hier: Aufstellungsbeschluss, § 2 (1) BauGB, Beschluss der Planungsziele
Ausgangssituation:
Die Dieker
Straße, Goethestraße, Grünstraße und Bleichstraße bilden ein Straßenkarree,
welches die historische Entwicklung der Haaner Innenstadt exemplarisch abbildet. So
finden sich neben einfachen, teils schieferverkleideten, eingeschossigen
Wohngebäuden aus dem frühen
19. Jahrhundert vereinzelte „gründerzeitliche“ Wohngebäude, Geschosswohnungsbau
der „Wiederaufbauphase“ aus
den 1950-er Jahren bis hin zu neuzeitlichen Wohngebäuden der 1980-er bis 2000-er Jahre. Der
Innenbereich dieses Karrees ist durch Hausgärten geprägt, welche noch an die ursprüngliche, offene
Siedlungsstruktur dieses Stadtquartiers im früheren Übergangsbereich vom
Ortskern in die freie Landschaft erinnern. Während die Bebauung entlang der Grünstraße durch eingeschossige Einzel-
und Doppelhausbebauung geprägt ist (nur an der Einmündung der Bleichstraße
zweigeschossig verdichtet), stellt sich die Dieker Straße als ehemalige
„Ausfallstraße“ der Innenstadt durch zwei- bis dreigeschossige Gebäude stärker
verdichtet dar. Entlang der Goethestraße stoßen die offenen Gärten des Quartiers
in Form der beiden Eckgrundstücke aneinander, sodass die Gartenlandschaft des
Quartiers hier in den Straßenraum hinein wirkt. Bei dem derzeit mit
einem kleinen, eingeschossigen Wohngebäude aus dem 19. Jahrhundert bebauten
Eckgrundstück Dieker Straße 77 / Goethestraße handelt es sich aus Sicht der
Verwaltung um eine städtebaulich besonders sensible Lage im Bereich des
nordwestlichen Eingangstors in das Innenstadtzentrum.
Für dieses
Grundstück wurden dem Gestaltungsbeirat der Stadt Haan Bebauungsabsichten für
eine 4-geschossige Bebauung mit einem Mehrfamilienwohnhaus in Flachdachbauweise
vorgetragen (obere Ebene als „Staffelgeschoss“). Im Gestaltungsbeirat wurde das Vorhaben am 15.06.2020 erstmalig
diskutiert. In weiteren Vorstellungen am 16.11.2020 und letztmalig am
08.02.2021 wurde durch den Gestaltungsbeirat die erhebliche Nachverdichtung in
Form der Höhen- und Massenentwicklung wiederholt kritisiert und auch
entsprechende Änderungen des äußeren Erscheinungsbildes im Sinne der
Gestaltungssatzung angemahnt. Ein mit dem Bauherrn bzw. dem Entwurfsverfasser
einvernehmliches Abstimmungsergebnis konnte jedoch auch nach drei
Vorstellungsterminen nicht erzielt werden.
Der Vorhabenträger wurde durch die
Verwaltung auf die rechtlichen Rahmenbedingungen (unbeplanter Innenbereich,
Erhaltungs- und Gestaltungssatzung) als Beurteilungsgrundlagen hingewiesen. Zwischenzeitlich hat der Vorhabenträger zwei Bauvoranfragen für das Grundstück eingereicht: Eine Variante mit
Satteldach sowie eine Variante mit Flachdach.
Exkurs: Beurteilungsrahmen des § 34 (1) BauGB, hier: Maß der baulichen Nutzung
Das
Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 23. 3. 1994 – 4 C18.92 – darauf
hingewiesen, dass bei
einer Beurteilung nach § 34 Absatz 1 BauGB der aus der
vorhandenen Bebauung zu gewinnende Maßstab notwendig grob und ungenau sei; (…) in erster Linie sei auf solche Maße abzustellen, die
nach Außen wahrnehmbar in Erscheinung treten.
Daraus folgt, dass vorrangig die absoluten Größen von
Grundflächen, Geschosszahlen und Höhen, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur umgebenden
Freifläche, zu Grunde zu legen sind. Beurteilungen,
die vornehmlich auf den in der Örtlichkeit vorhandenen Geschossflächen- und Grundflächenzahlen basieren, müssen im unbeplanten Innenbereich zurücktreten.
Auf die Grundstücksgrenzen und die Größe der Grundstücke kommt es bei Anwendung
des § 34 Abs. 1 grundsätzlich nicht an (z.
B.: BVerwG, Urt. vom 12. 6. 1970 – 4 C 77.68).
Aus diesem
ist ersichtlich, dass es Fallkonstellationen geben kann, in denen die
Beurteilungsgrundlage des § 34 BauGB als Element insbesondere zur Formulierung
des Maßes der Nutzung alleine nicht ausreicht, um im
Plangebiet eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu steuern und den
Gebietscharakter auch langfristig zu wahren. Dies ist aus Sicht der Verwaltung hier zutreffend:
Das
Vorhabengrundstück bildet zurzeit die nach Westen „offene Flanke“ des Straßenquartiers. Da
es als Eckgrundstück auch von der Goethestraße aus erschlossen ist, hat es im
Falle einer – grundsätzlich zulässigen – baulichen Entwicklung eine
vermittelnde Funktion im Übergangsbereich zwischen der kleinteiligen Bebauung
an der Grünstraße und der stärker verdichteten Bebauung an der Dieker Straße.
Mit dem beschriebenen, eher groben Rahmen der Beurteilung nach § 34 Absatz 1
BauGB kann diese Funktion jedoch nicht in ausreichendem Maße gewährleistet
werden. Es besteht die Gefahr einer ungesteuerten,
auf die Grundstücke der Grünstraße übergreifenden baulichen Entwicklung und somit der Entstehung
bodenrechtlicher Spannungen im Quartier.
Um angesichts des
bisherigen Beratungsverlaufs im Gestaltungsbeirat (s. o.) auf die Gefahr einer möglichen
baulichen Fehlentwicklung an dieser sensiblen Stelle des Stadtquartiers hinzuweisen, hatte die Verwaltung die Planung dem
Ausschuss für Stadtentwicklung, Planung und Bau am 15.06.2021 in nicht
öffentlicher Sitzung zur Kenntnis gegeben. Der SPUBA beauftragte die Verwaltung
nach Beratung damit, zur Anschlusssitzung des SPUBA am 24.06.2021 einen
Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan für den oben beschriebenen
Bereich vorzulegen, um mit dem Einsatz planungsrechtlicher Instrumentarien der
§§ 14 ff. BauGB auf das vorgestellte Bauvorhaben reagieren zu können.
Dem entsprechend empfiehlt die
Verwaltung die Einleitung des Bauleitplan-verfahrens. Dabei soll zunächst der
Aufstellungsbeschluss unter Festlegung des Geltungsbereichs und Formulierung der
städtebaulichen Ziele gefasst werden, um ggfs. Baugesuche, welche diesen Zielen
widersprechen, gemäß § 15 (1) BauGB für die Dauer von max. 12 Monaten
zurückstellen zu können.
Abgrenzung des Plangebiets
Nach Süden und Osten ist das Straßenkarree Dieker Straße, Goethestraße, Grünstraße und Bleichstraße von rechtskräftigen Bebauungsplänen eingerahmt. Das
westlich anschließende Straßenkarree ist durch die baulichen Anlagen der
städtischen Grundschule geprägt; die Randbebauung der Düppel- und Alsenstraße
ist bereits stark verdichtet bzw. weist entsprechend große Bautiefen auf.
Die nördlich
der Grünstraße vorhandene Bebauung des Dreiecks Grün-/ Goethe-/ Ellscheider
Straße ist bis auf den spitz zulaufenden, östlichen Eckbereich ausschließlich
durch I-II-geschossigen Familienwohnbau geprägt. Das hiermit vorgegebene Maß
der baulichen Nutzung schließt eine verdichtete Bebauung mit Mehrfamilienwohngebäuden aus; zudem lassen die im
schrägen Winkel an die Grünstraße stoßenden
Grundstücksgrenzen eine solche
Bebauung ohne umfassende Grundstücksneuregelungen
nicht zu.
Ein
Planungserfordernis ist deshalb
auch für die Umgebung
des Straßenkarrees nicht zu erkennen. Damit
beschränkt sich das Planungserfordernis aus Sicht der Verwaltung auf den in der
Anlage dargestellten Bereich.
Planungsziele:
Eine
Weiterentwicklung des Bereichs Diekerstraße / Grünstraße i. S. einer baulichen
Nachverdichtung wird aus Sicht der Verwaltung grundsätzlich befürwortet. Hierbei sind jedoch
auch der Erhalt des Erscheinungsbildes der historisch gewachsenen Haaner
Innenstadt als städtebaulicher Belang in die Bauleitplanung zu integrieren. Im Einzelnen ergeben sich daher folgende städtebauliche Ziele für
das Quartier:
1. Sicherung der vorhandenen, kleinteiligen
Einfamilien-/Doppelhausbebauung im Bereich der Grünstraße.
2. Schaffung eines Übergangsbereiches zwischen
offener und verdichteter Bebauung im Bereich der Goethestraße.
3. Sicherung einer verdichteten
Bebauungsstruktur im Bereich der Diekerstraße sowie
4. Wahrung des durchgrünten Gebietscharakters der historischen Haaner
Innenstadt durch den Erhalt des den Block-Innenbereich prägenden Gartenlandes als private Gartenflächen.
Um diese Ziele zu erreichen sind im Rahmen
eines Bebauungsplanverfahrens mindestens Festsetzungen zu folgenden Belangen zu
treffen:
Entwicklung
der Gebäudehöhen:
• Grünstraße 19 -
9: Begrenzung auf 2 Vollgeschosse, zweites Vollgeschoss als Drempelgeschoss
im Dach;
• Goethestraße, Bleichstraße und Gebäude
Grünstraße 7 und 5: Begrenzung auf 2 Vollgeschosse + Dachgeschoss;
• Dieker Straße: Festsetzung von 3
Vollgeschossen + Dachgeschoss;
Fassadenbreiten
und Bautiefen:
• Festsetzung von
bestandsbezogenen, maximalen Fassadenbreiten und maximalen
Bautiefen entlang der Grünstraße und
der Goethestraße;
• Festsetzung von maximalen Bautiefen
entlang der Bleichstraße und der Dieker Straße.
Erlebniswert
Stadtraum - Gartenstadt
• Festsetzungen zur Gestaltung von Einfriedigungen, Hecken und zur Anpflanzung von
Bäumen aus städtebaulichen Gründen.
Weitere gestalterische Vorgaben (z. B. Beibehalten der Satteldachform) erübrigen sich auf Grund der
neben dem einfachen Bebauungsplan weiterhin
gültigen Gestaltungssatzung.
Durch die Festsetzung von maximalen Fassadenbreiten werden zu massive
Baukörper ausgeschlossen, sodass der offene, kleinteilige Charakter der
Grünstraße und der Goethestraße gewahrt bleibt.
Art des Planverfahrens und
weitere Vorgehensweise
Mit der Gestaltungssatzung und der Erhaltungssatzung stehen bereits
wichtige Elemente zur Steuerung der baulichen Entwicklung zur Verfügung.
Ergänzungsbedarf besteht ausschließlich hinsichtlich der Steuerung des Maßes
der baulichen Nutzung. Die Verwaltung empfiehlt deshalb das Instrument des einfachen
Bebauungsplans gemäß § 30 Absatz 3 BauGB. Mit diesem Instrument bleibt die
Beurteilungsgrundlage des § 34 BauGB bestehen; sie wird jedoch hinsichtlich des
Maßes der baulichen Nutzung durch die Festsetzungen des einfachen
Bebauungsplans wirksam ergänzt. Hiermit wird die Verwaltung in die Lage
versetzt, die städtebauliche Entwicklung der Örtlichkeit angemessen zu steuern.
Der
Bebauungsplan entspricht den Anforderungen des § 13a BauGB „Bebauungspläne der
Innenentwicklung“, da es sich um eine Maßnahme der Innentwicklung handelt und
weniger als 20.000 qm Grundfläche gemäß § 19 (2) BauNVO festgesetzt werden
wird. Zudem wird der Bebauungsplan nicht die Zulässigkeit von Vorhaben begründen,
die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach
Bundes- oder Landesrecht unterliegen. Weiterhin bestehen keine Anhaltspunkte
für eine Beeinträchtigung der in § 1 (6) Nr. 7b BauGB genannten Schutzgüter
oder dafür, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der
Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1
Bundesimmissionsschutzgesetz bestehen.
Aufgrund
dessen empfiehlt die Verwaltung, das Bauleitplanverfahren als ein
beschleunigtes Verfahren der Innenentwicklung durchzuführen. Durch die
Anwendung des beschleunigten Verfahrens für Bebauungspläne der Innenentwicklung
ergeben sich Verfahrensvereinfachungen für die Planung. Insbesondere ist die
Durchführung einer Umweltprüfung nicht erforderlich; folglich entfällt somit
auch der Umweltbericht. Gleichwohl sind alle umweltrelevanten Belange
sachgerecht in die Planung einzustellen. Für Bebauungspläne der
Innenentwicklung mit weniger als 20.000 qm festgesetzter Grundfläche ist zudem
kein Ausgleich für durch die Planung vorbereitete Eingriffe erforderlich.
Beschlussempfehlung:
Die Verwaltung empfiehlt, den Aufstellungsbeschluss zum einfachen Bebauungsplan Nr. 204 „Dieker Straße / Grünstraße“ zu fassen, und das Verfahren als Verfahren der Innenentwicklung nach § 13 a BauGB fortzuführen. Nach erfolgter Beschlussfassung wird die Verwaltung eine Vorentwurfsplanung erarbeiten und dem Ausschuss in einer der nächsten Sitzungen, verbunden mit der Empfehlung zur Durchführung der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung gem. § 3 (1) BauGB, vorlegen.
Nachhaltigkeitsaspekte:
Der Aufstellungsbeschluss dient im Rahmen der Sicherstellung der städtebaulichen Ordnung auch dem Erhalt bestehender unversiegelter Flächen in Innenstadtlage.
Beschlussvorschlag:
1. Die Aufstellung des einfachen Bebauungsplans Nr. 204 "Dieker Straße / Grünstraße“ nach § 30 Absatz 3 BauGB als „Bebauungsplan der Innenentwicklung“ gemäß § 13a BauGB wird beschlossen.
Das Plangebiet befindet sich in Haan-Mitte. Es wird von den Straßenverkehrsflächen der Dieker Straße, der Goethestraße, der Grünstraße und der Bleichstraße eingefasst. Die genaue Abgrenzung ist der Planzeichnung zu entnehmen.
2.
Den
formulierten städtebaulichen Zielen gemäß dieser Sitzungsvorlage wird
zugestimmt. Sie sind der weiteren Planung zu Grunde zu legen.
Finanz. Auswirkung:
Es entstehen ggf. Kosten für Vermessungsarbeiten. Diese werden in den Haushalt 2022 eingestellt.