Betreff
Bewerbung des ÖPNV hier: Sachstandsbericht
Vorlage
61/060/2022
Art
Informationsvorlage

Sachverhalt:

 

1.     Anlass und Zielsetzung

 

Die Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) – bzw. des Schienenpersonenverkehrs (SPV) – ist in der Regel nachhaltiger als die Nutzung des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) und leistet einen substanziellen Beitrag für lebenswerte und klimafreundliche Städte. Vor diesem Hintergrund sieht die 2021 beschlossene Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Haan im Themenfeld „Nachhaltige Mobilität“ vor, die Vorteile des ÖPNV – speziell auch auf Haan zugeschnitten – zu bewerben. Die Maßnahme soll dazu beitragen, dass bis zum Jahr 2026 die Vorteile des ÖPNV für alle Bürger_innen und Beschäftigten in der Stadt Haan sichtbar sind und der ÖPNV vermehrt genutzt wird. Die langfristige Zielvorstellung beinhaltet, dass sich zukünftig alle Bürger_innen flexibel und individuell in einem sicheren, umwelt- und sozialverträglichen Verbund fortbewegen.

 

Hierzu sind in der Nachhaltigkeitsstrategie weitere Maßnahmen vorgesehen, die z. B. auch an der weiteren Verbesserung des ÖPNV-Angebots oder der Umstellung auf alternative Antriebe ansetzen. Da der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR (VRR) bzw. die Verkehrsunternehmen nicht nur die Herausforderungen der Verkehrswende kennen, sondern zudem über spezialisierte Fachkräfte verfügen, um branchenspezifisch zu werben, sieht die Maßnahme eine Zusammenarbeit im Verkehrsverbund vor.

 

Die Verwaltung hat im Ausschuss für Umwelt und Mobilität (UMA) am 17.02.2022 die avisierten Meilensteine für die Bewerbung des ÖPNV vorgestellt. Diese beinhalten erste Überlegungen im Jahr 2022 und eine Umsetzung einer Informations- und Marketingkampagne – bzw. sogenannten Awarenesskampagne[1] – im Jahr 2023. Zur Finanzierung sind Eigenmittel der Stadt Haan eingeplant. Diese sind im Haushaltsplan 2022 im Produkt 090110 "Räumliche Planung und Entwicklung" in der Höhe von 5.000 Euro berücksichtigt.

 

 

2.     Vorteile des ÖPNV, Herleitung der Kampagne und Aktionszeitraum

 

Angebot und Qualität, u. a. eine gute Vernetzung der Verkehrsträger und die Einführung innovativer digitaler Lösungen für einen einfachen Zugang zum System sind wichtige Argumente für die ÖPNV-Nutzung.

 

Auch wenn es Anlässe für weitere Verbesserungen in und um Haan gibt, ist vieles im ÖPNV bereits als gut zu bewerten. Dies wurde vor einigen Jahren im Rahmen des Nahverkehrsplans für den Kreis Mettmann, zwischenzeitlich im Verkehrsentwicklungsplan der Stadt Haan und auch aktuell im Zuge der Machbarkeitsstudie für eine geänderte Ortsbuslinie festgestellt. So gibt es in Haan ein kleinteiliges Busliniennetz mit insgesamt hoher Erschließungswirkung und lediglich kleineren Lücken in den Randbereichen. Das Bedienungsangebot ist durch den 20-Minuten-Grundtakt in der Hauptverkehrszeit über die meisten Linien hochwertig. Die Linien verkehren werktags oft bereits ab 5 Uhr morgens und teilweise bis spät abends bzw. bis nachts. Die Linie 784, die viele Bereiche des Stadtgebiets erschließt, ist eine der am stärksten bedienten und genutzten Buslinien im gesamten VRR. Generell ist die Nutzungsintensität des ÖPNV und der ÖPNV-Anteil in Haan – bezogen auf die Zeit vor der Corona-Pandemie und bisherige Standards – gut.

 

Um jedoch die Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele der Stadt Haan zu forcieren, bedarf es noch weitaus mehr Menschen, die sich für die Nutzung des ÖPNV entscheiden. Schafft es Haan, mehr Verkehr vom Auto auf Busse und Bahnen zu verlagern, wirkt sich das positiv auf die Lebensqualität der Bürger_innen aus. Die Luft- und Lärmsituation verbessert sich, der hohe Flächenbedarf für den MIV sinkt. Durch den gewonnenen Platz ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, die Aufenthaltsqualität und Lebensqualität in Haan zu verbessern.

 

Der vorgenannte Verwaltungsauftrag zur Bewerbung des ÖPNV ist rahmengebend formuliert. Die Verwaltung ist bei der Herleitung einer entsprechenden Kampagne von folgenden weiteren Überlegungen ausgegangen:

 

Freizeitmobilität hat eine ähnlich hohe Relevanz in der Gesamtmobilität wie Arbeits- und Ausbildungsverkehre (gemessen an den Personenkilometern). Die Kampagne soll daher mit ihrer Botschaft bzw. dem Versuch, zum Bus- und Bahnfahren als Alternative zum PKW zu motivieren, breit aufgestellt werden und keine der Kategorien bevorzugen.

 

Darüber hinaus hat die Corona-Pandemie zu einem erheblichen Nachfragerückgang im ÖPNV geführt, da u. a. im Zusammenhang mit der verstärkten Nutzung von Homeoffice und Ausgangsbeschränkungen Fahrtanlässe weggefallen sind und es eine diffuse Sorge vor erhöhter Infektionsgefahr im öffentlichen Verkehr gab. Seither haben sich die Zahlen zwar wieder erholt, aber sie haben noch nicht das vor der Pandemie bekannte Niveau erreicht. Vor diesem Hintergrund sind neben vorhandenen Kunden und Neukunden auch Wiedereinsteiger eine wichtige Zielgruppe.

 

Eine zielführende Systemfinanzierung bedarf sicherlich noch eines deutlichen höheren regulären Mittelflusses z. B. von Bund und den Ländern in den ÖPNV. Gleichzeitig tätigen die Stadt Haan und ihre Kooperationspartner_innen aus dem öffentlichen Bereich und dem Verkehrssektor bereits jetzt hohe Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr (z. B. in die Fahrzeug- und Haltestelleninfrastruktur).

 

Nicht sorgsamer Umgang mit dem Angebot bis hin zu Vandalismus betrifft auch Haan. Beispielsweise wurden in diesem Sommer drei der vier Displays der dynamischen Fahrgastinformation, die eine dem tatsächlichen Verkehrsgeschehen angepasste Information an die Fahrgäste vermitteln und somit u. a. die Transparenz und Reiseplanung an zentralen Verknüpfungspunkten verbessern soll, zerstört. Die Kampagne soll daher auch den Wert des ÖPNV-Angebots bzw. der Dienstleistung transportieren.

 

Generell sollen Botschaft, Absender und Zielgruppe auf Anhieb erkennbar sein. Eine crossmedial umgesetzte Kampagne, die über mehrere Kommunikationskanäle inhaltlich und gestalterisch miteinander verknüpft ist, schafft eine große Reichweite. Im Rahmen der Kampagne sollen daher mindestens drei Kommunikationskanäle bedient werden, z. B. PR, Social Media, Online oder „Out of Home“[2]. Zudem sollte die Kampagne auch auf die sonstigen Informations- und Werbeaktivitäten des Verkehrsverbundes bzw. der Rheinbahn AG, die das Stadtgebiet hauptsächlich bedient, abgestimmt sein.

 

Weitere Überlegungen zur Herleitung der Kampagne beinhalten, dass teils auch ÖPNV-Kampagnen in der Kritik stehen, dass das Budget besser für die Leistung selbst als für eine diesbezügliche Werbung ausgegeben wäre. Daher soll die Kampagne neben der Überzeugungsarbeit auch direkte finanzielle Anreize bieten, um mehr Menschen für den ÖPNV zu gewinnen.

Um zukunftsfähig zu sein, benötigt der ÖPNV neue Wege. Neben New-Mobility, die mit dem ÖPNV zusammenwirken kann, haben einfache und flexible Tickets eine große Bedeutung.

 

Weiterhin nimmt ein eigener PKW nicht nur im Stadtgebiet, sondern auch in gewohnten Verhaltensmustern viel Raum ein. Geht es um den Verzicht von Handlungsmöglichkeiten, reagieren viele Menschen zunächst ablehnend, was grundsätzlich nachvollziehbar ist. Die Kampagne soll sich daher auch speziell an Menschen richten, die den Mut haben, auf Privilegien des Autoverkehrs zu verzichten und Neues kennen zu lernen.

 

Die Kampagne soll sich gleichzeitig speziell an Menschen wenden, die im Sinne eines Erfahrungsaustauschs bzw. Wissenstransfers Tipps und Tricks vermitteln möchten, wie man sich aus ihrer Sicht bereits im aktuellen ÖPNV komfortabel bzw. effektiv zurechtfinden kann. Beide Adressaten tragen bereits im Aktionszeitraum zu einer lebenswerten Stadt bei. Dies soll stellvertretend mit jeweils einem kostenlosen Nahverkehrsticket gewürdigt werden.

 

Schließlich soll die Kampagne neben ihrer sofortigen Wirksamkeit auch langfristig der Mobilitätswende zuträglich sein. Hier bieten sich ortsspezifische Vergleiche der ÖPNV- und MIV-Nutzung an.

 

Da es in verschiedener Sicht eine enge Zusammenarbeit der Stadt Haan mit der Rheinbahn gibt, wurden unter vorgenannter Zielvorstellung mögliche Kooperationen mit dem Verkehrsunternehmen besprochen. Die Ergebnisse werden im Arbeitskreis ÖPNV der Stadt Haan vorgestellt. Eine detaillierte Beratung in öffentlicher Sitzung des UMA erscheint aus Sicht der Verwaltung nicht zielführend, da dann der Werbeeffekt „verpuffen“ würde.

 

Als Aktionszeitraum ist derzeit der Frühling nächsten Jahres vorgehen. Diese Zeit wird traditionell mit guten Vorsätzen verbunden bzw. damit, etwas Neues auszuprobieren und vom eigenen Status-quo-Verhalten abzuweichen. Gleichzeitig ist der Frühling eine „gute Zeit“ zur ÖPNV-Nutzung, z. B. im Hinblick auf helle Tageszeiten und das Wetter. Für diejenigen, die den ÖPNV nicht bereits nutzen, soll der Einstieg in den Umstieg leicht gemacht werden.

 

 

3.     Verwaltungsempfehlung und weitere Vorgehensweise

 

Zum Zeitpunkt der Beratung der Nachhaltigkeitsstrategie war noch nicht absehbar, dass mit dem 9-Euro-Ticket befristet eine Sonderaktion im ÖPNV eingeführt werden würde, die einerseits als finanzielle Entlastung für die Haushalte gedacht war, mit der aber gleichzeitig auch Nutzer_innen (wieder) an den ÖPNV herangeführt werden sollten. Die vielfach beworbene Aktion hatte mit über 50 Millionen verkauften Fahrscheinen und mindestens zehn Millionen ÖPNV-Abonnements eine große Reichweite. Da das Ticket preisgünstig über einen längeren Zeitraum bundesweit und somit auch in und um Haan getestet werden konnte, hätte es kaum eine bessere Werbung für den ÖPNV mit lokalem Bezug geben können. Insofern ist bereits eine Maßnahme im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie umgesetzt worden.

 

Aus Sicht der Verwaltung sollte es aber auch eine ambitionierte originäre Maßnahme der Stadt Haan zur Bewerbung des ÖPNV geben. Hierzu hatte die Verwaltung ursprünglich eine Kopplung an eine Leistungsoffensive im ÖPNV in Haan angedacht. Eine solche wird derzeit im Rahmen der Machbarkeitsstudie für eine geänderte Ortsbuslinie geprüft. Die gutachterlichen Leistungen zur Studie sind im Wesentlichen abgeschlossen. Die Kooperationspartner_innen Stadt Haan, Kreis Mettmann und Rheinbahn beabsichtigen im Weiteren, sich auf der Grundlage der Modellierung der Variante 2 des Ortsbuskonzeptes in der operativen Planung der Rheinbahn den finanziellen Auswirkungen der Maßnahme und einem möglichen Finanzierungsbeitrag der Stadt Haan weiter zu nähern[3].

 

Aufgrund der weiteren Bearbeitungsschritte und der erheblichen Planungsunsicherheiten erscheint jedoch eine Umsetzung einer Leistungsausweitung in der Dimension des Ortsbuskonzepts kurz- bis mittelfristig unrealistisch. Eine Finanzierungsreform wäre der Maßnahme zuträglich, müsste aber auch erst wirksam werden. Gleichzeitig ist es aus Sicht der Verwaltung wichtig, den Anschluss an den Werbeerfolg des 9-Euro-Tickets nicht zu verpassen.

 

Unter diesen Rahmenbedingungen empfiehlt die Verwaltung, das im Haushalt eingeplante Budget wie in dieser Vorlage beschrieben zu verwenden. Sofern vom Fachausschuss keine andere Vorgehensweise vorgegeben wird, werden die Mittel Endes des Jahres der Kooperationspartnerin Rheinbahn als finanziellen Beitrag der Stadt Haan zur Umsetzung der Awarenesskampagne zur Verfügung gestellt.

 

 



[1] Mit einer so genannten Awarenesskampagne (engl.: awareness = Bewusstsein) möchte man z. B. für ein bestimmtes Produkt, eine Dienstleistung oder ein Thema sensibilisieren.

[2] Das Konzept "Out of Home" bezeichnet Maßnahmen der Außenwerbung

[3] siehe auch gesonderte Vorlage zum Sachstandsbericht Ortsbusline

Beschlussvorschlag:

 

Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen.

 

 

Nachhaltigkeitseinschätzung:

 

Die Bewerbung des ÖPNV ist Gegenstand der Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Haan. Aufgrund des bereits bestehenden Ratsbeschlusses zur Bewerbung des ÖPNV werden die Nachhaltigkeitskriterien nicht im Einzelnen dargestellt.