Betreff
Sachstandsbericht Wohnungsbau in Haan
hier: 1. Wohnbauflächenpotenziale in Haan
2. Umsetzungsmöglichkeiten und Schlussfolgerungen
3. Weiteres Vorgehen
Vorlage
61/078/2023
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

In der Sitzung des SPUBA am 09.05.2023 (Vorlage 61/074/2023) wurden die Wohnungsbaubedarfe für die nächsten zehn Jahre ermittelt und den sich in Entwicklung befindlichen sowie den angenommen Nachverdichtungen gegenübergestellt (Tabelle 1).

 

Tabelle 1: Zusammenführung von Bedarfen und perspektivischem Neubau

 

2023

2024

2025

2026

2027

2028

2029

2030

2031

2032

2033

Summe

in Umsetzung

40

40

40

40

40

 

 

 

 

 

 

200

 Planungsrecht

 

 

8

8

8

4

4

4

4

4

4

48

Baulücken

 

 

4

4

4

3

3

3

3

3

3

30

Summe

40

40

52

52

52

7

7

7

7

7

7

278

Differenz Bedarf

45 WE

-5

-5

7

7

7

-38

-38

-38

-38

-38

-38

-217

58 WE

-18

-18

-6

-6

-6

-51

-51

-51

-51

-51

-51

-360

 

Festgestellt wurde, dass für die nächsten zehn Jahre ein Defizit besteht, welches im Bereich von rd. 210 bis 360 Wohneinheiten liegt. Weiterhin wurde festgestellt, dass sich der Bestand an Wohnungen mit Mietpreisbindung in Haan im Zeitraum bis 2035 erheblich reduzieren wird.

 

Die Verwaltung wurde in der Sitzung beauftragt, eine Grundlage zur Bewertung der Potenzial- und Entwicklungs- bzw. FNP-Reserveflächen sowie städtischer Baulücken, die dazu beitragen können, die Wohnungsbedarfe der nächsten zehn Jahre abzudecken, vorzubereiten. Weiterhin wurde beschlossen, dabei aufzuzeigen, wie die Bebauung auf allen Flächen hin zu Geschoßwohnungsbau und sozial gefördertem Wohnungsbau geregelt werden kann.

 

 

1. Wohnbauflächenpotenziale in Haan

 

In Anlage 1 befindet sich der Entwurf einer Grundlage zur Bewertung der Flächen, die einen substanziellen Beitrag zur Deckung des Wohnraumbedarfs in der Stadt Haan leisten können. Für eine übersichtliche Darstellung wurden Flächensteckbriefe erstellt.

 

Als Bewertungskriterien wurden für alle Flächen als Ergänzung zu den jeweiligen individuellen Eigenschaften der Flächen neben ihrer ökologischen Qualität und Aussagen zum Klima die Infrastrukturausstattung und die Erreichbarkeit herangezogen. Die Bewertungen wurden auf Grundlage räumlich-funktionaler und städtebaulicher Überlegungen erstellt.

 

Priorisierung

 

Im jeweiligen Fazit zur Gesamtbewertung einer Fläche wurden Pfeile gewählt, die den Priorisierungen in untenstehender Gesamtübersicht (Tabelle 2) entsprechen. Pfeil nach oben = 1 = höchste Priorität, Pfeil zur Seite = 2 = mittlere Priorität, Pfeil nach unten = 3 = geringe Priorität.

 

Bei den Flächen mit höchster Priorisierung empfiehlt die Verwaltung die kurzfristige Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen, um die Flächen dem Grundstücksmarkt zuzuführen. Je nach Entwicklungsstand kann es sich dabei um die Vermarktung der Flächen (Heidfeld, Seidenwebergasse) oder um die Einleitung eines Bauleitplanverfahrens (Landesfinanzschule, Tenger Nord) handeln.

 

Bei den Flächen mit mittlerer Priorisierung hat die Verwaltung Restriktionen identifiziert, die einer kurzfristigen Verfügbarkeit entgegenstehen bzw. zunächst eingehender zu prüfen wären. Dennoch handelt es sich um Flächen, die einen Beitrag zur Wohnraumversorgung in den nächsten zehn Jahren leisten könnten. Hervorzuheben sind hier insbesondere die städtischen Flächen, die im Zusammenhang mit dem Rathausneubau für eine Wohnnutzung verfügbar werden. Die Flächen müssen in regelmäßigen Abständen hinsichtlich ihrer Restriktionen bzw. Verfügbarkeit neu bewertet werden.

 

Bei den Flächen mit niedriger Priorisierung sprechen Rahmenbedingungen gegen eine zeitnahe Umsetzung von Wohnungsbau. So wären z. B. Nutzungskonflikte (Bergische Straße) oder umfangreiche Eingriffe in Natur und Landschaft (Düsselberg II) zu erwarten. Bei anderen Flächen erscheint eine Entwicklung aufgrund der Eigentümer_innenvielfalt oder auch des mangelnden Interesses der Eigentümer_innen perspektivisch nicht erreichbar.

 

Gesamtübersicht

 

Tabelle 2: Gesamtübersicht mit Bewertung

Kategorie

Bezeichnung

empfohlene

Priorisierung

Größe
(in ha)

WE
min.

WE
max.

Eigentümer

Entw.-Fläche 1 

Heinhauser Höh

2

0,38

9

15

privat

Entw.-Fläche 2

Bergische Straße

3

1,44

36

58

mehrere privat

Entw.-Fläche 3

Kampheider Feld

2

1,46

37

58

mehrere privat

Entw.-Fläche 4

Alleestraße / Verwaltung

2

0,6

21

42

Stadt

Entw.-Fläche 5

Rathauskurve

2

0,53

15

21

Stadt, Sparkasse

Entw.-Fläche 6

Am Ideck

3

0,43

15

26

privat

Entw.-Fläche 7

Landesfinanzschule

1

0,66

40

66

Land NRW

Entw.-Fläche 8

Windhövel

2

0,09

5

9

Stadt

Entw.-Fläche 9

Dieker Straße (VHS)

2

0,56

20

34

Stadt

Entw.-Fläche 10

Schule Bachstraße

3

1,05

23

30

Stadt

Entw.-Fläche 11

Düsseldorfer Straße

2

2,58

35

59

privat

Entw.-Fläche 12

Ohligser Straße

2

0,88

26

35

Kirche

FNP-Reserve 1

Düsselberg II, Sinterstraße

3

6,61

165

264

privat

FNP-Reserve 2

Grüner Weg

3

0,39

9

10

mehrere privat

FNP-Reserve 3

Prälat-Marshall-Straße

2

2,85

71

100

privat

FNP-Reserve 4

Klutenberg, Parkstraße 1

2

1,47

37

59

privat

FNP-Reserve 5

Östliche Parkstraße

3

0,45

7

11

mehrere privat

FNP-Reserve 6

Klappmütze

2

0,71

11

18

mehrere privat

FNP-Reserve 7

Alleestraße / Wiesenstraße

3

0,49

7

12

mehrere privat

FNP-Reserve 8

Wiesenstraße

3

0,62

16

22

privat

FNP-Reserve 9

Luisenstraße

3

0,59

8

12

mehrere privat

FNP-Reserve 10

Sedanstraße

3

0,45

6

8

mehrere privat

FNP-Reserve 11

Tenger Nord, Sombers

1

2,65

66

106

privat

FNP-Reserve 12

Pütt

3

0,45

7

11

mehrere privat

Baulücke 5

Bahnstraße 62 / Feuerwehr

2

0,12

3

4

Stadt

Baulücke 24

Seidenwebergasse 5

1

0,15

4

6

Stadt

Baulücke 27

Heidfeld

1

0,19

11

14

Stadt

Baulücke 33

Bachstraße 40

3

0,05

1

2

Stadt

Gesamt

 

 

28,9

711

1.112

 

 

 

  • Bei Umsetzung der derzeit der Priorität 1 zugeordneten Flächen könnten in den nächsten zehn Jahren 121 bis 192 Wohneinheiten geschaffen werden.
  • Die Flächen der Priorität 2 umfassen 290 bis 454 Wohneinheiten.
  • Die Entwicklungsflächen in städtischem Besitz umfassen 84 bis 136 Wohneinheiten.

 

 

 

 

2. Umsetzungsmöglichkeiten und erste Schlussfolgerungen

 

Grundsatz und Leitlinie bei der Wohnbaulandbereitstellung in Haan ist der Vorrang der Innenentwicklung und der weitestgehende Schutz des Freiraums vor baulicher Inanspruchnahme. Gleichzeitig ist der Wohnungsmarkt vor Ort angespannt. Dabei kann beim regelmäßigen Siedlungsmonitoring festgestellt werden, dass Grundstücke, die planungsrechtlich bebaubar wären, teils seit vielen Jahren keine Wohnbebauung erfahren.

 

Hinsichtlich der Umsetzungs- bzw. Regelungsmöglichkeiten sind verschiedene Betrachtungen erforderlich – neben der reinen Flächenbetrachtung – Berücksichtigung finden müssen.

 

Bereitschaft zur Entwicklung – Exkurs Baugebot

 

Bei potenziellen Wohnbauflächen, die sich im Eigentum Dritter befinden ist von großer Bedeutung, ob der Eigentümer bzw. die Eigentümerin auch an einer Entwicklung interessiert ist.

 

Zu den besonderen Herausforderungen zählt es daher, im Spannungsverhältnis von Innenentwicklung und Wohnungsbau geeignete Maßnahmen zur Mobilisierung von Bauland zu finden.

 

Im bauplanungsrechtlichen Instrumentarium steht der Stadt Haan grundsätzlich auch das Baugebot nach § 176 Baugesetzbuch (BauGB) zur Verfügung.

 

„Das Baugebot ist ein Verwaltungsakt, mit dem eine Gemeinde den Eigentümer oder die Eigentümerin durch Bescheid verpflichten kann, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist sein / ihr Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen oder ein vorhandenes Gebäude oder eine vorhandene sonstige bauliche Anlage den Festsetzungen des Bebauungsplans anzupassen. […]

Soweit es sich um ein Grundstück innerhalb eines nach § 201a BauGB bestimmten Gebietes mit einem angespannten Wohnungsmarkt handelt, können – soweit Wohnen zulässig ist – dezidierte Vorgaben auch zur Zahl der zu errichtenden Wohneinheiten und zum Maß der Nutzung gemacht werden.“[1]

 

Jedoch greift das Baugebot auch in erheblichem Maße in das Eigentumsgrundrecht der betroffenen Eigentümer_innen ein. So verpflichtet es die „Adressaten dazu, in dem von der Gemeinde bestimmten Zeitraum mit der Errichtung einer baulichen Anlage eine Investition von zumeist erheblicher Größenordnung und Komplexität vorzunehmen.[2]

 

Mit Rücksicht auf die Intensität des Eingriffs gibt es für den Erlass eines Baugebots gem. § 176 BauGB daher strenge rechtliche Voraussetzungen bzw. sehen die Regelungen des BauGB in bestimmten Fällen auch Pflichten der Gemeinde vor, die mit finanziellen Auswirkungen verbunden sind. So ist z. B. von einem Baugebot abzusehen, wenn die Durchführung des Vorhabens aus wirtschaftlichen Gründen einem Eigentümer nicht zuzumuten ist. Wenn der Eigentümer glaubhaft macht, dass ihm die Durchführung des Vorhabens aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuzumuten ist, kann er von der Gemeinde die Übernahme des Grundstücks verlangen. Eine Anwendung kommt nur dann in Betracht, wenn die Aktivierung der Baurechte nicht einvernehmlich erreicht werden kann.

 

Baugebote bedeuten einen erheblichen Prüfaufwand im Einzelfall und könnten im Bereich der Baulücken nur eine relativ geringe Zahl potenzieller Wohneinheiten aktivieren. Daher sollten bei den städtischen Aktivitäten zur Baulandmobilisierung weiterhin primär Ressourcen für kooperatives Vorgehen und die informelle Ansprache und die Beratung der Eigentümerinnen und Eigentümer aufgewendet werden. Auch ein freihändiger Erwerb etwaiger Flächen durch die Stadt sollte vorrangig in Betracht gezogen werden.

 

Eigentümerschaft

 

Das größte Aktivierungspotenzial und die weitreichendsten Steuerungsmöglichkeiten stehen der Stadt Haan zur Verfügung bei der Entwicklung von eigenen Flächen und/ oder der Vermarktung der eigenen Flächen im Rahmen von privatrechtlichen Vertragsabschlüssen. Hier sollte es Ziel sein, langfristig Zugriff auf die Flächen zu behalten. Konkret bedeutet dies, dass die Vergabe von Erbbaurechten einer Veräußerung nach Möglichkeit Vorrang gewährt werden sollte.

 

Kooperation und Planungshoheit

 

Bei Flächen, für die noch kein Baurecht vorhanden ist, aber durch Bebauungsplanaufstellung geschaffen werden kann, stehen der Stadt Haan über die Bauleitplanung und Vereinbarungen in Städtebaulichen Verträgen konkrete Mitbestimmungsmöglichkeiten zur Verfügung. Diese können sich beispielsweise auf die konkrete Bebauung, auf Maßnahmen zum Klima- und Naturschutz oder auf die Umsetzung von öffentlich gefördertem Wohnungsbau beziehen.

 

Städtebau und Gestaltung

 

Die bestmögliche Ausnutzung der vorhandenen bzw. zu entwickelnden Fläche sollte in Haan stets höchste Priorität haben. Dementsprechend muss ein Schwerpunkt im Geschosswohnungsbau liegen. Es müssen jedoch grundlegende städtebauliche Belange, wie das Einfügen ins Umfeld, weiterhin Berücksichtigung finden. Fassaden und Baukörper sollen vielfältig und kleinteilig gestaltet werden. Vorgärten und Außenanlagen sind zu begrünen und mit heimischen Arten zu bepflanzen, befestigte Flächen sind auf das zwingend notwendige Maß zu reduzieren.

 

Soziales und Ökologie

 

Neue Entwicklungen müssen ökologisch sinnvoll in die Umwelt integriert werden. Dies umfasst z.B. Bereiche wie die Energieversorgung und die Niederschlagsentwässerung. Wenn erforderlich muss soziale Infrastruktur ergänzt werden bei der Quartiersentwicklung. Bedarfsgerechte Wohnformen und Wohnungsgröße müssen zur Verfügung gestellt werden.

 

3. Weiteres Vorgehen

 

Zusammenfassend sollten sich aus Sicht der Verwaltung die Aktivitäten der Stadt Haan auf folgende Bereiche erstrecken:

 

  1. Nutzung aller Wohnungsbaupotenziale auf städtischen Grundstücken, nach Möglichkeit Erwerb zusätzlicher Flächen; Prüfung von Umsetzungsmodellen mit dem Ziel, die Flächen dauerhaft im Eigentum zu halten.
  2. Nutzung der Steuerungsmöglichkeiten im Rahmen der kommunalen Planungshoheit bei der Baurechtschaffung für private Investoren.
  3. Ansprache, Information und Beratung von Eigentümern zur Aktivierung sonstiger Flächen.

 

Diese drei Bausteine sind die Kernelemente der städtischen Steuerungsmöglichkeiten. Darüber hinaus sollte sind neben quantitativen Zielsetzungen folgende qualitativen Bereiche zu berücksichtigen:

 

  • städtebauliche Zielsetzungen
  • gestalterische Zielsetzungen
  • soziale Zielsetzungen
  • ökologische Zielsetzungen

 

 

Da es sich sowohl bei der Flächenbetrachtung als auch bei den Umsetzungsmöglichkeiten um vielschichtige Themen handelt, schlägt die Verwaltung vor, dass sich die Fraktionen im Nachgang an die Einbringung in den Fachausschuss beraten und der Verwaltung bis Ende des Jahres Stellungnahmen zu den Ausführungen dieser Vorlage und den Steckbriefen sowie den Zielsetzungen zukommen lassen.

 

Weiterhin schlägt die Verwaltung vor, dass für die Fläche „Heidfeld“ kurzfristig weiterführende Überlegungen hinsichtlich eines Vermarktungskonzeptes vorgenommen werden.

 

 



[1] Quelle: Deutsches Institut für Urbanistik (Difu) – Arno Bunzel, Stefanie Hanke, Magnus Krusenotto, Daniela Michalski: Baugebote für den Wohnungsbau - von der kooperativen Aktivierung bis zur Anordnung, Arbeitshilfe für die kommunale Praxis"

[2] Quelle: Kommentierung in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Stock, 149. EL Februar 2023, BauGB § 176 Rn. 1-2c

Beschlussvorschlag:

 

  1. Der Ausschuss nimmt die Ausführungen zur Kenntnis. Die Fraktionen haben Gelegenheit, der Verwaltung bis Ende des Jahres schriftlich Stellungnahmen zu den aufgeführten Wohnbauflächenpotenzialen (Steckbriefe) und den möglichen Zielsetzungen zukommen zu lassen.
  2. Für die Fläche „Heidfeld“ prüft die Verwaltung exemplarisch, wie und auf welche Weise zeitnah öffentlich geförderter Wohnungsbau umgesetzt werden kann. Sie führt Gespräche mit möglichen Projektträgern, ob eine Bebauung über Erbbaupacht möglich wäre.