadt

      Festsetzungen zur Gestaltung von Einfriedigungen, Hecken und zur Anpflanzung von Bäumen aus städtebaulichen Gründen.

Weitere gestalterische Vorgaben (z. B. Beibehalten der Satteldachform) erübrigen sich auf Grund der neben dem einfachen Bebauungsplan weiterhin gültigen Gestaltungssatzung.

Durch die Festsetzung von maximalen Fassadenbreiten werden zu massive Baukörper ausgeschlossen, sodass der offene, kleinteilige Charakter der Grünstraße und der Goethestraße gewahrt bleibt.     

Art des Planverfahrens und weitere Vorgehensweise

Mit der Gestaltungssatzung und der Erhaltungssatzung stehen bereits wichtige Elemente zur Steuerung der baulichen Entwicklung zur Verfügung. Ergänzungsbedarf besteht ausschließlich hinsichtlich der Steuerung des Maßes der baulichen Nutzung. Die Verwaltung empfiehlt deshalb das Instrument des einfachen Bebauungsplans gemäß § 30 Absatz 3 BauGB. Mit diesem Instrument bleibt die Beurteilungsgrundlage des § 34 BauGB bestehen; sie wird jedoch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung durch die Festsetzungen des einfachen Bebauungsplans wirksam ergänzt. Hiermit wird die Verwaltung in die Lage versetzt, die städtebauliche Entwicklung der Örtlichkeit angemessen zu steuern.

Der Bebauungsplan entspricht den Anforderungen des § 13a BauGB „Bebauungspläne der Innenentwicklung“, da es sich um eine Maßnahme der Innentwicklung handelt und weniger als 20.000 qm Grundfläche gemäß § 19 (2) BauNVO festgesetzt werden wird. Zudem wird der Bebauungsplan nicht die Zulässigkeit von Vorhaben begründen, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Bundes- oder Landesrecht unterliegen. Weiterhin bestehen keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 (6) Nr. 7b BauGB genannten Schutzgüter oder dafür, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 Bundesimmissionsschutzgesetz bestehen.

Aufgrund dessen empfiehlt die Verwaltung, das Bauleitplanverfahren als ein beschleunigtes Verfahren der Innenentwicklung durchzuführen. Durch die Anwendung des beschleunigten Verfahrens für Bebauungspläne der Innenentwicklung ergeben sich Verfahrensvereinfachungen für die Planung. Insbesondere ist die Durchführung einer Umweltprüfung nicht erforderlich; folglich entfällt somit auch der Umweltbericht. Gleichwohl sind alle umweltrelevanten Belange sachgerecht in die Planung einzustellen. Für Bebauungspläne der Innenentwicklung mit weniger als 20.000 qm festgesetzter Grundfläche ist zudem kein Ausgleich für durch die Planung vorbereitete Eingriffe erforderlich.

 

Beschlussempfehlung:

Die Verwaltung empfiehlt, den Aufstellungsbeschluss zum einfachen Bebauungsplan Nr. 204 „Dieker Straße / Grünstraße“ zu fassen, und das Verfahren als Verfahren der Innenentwicklung nach § 13 a BauGB fortzuführen. Nach erfolgter Beschlussfassung wird die Verwaltung eine Vorentwurfsplanung erarbeiten und dem Ausschuss in einer der nächsten Sitzungen, verbunden mit der Empfehlung zur Durchführung der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung gem. § 3 (1) BauGB, vorlegen.

 

Nachhaltigkeitsaspekte:

Der Aufstellungsbeschluss dient im Rahmen der Sicherstellung der städtebaulichen Ordnung auch dem Erhalt bestehender unversiegelter Flächen in Innenstadtlage.

Beschlussvorschlag:

 

1.    Die Aufstellung des einfachen Bebauungsplans Nr. 204 "Dieker Straße / Grünstraße“ nach § 30 Absatz 3 BauGB als „Bebauungsplan der Innenentwicklung“ gemäß § 13a BauGB wird beschlossen.

Das Plangebiet befindet sich in Haan-Mitte. Es wird von den Straßenverkehrsflächen der Dieker Straße, der Goethestraße, der Grünstraße und der Bleichstraße eingefasst. Die genaue Abgrenzung ist der Planzeichnung zu entnehmen.

 

2.    Den formulierten städtebaulichen Zielen gemäß dieser Sitzungsvorlage wird zugestimmt. Sie sind der weiteren Planung zu Grunde zu legen.

Finanz. Auswirkung:

 

Es entstehen ggf. Kosten für Vermessungsarbeiten. Diese werden in den Haushalt 2022 eingestellt.