Betreff
Rats- und Ausschusssitzungen im Livestream
Vorlage
10/057/2021
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

Aufgrund des Antrags der WLH-Fraktion vom 24.11.2020, Rats- und Ausschusssitzungen im Livestream durchzuführen, fasste der DOPA in seiner Sitzung am 11.03.2021 folgenden Beschluss:

 

„Die Verwaltung wird beauftragt, eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten und zur übernächsten Sitzung des DOPA vorzulegen“.

 

 

Die Verwaltung hat sich intensiv über die Möglichkeiten eines Live-Streamings von Rats- und Ausschusssitzungen in den Kommunen und die dortige Durchführung informiert. Die Ergebnisse aus der Zusammenfassung des Erfahrungsaustausches mit dem Städte- und Gemeindebund und einigen Kommunen, die Live-Übertragungen durchführen, sind in die Bewertung mit eingeflossen.

Im Kreis Mettmann führt die Stadt Monheim bereits Liveübertragungen von Rats- und Ausschusssitzungen durch. Auch die daraus gewonnenen Erkenntnisse fanden Berücksichtigung. Der Kreis Mettmann befindet sich derzeit in einer testweisen Übertragung (Live-Streaming) von Sitzungen für den Kreisausschuss am 20.09.2021 (ausschließlich an die Mitglieder des Kreistages) und für den Kreistag am 07.10.2021 (Übertragung an die Öffentlichkeit).

 

 

Im Wesentlichen müssen vor einer Entscheidungsfindung, ob künftig Rats- und Ausschusssitzungen per Live-Streaming stattfinden sollen, drei wesentliche Aspekte berücksichtigt werden.

 

1.  Räumlich-technische Bewertung

 

Die Stadt Haan besitzt derzeit kein technisches Equipment (Kamera, Software usw.), mit dem sich ein Live-Streaming durchführen ließe. Ein beabsichtigtes Live-Streaming sollte auf einer guten Übertragungsqualität basieren. Daher haben einige Städte festinstallierte Kameras am Übertragungsort. Die schlechteste Qualität (so die Stadt Monheim am Rhein) ist ganz sicher gar kein Streaming-Angebot.

 

Die Möglichkeit von festinstallierten Kameras besteht derzeit bei der Stadt Haan im historischen Ratssaal ohne bauliche Veränderungen nicht. Die Verwaltung hatte sich daher bereits damals für eine mobile und abhörsichere Konferenzanlage entschieden und diese beschafft. Laut des Amtes für Bauaufsicht und Denkmalpflege wäre eine bauliche Veränderung ohne Genehmigung nicht möglich. Ob eine Genehmigung erteilt würde ist fraglich und müsse dort auf Antrag geprüft werden.

Zudem ist berücksichtigen, dass die Rats- und Ausschusssitzungen nicht nur während der Corona-Pandemie, sondern auch sonst an verschiedenen Orten aus Platzgründen stattfinden werden (Gymnasium Adlerstraße, Schulzentrum).

Eine festinstallierte Kameraführung scheidet damit zunächst und eventuell bis zum Neubau des Rathauses aus.

Zudem wäre eine technische Begleitung erforderlich (z.B. beim Überblenden von Redebeiträgen, wenn eine Einwilligung nicht vorliegt). Dieses spezielle Know-how (u.a. auch für Regie und Schnitt) liegt in der Verwaltung nicht vor, so dass auf einen externen Dienstleister zurückgegriffen werden müsste.

So sind beispielsweise in Monheim am Rhein zwei externe Personen eines beauftragten Dienstleisters für vier festinstallierte Kameras im Einsatz. Auch andere Städte und der Kreis Mettmann nutzen bzw. beabsichtigen die technische Unterstützung externer Dienstleister.

Ein mobiler Kameraeinsatz lässt sich sicher realisieren, würde aber zu einem erhöhten Personalstundenansatz beim externen Dienstleister führen. Hier müssten im Vorfeld alle in Betracht kommenden Sitzungsorte in Augenschein genommen werden, um festzustellen, ob die Örtlichkeiten für eine mobile Kameraführung und Aufzeichnung geeignet erscheinen.

Der Einsatz der mobilen Konferenzanlage hat bereits gezeigt, dass nicht jeder Sitzungsort von vornherein geeignet ist. Fraglich ist auch, ob die eigene mobile Konferenzanlage mit ihren ständig wechselnden Frequenzbereichen (wegen der Abhörsicherheit) mit der Kameratechnik kompatibel ist. Die Stadt Gütersloh hatte beispielsweise mit ihrer vorhandenen Mikrofonanlage im Ratssaal eine gesonderte Technik für die Mikrofonanlage zusätzlich beschaffen müssen.

Sicher gibt es für solche technischen Probleme auch Lösungen, für die allerdings auch zusätzliche Mittel im Haushalt bereitgestellt werden müssten. Ebenso für eine Barrierefreiheit, etwa im Hinblick auf Untertitel.

 

 

2.  Kosten eines Live-Streamings von Rats- und Ausschusssitzungen

 

Die Kosten des Live-Streaming variieren zwischen 3.000 und 5.000 € pro Sitzung und sind stark abhängig von der Vertragslaufzeit, der derzeitigen Nachfrage und hängen zudem vom Aufwand ab, den der externe Dienstleisters hat (z.B. für Personalstunden für festverbaute oder mobile Kameraführung, Aufwand für das Überblenden). Die Gesamtkosten sind dann abhängig von der Anzahl der Sitzungen. Aufgrund der Angaben der Stadt Monheim am Rhein, (die Kosten befinden sich dort im unteren Bereich), müsste die Stadt Haan wegen der Anzahl der Rats- und Ausschusssitzungen auf der Basis der Sitzungsdurchführungen in 2021 mind. 175.000 € pro Jahr im Haushalt einstellen.

 

Eine verlässliche Kostenermittlung kann allerdings erst im Rahmen einer Ausschreibung erfolgen.

Zusätzlich wären Kosten für Elektroinstallationen, Verkabelungen und im IT-Bereich (z.B. Serveranbindung) zu berücksichtigen.

 

Erfahrungswerte über das Nutzungsverhalten liegen in Haan nicht vor und eine Aussage hierzu wäre rein spekulativ, so dass an dieser Stelle nur auf Erfahrungswerte anderer Kommunen verwiesen werden kann.

Die Stadt Gütersloh berichtete im Erfahrungsaustausch, dass die derzeitigen Nutzerzahlen durchschnittlich im hohen zweistelligen bis niedrigen dreistelligen Bereich liegen und man durchaus kritisch hinterfragen könne, ob dies den hohen Aufwand rechtfertigen würde. Andererseits habe man immer noch deutlich mehr Zuschauer als früher.

Die Stadt Monheim teilt mit, dass sich die Live-Zugriffe nach einer ersten Neugierde bei den Rats- und Ausschusssitzungen zwischen 30 und 500 Zuschauerinnen und Zuschauer einpendelten und die Dauer der Einwahlzeit stark variiert. Bei der Ratssitzung im Dezember 2020 waren es 120 Personen, die live zuschauten.

Letztlich ist das Interesse an Kommunalwahlabenden mit Wahlpräsentation und am Anfang der Übertragung von Sitzungen groß und lässt dann in der Regel nach.

 

 

3.  Rechtliche Einschätzung

 

In der Gemeindeordnung NRW (GO NRW) existiert weder eine ausdrückliche Gestattung noch ein Verbot bezüglich audiovisueller Übertragungen von Rats- und Ausschusssitzungen. Das sog. „Streamen“ von Rats- und Ausschusssitzungen ist daher rechtlich zulässig.

Allerdings weist der Städte- und Gemeindebund darauf hin, dass Film- und Tonbandaufnahmen nur dann möglich sind, wenn alle Mandatsträger ihre Zustimmung dazu abgegeben haben. Dies ergibt sich daraus, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mandatsträger (Art. 2 Abs. 1 GG) ein Individualrecht ist und daher nicht durch einen Mehrheitsbeschluss ersetzt werden kann. Aus diesem Grund kann auch der Vorsitzende der Gemeindevertretung die Entscheidung über die Zulässigkeit solcher Aufnahmen für die Gemeindevertreter nicht verbindlich treffen.

 

Da eine ausdrückliche Einwilligung der Ratsmitglieder erforderlich ist, kann bei nicht erfolgtem Widerspruch nicht automatisch eine Einwilligung unterstellt werden. Daher müsste vor jedem Sitzungsbeginn jeder Sitzungsteilnehmer und jede Sitzungsteil-nehmerin (Ratsmitglieder, sachkundige Bürger*innen, Verwaltungsmitarbeitende und Gäste) die Einwilligung zur Übertragung der Sitzung erklären. Falls ein/eine Sitzungsteilnehmer*in die Einwilligung verweigert oder sie während des Verlaufs der Sitzung widerruft, ist sicherzustellen, dass die Übertragung bei dessen/deren Redebeiträgen abgeschaltet wird. Ggf. lässt sich dies durch die Geschäftsordnung im Vorfeld konkreter regeln.

 

Die Verwaltung hat bei insgesamt 124 Personen eine Abfrage (Ratsmitglieder, Sachkundige Bürger und Verwaltungsbeschäftigte) bezüglich einer Einwilligungs-erklärung durchgeführt. Insgesamt gab es lediglich 32 Rückmeldungen.

 

Ratsmitglieder

11 geben ihre Einwilligung

23 haben sich bisher nicht geäußert

 

Sachkundige Bürger

11 geben ihre Einwilligung

2 lehnen die Einwilligung ab

54 haben sich bisher nicht geäußert

 

Verwaltungsbeschäftigte

5 geben ihre Einwilligung (inkl. kommunale Wahlbeamte)

6 lehnen die Einwilligung ab

12 haben sich bisher nicht geäußert

 

Von 124 Befragten liegen derzeit insgesamt 27 Einwilligungen (21,7 %) vor.

 

 

Sollte der Rat beschließen, Rats- und Ausschusssitzungen im Livestream durchzuführen, so wäre auch ein Beschluss zu fassen, ob die Ratsmitglieder die Möglichkeit erhalten sollen, Elemente aus einer Aufzeichnung für eigene Zwecke zu verwenden, um diese Ausschnitte dann beispielsweise in soziale Netzwerke einzustellen.

Die Stadt Monheim bietet dies bewusst nicht an und hat bisher entsprechende Anfragen konsequent abgelehnt.

 

Der StGB NRW weist in seiner Mitteilung 697/2020 vom 23.11.2020 darauf hin, dass sofern Ratssitzungen aufgezeichnet werden, etwaige Löschungsfristen beachtet werden müssen. Grundsätzlich seien die Daten zu löschen, wenn sie nicht mehr für den ursprünglichen Zweck benötigt werden. Es sind jedoch auch Höchstfristen festzusetzen, bis wann diese Daten gelöscht sein müssen. Das Löschen muss auch nachweislich stattfinden. Es wäre daher ratsam, diese organisatorischen Regelungen in der Geschäftsordnung festzuhalten.

Beschlussvorschlag:

 

1.    Der Rat nimmt die Stellungnahme der Verwaltung zur Kenntnis.

2.    Ein Beschluss des Rates erfolgt nach Beratung.