Betreff
Unterbringung von Wohnungslosen und Geflüchteten in städtischen Unterkünften
Vorlage
II/028/2022
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

Die Begriffe Wohnungslose und Obdachlose umfassen unterschiedliche Personengruppen und viele Formen der Wohnungsnot in der Gesellschaft. Zur Abgrenzung der Thematik werden hilfsweise die nachfolgenden Fallgruppen gebildet:

 

a)    Standardfall heimische Wohnungslose (D/EU) mit mittel- oder langfristiger Wohnungslosigkeit (tlw. Multiproblemlagen)

 

b)    Standardfall Fehlbeleger mit Wohnsitzauflage / Wohnsitzzuweisung in der städt. Unterkunft (anerkannte Flüchtlinge, Personen mit Dauerduldung, Vertriebene aus der Ukraine, Spätaussiedler, Ortskräfte mit Großfamilie aus Afghanistan oder Unionsbürger aus Südosteuropa) mit mittel- oder langfristiger Wohnungslosigkeit. Der Auszug scheitert hier häufiger am fehlenden bzw. nicht ausreichendem preisgedämpften (Sozial-) Wohnraum

 

c)    Personen mit Wohnungsverlust nach Vollzug von Räumungsklagen / Zwangsräumungen (D/EU/Drittstaaten) mit mittel- oder langfristiger Wohnungslosigkeit (tlw. Multiproblemlagen)

 

d)    (Anschluss-) Unterbringung nach Entlassung aus stationären Einrichtungen bzw. Anstalten (Landeskrankenhaus, Justizvollzugsanstalten, Pflegeheimen) mit oftmals mittelfristiger Wohnungslosigkeit in Abhängigkeit zur Aufenthaltsdauer in der Einrichtung bzw. Anstalt (D/EU/Drittstaaten)

 

e)    Besondere Wohnungsnotfälle (z. B. polizeilicher oder ordnungsbehördlicher Wohnungsverweis, Gewaltopfer bei konfliktbelasteten Familien- oder Partnerschaftsbeziehungen, Brandschaden, Schädlingsbefall, Schimmel-wohnung, Energiesperre) mit kurz- oder mittelfristiger Wohnungslosigkeit (D/EU/ Drittstatten)

 

f)     Sonstige Personen (z. B. Nichtsesshafte) mit tlw. freiwilliger Wohnungslosigkeit auf Dauer

 

In Bezug auf die aktuelle Unterbringungssituation innerhalb der Stadt Haan ist der Fokus vorliegend insbesondere auf den Standardfall „heimische Wohnungslose (D/EU)“ und den Standardfall „Fehlbeleger in der städt. Unterkunft“ zu legen.

 

Aus der Wohnungsnotfallberichterstattung zum 30.06.2022 ergeben sich für Haan u.a. folgende Erkenntnisse:

·         Aufgrund ordnungsrechtlicher Verfügung, Einweisung oder sonstiger Maßnahmen der Obdachlosenaufsicht sind 90 Haushalte (davon 50 alleinstehende Männer) untergebracht.

·         In den 90 Haushalten sind insgesamt 152 Personen (davon 63 weibliche Personen) betroffen.

·         Darunter sind 24 Erwachsene mit deutscher Staatsangehörigkeit und 88 Erwachsene mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit.

 

Nach aktuellem Stand wird am Standort der Unterkunft Deller Straße 90 – 90b mit Abschluss der Bauarbeiten bzw. Fertigstellung der Kernsanierung in Q4/2022 durch die Verwaltung gerechnet. Dieser Standort bietet insgesamt drei Häuser mit separaten Eingängen und Treppenhäusern, welche grundsätzlich zur Unterbringung von Wohnungslosen und auch Flüchtlingen geeignet sind. Insgesamt können bei optimaler und noch sozialverträglicher Belegung voraussichtlich rund 50 Personen an diesem Standort untergebracht werden. Die Häuser bieten jeweils einen unterschiedlichen Standard bzw. eine abweichende Unterbringungskapazität (Grundrisse). Das Gebäude Nr.  90 weist zwei Wohnungen auf und ist in der ersten und zweiten Etage als Gemeinschaftsunterkunft konzipiert. Im Gebäude Nr. 90a wird über drei Ebenen mit einer Gemeinschaftsunterkunft insbesondere für Einzelpersonen geplant. Das Haus 90b verfügt in drei Ebenen über insgesamt 6 Wohnungen.

 

Die Unterbringung von Wohnungslosen und Geflüchteten in städtischen Unterkünften soll nur vorübergehend sein. Ein Schwerpunkt der Arbeit des SIM liegt bei der Integration in den Wohnungsmarkt, insbesondere bezogen auf die Fallgruppen a) und c) bei einer Re-Integration in den Wohnungsmarkt. Diese geht einher mit einer umfassenden Beratung und Hilfestellung in verschiedenen Lebenssituationen. Dabei soll die psychische Gesamtsituation stabilisiert, Lebensperspektiven und selbständige Lebensführung entwickelt sowie die Eigeninitiative gestärkt werden. Das erfordert verstärkte aufsuchende Betreuung und Beratung wie z.B. zu den Themen Sucht oder gesundheitliche Versorgung, und eine bessere Vernetzung sämtlicher betroffenen Schnittstellen (Wohnbegleitende Hilfen). Folgende Bereiche in der Betreuung und Beratung sind betroffen:

 

Ø langfristige Vermittlung in die medizinische Regelversorgung

Ø niedrigschwellige Suchtberatung

Ø strafrechtliche, wirtschaftliche und finanzielle Bereiche

Ø familiäre und soziale Angelegenheiten

Ø psychische Situation

Ø soziale Kompetenzen und lebenspraktische Fähigkeiten

Ø Ausbildungs-, Berufs- und Arbeitssituation.

Durch gezielte pädagogische Arbeit mit den Bewohner_innen können Ressourcen zum eigenen Wohnen gestärkt werden. Im Rahmen einer Vor-Ort-Betreuung werden praktische Fähigkeiten trainiert und vermittelt. Durch eine engmaschige Betreuung kann das Selbstwertgefühl gestärkt und die Motivation zur Verbesserung der Wohnsituation wie auch die Bereitschaft zur Annahme von individuellen Hilfen gefördert werden.

Zur Erhaltung der neu sanierten Bausubstanz der Unterkunft Deller Str. und zur Stabilisierung der Bewohner_innen und der Wohnstruktur ist das gemeinsame Leben in der Unterkunft so zu organisieren, dass ein gutes Zusammenleben ermöglicht und ein guter Standard geschaffen und erhalten wird. Dabei steht auch ein gutes Miteinander im unmittelbaren Wohnumfeld im Fokus, das durch die engmaschige Begleitung der Bewohner_innen durch das SIM gewährleistet wird.

 

Die Erfahrung in der Arbeit mit Wohnungslosen hat gezeigt, dass es auch bei bedarfsgerechten Hilfen eine kleine Gruppe von Menschen gibt, die wegen multipler Problemlagen und mangelnder Problemeinsicht nicht erreicht werden kann. Gemeint sind Menschen, die einen hohen Hilfebedarf haben, sich aber durch ein dissoziales und zumeist nicht regelkonformes Verhalten auszeichnen.  Bei der Versorgung dieser Menschen reichen die professionellen Ressourcen der Stadtverwaltung nicht aus. Hier ist das Einbeziehen von Einrichtungen des Gesundheitssystems und die Sozialpsychiatrischen Hilfen nötig.

 

Nach Einschätzung der Verwaltung können u.a. am frisch sanierten Standort Deller Str.  grundsätzlich alle Personen der Fallgruppen a) bis f) untergebracht werden. Eine Durchmischung von Regelunterbringung und Menschen mit multiplen Problemlagen beispielsweise am Standort Deller Straße 90-90b würde aus Sicht der Verwaltung die Beauftragung eines Sicherheitsdienstes erforderlich machen. Nach erster Kostenschätzung würde dies finanzielle Auswirkungen in Höhe von rund 35.000 EUR/Monat (2 SMA für 24 Std./ 7 Tage pro Woche) verursachen. Ferner müsste eine Wohnung (EG) als Wachzentrale genutzt werden, so dass sich die Unterbringungskapazität geringfügig reduzieren würde. Alternativ könnten auch städtische Mitarbeiter im Schichtdienst die Funktion für qualifizierte Sicherheitsdienstleistungen / als Überwachungskräfte der o. a. Regeln übernehmen. Hier müssten allerdings im Stellenplan 2023 ff. voraussichtlich vier zusätzliche Stellen (EG 6) eingeplant werden. Etwaige finanziellen Auswirkungen oder Änderungen im Stellenplan sind bisher nicht in der Haushaltsplanung 2023 ff. berücksichtigt.

 

Die Verwaltung empfiehlt daher, Menschen mit Problemen im zwischenmenschlichen Zusammenleben grundsätzlich in der Unterkunft Düsselberger Straße 15 unterzubringen, da an diesem Standort langfristig mit einem bereits vorhandenen Sicherheitsdienst zusammengearbeitet wird. Der dortige Sicherheitsdienst (24/7) gewährleistet die Aufrechterhaltung des Unterkunftsbetriebes und setzt beispielsweise das Hausrecht bzw. die Hausordnung der Bürgermeisterin durch.

 

Wenn diese Menschen unter besonderer Betreuung untergebracht werden, ist es aus Sicht der Verwaltung unproblematisch, alle o.g. Fallgruppen gemeinsam unterzubringen. Auch rechtliche Gründe sprechen nicht für eine zwingende räumliche oder örtliche Trennung zwischen den Personengruppen (Wohnungslose/Flüchtlinge). Die für das Belegungsmanagement verantwortliche Unterkunftsverwaltung im Amt für Soziales und Integration benötigt Flexibilität, Vertrauen und einen Ermessensspielraum, um den Bedürfnissen aller Bewohnerinnen und Bewohner städtischer Unterkünfte gerecht zu werden und darüber hinaus auf besondere Sachverhalte angemessen reagieren zu können. Besondere Sachverhalte liegen beispielsweise in Folge von massiven Vandalismusschäden oder internen Streitigkeiten vor, aufgrund derer mehrere Personen bzw. Parteien zwingend – auch örtlich – an verschiedenen Standorten untergebracht werden müssen. Gegebenenfalls benötigt ein Bewohner aufgrund einer körperlichen Behinderung eine barrierefreie Unterbringung in einer freien Belegungskapazität im Erdgeschoss einer Unterkunft.

 

Zudem wird der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass es für die Ertüchtigung bzw. Errichtung von Unterkünften für Geflüchtete Kredite zu besonders günstigen Konditionen gibt, welche die Verwaltung angesichts einer sich verschlechternden Haushaltssituation aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nutzen möchte.

 

Beschlussvorschlag:

 

1.    Der Rat der Stadt Haan ermächtigt die Unterkunftsverwaltung im Amt für Soziales und Integration, die Unterbringung von Wohnungslosen und Geflüchteten in städtischen Unterkünften grundsätzlich eigenverantwortlich unter den Aspekten der Sozialverträglichkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Schonung der städtischen Infrastruktur vorzunehmen. Dabei ist auch eine Mischung dieser Personengruppen nicht grundsätzlich auszuschließen.

2.    Die Unterkunft Deller Str. 90 – 90b wird zukünftig für die Regelunterbringung von Wohnungslosen und Geflüchteten genutzt. Ein Sicherheitsdienst wird dort nicht eingerichtet.

 

Finanz. Auswirkung:

 

Keine

 

Nachhaltigkeitseinschätzung:

 

Unter Bezug auf den Kriterienkatalog für die Nachhaltigkeitseinschätzung der Haaner Nachhaltigkeitsstrategie liegen weder fördernde noch hemmende Auswirkungen vor.