Sachverhalt:
Die fortwährenden und weiterhin anhaltenden
Kriegshandlungen, die Zerstörung großer Städte und das brutale Vorgehen gegen
die Zivilbevölkerung führten und führen zu einer gewaltigen Fluchtbewegung der
ukrainischen Bevölkerung Richtung Westen. Die Europäische Union rechnete mit
einer Massenflucht von 4 bis 5 Mio. Menschen und beschloss daher am 3. März die
Aktivierung der Massenzustrom-Richtlinie 2001/55/EG. Die Richtlinie sieht ein
unbürokratisches und unkompliziertes Verfahren zur Aufnahme der
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine vor und garantiert Mindeststandards wie das
Recht Arbeit aufzunehmen, Zugang zu Sozialsystemen und Zugang zu Bildung.
Als Antwort auf den völkerrechtswidrigen Angriff wurden
umfangreiche Sanktionen gegenüber Russland beschlossen. Im Fokus stehen
weiterhin Energielieferungen, auf die Deutschland in großem Umfang angewiesen
ist. Hinsichtlich des Ausmaßes der Folgen eines Stopps insbesondere der Gaslieferungen
durch Russland oder durch ein Embargo der EU auf die deutsche Wirtschaft sind
sich die führenden Ökonomen nicht einig.
Der Krieg führt damit zu bislang nicht einkalkulierten
finanziellen Belastungen für die Stadt Haan. Neben den Herausforderungen in
Zusammenhang mit der Unterbringung und Versorgung von Kriegsflüchtlingen sind
die direkten Auswirkungen auf den städtischen Haushalt durch die stark
gestiegenen Energiepreise und die explodierenden Baukosten zu bewältigen und
die indirekten Auswirkungen auf die örtliche Wirtschaft und damit die
Entwicklung der Steuereinnahmen zu bewerten. Der Krieg verschärft damit noch
einmal die bereits bestehenden Risiken für den städtischen Haushalt.
Die Einschätzung aus Dezember letzten Jahres, dass
unmittelbar keine neue Flüchtlingswelle auf Deutschland zukommt und eine
internationale Regelung für Asylbewerber innerhalb Europas gefunden wird, muss
vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung vollständig revidiert werden.
Für die Stadt Haan wird in diesem Jahr mit einer
Zuweisung von rd. 350 Flüchtlingen gerechnet. Neben afghanischen Ortskräften
werden verstärkt ukrainische Kriegsflüchtlingen zugewiesen, von denen Ende Mai
bereits 233 vor Ort angekommen sind.
Die schnelle Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten
werden nach 2015 erneut zu einer nicht nur finanziellen Herausforderung, auch
wenn diesmal viele private Unterkünfte angeboten werden. Die vom Land
bereitgestellte bisherige Unterkunft in der ehemaligen Landesfinanzschule wurde
aufgrund gravierender baulicher Mängel geschlossen. Eine
Reaktivierung wird vor dem Hintergrund des extremen Materialengpasses und der
stark gestiegenen Baukosten als nicht zielführend angesehen, da die kurzfristige
Wiederherstellung der Nutzungsmöglichkeit nicht garantiert werden kann. Anders
sieht es mit der geschlossenen Unterkunft an der Düsseldorfer Str. 141 a aus.
Hier kann kurzfristig Wohnraum geschaffen werden. Neben vielfältigen privaten
Angeboten musste auf Anordnung des Landes erneut die Turnhalle Adlerstr. als
Notunterkunft hergerichtet. werden. In Zusammenarbeit mit dem THW und dem
Malteser Hilfsdienst wurden hier kurzfristig Unterbringungsmöglichkeiten für
bis zu 199 Personen geschaffen. Da zwischenzeitlich jedoch viele Ukrainer sogar
wieder in ihre Heimat zurückkehren und weitere private Angebote zusätzlich
hergerichtet werden, beabsichtigt die Verwaltung, die NUK in den Sommerferien
wieder zurückzubauen.
Der Krieg verdeutlicht
damit noch einmal die bereits bestehenden
Risiken in Zusammenhang mit der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen.
Für die Herrichtung neuer Unterkünfte wird auch die Frage entscheidend sein,
wie lange der Krieg dauert bzw. wie lange die Flüchtlinge in Deutschland
bleiben wollen. Damit stellt nicht nur die Integration der hier bereits
lebenden anerkannten Asylbewerber und geduldeten Flüchtlinge, die im Rahmen der
Wohnsitzzuweisung für mindestens drei Jahre in Haan verbleiben müssen, sondern
auch die zusätzlichen Ukrainer die Stadt vor große Herausforderungen. Will man
die Menschen nicht dauerhaft in Massenunterkünften unterbringen, sind
erhebliche Investitionen in den sozialen Wohnungsbau erforderlich, um nicht nur
Flüchtlingen, sondern allen sozial benachteiligten Menschen in Haan
angemessenen Wohnraum zur Verfügung stellen zu können. Gleichzeitig steigen
aber die Baupreise extrem an, so dass hierdurch Anreize für die Bauwirtschaft,
in diesem Segment tätig zu werden, nicht mehr gegeben sind. Nach Einschätzung
der Branchenverbände steht der Wohnungsbau 2023 vor einem dramatischen
Einbruch.
Die weiteren Kosten, die sich u.a. durch die
Beschulung, durch Integrations- und Sprachkurse oder medizinische und
psychologische Behandlungen ergeben, bergen zusätzliche finanzielle Risiken.
Bund und Länder haben sich darauf verständigt, dass den Kriegsflüchtlingen ab
dem 1.6.2022 Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII zu gewähren sind. D.h.,
die finanzielle Belastung läge dann zunächst beim Kreis. Es bleibt abzuwarten,
wie sich die Kreisumlage entwickelt. Einen Anspruch nach dem SGB werden jedoch
nur registrierte Kriegsflüchtlinge haben. Solange sie nicht registriert sind,
wird der Anspruch zunächst weiterhin nach dem AsylbLG erfüllt. Erst später
erfolgt dann die Kostenerstattung. Aufgrund der sehr eingeschränkten
Möglichkeiten der Registrierung, für die das Ausländeramt des Kreises zuständig
ist, ist damit zu rechnen, dass die Stadt Haan zunächst in erheblichem Umfang
in Vorleistung treten muss.
Hinsichtlich der Übernahme der lfd. Leistungen bis zum
31.5.2022 erfolgt die Erstattung im Rahmen der für jeden Flüchtling gewährten
Pauschale nach dem FlüAG. Das MHKGB hat am 11.4.2022 zudem eine Verordnung
zur Anwendung des Kommunalhaushaltsrechts im Zusammenhang mit Maßnahmen zur
Aufnahme und Unterbringung von anlässlich des Krieges in der Ukraine
eingereisten Personen in den Kommunen im Land Nordrhein-Westfalen
(KommunalhaushaltsrechtsanwendungsVO UA-Schutzsuchendenaufnahme) bekanntgegeben,
wonach kurz gesagt die Verpflichtung zum Erlass einer Nachtragssatzung entfällt,
soweit Auslöser die Aufnahme und Versorgung von Kriegsflüchtlingen ist. Die
Finanzierung wird dabei als gewährleistet angesehen, da die Mittelherkunft
nicht von Bedeutung sei und auch aus Liquiditätskrediten erfolgen könnte.
Verkannt wird hierbei vollkommen, dass eine Kreditierung zwar im kameralen
Landeshaushalt, nicht aber in der kommunalen Doppik eine Lösung darstellen kann.
Die zusätzlichen Aufwendungen führen zu einer entsprechenden Belastung der
kommunalen Haushalte ohne eine tatsächliche Kompensation sicherzustellen.
Daneben stellt die Entwicklung der Energieversorgung
mit einem drastischen Anstieg der Energiepreise ein neues Risiko dar. Durch die
Unsicherheiten in Zusammenhang mit einem Embargo von Gasimporten aus Russland
durch die EU verstärkt sich dieses Risiko noch. Unabhängig davon, dass die
Stadt Haan in nicht unerheblichem Umfang Energie selbst verbraucht und von den
steigenden Preisen deshalb direkt betroffen ist, führt das Entlastungspaket des
Bundes für Verbraucher und Unternehmen zu Einnahmeverlusten auf kommunaler
Ebene. In direkten Zusammenhang dazu steht die konjunkturelle Entwicklung und
damit die Entwicklung der Gewerbesteuern und der Gemeinschaftssteuern. Bislang
gingen die Prognosen zur konjunkturellen Entwicklung nach Abklingen der
Pandemie von einem starken Anstieg ab 2022 aus. Nach Ausbruch des Krieges hat
sich die Lage aber stark verschlechtert. Die schon während der Corona-Pandemie
zusammengebrochenen Lieferketten können nicht einfach wieder aufgenommen
werden. Die Ukraine fällt als wichtiger Produzent von Vorerzeugnissen aus und
Rohstoff- und Energielieferungen aus Russland sind Gegenstand der Sanktionen
gegenüber Russland. Erneut zeigt sich die globale Vernetzung und starke
Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft sehr deutlich. Wie problematisch sich der
Rohstoff- und Materialmangel, insbesondere aber die Kappung von Energielieferungen
aus Russland auf die deutsche Wirtschaft auswirken könnte, wird von den führenden
Ökonomen unterschiedlich bewertet. Die Prognosen reichen von einem
„verkraftbaren“ Einbruch der Wirtschaftsleistung um 3 – 5% bis zu einer
schweren Rezession mit ihren entsprechenden Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
und explodierenden Preisen über die nächsten 10 Jahre. Die weiterhin
bestehenden Materialengpässe führen bereits jetzt zu stark steigenden Preisen.
Besonders betroffen ist weiterhin die Bauwirtschaft. Folglich werden die neuen
Bauprojekte nicht wie geplant umgesetzt werden können.
Die konjunkturelle Entwicklung stellt damit ein hohes,
allgemeines Haushaltsrisiko dar. Gegenüber dem Vorjahr
haben sich die Erwartungen verschlechtert.
Erträge /
Einzahlungen
Zu berücksichtigen
ist, dass sich die dargestellten konjunkturellen Risiken zum 31. Mai noch nicht
manifestiert haben. Tatsächlich konnten bislang erhebliche Mehrerträge bei der
Gewerbesteuer aus den ersten Abrechnung 2020 und den sich daraus ergebenden
Anpassungen der Vorauszahlungen 2021/22 generiert werden. Herabsetzungen
aufgrund der aktuellen Situation wurden bislang von den Unternehmen noch nicht
beantragt.
Auch die Abrechnung
des ersten Quartales der Einkommen- und Umsatzsteuer lag über den Erwartungen,
so dass hier in der Hochrechnung Mehrerträge im Umfang von rd. 5 Mio. Euro
erwartet werden. Auch die Stadtwerke konnten ein wesentlich besseres Ergebnis
2021 erzielen, als im Wirtschaftsplan zunächst angenommen wurde. Wie in den
Vorjahren wollen die Stadtwerke den Gewinn vollständig ausschütten, so dass dem
städtischen Haushalt entsprechende Mehrerträge zufließen.
Insgesamt wurden zum
Stichtag 31.5.2022 Erträge in Höhe von rd. 66,1 Mio. € zum Soll gestellt. Die
Sollstellungen liegen damit erheblich über den durchschnittlichen
Sollstellungen der letzten drei Jahre zu diesem Zeitpunkt.
In dem Umfang, in dem
die genannten Steuern und die Gewinnausschüttung der Stadtwerke zu Mehrerträgen
führen, verringert sich der eingeplante außerordentliche Ertrag, so dass hier 3
Mio. Euro nicht realisiert werden können. Insgesamt wird zum Stand 31.5.2022
mit Gesamterträgen in Höhe von 103,1 Mio. Euro gerechnet. Die Verbesserung
gegenüber der Planung beträgt damit 2,1 Mio. Euro.
In der Finanzrechnung machen
sich die umfangreichen Mehrerträge positiv bemerkbar. Hier liegen die
Einzahlungen über den durchschnittlichen Einzahlungen der letzten drei Jahre jeweils
zu Ende Mai. Der Cashflow aus der laufenden Verwaltungstätigkeit ist positiv,
alle zwischenzeitlich aufgenommenen Kassenkredite zur Überbrückung
kurzfristiger Liquiditätsengpässe wurden vollständig zurückgeführt. Es wird
nicht damit gerechnet, dass vor dem Hintergrund der Prognose für den
Ergebnishaushalt eine längerfristige Aufnahme von Liquiditätskrediten über den
Jahreswechsel hinaus erforderlich wird.
Die Einnahmeerwartung
hat sich gegenüber den Vormonaten insbesondere auf Grund der sehr guten
Entwicklung der Gewerbe- und der Einkommensteuer deutlich verbessert.
Aufwendungen /
Auszahlungen
Zum Stand 31. Mai 2022
wurden rd. 53,6 Mio. € an zahlungswirksamen Aufwand verbucht. Die nicht
zahlungswirksamen Aufwendungen werden zumeist erst im Rahmen der
Jahresabschlusserstellung verbucht. Trotz erheblicher Mehraufwendungen bei den
Transferleistungen für die Kriegsflüchtlinge (denen Mehrerträge aus der FlüAG
Pauschale gegenüberstehen) wird in der Gesamtprognose nur mit leicht erhöhten
Aufwendungen von insgesamt 106,7 Mio. Euro gerechnet. Damit liegen die Erwartungen
fast auf Planniveau von 106,6 Mio. Euro.
In der
Gesamtbetrachtung verbessert sich somit das erwartete Jahresergebnis um rd. 2
Mio. Euro, bleibt aber weiterhin mit – 3,6 Mio. Euro weiterhin negativ.
Die Prognose für 2022
ist jedoch stark von der Entwicklung des Krieges in der Ukraine abhängig und
kann sich schnell verändern.
Beschlussvorschlag:
Die Informationen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen.