Sachverhalt:

 

E-Scooter sind seit Juni 2019 in Deutschland im Straßenverkehr zugelassen. Sie sind ein vergleichsweise neuer Baustein urbaner Mobilität. Es gibt verschiedene Modelle der Verleihsysteme, z. B. stationsgebundene, stationsungebundene[1] oder hybride Systeme.

 

Die Frage, inwiefern mit dieser Mobilitätsform ein wirkungsvoller Beitrag zu einer nachhaltigen und klimafreundlichen Stadtentwicklung bzw. Mobilitätswende geleistet werden kann, wird kontrovers diskutiert. So auch in Haan.

 

 

Regulationsmöglichkeiten

 

Wie in o. g. Sitzung dargelegt, bestehen Regulationsmöglichkeiten. Diese sind z. B. über eine freiwillige Selbstverpflichtung, Anpassung der Sondernutzungssatzung und einer Ausschreibung / Auswahlverfahren gegeben.

 

Eine Fachstelle, die durch die Stadt Haan konsultiert wurde, sieht derzeit das zentrale Regulierungselement in der Sondernutzungssatzung und Regulierung / Anforderung von bestimmten Pflichten des Anbieters über die Sondernutzungserlaubnis. Allgemein sind zur Sicherstellung der straßenrechtlichen Verträglichkeit in der Sondernutzungserlaubnis nur straßenbezogene Belange zu berücksichtigen. Alle Festlegungen bedürfen einer sachlichen Begründung. Hilfreich ist z. B. ein E-Scooter-Konzept.

 

Eine Kooperationsvereinbarung zielt darauf ab, Qualitätsstandards festzuhalten, die sich nicht oder weniger praktikabel über eine Änderung der Sondernutzungssatzung regeln lassen. Dies können z. B. Umwelt- und Sozialstandards sein.[2]

 

Auch über die Kopplung der Sondernutzungserlaubnis mit einem Auswahlverfahren erhält die Kommune einen weitergehenden Gestaltungsspielraum. Im Rahmen eines Auswahlverfahrens kann eine Kommune neben den straßenrechtlichen Belangen die Zahl der Fahrzeuge und Anbieter im Stadtgebiet limitieren, ökologische Auswahlkriterien definieren oder Sozialstandards berücksichtigen – und nur solchen Anbietern eine Sondernutzungserlaubnis erteilen, die im Einklang mit städtischen Mobilitäts- oder Klima- bzw. Nachhaltigkeitszielen handeln.

 

Als weitere Vorgehensweise ist es sinnvoll zu prüfen, welche Maßnahmen bzw. Standards am besten über welche Regulierungsbausteine geregelt werden bzw. welche weiteren flankierenden Maßnahmen getroffen werden können.

 

 

Klärungsbedarf bzgl. Verwaltungsauftrag

 

Im Hinblick auf einen dahingehenden Verwaltungsauftrag bestand jedoch seitens der Politik der Wunsch, dass die Fraktionen zunächst weitere Klarheit über die Rechtsgrundlagen mit Fokus auf das Ordnungsrecht erhalten.

Zudem wurde angeregt, Erfahrungen aus anderen Städten abzufragen und einen Fragenkatalog aller Fraktionen zusammenzustellen und offene Fragen zur Beantwortung an die Firma Bolt zu senden.

 

a)    Praxisleitfaden

 

Aus Sicht der Verwaltung werden im Praxisleitfaden "E-Tretroller in Städten – Nutzung, Konflikte und kommunale Handlungsmöglichkeiten" des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) / Deutschen Instituts für Luft- und Raumfahrt (DLR), Berlin, Oktober 2022 u. a. Instrumente zur Regulierung der Verleihsysteme, Praxisbeispiele und Handlungsmöglichkeiten übersichtlich dargestellt. Er ist dieser Vorlage zur weiteren Einführung in die Thematik beigefügt (s. Anlage 1).

 

Daraus lässt sich bezüglich der Regulierungsinstrumente der Kommunen zusammenfassen:

 

Die bisherige Praxis, über freiwillige Selbstverpflichtungsvereinbarungen, insbesondere das Abstellen der E-Tretroller, zu regulieren, hat sich in den Großstädten nicht bewährt.

 

Viele Kommunen gehen inzwischen dazu über, die Verleihsysteme als Sondernutzung einzuordnen, um damit näher am Rechtsrahmen steuern zu können. Die Rechtslage hierzu ist in den einzelnen Bundesländern noch uneinheitlich.

 

Mit Blick auf die Entscheidung des OVG NRW[3] zum Anbieten von Fahrrädern im öffentlichen Straßenraum wird davon ausgegangen, dass auch das Anbieten von stationsungebundenen E-Tretroller-Mietfahrzeugen im öffentlichen Straßenraum als gewerbliche Nutzung zu werten ist und dies mithin einer Sondernutzungserlaubnis bedarf.

 

Andere Verwaltungsgerichte ordnen Free-Floating-Sharing Systeme dem straßenrechtlichen Gemeingebrauch zu. [4]

 

Es verbleibt (…) in den Kommunen eine erhebliche Rechtsunsicherheit.

Eine höchstrichterliche Entscheidung beim Bundesverwaltungsgericht würde hier mehr Planungssicherheit schaffen. [5]

 

 

b)    Beantwortung von Fragen aus der Politik

 

 

Die Antworten der Firma Bolt sind Anlage 2 zu entnehmen.

Die Verwaltung weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Antworten die aktuelle Vorstellung des Anbieters zum Aufbau und Betrieb eines E-Scooter-Leihangebots in Haan darstellen.

 

Hinsichtlich der Fragestellung aus der Politik, ob beim E-Scooter-Verleih in Haan ein „stehendes Gewerbe“ oder ein „Reisegewerbe“ anzunehmen ist sowie zur Frage, welchen ordnungsrechtlichen Nutzen eine Kooperationsvereinbarung hat, weist die Verwaltung / Ordnungsamt ergänzend zur Antwort der Firma Bolt auf den in Anlage 3 dargestellten Sachverhalt hin.

 

Der Anbieter Bolt hat in einem weiteren Termin, in dem der Zwischenstand der politischen Beratung mitgeteilt wurde, zum Ausdruck gebracht, dass er den noch konkret herauszuarbeitenden Interessen der Stadt Haan grundsätzlich offen gegenübersteht und an einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit interessiert ist.

 

 

Beschlussempfehlung

 

In der Beratung im UMA gab es eine weitgehende Übereinstimmung, dass als weitere Vorgehensweise zunächst die Erarbeitung einer E-Scooter-Strategie bzw. eines E-Scooter-Konzepts für Haan sinnvoll ist.

 

Es wird daher empfohlen, der Verwaltung einen entsprechenden Auftrag zu erteilen.

 

 



[1] auch „Free-Floating-Sharing Systeme“ genannt

[2] Die Stadt Düsseldorf verfolgt z. B. mit ihrer Scooter-Strategie einen strategischen Ansatz mit ordnungsbehördlichen und vereinbarten Komponenten.

[3] s. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, 20.11.2020, 11B 1459/20

[4] z. B. Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Hamburg von 2009 in Bezug auf Free-Floating-Bikesharing und aktuell der des Verwaltungsgerichts Berlin vom 01.08.2022 in Bezug auf Free-Floating-Carsharing

[5] Am 11.01.2023 beginnt vor dem Verwaltungsgericht in Köln die Verhandlung zu einer Klage von E-Scooter-Anbietern gegen die Stadt Köln anlässlich der in der Sondernutzungssatzung festgelegten Sondernutzungsgebühren. Die Verwaltung kann sich vorstellen, dass in diesem Rahmen das Thema „E-Scooter“ auch generell juristisch aufgearbeitet wird. Ggf. ergeben sich bis zur Sitzung des FOA daraus noch weitergehende Erkenntnisse.

 

Hinweis:

 

Diese Vorlage ergänzt Beschlussvorlage 61/061/2022 für die Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Mobilität (UMA) am 22.11.2022.

 

Ende letzten Jahres hatte der Mobilitätsanbieter Bolt, der bereits auch in Düsseldorf, Solingen und Hilden aktiv ist, Kontakt mit der Verwaltung zum Aufbau und Betrieb eines E-Scooter-Leihangebots in Haan aufgenommen.

 

In diesem Zuge wurde der Stadtverwaltung auch ein Entwurf einer Kooperationsvereinbarung zur Verfügung gestellt, die das Unternehmen so, oder in ähnlicher Form im Sinne einer freiwilligen Selbstverpflichtungserklärung bereits in anderen Städten geschlossen habe.

 

Die Intention der Verwaltungsvorlage 61/061/2022 war, den UMA so früh wie möglich in das Vorhaben der Firma Bolt einzubinden und einen Prüfauftrag zu erhalten, in dem auch Sharing-Modelle und Instrumente zur Steuerung eines Angebots in Haan erörtert werden.

 

Im UMA wurde darauf hingewiesen, dass es noch weiteren Klärungsbedarf gibt und der Beratungsgegenstand auch in die Zuständigkeit des Ausschusses für Feuerschutz und Ordnungsangelegenheiten (FOA) falle.

 

Der UMA ist am 22.11.2022 einstimmig dem Vorschlag gefolgt, den Tagesordnungspunkt an den Ausschuss für Feuerschutz und Ordnungsangelegenheiten (FOA) zu verweisen.

 

Da der UMA vor dem FOA tagt, erhält der UMA diese Ergänzungsvorlage zur Kenntnisnahme.

 

Beschlussvorschlag:

 

Beschluss gemäß Diskussion im Ausschuss