hier: 1. Agnes-Miegel-Weg
2. Emil-Nolde-Straße
Sachverhalt:
Der Rat hat in
seiner Sitzung vom 26. Januar 2021 unter TOP 11 beschlossen: „Der
Agnes-Miegel-Weg sowie die Emil-Nolde-Straße werden umbenannt.“
Erläuterungen:
1. Agnes-Miegel-Weg
Am 1. September 2021 hatte die Stadtverwaltung die
Anwohner_innen des Agnes-Miegel-Wegs zu einer Informationsveranstaltung in die
Stadtbücherei eingeladen, um sie über den weiteren Verfahrensablauf zu
informieren.
Die
Verwaltung dankt den anwesenden Anwohner_innen für ihr Kommen und für das
angenehme und konstruktive Gespräch. Als neuen Straßenamen schlugen die Anwohner_innen
den Namen der Schriftstellerin Nelly Sachs vor, der auch innerhalb ihrer
Straßengemeinschaft auf Zustimmung gestoßen ist. Diesen Vorschlag hat die
Verwaltung gerne aufgegriffen und für die folgenden politischen Beratungen
Informationen zu Nelly Sachs zusammengestellt. Ebenso
bringt die Verwaltung den Wunsch der Anwohner_innen ein, beide
Straßenbeschilderungen für eine Übergangszeit von ca. 2 Monaten aufzustellen.
Informationen
zu Nelly Sachs:
Nelly Sachs
Schriftstellerin
geboren am 10. Dezember 1891 in Berlin
gestorben am 12. Mai 1970 in Stockholm
Nelly Sachs wurde am
10. Dezember 1891 als Leonie Sachs in Berlin geboren. Sie wuchs als einziges
Kind einer jüdischen Fabrikantenfamilie auf und wendete sich früh der Lyrik zu.
Im Alter von fünfzehn Jahren begann sie einen Schriftwechsel mit der
schwedischen Schriftstellerin Selma Lagerlöf.
1921 erfolgte eine
erste Veröffentlichung, in den folgenden Jahren erschienen Gedichte und
Erzählungen. Ab 1933 beschäftigte sie sich zunehmend mit ihrer jüdischen
Abstammung. Im Mai 1940 floh Nelly Sachs mit ihrer verwitweten Mutter gerade
noch rechtzeitig ins schwedische Exil. Sie hatte bereits ihren
Deportationsbescheid erhalten. Für ihre Aufenthaltsgenehmigung in Schweden
hatte sich auch Selma Lagerlöf eingesetzt. Schwere Depressionen begleiteten
Nelly Sachs nach ihrer erzwungenen Flucht.
Ihr großes
literarisches Schaffen beginnt mit den Werken, in denen sie sich mit der
Verfolgung des jüdischen Volkes durch das NS-Regime, dem Leid und Tod in den
deutschen Vernichtungslagern befasst („In den Wohnungen des Todes“,
veröffentlich 1947, „Sternverdunkelung“, veröffentlicht 1949, „Eli. Ein
Mysterienspiel vom Leiden Israels“, veröffentlicht 1951, u.v.m. in den
folgenden Jahren). Die Werke ließen sie zur „Dichterin des jüdischen
Schicksals“ werden.
Ab Ende der 1950er
Jahre erhielt Nelly Sachs für ihr literarisches Schaffen zahlreiche Würdigungen
und Preise. Unter anderem stiftete die Stadt Dortmund 1961 den
Nelly-Sachs-Preis, der zuerst an die Namensgeberin ging und bis heute verliehen
wird. 1965 erhielt sie als erste Frau den Friedenspreis des deutschen
Buchhandels und 1966 schließlich den Literaturnobelpreis „für ihre
hervorragenden lyrischen und dramatischen Werke, die das Schicksal Israels mit
ergreifender Stärke interpretieren“.
In ihren letzten
Lebensjahren zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück und starb am 12. Mai
1970 in Stockholm, wo sie auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt wurde.
Quellen:
Frauengeschichte in
Düsseldorfer Straßennamen (uni-duesseldorf.de)
Nelly
Sachs - Biografie WHO'S WHO (whoswho.de)
Nach Nelly Sachs sind Straßen in zahlreichen
Städten benannt, u. a. in Leverkusen (2007), Ratingen, Langenfeld, Mettmann,
Dortmund, Lüneburg, Bremerhaven, Ulm, Düsseldorf (1976; im Abschlussbericht zur
Überprüfung Düsseldorfer Straßennamen als nicht belastet gelistet). Zudem sind
u. a. das Nelly-Sachs-Gymnasium in Neuss und das jüdische Altenwohnheim
Nelly-Sachs-Haus in Düsseldorf nach der Autorin benannt.
2. Emil-Nolde-Straße
Am 30. August 2021 hatte die Stadtverwaltung die
Anwohner_innen der Emil-Nolde-Straße zu einer Informationsveranstaltung in die
Stadtbücherei eingeladen, um sie über den weiteren Verfahrensablauf zu
informieren.
Die Verwaltung dankt
der anwesenden Anwohnerin für das angenehme und konstruktive Gespräch, in
dessen Verlauf sie anregte, ihre Straße nach einer weiblichen Künstlerin zu
benennen. U.a. schlug die Anwohnerin die Künstlerinnen Anni Albers und Hannah
Höch vor, sowie die amerikanische Bürgerrechtlerin Rosa Parks. Wie sie dann
nach 14 Tagen mitteilte, hatten sich die Anwohner_innen gemeinsam auf den Namen
„Anni Albers“ verständigt. Gleichwohl wurde betont, dass der Erhalt des
Straßennamens für die Anwohner_innen Priorität hätte (vgl. Anlage 1).
Die Verwaltung hat in
der Zwischenzeit eine wissenschaftliche Expertise der Kunstsammlung
Nordrhein-Westfalen zum Namen „Anni Albers“ eingeholt, die den Namensvorschlag
unterstützt.
Ebenso bringt die
Verwaltung den Wunsch der Anwohner_innen ein, beide Straßenbeschilderungen für
eine Übergangszeit von ca. 2 Monaten aufzustellen.
Expertise von Dr. Maria Müller-Scharek, Kuratorin,
Wissenschaftliche Abteilung K20/ Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf:
26 November 2021
Warum bedenkenlos
eine Straße nach der Künstlerin, Weberin, Designerin, Autorin und Lehrerin Anni
Albers (1899-1994) benannt werden kann:
Annelise
Elsa Frieda Fleischmann wurde am 12. Juni 1899 in eine bürgerliche Familie in
Berlin geboren. Ihre Mutter entstammte der deutsch-jüdischen Verlegerfamilie
Ullstein; ihr Vater besaß eine Möbelfabrik. In Rebellion gegen ihren
wohlhabenden familiären Hintergrund strebte sie, die früh mit dem Zeichnen
begonnen hatte, ein unkonventionelleres Leben als Künstlerin an. Nach
Privatunterricht und zwei Semestern an der Kunstgewerbeschule Hamburg
entschloss sie sich, Studentin am 1919 in Weimar gegründeten Bauhaus — einer
Verbindung aus Kunstgewerbeschule und Akademie — zu werden. An dieser
wegweisenden Schule lernte und arbeitete sie von 1922 bis 1933 überwiegend in
der Textilwerkstatt. Unter dem politischen Druck der Nationalsozialisten musste
das Bauhaus, nach Jahren in Dessau und schließlich in Berlin, seine Tore
schließen. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Maler und Bauhaus-Professor Josef
Albers, emigrierte Anni Albers Ende des Jahres 1933 in die Vereinigten Staaten
von Amerika.
Dort konnten
beide zunächst am innovativen Black Mountain College, Asheville, North
Carolina, unterrichten, später in New Haven, Connecticut. Anni Albers, die am
Bauhaus das Weben erlernt hatte, trug ihr Wissen weiter und wurde eine
erfolgreiche und angesehene Künstlerin, Weberin, Designerin, Lehrerin und
Autorin. Ihre „Pictorial Weavings" (Bildweberei), die sie ausdrücklich
nicht als Gebrauchsgegenstände, sondern als Kunst verstand, stellte sie ab den
späten 1940er Jahren in zahlreichen renommierten Kunstinstitutionen in den USA.
später auch in Deutschland, aus. In ihre Heimat kehrte das Paar nur zu
gelegentlichen Besuchen zurück; bis zu ihrem Tod lebten sie in der Nähe von New
Haven.
In
den 1950er Jahren nahm Anni Albers wiederholt Aufträge von jüdischen Gemeinden
an und webte abstrakte, geheimnisvoll schimmernde Vorhänge, die in den
Synagogen den Schrein der Thora-Rollen umrnantelten. Albers, die protestantisch
getauft worden war und zuvor niemals eine Synagoge betreten hatte, war das
religiöse jüdische Leben eher fremd. Sie bezeichnete sich als
„nicht-jüdisch", außer in „Hitlers Sinn". Dass sie dennoch als dem
Judentum verbunden wahrgenommen wurde, spiegelt sich schließlich auch in der
Geschichte ihres Hauptwerks, Six Prayers (Sechs
Gebete). Dieses schuf sie 1966/67 im Auftrag des Jewish Museum in New York.
Diese Institution förderte künstlerische Werke, die explizit die Erinnerung und
das Gedenken an die sechs Millionen Jüdinnen und Juden, die im Holocaust
ermordet worden waren, stimulieren sollten. Anni Albers sechsteilige Arbeit aus
einem komplex strukturierten Gewebe, über das sich schriftartige Lineaturen
ziehen, wird bis heute als eines der Hauptwerke der Künstlerin irn Jewish
Museum. Dieser
letzten großen Arbeit am Webstuhl folgten produktive Jahre als Druckgrafikerin
sowie als Autorin einer komplexen Geschichte des Webens, die 1965 unter dem
Titel On Weaving publiziert wurde.
Hochbetagt starb Anni Albers 1994.hr Leben war geprägt von großer
intellektueller Offenheit, von künstlerischer und menschlicher Neugier sowie
von einem vitalen Interesse am Leben und der Geschichte anderer Kulturen.
Großzügig vermittelte sie nicht nur ihr Wissen um die älteste Kulturtechnik der
Menschheit, sondern sorgte gemeinsam mit Josef Albers dafür, dass ihr Werk im
Bewusstsein — und damit lebendig — bleiben kann.
1971 gründete das Paar die heute in Bethany, Connecticut,
ansässige The Josef and Anni Albers Foundation, die ihr Vermächtnis bewahrt,
vermittelt und in die Welt trägt. Nach dem Tod von Josef Albers, 1976,
übergaben die Stiftung und die Künstlerin eine großzügige Schenkung an die
Geburtsstadt ihres Mannes, Bottrop: Die etwa 100 Gemälde und Arbeiten auf
Papier wurden der Grundstock für das 1983 im Bottroper Stadtpark eröffnete
Josef Albers Museum Quadrat. In Erinnerung und zum Dank an Anni Albers, die
1994 verstarb, benannte die Stadt Bottrop 2020 den Platz vor dem Museum in
Anni-Albers-Platz um.
Dr. Maria Müller-Schareck
Kuratorin (mit Ann Coxon und Briony Fer) der Ausstellung
„Anni Albers", Kunstsammlung
Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf / Tate Modern, London, 2018/19
Beschlussvorschlag:
1. Die Verwaltung schlägt auf Wunsch/Anregung der Anwohner_innen des Agnes-Miegel-Wegs vor, den Agnes-Miegel-Weg in Nelly-Sachs-Weg umzubenennen.
Beide Straßenbeschilderungen bleiben für eine Übergangszeit von ca. 2 Monaten gemeinsam aufgestellt.
2. Die Verwaltung schlägt auf Anregung der Anwohner_innen der Emil-Nolde-Straße vor, die Emil-Nolde-Straße in Anni-Albers-Straße umzubenennen.
Beide Straßenbeschilderungen bleiben für eine Übergangszeit von ca. 2 Monaten gemeinsam aufgestellt.