Betreff
Umsetzung des Ganztagsanspruchs ab dem Schuljahr 2026/27
Festlegung von Standards
Vorlage
40/062/2024
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

Mit dem Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) hat der Bund im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz die stufenweise Einführung eines Anspruchs auf ganztägige Förderung für Grundschulkinder durch Änderung des SGB VIII verbindlich festgelegt.  Lt. Kabinettsbeschluss vom 02.07.2024 liegt auf Landesebene korrespondierend hierzu inzwischen der als Anlage beigefügte Gemeinsame Erlass „Offene Ganztagsschulen sowie außerunterrichtliche Ganztags- und Betreuungsangebote im Primarbereich“ vor, der die Ausgestaltung des Offenen Ganztags regelt. Durch den Charakter des gemeinsamen Erlasses beider Ministerien, der Verankerung des Rechtsanspruchs im SGB VIII sowie durch schriftliche Ergänzungen kommt dem Zusammenwirken von Schule und Jugendhilfe eine stärkere Bedeutung zu. Die Erfüllungsverantwortung für die Umsetzung des Rechtsanspruchs richtet sich gem. § 24 Abs. 4 SGB VIII i.V.m. §§ 79 Abs. 1, 85 Abs. 1 SGB VIII unmittelbar immer an den Träger der örtlichen Jugendhilfe. Das heißt entsprechend des Erlasses konkret:

 

Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind verpflichtet, Plätze für Kinder im schulpflichtigen Alter in Tageseinrichtungen vorzuhalten, wenn anspruchserfüllende Angebote in Ganztagsschulen nicht zur Verfügung stehen. Auch in diesen Fällen bleiben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe verantwortlich für die Erfüllung des Rechtsanspruchs, das Angebot eines Platzes in einer OGS wird jedoch angerechnet.

 

Um den Rechtsanspruch zu erfüllen und gleichzeitig die finanziellen Belastungen im Auge zu behalten, bleibt realistisch nur die Möglichkeit, die OGS-Plätze bedarfsgerecht auszubauen. Da die Stadt Haan bereits eine hohe Bedarfsquote vorhält (aktuell für alle Standorte durchschnittlich 77 % ohne das Betreuungsangebot der Verlässlichen Grundschule), das Land NRW bei seiner eigenen Haushaltsplanung „nur“ von 80 % Betreuungsbedarf in einer OGS ausgeht und weitere Plätze in der Haushaltsplanung der Stadt Haan vorgesehen sind, ist die Stadt Haan nach heutiger Einschätzung gut aufgestellt.

Eine weitere sinnvolle Alternative zur OGS, sowohl unter bildungsspezifischen Aspekten als auch zur Entlastung des Haushalts, wäre nach wie vor die Gründung einer gebundenen Ganztagsschule, was sich für den Standort der Gemeinschaftsgrundschule Unterhaan mit der Planung des Neubaus ideal realisieren ließe. Aufgrund der Vorschriften des Schulgesetzes wäre dies möglich, allerdings hat die Bezirksregierung in bisherigen Gesprächen klar gemacht, dass aktuell dahingehend aufgrund fehlender personeller Ressourcen (Lehrerstellen) keine Genehmigung zu erwarten ist.

Entsprechend des Erlasses und unter der Annahme, dass der Rechtsanspruch weiterhin mit Plätzen in der OGS erfüllt wird, bleiben die Vorgaben im Grunde so, wie sie bisher sind. Bei der Einrichtung einer OGS wird nunmehr das Einvernehmen zwischen Schulträger und Träger der öffentlichen Jugendhilfe vorgegeben. Die angekündigte finanzielle Entlastung der Kommunen lässt sich aktuell nur dadurch erkennen, dass im Landeshaushalt Zuschüsse für rd. 80 % der Schulkinder in der Primarstufe in ganz NRW eingeplant werden sollen. Eine Erhöhung der Zuschüsse außer der bisher bereits praktizierten Erhöhung in Höhe von 3% pro Schuljahr ist bisher nicht abzusehen. Dazu müsste zunächst der Erlass über die Zuwendungen geändert und/oder auch hier ein gemeinsamer Erlass in Kraft gesetzt werden. Auch mit Blick auf die personelle Ausgestaltung wird weiterhin auf die Kreativität und Eigenverantwortung der Kommunen gesetzt. Eingesetzt werden sollen neben Lehrkräften weiterhin möglichst

 

-               pädagogische und sozialpädagogische Fachkräfte

 

-               Staatlich geprüfte Sozialassistenten mit dem Schwerpunkt Erziehung, Bildung und Betreuung für Grundschulkinder

 

-               Musikschullehrer_inen

 

-               Übungsleiter_innen

 

-               Künstler_innen

 

-               Fachkräfte weiterer gemeinwohlorientierter Einrichtungen

 

-               pädagogisch geeignete ehrenamtlich tätige Personen, Senioren und Seniorinnen, Hanwerker_innen, Eltern, älter Schüler_innen, Praktikanten und Praktikantinnen, Studierenden, sowie Mitarbeitende in Freiwilligendiensten

 

In Kenntnis des Fachkräftemangels wurde auf verbindliche Vorgaben offenbar bewusst verzichtet. Unabhängig vom eher zögerlichen Vorgehen des Landes, dahingehend noch zu erwartender Ergänzungen, Änderungen und/oder auch Klageverfahren sind vor Ort Entscheidungen für die Ausgestaltung der OGS-Angebote zu treffen. Die Hoffnung, hierzu weitere Vorgaben durch das Land zu erhalten, hat sich bisher leider nicht erfüllt. Nichts desto trotz entsteht Handlungsdruck, da die OGS-Trägerschaft für die Standorte der Grundschulen Bollenberg und Mittelhaan aus den bekannten Gründen gekündigt werden musste, eine Ausschreibung für eine neue Trägerschaft auf den Weg zu geben ist und hier Standards verbindlich und zukunftsorientiert festgelegt werden müssen, um  im Interesse der OGS-Schüler_innen die Qualität vor Ort langfristig sichern und nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums erneut ausschreiben zu müssen.

 

In einer Arbeitsgruppe des OGS-Qualitätszirkels, bestehend aus Vertreter_innen der Schulleitungen, Berater im Ganztag (BiG), OGS-Mitarbeitenden, einer Fachberatung und Verwaltung wurde überlegt, inwieweit bestehende Standards grundsätzlich anzupassen sind.

Ausgangslage waren dabei die Ist-Situation und die einheitlichen Standards an den Standorten Unterhaan, Gruiten und Don Bosco, da diese aufgrund vollzogener Trägerwechsel in den Jahren 2016, 2018 und 2021 neu definiert wurden.

 

Bisher gelten folgende personelle Rahmenbedingungen:

 

-        Pro 25 OGS-Schüler_innen (SuS) sind jeweils 28 Std. Fach- und Ergänzungskraftstunden vorzuhalten. Die Stunden werden berechnet anhand aller an einem Standort angemeldeten OGS-SuS/Schuljahr und vor Ort individuell nach Gruppenstärken verteilt. Mit dem vorhandenem Stundenbudget sind zusätzlich „normale“ Krankheitsvertretungen sowie der Ganztagsbetrieb in den Ferien abzudecken.

 

-       Im Rahmen des v.g. Stundenbudgets ist eine halbe Stelle für Leitung freizustellen.

 

-       Für die Hauswirtschaft ist zusätzliches Personal einzustellen, dieses finanziert sich über die Verpflegungsbeiträge

 

-       Für ergänzende Betreuungsangebote (VGS, Silentien etc.) wird die Betreuungspauschale sowie Elternbeiträge genutzt. Ein zusätzlicher städtischer Zuschuss erfolgt nicht.

 

-       Es können weitere Kooperationen mit Vereinen etc. abgeschlossen werden.

 

Einigkeit bestand in dem o.g. Treffen darüber, dass ein Mehr immer sinnvoll und wünschenswert ist, vor allem vor dem Hintergrund, dass für das pädagogische Personal nahezu keine Zeit für vor- und/oder nachbereitende Tätigkeiten bleibt, sondern diese fast ausschließlich „am Kind“ arbeiten. Hinzu kommen durch Infektionswellen in den Schulen grundsätzlich mehr krankheitsbedingte Ausfallzeiten, tariflich gewährte zusätzliche Regenerationstage sowie die Möglichkeit, Umwandlungstage in Anspruch zu nehmen. All das muss im täglichen Betrieb aufgefangen werden. Zusätzlich erschwert ist es, Fachkräfte zu bekommen, da für den OGS-Bereich nach wie vor keine tariflichen Vorgaben gelten und Vollzeitstellen eher die Ausnahme sind, weshalb vor allem junge Menschen, auch wenn sie gerne in der OGS arbeiten würden, sich nur selten bewerben, da sie aus finanziellen Gründen auf Ganztagsstellen angewiesen sind. Teilzeitstellen nehmen sie nur dann gerne in Anspruch, wenn sie z.B. nebenbei studieren, was eine längerfristige Personalbindung auch erschwert. Wünschenswert wären perspektivisch

 

-         Ganztagsstellen für OGS-Gruppenleitungen

 

-       Springerstellen und

-       Alltagsbegleitungen

 

In der Diskussion bestand jedoch Einvernehmen, dass die OGS-Standorte in Haan im Vergleich zu vielen anderen Kommunen gut ausgestattet sind und bei allen Wünschen nach deutlichen Ausweitung des Personalschlüssels, die sinnvoll und begründet sind, auch der finanziellen Situation Rechnung getragen werden muss und daher nicht alles sofort und gleich umgesetzt werden muss. Für unabdingbar notwendig erachtet wurde jedoch  

 

-       die Freistellung einer Leitung im Umfang einer ganzen Stelle VZÄ ohne Anrechnung dieser Personalressource auf das Kontigent der pädagogischen Einsatzstunden. In den OGS-Standorten der städtischen Schulen werden aktuell folgende Plätze angeboten:

 

OGS Bollenberg: 167 Plätze  (78 %)

OGS Mittelhaan: 193 Plätze + verlässliche Grundschule (65 %) *

OGS Unterhaan: 218 Plätze + verlässliche Grundschule  (84 %)

OGS Don-Bosco: 182 Plätze + verlässliche Ganztagsschule (83 %)

OGS Gruiten: 156 Plätze + verlässliche Ganztagsschule (78 %)

*Die vergleichsweise geringe Bedarfsdeckungsquote lässt sich durch die bereits im BSA besprochenen Raumsituation erklären. Auf Basis der zwischen Schule, Musikschule und Verwaltung besprochenen Lösungsmöglichkeiten können mit Blick auf den Rechtsanspruch ab dem SJ 2026/27 auch hier weitere OGS-Plätze zusätzliche OGS-Plätze geschaffen werden

 

Den OGS-Leitungen obliegt die Dienst- und Fachaufsicht über das OGS- und VGS-Personal sowie die Hauswirtschaftskräfte inkl. aller damit verbundenen Aufgaben, sie sind verantwortlich für Dienstpläne, Weiterentwicklung pädagogischer Konzeptionen, Gestaltung und Organisation sämtlicher zusätzlicher Angebote, ständiger Ansprechpartner für Schulleitung, Eltern, Verwaltung, Caterer, sonstige außerschulische Kooperationspartner etc., Teilnahme an Sitzungen und Arbeitskreisen, sie verwalten das Budget für die Sachausstattung u.v.m.. Kita-Leitungen sowie deren Stellvertretungen werden besser bezahlt und sind bereits bei geringeren Zahlen freigestellt.

Abgesehen von allem Wünschenswerten wie Rüstzeiten, Einsatz von Springerstellen und Alltagsbegleitungen, Ganztagsstellen in der OGS etc., ist ein wichtiger Schritt die Freistellung einer Stelle VZÄ für die Leitung einer OGS ohne Anrechnung auf das Personalbudget der Fach- und Ergänzungskräfte. Der Einrichtung vor Ort soll Flexibilität dahingehend eingeräumt werden, diese Ressourcen tlw. auf eine Stellvertretung übertragen zu können. Damit wird ein Mindestmaß an Flexibilität auch für Fach- und Ergänzungskräfte ermöglicht.

Die Empfehlung des OGS-Qualitätszirkel nach einer vollen Freistellung für die OGS-Leitungen ohne Anrechnung auf den Personalschlüssel des pädagogischen Personals wird von der Fachverwaltung grundsätzlich als sinnvoll und erforderlich eingestuft. Da sich die Haushaltslage der Stadt Haan jedoch zunehmend problematisch darstellt, ist die Finanzierung von fünf vollen Freistellungen für die OGS-Leitungen unter keinen Umständen darstellbar. Das Land NRW entzieht sich auch hier seiner Verantwortung, indem unter der Überschrift „Stärkung der kommunalen Eigenverantwortung“ auf verbindliche Standards bewusst verzichtet wird, um die Konnexität gezielt zu umgehen. Daher ist es der Stadt Haan nur möglich, einen Teil der Empfehlung umzusetzen, und zwar eine 40%ige Freistellung der OGS-Leitungen an allen fünf Standorten, und dies auch nur, wenn eine Refinanzierung durch die Erhöhung der Elternbeiträge entsprechend der Vorlage 51/099/2024 erfolgt. Es ist ein erster Einstieg in eine perspektivisch volle Freistellung der OGS-Leitungen.

 

Der Vorschlag der Verwaltung bedeutet einen weiteren guten und wichtigen Schritt, die Qualität in der OGS zu stärken auch in dem Wissen, dass die Stadt Haan als Schulträger im Vergleich zu anderen Kommunen bereits seit Jahren ein sehr hohes Niveau hält, was nicht zuletzt auch an den Belegungszahlen in den Haaner Schulen erkennbar ist. Die städtischen Schulen haben sich bereits vor vielen Jahren für den rhythmisierten Ganztag entschieden und sind hier Vorreiter. Der Schulleiter der GGS Mittelhaan, der u.a. auch als Berater im Ganztag (BiG) auf Schulamtsebene tätig ist, darf die OGS-Arbeit an den Haaner Schulen und das Modell der Rhythmisierung inzwischen in vielen Schulgemeinden als leuchtendes Beispiel vorstellen. Um diesen Standard in den finanziell herausfordernden Zeiten halten und ausbauen und den Haaner Eltern ein stabiles und qualitativ hochwertiges Angebot bieten zu können, ist es aus Sicht der Verwaltung unabdingbar erforderlich, auch die Eltern durch eine Erhöhung der Elternbeiträge zu beteiligen - dies natürlich unter Berücksichtigung sozial ausgewogener Aspekte, was sich in der Beratungsvorlage 51/099/2024 wiederfindet. Mit dem OGS-Angebot der Stadt Haan erhalten die Eltern ein nicht nur zeitlich verlässliches, sondern vor allem auch qualitativ hochwertiges Betreungs- und Bildungsangebot für ihre Kinder, was sowohl dem Anspruch an Bildungsgerechtigkeit als auch der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerecht wird.

 

Die personellen Veränderungen für die städtischen Standorte Don-Bosco und Gruiten sind im Stellenplan für das Jahr 2026 zu berücksichtigen. Für die Standorte Bollenberg und Mittelhaan kann dies in den anstehenden Ausschreibungen aufgenommen werden. Am Standort Unterhaan könnte eine Umsetzung ebenfalls nur durch Neuausschreibung erfolgen.

 

Wenn die Elternbeiträge allerdings nicht wie vorgeschlagen angehoben werden, wird die Stadt Haan die Erhöhung der Qualitätsstandards wegen der zunehmend problematischen Haushaltslage finanziell nicht stemmen können. Wie oben dargelegt, gibt es aktuell keine Signale aus dem Ministerium, weitere Mittel ins System OGS zu geben.

 

 

Beschlussvorschlag:

 

Der BSA stellt fest, dass das Land weiterhin keine Standards für den OGS-Betrieb setzt, um keine konnexitätsrelevanten Tatbestände zu formulieren. Die Finanzierung des OGS-Anspruchs liegt damit weiterhin hauptsächlich bei den Kommunen mit steigender Tendenz. Vor dem Hintergrund der prekären Haushaltslage empfiehlt der BSA daher dem Rat, die grundsätzlich sinnvolle Freistellung der OGS Leitung in einem Umfang von 0,4 VZÄ ab dem Schuljahr 2026/27 außerhalb des Personalschlüssels für das pädagogische Personal (derzeit 0,5 VZÄ Freistellung unter Anrechnung auf den Schlüssel für das pädagogische Personal) von der Erhöhung der Elternbeiträge abhängig zu machen. Soweit die Elternbeiträge angehoben werden, ist eine entsprechende Freistellung bei anstehenden und künftigen Ausschreibungen sowie bei den beiden städtischen OGS-Standorten im Stellenplan für das Jahr 2026 ff. zu berücksichtigen.

 

Finanz. Auswirkung:

 

Städtische OGS Gruiten und Don Bosco: Erst mit dem Stellenplan 2026

OGS Bollenberg und Mittelhaan: Derzeit noch nicht absehbar, abhängig vom Ergebnis der Vergabeverfahren

 

Kalkulationsgrundlage sind Kosten einer städtischen OGS-Leitung (VZÄ = 89 T€ jährlich).

 

Mit kalkulierten Mehrerträgen bei den Elternbeiträgen in Kitas und OGS von insgesamt 178 T€ jährlich können an den fünf OGS-Standorten (KGS Don Bosco, GGS Bollenberg, Mittelhaan, Unterhaan und Gruiten) jeweils 0,4 VZÄ OGS-Leitung als freigestellte Kräfte finanziert werden (5 x 35.600 € = 178.000 €). Wenn der Rat einer entsprechenden Satzungsänderung nicht zustimmt, können die durch den OGS-Qualitätszirkel empfohlenen Standards (1 VZÄ OGS-Leitung pro OGS-Standort) nicht einmal zu 40 % finanziert werden.

Nachhaltigkeitseinschätzung:

 

Die Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Haan wird durch diese Vorlage nicht berührt.