Sachverhalt:
Die weltweiten
Fluchtbewegungen haben in den letzten Wochen und Monaten an Dynamik zugenommen
– befeuert durch globale Krisenherde und Kriege. Viele Geflüchtete kommen nach
Deutschland und werden nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer und
vor dort auf die Kommunen verteilt. Grundsätzlich ist es vorgesehen, dass die
Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes verbleiben, bis sie
registriert und in das förmliche Asylverfahren eingemündet sind. Bislang hat
das Land NRW zugesagt, dass ausschließlich Menschen mit realer Bleibeperspektive
an die Kommunen weiterverteilt werden. Jedoch sieht sich das Land zunehmend vor
ähnliche Probleme gestellt wie die Kommunen. Die Unterkünfte des Landes sind
überfüllt und die Ertüchtigung weiterer Standorte für Landesunterkünfte ist weitaus
schwieriger als erwartet. Daher werden den Kommunen seit Anfang August dieses
Jahres vermehrt Geflüchtete zugewiesen, dies mit zunehmender Dynamik.
Die Zahlen für die
Stadt Haan belegen dies:
Datum |
Zuweisungen |
Erfüllungsquote |
Wohnsitzauflage |
20.04.2023 |
6 |
87,25% |
69,06% |
27.04.2023 |
11 |
88,49% |
69,36% |
04.05.2023 |
8 |
91,83% |
69,51% |
11.05.2023 |
2 |
91,63% |
70,22% |
22.05.2023 |
3 |
91,15% |
72,69% |
30.05.2023 |
8 |
92,80% |
73,31% |
15.06.2023 |
1 |
92,48% |
73,13% |
29.06.2023 |
3 |
94,80% |
73,72% |
13.07.2023 |
2 |
94,40% |
75,63% |
04.08.2023 |
8 |
91,69% |
75,51% |
17.08.2023 |
14 |
92,49% |
76,94% |
31.08.2023 |
13 |
94,23% |
77,08% |
12.09.2023 |
13 |
93,47% |
76,84% |
28.09.2023 |
15 |
95,10% |
74,75% |
02.10.2023 |
10 |
89,06% |
74,93% |
19.10.2023 |
39 |
93,71% |
73,70% |
26.10.2023 |
12 |
95,36% |
74,55% |
Aktuell leben in
den städtischen Gemeinschaftsunterkünften in Haan insgesamt 427 Personen.
Nach Einschätzung
der Ausländerbehörde des Kreises Mettmann werden die Zuweisungen perspektivisch
nicht weniger, sondern eher mehr werden. Die meisten der in den letzten Monaten
ins Kreisgebiet zugewiesenen Geflüchteten haben eine gute Bleibeperspektive,
werden also mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr in ihre Heimatländer
zurückkehren. Aktuell gibt es im Kreis Mettmann nur ca. 1.200 Menschen mit
einer Duldung, was einer Quote von 1,5 % aller hier lebenden Menschen mit
ausländischer Staatsangehörigkeit entspricht. Durch Rechtsänderungen (z.B.
Chancenaufenthaltserlaubnisse) prognostiziert die Ausländerbehörde einen
weiteren Rückgang bei den rechtskräftig Ausreisepflichtigen. Rückführungen werden
bei der Ausländerbehörde fokussiert durchgeführt.
Bei der Mehrheit
der neu nach Haan zugewiesenen Menschen ist das Asylverfahren noch nicht
abschlossen. Viele haben bereits ein Aufenthaltsrecht. Außerdem leben in Haan
derzeit 138 Personen mit einer Duldung.
Obwohl das Land
keine belastbaren Prognosen zur Flüchtlingsentwicklung veröffentlicht und die
erforderliche Anzahl von Unterkünften für die Menschen somit immer mit vielen
Fragezeichen versehen ist, konnte die Stadtverwaltung Haan dank einer vorausschauenden
Planung lange auf bestehende Ressourcen zurückgreifen, so z.B. auf die im
letzten Jahr ertüchtigten Unterkünfte an der Düsseldorfer und der Deller Str.
Auch die Unterkunft am Neandertalweg, die eigentlich zurückgebaut werden
sollte, wird weiter genutzt. Zudem konnten im letzten Jahr weitere Kapazitäten
an verschiedenen Standorten ausgebaut werden. Aktuell wird die Belegung in
allen städtischen Unterkünften maximal verdichtet und deren Nutzungsdauer
verlängert. In der Planung vorgesehen war auch die Ertüchtigung des Hauses
Westfalen in der ehemaligen Landesfinanzschule. Das gesamte Ensemble wird
jedoch durch das Land Nordrhein-Westfalen gerade vermarktet, obwohl die Stadt
Haan das dringende Erfordernis geltend gemacht hatte, das Haus Westfalen für
die Unterbringung von Geflüchteten wieder instand zu setzen. Damit fehlt ein
wichtiger Baustein in der Unterkunftsstrategie.
Angesichts der
aktuellen Entwicklung ist die Stadt Haan wie bereits im letzten Jahr wieder auf
der Suche nach Interims-Standorten für die Unterbringung von Geflüchteten.
Bevorzugt werden dabei bestehende Gebäude, auch in Gewerbegebieten. Auch wird
eine Kooperation mit einem Hotel in Haan aus dem letzten Jahr wieder
reaktiviert, weil es insbesondere an kurzfristigen Unterbringungsmöglichkeiten
mangelt. Dort werden den Menschen auch Kochmöglichkeiten zur Verfügung
gestellt, damit sie sich selbst versorgen können und nicht auf ein externes
Catering angewiesen sind.
Darüber hinaus
werden aktuell verschiedene Standorte im Stadtgebiet hinsichtlich ihrer
grundsätzlichen Eignung für die übergangsweise Belegung mit Containern bzw.
Modulbauten geprüft. Hierfür bedarf es einer befestigten Fläche mit der
Möglichkeit der Zu- und Ableitung von Wasser sowie der Stromversorgung. Ein
konkretes Angebot für eine Containerlandschaft für 48 Menschen konnte von der
Stadtverwaltung wegen sehr hoher Kosten bei gleichzeitig langer
Vertragslaufzeit aus wirtschaftlichen Erwägungen leider nicht weiterverfolgt
werden. Eine Liste mit allen Standorten, welche in den letzten Wochen einer
näheren Überprüfung unterzogen wurden, ist im nichtöffentlichen Teil
hinterlegt.
Es wird oft
hinterfragt, warum die Stadt schon wieder auf der Suche nach Wohnraum für
Geflüchtete ist. Das liegt u.a. daran, dass viele Kriegsvertriebene aus der
Ukraine noch nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten und somit in Haan auch
Plätze in den städtischen Unterkünften belegen, und dass gleichzeitig der
Zugang aus Drittstaaten wie Syrien und Afghanistan wieder deutlich zugenommen
hat. Viele Menschen verbleiben auch nach der Anerkennung ihres Asylantrages in
den Unterkünften, weil sie keinen bezahlbaren Wohnraum finden. Dieser ist in
Haan wie in vielen anderen Städten nicht ausreichend vorhanden. Hinzu kommt,
dass die Kommunen in NRW gern bessere Vorsorge vor Ort betreiben würden, um
Geflüchteten eine qualitativ gute Unterbringung als Schlüssel zu einer
erfolgreichen Integration bieten zu können. Auch in Haan steht ein städtisches
Grundstück zur Verfügung, das mit einer neuen Unterkunft bebaut werden könnte.
Allerdings fehlen der Stadt Haan hierfür die eigenen finanziellen Mittel und
sind auch keine Förderprogramme des Bundes und des Landes in Sicht. Daher wird
es erneut erforderlich, wie schon in den Jahren 2015/16 und 2022 im Krisenmodus
Übergangslösungen anzumieten und zu ertüchtigen. Verwaltung, Rat und
Stadtgesellschaft sind sich darüber einig, dass die Sporthalle Adlerstraße nur
als „Ultima Ratio“ und auch nur vorübergehend wieder als Notunterkunft
eingerichtet werden darf. Die Stadtverwaltung arbeitet mit Hochdruck weiter
daran, dass es hierzu nicht kommt. Inzwischen gibt es hoffnungsvolle
Entwicklungen in diese Richtung.
Das Land
Nordrhein-Westfalen hat außerdem zugesagt, zum Beginn des nächsten Jahres 3.000
zusätzliche Plätze in Landesunterkünften zu schaffen. Wenn zudem weitere
Instrumente zur Steuerung der Migration auf Bundes- und EU-Ebene erfolgreich
abgestimmt und eingesetzt werden, wird sich die Situation auch in Haan wieder
entspannen – dies aber wahrscheinlich eher lang- als mittelfristig.
Beschlussvorschlag:
Die Ausführungen
der Verwaltung zur Flüchtlingssituation in Haan (Stand 26.10.2023) werden zur
Kenntnis genommen.
Finanz. Auswirkung:
Noch nicht absehbar,
jedoch im Haushaltsplan 2023 sowie im Haushaltsplanentwurf 2024 ff noch nicht
enthalten. Eine zumindest teilweise Refinanzierung wird über die
FlüAG-Pauschale bzw. nach dem Rechtskreiswechsel über die anzupassende
Gebührensatzung für die Unterkünfte realisiert.
Nachhaltigkeitseinschätzung:
Diese Vorlage berührt
die Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Haan nicht.