Sachverhalt:
Die Begriffe Wohnungslose und Obdachlose umfassen unterschiedliche
Personengruppen und viele Formen der Wohnungsnot in der Gesellschaft. Zur
Abgrenzung der Thematik werden hilfsweise die nachfolgenden Fallgruppen
gebildet:
a)
Standardfall heimische Wohnungslose (D/EU)
mit mittel- oder langfristiger Wohnungslosigkeit (tlw. Multiproblemlagen)
b)
Standardfall Fehlbeleger mit Wohnsitzauflage
/ Wohnsitzzuweisung in der städt. Unterkunft (anerkannte Flüchtlinge, Personen
mit Dauerduldung, Vertriebene aus der Ukraine, Spätaussiedler, Ortskräfte mit
Großfamilie aus Afghanistan oder Unionsbürger aus Südosteuropa) mit mittel-
oder langfristiger Wohnungslosigkeit. Der Auszug scheitert hier häufiger am
fehlenden bzw. nicht ausreichendem preisgedämpften (Sozial-) Wohnraum
c)
Personen mit Wohnungsverlust nach Vollzug von
Räumungsklagen / Zwangsräumungen (D/EU/Drittstaaten) mit mittel- oder
langfristiger Wohnungslosigkeit (tlw. Multiproblemlagen)
d)
(Anschluss-) Unterbringung nach Entlassung
aus stationären Einrichtungen bzw. Anstalten (Landeskrankenhaus,
Justizvollzugsanstalten, Pflegeheimen) mit oftmals mittelfristiger
Wohnungslosigkeit in Abhängigkeit zur Aufenthaltsdauer in der Einrichtung bzw.
Anstalt (D/EU/Drittstaaten)
e)
Besondere Wohnungsnotfälle (z. B. polizeilicher
oder ordnungsbehördlicher Wohnungsverweis, Gewaltopfer bei konfliktbelasteten
Familien- oder Partnerschaftsbeziehungen, Brandschaden, Schädlingsbefall,
Schimmel-wohnung, Energiesperre) mit kurz- oder mittelfristiger
Wohnungslosigkeit (D/EU/ Drittstatten)
f)
Sonstige Personen (z. B. Nichtsesshafte) mit
tlw. freiwilliger Wohnungslosigkeit auf Dauer
In Bezug auf die aktuelle Unterbringungssituation innerhalb der Stadt
Haan ist der Fokus vorliegend insbesondere auf den Standardfall „heimische
Wohnungslose (D/EU)“ und den Standardfall „Fehlbeleger in der städt.
Unterkunft“ zu legen.
Aus der Wohnungsnotfallberichterstattung zum 30.06.2022 ergeben sich für
Haan u.a. folgende Erkenntnisse:
·
Aufgrund ordnungsrechtlicher Verfügung,
Einweisung oder sonstiger Maßnahmen der Obdachlosenaufsicht sind 90 Haushalte
(davon 50 alleinstehende Männer) untergebracht.
·
In den 90 Haushalten sind insgesamt 152
Personen (davon 63 weibliche Personen) betroffen.
·
Darunter sind 24 Erwachsene mit deutscher
Staatsangehörigkeit und 88 Erwachsene mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit.
Nach aktuellem Stand wird am Standort der Unterkunft Deller Straße 90 –
90b mit Abschluss der Bauarbeiten bzw. Fertigstellung der Kernsanierung in
Q4/2022 durch die Verwaltung gerechnet. Dieser Standort bietet insgesamt drei
Häuser mit separaten Eingängen und Treppenhäusern, welche grundsätzlich zur
Unterbringung von Wohnungslosen und auch Flüchtlingen geeignet sind. Insgesamt
können bei optimaler und noch sozialverträglicher Belegung voraussichtlich rund
50 Personen an diesem Standort untergebracht werden. Die Häuser bieten jeweils
einen unterschiedlichen Standard bzw. eine abweichende Unterbringungskapazität
(Grundrisse). Das Gebäude Nr. 90 weist
zwei Wohnungen auf und ist in der ersten und zweiten Etage als
Gemeinschaftsunterkunft konzipiert. Im Gebäude Nr. 90a wird über drei Ebenen
mit einer Gemeinschaftsunterkunft insbesondere für Einzelpersonen geplant. Das
Haus 90b verfügt in drei Ebenen über insgesamt 6 Wohnungen.
Die Unterbringung von Wohnungslosen und Geflüchteten in städtischen
Unterkünften soll nur vorübergehend sein. Ein Schwerpunkt der Arbeit des SIM
liegt bei der Integration in den Wohnungsmarkt, insbesondere bezogen auf die
Fallgruppen a) und c) bei einer Re-Integration in den Wohnungsmarkt.
Diese geht einher mit einer umfassenden Beratung und Hilfestellung in
verschiedenen Lebenssituationen. Dabei soll die psychische Gesamtsituation
stabilisiert, Lebensperspektiven und selbständige Lebensführung entwickelt sowie
die Eigeninitiative gestärkt werden. Das erfordert verstärkte aufsuchende
Betreuung und Beratung wie z.B. zu den Themen Sucht oder gesundheitliche
Versorgung, und eine bessere Vernetzung sämtlicher betroffenen Schnittstellen
(Wohnbegleitende Hilfen). Folgende Bereiche in der Betreuung und Beratung sind
betroffen:
Ø langfristige
Vermittlung in die medizinische Regelversorgung
Ø niedrigschwellige
Suchtberatung
Ø strafrechtliche,
wirtschaftliche und finanzielle Bereiche
Ø familiäre
und soziale Angelegenheiten
Ø psychische
Situation
Ø soziale
Kompetenzen und lebenspraktische Fähigkeiten
Ø Ausbildungs-,
Berufs- und Arbeitssituation.
Durch gezielte pädagogische Arbeit mit den Bewohner_innen können
Ressourcen zum eigenen Wohnen gestärkt werden. Im Rahmen einer
Vor-Ort-Betreuung werden praktische Fähigkeiten trainiert und vermittelt. Durch
eine engmaschige Betreuung kann das Selbstwertgefühl gestärkt und die
Motivation zur Verbesserung der Wohnsituation wie auch die Bereitschaft zur
Annahme von individuellen Hilfen gefördert werden.
Zur Erhaltung der neu sanierten Bausubstanz der Unterkunft Deller Str.
und zur Stabilisierung der Bewohner_innen und der Wohnstruktur ist das
gemeinsame Leben in der Unterkunft so zu organisieren, dass ein gutes
Zusammenleben ermöglicht und ein guter Standard geschaffen und erhalten wird.
Dabei steht auch ein gutes Miteinander im unmittelbaren Wohnumfeld im Fokus,
das durch die engmaschige Begleitung der Bewohner_innen durch das SIM
gewährleistet wird.
Die Erfahrung in der Arbeit mit Wohnungslosen hat gezeigt, dass es auch
bei bedarfsgerechten Hilfen eine kleine Gruppe von Menschen gibt, die wegen
multipler Problemlagen und mangelnder Problemeinsicht nicht erreicht werden
kann. Gemeint sind Menschen, die einen hohen Hilfebedarf haben, sich aber durch
ein dissoziales und zumeist nicht regelkonformes Verhalten auszeichnen. Bei der Versorgung dieser Menschen reichen
die professionellen Ressourcen der Stadtverwaltung nicht aus. Hier ist das
Einbeziehen von Einrichtungen des Gesundheitssystems und die
Sozialpsychiatrischen Hilfen nötig.
Nach Einschätzung der Verwaltung können u.a. am frisch sanierten
Standort Deller Str. grundsätzlich alle
Personen der Fallgruppen a) bis f) untergebracht werden. Eine Durchmischung von
Regelunterbringung und Menschen mit multiplen Problemlagen beispielsweise am
Standort Deller Straße 90-90b würde aus Sicht der Verwaltung die Beauftragung eines
Sicherheitsdienstes erforderlich machen. Nach erster Kostenschätzung würde dies
finanzielle Auswirkungen in Höhe von rund 35.000 EUR/Monat (2 SMA für 24 Std./
7 Tage pro Woche) verursachen. Ferner müsste eine Wohnung (EG) als Wachzentrale
genutzt werden, so dass sich die Unterbringungskapazität geringfügig reduzieren
würde. Alternativ könnten auch städtische Mitarbeiter im Schichtdienst die
Funktion für qualifizierte Sicherheitsdienstleistungen / als Überwachungskräfte
der o. a. Regeln übernehmen. Hier müssten allerdings im Stellenplan 2023 ff.
voraussichtlich vier zusätzliche Stellen (EG 6) eingeplant werden. Etwaige finanziellen
Auswirkungen oder Änderungen im Stellenplan sind bisher nicht in der
Haushaltsplanung 2023 ff. berücksichtigt.
Die Verwaltung empfiehlt daher, Menschen mit Problemen im
zwischenmenschlichen Zusammenleben grundsätzlich in der Unterkunft Düsselberger
Straße 15 unterzubringen, da an diesem Standort langfristig mit einem bereits
vorhandenen Sicherheitsdienst zusammengearbeitet wird. Der dortige
Sicherheitsdienst (24/7) gewährleistet die Aufrechterhaltung des
Unterkunftsbetriebes und setzt beispielsweise das Hausrecht bzw. die
Hausordnung der Bürgermeisterin durch.
Wenn diese Menschen unter besonderer Betreuung untergebracht werden, ist
es aus Sicht der Verwaltung unproblematisch, alle o.g. Fallgruppen gemeinsam
unterzubringen. Auch rechtliche Gründe sprechen nicht für eine zwingende
räumliche oder örtliche Trennung zwischen den Personengruppen
(Wohnungslose/Flüchtlinge). Die für das Belegungsmanagement verantwortliche Unterkunftsverwaltung
im Amt für Soziales und Integration benötigt Flexibilität, Vertrauen und einen
Ermessensspielraum, um den Bedürfnissen aller Bewohnerinnen und Bewohner
städtischer Unterkünfte gerecht zu werden und darüber hinaus auf besondere
Sachverhalte angemessen reagieren zu können. Besondere Sachverhalte liegen
beispielsweise in Folge von massiven Vandalismusschäden oder internen
Streitigkeiten vor, aufgrund derer mehrere Personen bzw. Parteien zwingend –
auch örtlich – an verschiedenen Standorten untergebracht werden müssen.
Gegebenenfalls benötigt ein Bewohner aufgrund einer körperlichen Behinderung
eine barrierefreie Unterbringung in einer freien Belegungskapazität im
Erdgeschoss einer Unterkunft.
Zudem wird der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass es für
die Ertüchtigung bzw. Errichtung von Unterkünften für Geflüchtete Kredite zu
besonders günstigen Konditionen gibt, welche die Verwaltung angesichts einer
sich verschlechternden Haushaltssituation aus Gründen der Wirtschaftlichkeit
nutzen möchte.
Beschlussvorschlag:
1.
Der Rat der Stadt Haan ermächtigt die
Unterkunftsverwaltung im Amt für Soziales und Integration, die Unterbringung
von Wohnungslosen und Geflüchteten in städtischen Unterkünften grundsätzlich
eigenverantwortlich unter den Aspekten der Sozialverträglichkeit, der
Wirtschaftlichkeit und der Schonung der städtischen Infrastruktur vorzunehmen.
Dabei ist auch eine Mischung dieser Personengruppen nicht grundsätzlich
auszuschließen.
2.
Die Unterkunft Deller Str. 90 – 90b wird
zukünftig für die Regelunterbringung von Wohnungslosen und Geflüchteten
genutzt. Ein Sicherheitsdienst wird dort nicht eingerichtet.
Finanz. Auswirkung:
Keine
Nachhaltigkeitseinschätzung:
Unter Bezug auf den
Kriterienkatalog für die Nachhaltigkeitseinschätzung der Haaner
Nachhaltigkeitsstrategie liegen weder fördernde noch hemmende Auswirkungen vor.