Sachverhalt:
Zurzeit sorgen
explodierende Strom- und Gaspreise bundesweit für sozialen Sprengstoff.
Millionen Bürgerinnen und Bürger sind mit Energiekosten bis ins Dreifache
konfrontiert, ohne sich dagegen wehren zu können. Das kann schnell mehrere
tausend Euro pro Jahr bedeuten. Dem Seniorenbeirat liegen zudem Informationen
vor, dass die Stadtwerke Haan keine Neukunden aufnehmen. Wie reagiert die Stadt
Haan/Verwaltung darauf? Dazu einige Fragen, die ggfs. vor dem nächsten
Ausschuss für Soziales, Integration und Generationen (SIGA) beantwortet werden
können:
1.
Kann sich die Verwaltung vorstellen, entsprechenden Einfluss auf
die
Stadtwerke geltend zu machen:
a. Einen
"Sozialtarif" für Strom und Gas aufzulegen?
b. Härtefall/Sozialverträge
abzuschließen, für günstigere Tarife als in der
Grundversorgung?
c. Mit
dem Amt für Soziales zusammen zu arbeiten, wenn ihnen Problemfälle
bekanntwerden?
d. Geldbeträge
zu stunden, bis Anträge beim Amt für Soziales gestellt bzw.
bewilligt wurden?
Antwort der
Stadtwerke zu a) und b):
Die
aktuelle Energiepreiskrise bedeutet für die Stadtwerke Haan GmbH, dass ihre
Beschaffungskosten für Strom und Gas um ein Vielfaches angestiegen sind. Diese
gestiegenen Beschaffungskosten müssen leider sukzessive durch noch
bevorstehende, sehr wahrscheinlich sogar unterjährige Preisanpassungen der
Strom- und Gasverkaufspreise entsprechend weitergegeben werden, was momentan
lediglich durch die langfristige Beschaffungsstrategie der Stadtwerke Haan GmbH
abgemildert werden konnte. Auch nach den Prognosen der internationalen
Energieagentur dürften die extrem hohen Energiepreise mindestens über das ganze
Jahr hinweg anhalten, sodass alle Energieversorgungsunternehmen vermutlich
kontinuierlich preislich entsprechend nachziehen werden.
Hinsichtlich
der Stromversorgung in Haan ist die E:ON und hinsichtlich der Gasversorgung die
Stadtwerke Haan GmbH der zuständige Grundversorger mit der entsprechenden
Grundversorgungspflicht. Dies bedeutet auch, dass die Stadtwerke Haan GmbH
aufgrund der fehlenden Grundversorgungspflicht im Strombereich z.Zt. zur
Vermeidung erheblicher Beschaffungsrisiken keine neuen Stromkunden aufnimmt.
Dies wird sich sicherlich dann wieder ändern, wenn sich ein neues stabileres
Beschaffungsniveau eingestellt hat und die Verkaufspreise entsprechend
angepasst werden konnten. Bis dahin führen wir „Interessentenlisten“, welche
von uns dann entsprechend bearbeitet werden.
Bezüglich
der Gasversorgung ist, wie bereits geschildert, mit weiteren spürbaren Preissteigerungen
zu rechnen. Die entsprechenden Gasgrundversorgungstarife der
Energieversorgungsunternehmen und somit auch die der Stadtwerke Haan GmbH haben
rein energierechtliche und energiewirtschaftliche Anforderungen unter
Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu erfüllen. Zusätzlich ist
für die Energieart Gas auch noch zu beachten, dass sich diese im
Substitutionswettbewerb z.B. zu Öl befindet. So sehr die sozialen Auswirkungen
der Energiepreiskrise insbesondere auch für sozial schwache Menschen
nachvollziehbar sind, sind die hieraus entstehenden sozialpolitischen
Aufgaben für Menschen in Notlagen durch die Sozialbehörden und nicht durch die
Energieversorgungsunternehmen zu lösen. Möglicherweise kommt es in dieser
Hinsicht auch zur Neuregelung beim Wohngeld, dem Energiekostenzuschuss o.ä..
Selbstverständlich
informieren die Mitarbeitende der Stadtwerke Haan GmbH aber auch über
Rabattmöglichkeiten im Rahmen des bestehenden Sondervertragsportfolios HAAN
& SPAR oder zu Ratenzahlungsmöglichkeiten.
Antwort der
Verwaltung zu c) und d):
Eine
direkte Zusammenarbeit zwischen dem Amt für Soziales und Integration und den
Stadtwerken Haan ist aufgrund der Datenschutzregelungen grundsätzlich nicht
möglich. In der Regel erfolgt bei Strom- oder Heizkostennachforderungen eine
Kontaktaufnahme des Betroffenen mit dem Fachamt. Dort werden die angemessenen
Heizkostennachzahlungen im Wege der Kosten für die Unterkunft und Heizung
übernommen. Hierbei ist der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit
pflichtgemäß auszulegen.
Bei
Stromnachzahlungen gelten andere gesetzliche Grundlagen. Grundsätzlich sind die
Kosten in den pauschalen Regelbedarfen enthalten. Eine Möglichkeit der
Anpassung der Regelsätze besteht für den Sozialleistungsträger nicht. Hier muss
der Bundesgesetzgeber die entsprechenden pauschalen Beträge (derzeit maximal
38,05 €) für die Energiekosten festsetzen.
Im
Rahmen der Jahresrechnung können bei Stromnachzahlungen Darlehen nach § 37 SGB
XII gewährt werden, um eine Notlage der Betroffenen zu verhindern. Dass den
Betroffenen mit der Darlehensgewährung im Endeffekt nicht geholfen ist, muss
nicht weiter ausgeführt werden.
2. Kann
sich die Stadt Haan/Verwaltung vorstellen, einen finanziellen
Unterstützungsfonds, ähnlich wie
bei Corona, aufzulegen? Evtl. gemeinsam
mit den Stiftungen, die mitmachen
wollen?
Antwort der
Verwaltung:
Es
ist davon auszugehen, dass die avisierten Hilfen des Bundes (s. Antwort zu
Frage 4) ihre Wirksamkeit für Betroffene entfalten, die ihre Leistungsansprüche
geltend machen. Zudem übernimmt das Amt für Soziales und Integration die
umfassende Beratung und Antragsbearbeitung für alle Einwohnerinnen und
Einwohner von Haan. Darüber hinaus finanzielle Unterstützung aus kommunalen
Mitteln zur Verfügung zu stellen, würde das bewährte Finanzierungssystem
zwischen Bund, Ländern und Kommunen für Menschen in Haan aushebeln und könnte
ein Signal an den Bund sein, wonach die Kommunen bei Bedarf einspringen.
Gleichzeitig sind bereits viele Kommunen in Deutschland in einer wirtschaftlichen
Schieflage (Haushaltssicherung) und dürften solche freiwilligen Leistungen
nicht auszahlen. Dies würde deutschlandweit zu einer Ungleichbehandlung von
Menschen führen, die in einer vergleichbaren Notlage sind. Die Verwaltung kann
sich jedoch bei den vielen in Haan tätigen Stiftungen dafür einsetzen, in
Härtefällen finanzielle Unterstützung zu gewähren.
3. Gibt
es im Bereich SGB XII Möglichkeiten der Soforthilfe, z. B. Vorschüsse/
Abschläge?
Antwort der
Verwaltung:
Im
SGB XII existiert keine gesetzliche Grundlage, um Vorschüsse und Abschläge zur
Bestreitung der bei allen Leistungsempfängern auftretenden, regelmäßig
wiederkehrenden Stromabschläge zu gewähren.
4. Kann
sich die Verwaltung vorstellen, falls Hilfsmöglichkeiten gefunden werden,
dies öffentlich z.B. mit dem
Seniorenbeirat zu "bewerben", um Mitbürgern die
Scheu vor einer Antragstellung zu
nehmen, denn diese geraten ja nicht
selbstverschuldet in eine
finanzielle Notlage?
Antwort der
Verwaltung:
Ob
selbstverschuldet oder nicht, erhalten alle Einwohnerinnen und Einwohner der
Stadt Haan im Sozialamt eine Beratung u.a. zu möglichen Leistungsansprüchen,
wenn sie sich in einer finanziellen Notlage befinden. Hier ist zu
differenzieren in Menschen, die bereits in bestehende Hilfesysteme eingebunden
sind (Grundsicherung bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, SGB II,
Wohngeld, UVG), Menschen, die Leistungsansprüche noch nicht geltend machen und
Menschen, deren Einkommen knapp oberhalb der maßgeblichen Einkommensgrenzen
liegt und die in der aktuellen Situation möglicherweise einen Leistungsanspruch
haben.
- Menschen innerhalb des Hilfesystems:
Beim
Wohngeld soll eine Gesetzesänderung mit Unterstützung für 2,1 Mio. Berechtigte
erfolgen. Die geplante Unterstützung im Bereich der Wohngeldempfänger ist
gestaffelt nach Haushaltsgröße für Menschen, die in den Monaten Oktober
2021 bis März 2022 Wohngeld bezogen haben oder aktuell beziehen. Wer
allein wohnt, soll 135 Euro bekommen. Bei zwei Menschen in einem Haushalt sind
es 175 Euro. Für jeden weiteren Mitbewohner sind 35 Euro vorgesehen.
Insgesamt
soll der Zuschuss des Bundes 190 Mio. € betragen. Der Zuschuss soll laut
Ministerium zum Juni 2022 ausgezahlt werden. Als nächster Schritt solle dann
laut dem Bundesbauministerium im Hinblick auf die Kosten der Heizung der CO₂-Preis zwischen Mietern und Vermietern
aufgeteilt werden. Das soll bis zum 1. Juni 2022 beschlossen werden.
- Menschen mit Leistungsanspruch, ohne
diesen geltend zu machen:
Leider
besteht bei manchen Menschen eine Schamgrenze bzw. ein fehlendes Vertrauen in
die Sozialverwaltung, die möglichst gesamtgesellschaftlich aufgefangen werden
muss. Der Informationsflyer zum Wohngeld aus dem Jahr 2020 des Bundes liegt als
Anlage bei. Eine aktualisierte Fassung des Flyers liegt nicht vor.
Die
in dem Flyer eingetragenen Werte haben sich minimal geändert. Haan gehört zur
Mietstufe IV, dafür ist für eine Person aktuell ein Miethöchstbetrag von
491,00
€ (bzw. 505,00 € inklusive des pauschalen Heizkostenzuschlags) vorgesehen.
Demnach haben sich auch die Werte für das Höchsteinkommen minimal verändert.
Es
wird auf das Merkblatt zum Wohngeld auf der Homepage der Stadt Haan verwiesen.
Die zur Antragstellung vorgesehenen Formulare können auf der Homepage der Stadt
Haan heruntergeladen werden. Für Fragen rund um die Antragsstellung stehen den
Berechtigten die Sachbearbeiterinnen des Sachgebietes Wohngeld zur Verfügung.
- Menschen,
deren Einkommen oberhalb der maßgeblichen Einkommensgrenzen liegt und die
in der aktuellen Situation möglicherweise einen Leistungsanspruch haben:
Auch für diese Menschen besteht selbstverständlich das Angebot des Amtes für Soziales und Integration, ein Beratungsgespräch zu vereinbaren, um mögliche Leistungsansprüche zu prüfen.
Für alle Stromkunden gilt, dass mit der geplanten Absenkung der EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz) um 43 Prozent ab Januar 2022 (von 6,5 ct/kWh auf 3,723 ct/kWh) den steigenden Strompreisen entgegengewirkt wird. Perspektivisch wird die EEG-Umlage ganz abgeschafft. Zur Entlastung von Mieterinnen und Mietern wird zudem bis Sommer eine Lösung für eine faire Aufteilung der Kosten des CO2-Preises zwischen Mietern und Vermietern erarbeitet. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass die hohen Energiekosten für alle tragbar sind.
Beschlussvorschlag:
Die Antwort der Verwaltung auf die Anfrage des Seniorenbeirates wird zur
Kenntnis genommen.
Finanz. Auswirkung:
keine