hier: Anfrage der GAL-Fraktion im Ausschuss für Stadtentwicklung, Planung und Bau vom 08.03.2022
Sachverhalt:
In der Sitzung
des UMA am 01.03.2022 bat Stv. Andreas
Rehm zu den laufenden CEF-Maßnahmen („continuous ecological
functionality-measures“) im Rahmen der Entwicklung des Technologieparks
Haan|NRW um Stellungnahme zu den folgenden Fragen/Themen:
1.
Sind
durch den Bebauungsplan 168 Kiebitz und Feldlerche vertrieben worden?
2.
Darstellung
der Ergebnisse des durch das Haus Bürgel durchgeführten Vogelmonitoring;
3.
Wie
wird das Monitoring langfristig gesichert (Pachtvertrag?).
Stellungnahme
der Verwaltung:
Die Fragen werden wie folgt beantwortet:
1./ Mit der Entwicklung des 2. Bauabschnitts (BP
Nr. 168) ist das Kiebitzvorkommen in Haan-Kriekhausen erwartungsgemäß
erloschen. Der letztmalige Brutnachweis für die Ackerflächen nördlich
Kriekhausen erfolgte im Jahre 2010; der letztmalige Artnachweis (nur Nahrungsaufnahme)
erfolgte im Jahr 2012. Brutvorkommen von Feldlerche und Schafstelze wurden hier
ebenfalls zuletzt im Jahr 2012 nachgewiesen
(Abschlussbericht für die Untersuchungsjahre 2008-2010 und 2012, OICOS
Konzepte GBR, Bonn, 2012).
2./ Die Ergebnisse des von der Biologischen Station Haus Bürgel durchgeführten
Vogelmonitorings für den grundbuchlich gesicherten Ackerflächen im Raum
Wülfrath-Flandersbach sind der Anlage 2 zu entnehmen. Demnach konnten für die Flächen bislang keine
Kiebitz-Brutnachweise geführt werden (siehe hierzu Erläuterungen zum
derzeitigen Erhaltungszustand).
3/. Ein Monitoring für
CEF-Maßnahmen, die dem „Leitfaden für die Wirksamkeit von
Artenschutzmaßnahmen“ entsprechen, ist nicht zwingend erforderlich. Das
hiesige Feldvogelmonitoring erfolgt dennoch als freiwillige Maßnahme im Auftrag
der Stadt Haan durch die Biologische Station Haus Bürgel. Eine Sicherung
erfolgt nicht, da die Stadt selbst der Auftraggeber ist.
Eräuterungen:
Im Rahmen der Bebauungspläne Nr. 162 und 168 wird seit dem Jahr 2008 auf
ca. 35 ha ehemals landwirtschaftlicher Flächen im Bereich Haan-Kriekhausen das
Gewerbe-gebiet "Technologiepark Haan│NRW" entwickelt.
Die faunistischen Bestandserhebungen auf der Gesamtfläche des geplanten
Technologieparks (Planungsbüro Selzner) kamen zu dem Ergebnis, dass mit
Kiebitz, Feldlerche und Schafstelze planungsrelevante Feldvogelarten auf den
betroffenen Flächen vorkommen. Da die Vorkommen der o.g. Arten schwerpunktmäßig
im Gebiet des 2. Bauabschnittes (BP 168) nachgewiesen wurden, würden
Konfliktsituationen gemäß § 44 (1) BNatSchG (erst) mit der Realisierung dieses
Bauabschnittes eintreten.
Um dem rechtzeitig entgegen zu wirken, wurde bereits im Rahmen des BP Nr.
162 und somit im Vorgriff auf die Entwicklung des 2. Bauabschnittes in enger
Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) festgelegt, dass diese
lokalen Populationen gefördert und gleichzeitig durch die vorgezogene
Entwicklung von Ersatzlebensräumen (sogen. „CEF-Maßnahmen“) auf einer
Gesamtfläche von jeweils 5 ha gesichert werden. Dabei wurde der
Untersuchungsraum festgelegt und als Feldvogel-Leitart der Kiebitz
bestimmt. Der Untersuchungsraum umfasst mit einer Ausdehnung von rund 20 km² 50%
des Verbreitungsgebiets der lokalen Population dieser Art im Kreis Mettmann.
Die Maßnahmen erfolgten ab 2008 im Bereich Haan-Kriekhausen (bis zum
Entwicklungsbeginn des BP 168), im Bereich Haan-Elp sowie auf wechselnden
Flächen im Verbreitungsgebiet „Mettmanner Lößterrassen“. Seit 2017 werden im
Rahmen einer eingetragenen Grunddienstbarkeit für Artenschutzmaßnahmen zu
Gunsten der Stadt Haan sowie im Rahmen eines Bewirtschaftungsvertrags mit dem
Eigentümer und Bewirtschafter der hierzu geeigneten Flächen CEF-Maßnahmen in
Wülfrath-Obschwarzbach (-Flandersbach) durchgeführt. Die grundsätzliche Eignung
dieser Flächen wurde durch eine gutachterliche Bewertung bestätigt (Anlage 1)
Die durchgeführten Artenschutzmaßnahmen (CEF-Maßnahmen) werden im „Leitfaden
für die Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen in NRW“ mit einer hohen
Wirksamkeit bewertet bzw. entsprechen denjenigen Maßnahmen, welche sich in den
Jahren 2008-2010 im Raum Haan-Kriekhausen als wirksam erwiesen hatten (z.B.
Anbau von Kartoffeln, Zuckerrüben und Ackerbohnen). Als zusätzlich positiver
Wirkfaktor liegen die grundbuchlich gesicherten Wülfrather Maßnahmenflächen in
direkter Nachbarschaft zu einer Dauergrünlandfläche als zusätzliches Aufzucht-
und Nahrungshabitat.
Bezogen auf das
Verbreitungsgebiet der lokalen Population der Art Kiebitz (hier: die
land-wirtschaftlichen Flächen der Mettmanner Lößterrassen, ca. 40 km²) beträgt
der Flächen-verlust durch die Entwicklung des Technologieparks (ca. 0,35 km²) weniger
als 1 %.
Derzeitiger Erhaltungszustand
Ornithologische Studien und Beobachtungen der
letzten Jahre belegen, dass sich die Bedingungen für die Feldvögel im gesamten
niederbergischen Raum drastisch verschlechtert haben, was zu entsprechenden
Bestandseinbrüchen geführt hat. Als Ursache hierfür wird in erster Linie die
weitere Intensivierung der Landwirtschaft benannt. Im Folgenden wird
aus aktuellen ornithologischen Erhebungen zitiert:
Jahresbericht 2020 der Biologischen Station
mittlere Wupper zum Stadtgebiet Remscheid:
„...die klassischen, noch vor wenigen Jahrzehnten weit verbreiteten und
sehr häufigen Feldvogelarten (...) sind vor allem durch Strukturverarmung ihrer
Ganzjahreslebensräume in der Feldflur, einhergehend mit starker
Nahrungsverknappung (bzgl. Insekten, Wildkraut-samen), betroffen und in ihren
Beständen stark zurückgegangen bzw. regional völlig verschwunden. Feldlerche
und Kiebitz sind in Remscheid nur noch sehr sporadisch vertreten bzw. kommen
überhaupt nicht mehr vor.“
Jahresberichte des Naturwissenschaftlichen
Vereins Wuppertal (NVW) 2021:
„Der
Kiebitz ist nach 2016 oder evtl. 2018 nicht mehr als Brutvogel im Bergischen
Städtedreieck und den hier betrachteten angrenzenden Gebieten (Anm. der Verwaltung: einschl. der Gebiete
der ursprünglichen Haaner Vorkommen)
aufgetreten. Von einer Wiederbesiedlung dürfte - abgesehen von sporadischen
Einzelpaaren - derzeit nicht auszugehen sein. Das Bergische Städtedreieck hat
damit einen wertgebenden Brutvogel verloren. Der Rückzug der Art aus dem
nordrhein-westfälischen Bergland, der sich bereits im Brutvogelatlas zeigte
(Schmitz in Grüneberg & Sudmann et al. 2013), setzt sich damit fort. Die
Bedingungen in der heutigen, immer intensiver genutzten Agrarlandschaft lassen
dem Kiebitz kaum Überlebenschancen. Zu Gelege- und Kükenverlusten infolge
landwirt-schaftlicher Arbeiten sowie Nahrungsmangel kommen Prädation und
Störungen. (...).“
Als Ursachen werden im Bericht insbesondere
benannt: „Pestizideinsatz, starke
Düngung, Vergrößerung der Schläge, Einengung der Fruchtfolge, Eutrophierung,
Verlust von Dauergrünland, Kleinstrukturen (z. B. Feldränder, Säume) und vor
allem Brachen, andere Anbau-/ Erntemethoden mit höheren
Bearbeitungsgeschwindigkeiten, Verlust von Sommer- und Herbstlebensräumen, wie
Stoppelfeldern usw.“ (s.a.: Fachgruppe „Vögel der Agrarlandschaft“,
Positionspapier 2019).
Als praktische und
langfristig wirksame Maßnahmen werden im Bericht des NVW Bewirtschaftungsverträge
mit längerer Laufzeit im Rahmen des Vertragsnaturschutzes empfohlen (Jber. 66
Naturwiss. Ver. Wuppertal, S. 161-182, Wuppertal, 09. April 2021).
Genau diesen Weg beschreitet die Stadt Haan
mit ihren laufenden CEF-Maßnahmen. Vor dem
Hintergrund der beschriebenen, pessimalen Gesamtsituation erscheint eine
spontane (Neu-) Besiedlung der Maßnahmenflächen allerdings nicht realistisch.
Jedoch ist es aus Sicht der Stadt Haan auch aufgrund der o.g. Empfehlung
gerechtfertigt, hierbei einen „langen Atem“ zu haben und auf eine
längerfristige Wirkung der Maßnahmen zu setzen.
Aber
selbst ohne eine zeitnahe Wiederbesiedlung durch Kiebitze werden durch die
Maßnahmen nachweislich wertbestimmende Offenlandarten, wie z. B.
Steinschmätzer, Feldlerche u. a. gefördert (s. Monitoringberichte ab 2017). Die
Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans ist nicht betroffen, da die CEF-Maßnahmen
den rechtlichen Vorgaben entsprechen und dabei die Mindestfläche (5 ha) zumeist
sogar deutlich übertroffen wird.
Beschlussvorschlag:
Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen.