Betreff
Anpassung der Satzung über den Schutz des Baumbestands in der Gartenstadt Haan (Baumschutzsatzung)
Hier: - Antrag der GAL-Fraktion vom 27.05.2022
- Beschluss der Satzung
Vorlage
61/070/2023
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

1.) Bisheriges Verfahren

Mit Schreiben vom 27.05.2022 hat die GAL-Fraktion einen Antrag zur Aktualisierung der Haaner Baumschutzsatzung eingereicht (Anlage 1). Dieser wurde im Ausschuss für Umwelt und Mobilität am 13.09.2022 erstmalig beraten. Im Rahmen dieser Sitzung wurde seitens der Verwaltung ebenfalls ein grundsätzlicher Aktualisierungsbedarf gesehen, da die Haaner Baumschutzsatzung nicht auf den aktuellen Rechtsgrundlagen fußt. Im Rahmen der Sitzung wurde daher vorgeschlagen, dass die Verwaltung auf Grundlage der Musterbaumschutzsatzung des Städte- und Gemeindebundes eine Haaner Variante entwirft und diese im Rahmen einer Arbeitsgruppe mit den politischen Verteter_innen weiter abgestimmt und diskutiert wird, um sie dann den Fachausschüssen und dem Rat zur Entscheidung vorzulegen. Dieser Vorgehensweise wurde einvernehmlich vom Ausschuss zugestimmt. Gemäß dem Antrag der GAL-Fraktion wurden folgende Änderungserfordernisse gesehen:

§  Ausweitung des Geltungsbereichs auf die Gartenstadt Haan

§  Ausweitung der Gültigkeit auf Hecken und Obstbäume

§  Möglichkeit der Anordnung von Schutz- und Pflegemaßnahmen

§  Deutliche Erhöhung des Umfangs der Ersatzmaßnahmen auf 40 cm Umfang

§  Deutliche Erhöhung der Anzahl der Ersatzpflanzungen

§  Deutliche Erhöhung der Ausgleichszahlung auf das 3-fache der Kosten für die 

Ausgleichsmaßnahmen

§  Klarstellung und Regelung des Baumschutzes auf Baustellen

§  Es ist ein öffentliches Berichtswesen über Anträge und erfolgte Fällungen sowie deren Ersatzmaßnahmen einzuführen

 

Die Verwaltung hat aufbauend auf der alten Satzung und der Musterbaumschutzsatzung des Städte- und Gemeindebundes einen neuen Satzungsentwurf erarbeitet und dabei auch die Änderungsvorschläge der GAL-Fraktion geprüft (s. hierzu im Detail Pkt. 3). Dieser erste Entwurf wurde am 14.12.2022 den Vertretern der politischen Fraktionen im Arbeitskreis Baumschutz vorgestellt und diskutiert. Zudem wurden die Prüfung und Umsetzbarkeit der Änderungsvorschläge aus dem GAL-Antrag nochmals separat dargelegt. Aufbauend auf den Ergebnissen des 1. Arbeitskreises hat die Verwaltung den Satzungsentwurf noch einmal überarbeitet. Dieser wurde dann in einer 2. Sitzung der Arbeitskreises Baumschutz am 09.03.2023 erneut diskutiert.

 

Es wurde einvernehmlich beschlossen, dass die Baumschutzsatzung in die Sitzungsfolge vor der Sommerpause eingebracht werden soll, damit der Satzungsbeschluss innerhalb der Vogelschutzzeiten erfolgt. Zur Entlastung der Verwaltung müssen bis zu diesem Zeitpunkt die ergänzenden Unterlagen wie das Antragsformular, Informationsflyer, Empfehlungen zum Baumschutz auf Baustellen sowie das Berichtswesen noch nicht erarbeitet werden. Die Präsentationen und die Protokolle zu den beiden nicht-öffentlichen Arbeitskreisen wurden den Fraktionsvorsitzenden und den Teilnehmenden der Arbeitskreise übersendet.

 

 

2.) Berücksichtigung der Anforderungen des Antrages der GAL-Fraktion

Die Änderungsvorschläge der GAL-Fraktion aus dem Antrag vom 27.05.2022 wurden geprüft. Als Ergebnis dieser Prüfung ist festzuhalten:

 

a) Ausweitung des Geltungsbereichs auf die Gartenstadt Haan

Gemäß § 49 des Landesnaturschutzgesetzes NRW (LNatSchG) können die

Gemeinden durch Satzung den Schutz des Baumbestandes innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs der Bebauungspläne regeln. Somit gibt es in Nordrhein-Westfalen (NRW) keine rechtliche Grundlage, Baumschutzsatzungen auch auf den bauplanungsrechtlichen Außenbereich zu erstrecken.

 

b) Ausweitung der Gültigkeit auf Hecken und Obstbäume

Der Schutz von Hecken ist in NRW ebenfalls durch die Rechtsgrundlage des § 49 LNatSchG NRW nicht gedeckt, da der Regelungsinhalt der Vorschrift nur den „Baumbestand“ umfasst. Der Änderungsvorschlag kann daher nicht berücksichtigt werden.

 

Anders ist aus Sicht der Verwaltung die Aufnahme von Obstbäumen zu bewerten. Sowohl im offenen Landschaftsraum als auch im Innenbereich ist ein fortschreitender Verlust insbesondere von alten, jedoch oft noch vitalen Obstbäumen zu verzeichnen. Alte Obstbäume sind aufgrund ihrer Eigenschaften (Blüte, Fruchtbildung, ggfs. Höhlenreichtum) ökologisch besonders hochwertig. Im Umfeld von historisch gewachsenen Hofschaften (in Haan z.B. Stöcken, Horst u.a.) bereichern und prägen alte Obstbäume das Ortsbild; sie haben darüber hinaus eine bedeutende kulturelle Archivfunktion für alte, vom Aussterben bedrohte Obstsorten

 

Im Innenbereich dienen Obstbäume dem privaten Eigennutz. Neben der Nutzung der Früchte erfüllen sie vor allem gestalterische, ökologische und stadtklimatische Funktionen. Hierin sind sie den anderen Laubbäumen zumindest gleichgestellt, sodass auch die gleichen Rechtfertigungsgründe für ihre Unterschutzstellung gegeben sind.

 

Aus den genannten Gründen empfiehlt die Verwaltung, dem Antrag der GAL hier zu folgen und Obstbäume unter Schutz zu stellen.

 

c) Möglichkeit der Anordnung von Schutz- und Pflegemaßnahmen

Bereits die Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes enthält einen Paragrafen „Anordnung von Maßnahmen“ (§ 5), um die Belange des Baumschutzes durchzusetzen. Der Städte- und Gemeindebund NRW führt hierzu folgendes aus:

„Diese Norm dient der Durchsetzung der Belange des Baumschutzes und deren Überwachung. Die Verbotsbestimmungen des § 4 der Mustersatzung werden durch eine Vorsorgeregelung, die den Eintritt von Zerstörungen oder Schädigungen verhindern soll, unterstützt. Maßnahmen zur Pflege, Erhaltung und Sicherung sind von den Eigentümern oder Nutzungsberechtigten im Rahmen des Zumutbaren zu leisten. Die Stadt/Gemeinde sollte bei derartigen Auflagen dem Eigentümer / dem Nutzungsberechtigten Hinweise über die richtige und zweckmäßige Durchführung von Pflege-, Erhaltungs- und Schutzmaßnahmen an Bäumen geben. Bei Überschreitungen der Grenze des Zumutbaren soll es möglich sein (…), dass die Stadt/Gemeinde ersatzweise eintritt.“

Entsprechend wurde dieser Paragraf mit in den Satzungsentwurf aufgenommen.

 

d) Deutliche Erhöhung des Umfangs der Ersatzmaßnahmen auf 40 cm Umfang

Die derzeitigen Kosten für Anschaffung und Pflanzung eines satzungskonformen Ersatzbaumes (Stammumfang 20 cm) betragen im Mittel ca. 700 € netto. Das Gewicht beträgt ca. 235 kg. Im Gegensatz zu den weitaus überwiegenden Satzungen anderer Städte (ein Ersatzbaum, selten auch zwei) sind in Haan sogar mindestens drei Bäume zu pflanzen. Den „Normalfall“ vorausgesetzt (3 Ersatzbäume für einen geschützten Baum), betragen die Gesamtkosten somit bereits heute ca. 2.100 € netto.   

Die Kosten für die Pflanzung eines dem Antrag entsprechenden Ersatzbaums (Stammumfang 40 cm) betrügen im Mittel ca. 3.380 €. Das Gewicht beträgt ca. 1.200 kg. Analog beliefen sich die Gesamtkosten im „Normalfall“ auf ca. 10.140 €.

Neben dem Kostenaspekt ist zu berücksichtigen, dass die Pflanzung von Bäumen der geforderten Größe z.B. auf rückwärtigen Grundstücksflächen oft schon logistisch kaum zu bewältigen ist („passt nicht durch die Gartenpforte – Autokran erforderlich“). Zudem erfordern Bäume dieser Größenklasse einen erhöhten „Nachsorgeaufwand“ (Anwachspflege), um ein verzögertes Wachstum oder einen Totalausfall zu vermeiden. 

Die Verwaltung sieht daher hier den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als beeinträchtigt an und hat diesen Änderungsvorschlag nicht aufgenommen. Der Gefahr, dass Grundstücksbesitzer sich ihres Baumbestandes vor Erreichen des jeweiligen Mindestumfangs und somit der Schutzwürdigkeit vorsorglich entledigen, würde hierdurch zudem Vorschub geleistet.

 

e)  Deutliche Erhöhung der Anzahl der Ersatzpflanzungen

Die derzeitige Haaner Baumschutzsatzung beinhaltet bereits für den „Normalfall“ (Bäume mit Stammumfängen < 150 cm) eine Ersatzpflanzung von 3 Bäumen. Das ist das 3-fache des in der Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes NRW empfohlenen bzw. in den Satzungen der meisten Städte festgelegten Umfangs (s. auch Ausführungen zu d)). Eine weitere Erhöhung würde aus Sicht der Verwaltung ebenfalls den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beeinträchtigen, mit den unter d) benannten Konsequenzen. Zudem würde eine Erhöhung der Zahl der Ersatzbäume schnell an die Grenze der Flächenverfügbarkeit und damit der praktischen Umsetzbarkeit stoßen.

 

Abweichend vom „Normalfall“ sieht die Verwaltung jedoch einen Rechtfertigungsgrund, dem besonderen Wert von sehr alten Bäumen (Stammumfang ≥ 150 cm) verstärkt Rechnung zu tragen. Deshalb wurde in den neuen Entwurf der Musterbaumschutzsatzung bei Bäumen mit Stammumfängen ≥ 150 cm, anstatt je angefangenen Meter, je angefangene 50 cm Stammumfang die Pflanzung eines zusätzlichen Ersatzbaums vorgegeben.

 

f)  Deutliche Erhöhung der Ausgleichszahlung auf das 3-fache der Kosten für die Ausgleichsmaßnahmen

Eine Erhöhung der Ausgleichzahlungen führt aus Sicht der Verwaltung auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Hierdurch würden bereits bei kleineren Maßnahmen Kosten entstehen, die dem Bürger nicht mehr vermittelbar sind. Bei dem unter d) genannten Beispiel wären dann für einen Baum ≤ 150 cm Ausgleichzahlungen in Höhe von 8.190 € (Kaufpreis zzgl. Pflanzkostenpauschale) zu zahlen. Eine Erhöhung der Ausgleichzahlung wurde daher in den Entwurf der neuen Satzung nicht mit aufgenommen.

 

g) Klarstellung und Regelung des Baumschutzes auf Baustellen

Neben den Regelungen der Baumschutzsatzung gelten für den Baumschutz auf Baustellen bereits

·         die DIN 18 920 (Schutz von Bäumen und Pflanzbeständen),

·         die RAS-LP 4 (Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil: Landschaftsbau, Abschnitt 4: Schutz von Bäumen, Vegetationsbeständen und Tieren bei Baumaßnahmen) sowie

·         die ZTV-Baumpflege (zusätzliche technische Vertragsbedingungen und Richtlinien).

Wie in anderen Städten bereits praktiziert soll daher für die Internetseite der Stadt Haan ein eigener Bereich zum Schutz des Baumbestandes erarbeitet werden. Diese soll neben der Baumschutzsatzung, dem Antragsformular und einem Informationsflyer auch Empfehlungen zum Schutz von Bäumen auf Baustellen (unter Bezugnahme auf das Merkblatt der Gartenamtsleiterkonferenz (GALK)) enthalten und zum Download bereitstellen.

 

h) Es ist ein öffentliches Berichtswesen über Anträge und erfolgte Fällungen sowie deren Ersatzmaßnahmen einzuführen

Die Verwaltung beabsichtigt über die Gesamtanzahl der eingegangenen und genehmigten Anträge sowie über die Anzahl der durchgeführten Ersatzpflanzungen sowie den Eingang von Ersatzgeldzahlungen und deren Verwendung zu berichten. Aufgrund der privaten Inhalte der Anträge stehen datenschutzrechtliche Gründe gegen ein detaillierteres öffentliches Berichtswesen. Die Verwaltung wird hierzu einen entsprechenden Vorschlag erarbeiten und dem Ausschuss vorstellen.

 

 

3.) Entwurf einer neuen Baumschutzsatzung

Aufbauend auf der der aktuellen Muster-Baumschutzsatzung des Städte- und Gemeindebundes NRW, ergänzt um die Prüfergebnisse des Antrags der GAL-Fraktion und den Beratungen im Arbeitskreis Baumschutz hat die Verwaltung den Entwurf einer aktualisierten Baumschutzsatzung verfasst (s. Anlage 2). Als Anlage zur Baumschutzsatzung wurde eine Auswahl geeigneter Gehölze für die Ersatzpflanzung erarbeitet, die bindend zu berücksichtigen ist (s. Anlage 3). Die erarbeitete Liste berücksichtigt auch die Anforderungen zu Klimaresilienz und zur Insektenfreundlichkeit. Um die Änderungen zu der bisherigen Satzung und auch gegenüber dem Entwurf der Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes besser nachvollziehen zu können, ist in Anlage 4 zu dieser Sitzungsvorlage eine Synopse aller drei Satzungen beigefügt, in der auch die vorgenommenen Änderungen nochmals kurz erläutert werden.

 

 

4.) Weitere Vorgehensweise / Beschlussempfehlung

Die Verwaltung empfiehlt die neue Baumschutzsatzung zum besseren Schutz des Baumbestandes in der Stadt Haan zu beschließen. Die Verwaltung wird im Anschluss die noch fehlenden Unterlagen wie Informationsflyer, Antragsformular, Einrichtung einer Informationsseite auf der Internetseite der Stadt Haan, Überlegungen zu einem öffentlichen Berichtswesen, Empfehlungen zum Baumschutz an Baustellen ausarbeiten. Die entsprechenden Informationen auf der Internetseite sollen bis Ende September erarbeitet und veröffentlicht werden. Die Bekanntmachung und somit die Rechtskraft der Satzung erfolgt ebenfalls vor dem 1. Oktober.

 

Beschlussvorschlag:

 

„1. Dem Antrag der GAL-Fraktion vom 27.05.2022 wird teilweise entsprochen.

2. Die Satzung über den Baumbestand der Gartenstadt Haan mit Stand vom 25.04.2023 wird beschlossen.“ 

 

 

Finanz. Auswirkung:

 

Der Stadt Haan entstehen durch die Erarbeitung der Satzung nach bisherigem Kenntnisstand keine externen Kosten. Dadurch, dass zukünftig mehr Bäume unter Schutz fallen, wird zukünftig auch ein erhöhter Arbeitsaufwand in den betroffenen Ämtern entstehen. Durch die Einrichtung eines Berichtswesens und der Anwuchskontrolle gemäß § 9 der Satzung entsteht darüber hinaus beim Betriebshof hierfür ein höherer Verwaltungsaufwand.

 

 

Nachhaltigkeitseinschätzung:

 

 

 

Durch die Novellierung der Baumschutzsatzung soll dem Baumbestand in den besiedelten Bereichen der Stadt Haan eine höhere Wertigkeit/ Bedeutung zugesprochen und der Baumbestand gegenüber konkurrierenden Nutzungen stärker geschützt werden. Die Novellierung ist zudem ein Baustein zur Entwicklung einer anpassungsfähigen, grünen Stadt (Klimaschutz, Klimawandelanpassung). Durch die Erweiterung des Schutzes auf Nadelgehölze und Obstbäume sowie durch die Erhöhung der Anzahl der Ersatzpflanzungen bei alten Bäumen mit großen Stammumfängen, können die Ziele 4.1.2 (Begrünung privater Flächen) und 4.2.4 (Erhöhung der Gesamtzahl der Stadtbäume) der Haaner Nachhaltigkeitsstrategie gefördert werden. Die Einrichtung einer neuen Seite „Baumschutz“ auf der Internetseite der Stadt Haan soll zudem dazu führen, dass über die Bedeutung von Baumschutz und die einzuhaltenden Vorgaben z.B. an Baustellen weiter informiert und sensibilisiert wird. Durch die vorgegebene Auswahl an Baumarten können zudem Anforderungen an die Klimaresilienz einfließen und die Pflanzung von zukunftsfähigen Ersatzbäumen gefördert werden.