Betreff
Verkauf von Reihenhäusern auf dem Bürgerhausareal (WA III)
hier: Verkaufskriterien und Bauträgerauswahl
Vorlage
60/019/2021
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Sachverhalt:

Der Rat der Stadt Haan hat in seiner Sitzung am 25.03.2021 entschieden, dass das Gebiet WA III auf dem ehem. Bürgerhausareal durch die Stadt vermarktet wird. Eine Entscheidungsmatrix über die Verkaufskriterien sowie die Investorenauswahl sind vom Rat noch zu beschließen.

 

1.    Auswahl der Erwerber und Erwerberinnen der Reihenhäuser

 

Ziel des Einheimischenmodells der Stadt Haan ist es, bereits ortsansässigen und mit Haan verbundenen Familien die Möglichkeit zu geben, ein Baugrundstück/ Eigenheim zu erwerben. Dies wird mit Hilfe einer städt. Förderung in Form eines vergünstigten Grundstückpreises ermöglicht. Insgesamt sollte daher bei jeder Überlegung zu Vermarktungs- und Veräußerungskriterien immer beachtet werden, dass die Förderung der ortsverbundenen Bevölkerung mit besonderem Bedarf vorrangig zu betrachten ist.

 

Hierzu ist es aus Sicht der Verwaltung wichtig, eine gleichbehandelnde, transparente und diskriminierungsfreie Vergabe der Grundstücke durchzuführen. Dies geschieht im Konsens zu einem richtungsweisenden Urteil des Gerichtshofes des Europäischen Union (EuGH). Die Stadt darf die Aufstellung von Vergabekriterien danach ausrichten, welches Ziel mit der Grundstücksvergabe erreicht werden soll. Verboten sind lediglich Kriterien nach unsachlichen und willkürlichen Gesichtspunkten.

 

Hierzu hat der EuGH im Mai 2013 (C-197/11 und C 203/11) entschieden, dass Gemeinden Bauland nicht bevorzugt an Käufer vergeben dürfen, die eine besondere Bindung zur Gemeinde haben, also an Einheimische, jedenfalls nicht ohne eine Rechtfertigung durch das Gemeinwohl. Daraufhin hat die Bundesregierung gemeinsam mit der bayrischen Staatsregierung 2017 in Abstimmung mit der Europäischen Kommission Leitlinien für Gemeinden bei der vergünstigten Überlassung von Baugrundstücken im Rahmen des sogenannten Einheimischenmodells entwickelt, um eine rechtssichere Ausgestaltung zu gewährleisten. Sie dienen dazu, einkommensschwächeren Personen der örtlichen Bevölkerung den Erwerb angemessenen Wohnraums zu ermöglichen.

 

Das Kriterium Ortsgebundenheit darf im Verhältnis zu sozialen Kriterien nicht überwiegen (mehr als 50 Prozent). Der vorgelegte Verwaltungsvorschlag berücksichtigt die Rechtsprechung des EuGH sowie die Empfehlungen aus den Leitlinien.

 

Die Leitlinien sind Rahmenbedingungen und an die örtlichen Verhältnisse anzupassen. Hierzu sind Obergrenzen für das Vermögen und Einkommen sowie die Vergabekriterien vorab öffentlich bekanntzumachen. Nach Veröffentlichung können sich kaufinteressierte Bürger und Bürgerinnen auf eine Liste eintragen lassen.

Die Stadt Haan verfolgt das Ziel, den sozialen Zusammenhalt der Bürger und Bürgerinnen zu stärken und zu festigen. Ohne die Grundstücksvergabekriterien ist die in Haan verwurzelte Bevölkerung in Teilen nicht in der Lage, ein Wohnbaugrundstück zu erwerben und zu finanzieren. Gerade Familien mit mehrjähriger Bindung zur örtlichen Gemeinschaft sind auf diese Grundstücke angewiesen, um auch zukünftig in der Stadt bleiben zu können.

 

Das Kriterium „verwurzelt“ stellt den Ortsbezug in vergangenen Jahren dar. Hierzu gehören der bisherige Wohnort sowie eine ehrenamtliche Tätigkeit. Alternativ zum Wohnort wird eine Erwerbstätigkeit berücksichtigt. Die Verwaltung schlägt vor, eine verwurzelte Mindestzeit von 5 Jahren vorzuschreiben. Für das sechste bis zum zehnten Jahr werden jeweils 5 Punkte angerechnet (Maximalwert 25 Punkte ab 10-jährigem Ortsbezug). Zusammenhängende Jahre der letzten 20 Jahre werden berücksichtigt, so dass Rückkehrer keine Nachteile haben.

 

Es wird eine „Vermögensobergrenze“ eingeführt. Diese wird nicht bepunktet, sondern diese wird als Ausschlusskriterium festgelegt. Die Vermögensobergrenze besagt, dass maximal ein Vermögen in Höhe des Grundstückswertes, welches im WA III erworben werden soll, vorhanden sein darf. Dies ist durch Eigenerklärung nachzuweisen. Der Bewerber darf nicht Eigentümer eines Baugrundstücks oder eines Einfamilienhauses in Haan sein. Eine im Eigentum der Bewerber stehende Eigentumswohnung, die nicht den Wohnbedürfnissen entspricht, wird als Vermögen angerechnet.

Die Verwaltung hält diese zusätzliche Grenze für die Einhaltung des o.g. Ziels der vorrangigen Förderung der Bevölkerung mit besonderem Bedarf für notwendig.

 

In der Bewertungsmatrix wird das Einkommen bepunktet. Das Einkommen darf maximal dem durchschnittlichen Jahreseinkommen eines Steuerpflichtigen in der Stadt Haan entsprechen. Dieses beträgt nach der letzten Auswertung 2017 von IT.NRW je steuerpflichtiger Person in Haan 55.606 €. Nach den statistischen Auswertungen ist der Bruttoarbeitslohn in Deutschland von 2017 bis 2020 im Schnitt um 8% gestiegen. Wendet man diese Steigerung auf Haan an, ist ein steuerpflichtiges Einkommen jeder Person von 60.000 € anzusetzen.

Um eine staatliche Förderung für einkommensschwächere Gruppen durch die KfW-Bank zu erhalten, darf das zu versteuernde Einkommen des 2. und 3. Jahres vor Antragstellung des Haushalts maximal insgesamt 75.000 € zzgl. 15.000 € je Kind betragen. Die Einhaltung dieser Einkommensgrenze ist mit zusätzlichen Punkten zu bewerten.

Das Einkommen ist durch Steuerbescheid nachzuweisen. Mit Blick auf die Finanzierbarkeit ist darauf zu achten, dass diese bei der Punktevergabe für ein niedrigeres Einkommen gewährleistet ist. Dies bedeutet, dass eine weitere Absenkung der Wertgrenzen in der Matrix nicht möglich ist. Die Finanzierbarkeit ist von den Bewerbern durch eine Bankbestätigung nachzuweisen.

 

Das Kriterium „Anzahl der minderjährigen Kinder“ erfolgt durch eine Punktevergabe je Kind.

 

Ein öffentlich bestellter Gutachter hat für das Gebiet WA III der Reihenhausgrundstücke ein Wertgutachten erstellt und einen Grundstückswert von insgesamt 1,0 Mio. € ermittelt. Die Aufteilung des Wertes auf die einzelnen Reihenhausgrundstücke ergibt sich erst nach Auswahl des Bauträgers, da erst hiernach die endgültige Festlegung der einzelnen Grundstücke erfolgen kann.

 

Es ist bisher nicht abschließend gerichtlich geklärt, ob eine einkommensunabhängige Vergabe an Einheimische zulässig ist, wenn das Baugrundstück nicht verbilligt abgegeben wird. Größtmögliche Rechtssicherheit kann nur erreicht werden, wenn sich die Vergabe an den o.g. Leitlinien orientiert. Daher schlägt die Verwaltung vor, die Grundstücke 40% unter dem von Gutachter ermittelten Wert zu veräußern.

 

Im Kaufvertrag wird eine Verpflichtung zur Eigennutzung und ein Veräußerungsverbot für einen Zeitraum von 15 Jahren vereinbart. Sollte eine frühere Weiterveräußerung erfolgen, ist die Vergünstigung beim Grundstückskaufpreis gestaffelt nach Jahren der bereits erfolgten Nutzung an die Stadt zurück zu zahlen. Eine weitere Regelung wird aufgenommen, dass das Wohngebäude spätestens 6 Monate nach Fertigstellung vom Antragsteller zu beziehen ist.

 

Im weiteren Verfahren muss zuerst ein Bauträger gefunden werden, da die Bewerber und Bewerberinnen neben dem Kaufvertrag mit der Stadt gleichzeitig einen Vertrag mit dem Bauträger schließen müssen. Solange kein Bauträger feststeht, können Interessierte sich auf eine - heute schon vorhandene - Bewerberliste setzen lassen. Dies wichtige Information wird die Verwaltung kurzfristig über die Pressestelle veröffentlichen.

Nachdem der Bauträger durch Ratsbeschluss ausgewählt wurde, beabsichtigt die Verwaltung eine weitere regionale Veröffentlichung sowie Information der Personen, die in der Interessentenliste gelistet sind. Hierbei wird es eine angemessene Rückmeldefrist geben, ob Interesse am Erwerb eines Objektes im WA III weiterhin besteht. Die Vergabekriterien werden ebenfalls erneut übermittelt. Innerhalb einer weiteren Frist von voraussichtlich 3 Monaten, in der die Bewerber und Bewerberinnen sich mit dem Bauträger austauschen und eine Finanzierung prüfen können, muss eine schriftliche Bewerbung vorgelegt werden. Die Auswahl der Bewerber und Bewerberinnen erfolgt abschließend in der Reihenfolge der erzielten Punkte und wird dem Rat zur Entscheidung vorgelegt.

 

2.    Auswahl des Bauträgers

 

Zur Errichtung der 6 Reiheneigenheime wird die Stadt einen Bauträger suchen, der diese errichtet. Die Grundstücke werden über das Einheimischenmodell direkt von der Stadt an die Enderwerber und Enderwerberinnen vergeben. Gleichzeitig mit dem Grundstückskaufvertrag müssen die Erwerber und Erwerberinnen mit dem ausgewählten Bauträger einen Werk-/Bauträgervertrag zur Errichtung des Hauses schließen. Mit dieser Vorgehensweise wird sichergestellt, dass der Bauträger nicht frei veräußern kann. Diese Vorgehensweise hat die Stadt Haan in der Vergangenheit bereits erfolgreich praktiziert.

 

Da das Einheimischenmodell zwingend die soziale Komponente des Einkommens beinhaltet, muss ausschlaggebend bei der Auswahl des Bauträgers das kostengünstigste Angebot sein. Entsprechend sind für den Preis maximal 60 der 100 Punkte für einen Bauträger erreichbar.

 

Die KfW-Bank gewährt einkommensunabhängig Fördermittel beim Erwerb eines Effizienzhauses 55, so dass die Errichtung eines Hauses mit diesem Standard zwingend vorgegeben wird. Wird diese Mindestvorgabe nicht erfüllt, erfolgt ein Ausschluss. Die Vorgabe eines höheren Standards führt zu Kostenerhöhungen und widerspricht dem o.g. Ziel.

Als weitere Kriterien werden die Gestaltung sowie ökologische Aspekte aufgenommen. Die eingehenden Angebote werden dem Gestaltungsbeirat zur Bewertung vorgelegt. Die abschließende Punktevergabe erfolgt durch den Stadtentwicklungsausschuss.

 

 

 

 

Abschließender Hinweis zur Beratungsreihenfolge:

Die Zuständigkeitsordnung lässt es zu, dass nach Beratung im Liegenschaftsausschuss ein Beschluss im Haupt- und Finanzausschuss für Grundstücksverkäufe ausreichend wäre. Die Verwaltung hat sich entschieden, dass die Festlegung der Kriterien für eine erhöhte Rechtssicherheit zwingend durch Ratsbeschluss erfolgen sollte.

Beschlussvorschlag:

Für die Veräußerung der Reihenhäuser auf dem Bürgerhausareal im Gebiet WA III werden

1.    die Verkaufskriterien gemäß Anlage 1 beschlossen,

2.    die Vergabekriterien für die Auswahl eines Bauträgers gemäß Anlage 2 beschlossen.