Festlegung von Standards
Sachverhalt:
Mit dem Ganztagsförderungsgesetz
(GaFöG) hat der Bund im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz die stufenweise
Einführung eines Anspruchs auf ganztägige Förderung für Grundschulkinder durch
Änderung des SGB VIII verbindlich festgelegt.
Lt.
Kabinettsbeschluss vom 02.07.2024 liegt auf Landesebene korrespondierend hierzu
inzwischen der als Anlage beigefügte Gemeinsame Erlass „Offene Ganztagsschulen
sowie außerunterrichtliche Ganztags- und Betreuungsangebote im Primarbereich“
vor, der die Ausgestaltung des Offenen Ganztags regelt. Durch den Charakter des
gemeinsamen Erlasses beider Ministerien, der Verankerung des Rechtsanspruchs im
SGB VIII sowie durch schriftliche Ergänzungen kommt dem Zusammenwirken von
Schule und Jugendhilfe eine stärkere Bedeutung zu. Die Erfüllungsverantwortung
für die Umsetzung des Rechtsanspruchs richtet sich gem. § 24 Abs. 4 SGB VIII
i.V.m. §§ 79 Abs. 1, 85 Abs. 1 SGB VIII unmittelbar immer an den Träger der
örtlichen Jugendhilfe. Das heißt entsprechend des Erlasses konkret:
Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind
verpflichtet, Plätze für Kinder im schulpflichtigen Alter in Tageseinrichtungen
vorzuhalten, wenn anspruchserfüllende Angebote in Ganztagsschulen nicht zur
Verfügung stehen. Auch in diesen Fällen bleiben die Träger der öffentlichen
Jugendhilfe verantwortlich für die Erfüllung des Rechtsanspruchs, das Angebot
eines Platzes in einer OGS wird jedoch angerechnet.
Um den Rechtsanspruch zu erfüllen und gleichzeitig
die finanziellen Belastungen im Auge zu behalten, bleibt realistisch nur die
Möglichkeit, die OGS-Plätze bedarfsgerecht auszubauen. Da die Stadt Haan
bereits eine hohe Bedarfsquote vorhält (aktuell für alle Standorte
durchschnittlich 77 % ohne das Betreuungsangebot der Verlässlichen Grundschule),
das Land NRW bei seiner eigenen Haushaltsplanung „nur“ von 80 %
Betreuungsbedarf in einer OGS ausgeht und weitere Plätze in der
Haushaltsplanung der Stadt Haan vorgesehen sind, ist die Stadt Haan nach
heutiger Einschätzung gut aufgestellt.
Eine weitere sinnvolle Alternative zur OGS, sowohl unter
bildungsspezifischen Aspekten als auch zur Entlastung des Haushalts, wäre nach
wie vor die Gründung einer gebundenen Ganztagsschule, was sich für den Standort
der Gemeinschaftsgrundschule Unterhaan mit der Planung des Neubaus ideal
realisieren ließe. Aufgrund der Vorschriften des Schulgesetzes wäre dies
möglich, allerdings hat die Bezirksregierung in bisherigen Gesprächen klar
gemacht, dass aktuell dahingehend aufgrund fehlender personeller Ressourcen
(Lehrerstellen) keine Genehmigung zu erwarten ist.
Entsprechend des Erlasses und unter der Annahme,
dass der Rechtsanspruch weiterhin mit Plätzen in der OGS erfüllt wird, bleiben
die Vorgaben im Grunde so, wie sie bisher sind. Bei der Einrichtung einer OGS
wird nunmehr das Einvernehmen zwischen Schulträger und Träger der öffentlichen
Jugendhilfe vorgegeben. Die angekündigte finanzielle Entlastung der Kommunen
lässt sich aktuell nur dadurch erkennen, dass im Landeshaushalt Zuschüsse für
rd. 80 % der Schulkinder in der Primarstufe in ganz NRW eingeplant werden
sollen. Eine Erhöhung der Zuschüsse außer der bisher bereits praktizierten
Erhöhung in Höhe von 3% pro Schuljahr ist bisher nicht abzusehen. Dazu müsste
zunächst der Erlass über die Zuwendungen geändert und/oder auch hier ein
gemeinsamer Erlass in Kraft gesetzt werden. Auch mit Blick auf die personelle
Ausgestaltung wird weiterhin auf die Kreativität und Eigenverantwortung der
Kommunen gesetzt. Eingesetzt werden sollen neben Lehrkräften weiterhin
möglichst
-
pädagogische und
sozialpädagogische Fachkräfte
-
Staatlich geprüfte
Sozialassistenten mit dem Schwerpunkt Erziehung, Bildung und Betreuung für
Grundschulkinder
-
Musikschullehrer_inen
-
Übungsleiter_innen
-
Künstler_innen
-
Fachkräfte weiterer
gemeinwohlorientierter Einrichtungen
-
pädagogisch geeignete
ehrenamtlich tätige Personen, Senioren und Seniorinnen, Hanwerker_innen,
Eltern, älter Schüler_innen, Praktikanten und Praktikantinnen, Studierenden,
sowie Mitarbeitende in Freiwilligendiensten
In Kenntnis des Fachkräftemangels wurde auf verbindliche Vorgaben offenbar
bewusst verzichtet. Unabhängig vom eher zögerlichen Vorgehen des Landes,
dahingehend noch zu erwartender Ergänzungen, Änderungen und/oder auch
Klageverfahren sind vor Ort Entscheidungen für die Ausgestaltung der
OGS-Angebote zu treffen. Die Hoffnung, hierzu weitere Vorgaben durch das Land
zu erhalten, hat sich bisher leider nicht erfüllt. Nichts desto trotz entsteht
Handlungsdruck, da die OGS-Trägerschaft für die Standorte der Grundschulen
Bollenberg und Mittelhaan aus den bekannten Gründen gekündigt werden musste,
eine Ausschreibung für eine neue Trägerschaft auf den Weg zu geben ist und hier
Standards verbindlich und zukunftsorientiert festgelegt werden müssen, um im Interesse der OGS-Schüler_innen die
Qualität vor Ort langfristig sichern und nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums
erneut ausschreiben zu müssen.
In einer Arbeitsgruppe des OGS-Qualitätszirkels, bestehend aus
Vertreter_innen der Schulleitungen, Berater im Ganztag (BiG),
OGS-Mitarbeitenden, einer Fachberatung und Verwaltung wurde überlegt, inwieweit
bestehende Standards grundsätzlich anzupassen sind.
Ausgangslage waren dabei die Ist-Situation und die einheitlichen
Standards an den Standorten Unterhaan, Gruiten und Don Bosco, da diese aufgrund
vollzogener Trägerwechsel in den Jahren 2016, 2018 und 2021 neu definiert
wurden.
Bisher gelten folgende personelle Rahmenbedingungen:
-
Pro 25 OGS-Schüler_innen (SuS) sind jeweils 28
Std. Fach- und Ergänzungskraftstunden vorzuhalten. Die Stunden werden berechnet
anhand aller an einem Standort angemeldeten OGS-SuS/Schuljahr und vor Ort individuell
nach Gruppenstärken verteilt. Mit dem vorhandenem Stundenbudget sind zusätzlich
„normale“ Krankheitsvertretungen sowie der Ganztagsbetrieb in den Ferien
abzudecken.
-
Im Rahmen des v.g. Stundenbudgets
ist eine halbe Stelle für Leitung freizustellen.
-
Für die Hauswirtschaft
ist zusätzliches Personal einzustellen, dieses finanziert sich über die Verpflegungsbeiträge
-
Für ergänzende
Betreuungsangebote (VGS, Silentien etc.) wird die Betreuungspauschale sowie
Elternbeiträge genutzt. Ein zusätzlicher städtischer Zuschuss erfolgt nicht.
-
Es können weitere
Kooperationen mit Vereinen etc. abgeschlossen werden.
Einigkeit bestand in dem o.g. Treffen darüber, dass ein Mehr immer sinnvoll
und wünschenswert ist, vor allem vor dem Hintergrund, dass für das pädagogische
Personal nahezu keine Zeit für vor- und/oder nachbereitende Tätigkeiten bleibt,
sondern diese fast ausschließlich „am Kind“ arbeiten. Hinzu kommen durch
Infektionswellen in den Schulen grundsätzlich mehr krankheitsbedingte
Ausfallzeiten, tariflich gewährte zusätzliche Regenerationstage sowie die
Möglichkeit, Umwandlungstage in Anspruch zu nehmen. All das muss im täglichen
Betrieb aufgefangen werden. Zusätzlich erschwert ist es, Fachkräfte zu
bekommen, da für den OGS-Bereich nach wie vor keine tariflichen Vorgaben gelten
und Vollzeitstellen eher die Ausnahme sind, weshalb vor allem junge Menschen,
auch wenn sie gerne in der OGS arbeiten würden, sich nur selten bewerben, da
sie aus finanziellen Gründen auf Ganztagsstellen angewiesen sind.
Teilzeitstellen nehmen sie nur dann gerne in Anspruch, wenn sie z.B. nebenbei
studieren, was eine längerfristige Personalbindung auch erschwert.
Wünschenswert wären perspektivisch
-
Ganztagsstellen für OGS-Gruppenleitungen
-
Springerstellen und
-
Alltagsbegleitungen
In der Diskussion bestand jedoch Einvernehmen, dass die OGS-Standorte in
Haan im Vergleich zu vielen anderen Kommunen gut ausgestattet sind und bei allen
Wünschen nach deutlichen Ausweitung des Personalschlüssels, die sinnvoll und
begründet sind, auch der finanziellen Situation Rechnung getragen werden muss
und daher nicht alles sofort und gleich umgesetzt werden muss. Für unabdingbar
notwendig erachtet wurde jedoch
-
die Freistellung einer
Leitung im Umfang einer ganzen Stelle VZÄ ohne Anrechnung dieser
Personalressource auf das Kontigent der pädagogischen Einsatzstunden. In den
OGS-Standorten der städtischen Schulen werden aktuell folgende Plätze
angeboten:
OGS Bollenberg: 167 Plätze (78 %)
OGS Mittelhaan: 193 Plätze + verlässliche Grundschule (65 %) *
OGS Unterhaan: 218 Plätze + verlässliche Grundschule (84 %)
OGS Don-Bosco: 182 Plätze + verlässliche Ganztagsschule (83 %)
OGS Gruiten: 156 Plätze + verlässliche Ganztagsschule (78 %)
*Die vergleichsweise geringe Bedarfsdeckungsquote
lässt sich durch die bereits im BSA besprochenen Raumsituation erklären. Auf
Basis der zwischen Schule, Musikschule und Verwaltung besprochenen
Lösungsmöglichkeiten können mit Blick auf den Rechtsanspruch ab dem SJ 2026/27
auch hier weitere OGS-Plätze zusätzliche OGS-Plätze geschaffen werden
Den OGS-Leitungen obliegt die Dienst- und Fachaufsicht über das OGS- und
VGS-Personal sowie die Hauswirtschaftskräfte inkl. aller damit verbundenen
Aufgaben, sie sind verantwortlich für Dienstpläne, Weiterentwicklung
pädagogischer Konzeptionen, Gestaltung und Organisation sämtlicher zusätzlicher
Angebote, ständiger Ansprechpartner für Schulleitung, Eltern, Verwaltung,
Caterer, sonstige außerschulische Kooperationspartner etc., Teilnahme an
Sitzungen und Arbeitskreisen, sie verwalten das Budget für die Sachausstattung
u.v.m.. Kita-Leitungen sowie deren Stellvertretungen werden besser bezahlt und
sind bereits bei geringeren Zahlen freigestellt.
Abgesehen von allem Wünschenswerten wie Rüstzeiten, Einsatz von
Springerstellen und Alltagsbegleitungen, Ganztagsstellen in der OGS etc., ist
ein wichtiger Schritt die Freistellung einer Stelle VZÄ für die Leitung einer
OGS ohne Anrechnung auf das Personalbudget der Fach- und Ergänzungskräfte. Der
Einrichtung vor Ort soll Flexibilität dahingehend eingeräumt werden, diese
Ressourcen tlw. auf eine Stellvertretung übertragen zu können. Damit wird ein
Mindestmaß an Flexibilität auch für Fach- und Ergänzungskräfte ermöglicht.
Die Empfehlung des OGS-Qualitätszirkel nach einer vollen Freistellung für
die OGS-Leitungen ohne Anrechnung auf den Personalschlüssel des pädagogischen
Personals wird von der Fachverwaltung grundsätzlich als sinnvoll und
erforderlich eingestuft. Da sich die Haushaltslage der Stadt Haan jedoch
zunehmend problematisch darstellt, ist die Finanzierung von fünf vollen
Freistellungen für die OGS-Leitungen unter keinen Umständen darstellbar. Das
Land NRW entzieht sich auch hier seiner Verantwortung, indem unter der
Überschrift „Stärkung der kommunalen Eigenverantwortung“ auf verbindliche
Standards bewusst verzichtet wird, um die Konnexität gezielt zu umgehen. Daher
ist es der Stadt Haan nur möglich, einen Teil der Empfehlung umzusetzen, und
zwar eine 40%ige Freistellung der OGS-Leitungen an allen fünf Standorten, und
dies auch nur, wenn eine Refinanzierung durch die Erhöhung der Elternbeiträge
entsprechend der Vorlage 51/099/2024 erfolgt. Es ist ein erster Einstieg in
eine perspektivisch volle Freistellung der OGS-Leitungen.
Der Vorschlag der Verwaltung bedeutet einen weiteren guten und wichtigen
Schritt, die Qualität in der OGS zu stärken auch in dem Wissen, dass die Stadt
Haan als Schulträger im Vergleich zu anderen Kommunen bereits seit Jahren ein sehr
hohes Niveau hält, was nicht zuletzt auch an den Belegungszahlen in den Haaner Schulen
erkennbar ist. Die städtischen Schulen haben sich bereits vor vielen Jahren für
den rhythmisierten Ganztag entschieden und sind hier Vorreiter. Der Schulleiter
der GGS Mittelhaan, der u.a. auch als Berater im Ganztag (BiG) auf
Schulamtsebene tätig ist, darf die OGS-Arbeit an den Haaner Schulen und das
Modell der Rhythmisierung inzwischen in vielen Schulgemeinden als leuchtendes Beispiel
vorstellen. Um diesen Standard in den finanziell herausfordernden Zeiten halten
und ausbauen und den Haaner Eltern ein stabiles und qualitativ hochwertiges
Angebot bieten zu können, ist es aus Sicht der Verwaltung unabdingbar
erforderlich, auch die Eltern durch eine Erhöhung der Elternbeiträge zu
beteiligen - dies natürlich unter Berücksichtigung sozial ausgewogener Aspekte,
was sich in der Beratungsvorlage 51/099/2024 wiederfindet. Mit dem OGS-Angebot
der Stadt Haan erhalten die Eltern ein nicht nur zeitlich verlässliches,
sondern vor allem auch qualitativ hochwertiges Betreungs- und Bildungsangebot
für ihre Kinder, was sowohl dem Anspruch an Bildungsgerechtigkeit als auch der
Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerecht wird.
Die personellen Veränderungen für die städtischen Standorte Don-Bosco und
Gruiten sind im Stellenplan für das Jahr 2026 zu berücksichtigen. Für die
Standorte Bollenberg und Mittelhaan kann dies in den anstehenden
Ausschreibungen aufgenommen werden. Am Standort Unterhaan könnte eine Umsetzung
ebenfalls nur durch Neuausschreibung erfolgen.
Wenn die Elternbeiträge allerdings nicht wie vorgeschlagen angehoben
werden, wird die Stadt Haan die Erhöhung der Qualitätsstandards wegen der
zunehmend problematischen Haushaltslage finanziell nicht stemmen können. Wie
oben dargelegt, gibt es aktuell keine Signale aus dem Ministerium, weitere
Mittel ins System OGS zu geben.
Beschlussvorschlag:
Der BSA stellt fest, dass das Land weiterhin keine Standards für den OGS-Betrieb setzt, um keine konnexitätsrelevanten Tatbestände zu formulieren. Die Finanzierung des OGS-Anspruchs liegt damit weiterhin hauptsächlich bei den Kommunen mit steigender Tendenz. Vor dem Hintergrund der prekären Haushaltslage empfiehlt der BSA daher dem Rat, die grundsätzlich sinnvolle Freistellung der OGS Leitung in einem Umfang von 0,4 VZÄ ab dem Schuljahr 2026/27 außerhalb des Personalschlüssels für das pädagogische Personal (derzeit 0,5 VZÄ Freistellung unter Anrechnung auf den Schlüssel für das pädagogische Personal) von der Erhöhung der Elternbeiträge abhängig zu machen. Soweit die Elternbeiträge angehoben werden, ist eine entsprechende Freistellung bei anstehenden und künftigen Ausschreibungen sowie bei den beiden städtischen OGS-Standorten im Stellenplan für das Jahr 2026 ff. zu berücksichtigen.
Finanz. Auswirkung:
Städtische OGS Gruiten und Don Bosco: Erst mit dem Stellenplan 2026
OGS Bollenberg und Mittelhaan: Derzeit noch nicht absehbar, abhängig vom Ergebnis der Vergabeverfahren
Kalkulationsgrundlage sind Kosten einer städtischen OGS-Leitung (VZÄ = 89 T€ jährlich).
Mit kalkulierten Mehrerträgen bei den Elternbeiträgen in Kitas und OGS von insgesamt 178 T€ jährlich können an den fünf OGS-Standorten (KGS Don Bosco, GGS Bollenberg, Mittelhaan, Unterhaan und Gruiten) jeweils 0,4 VZÄ OGS-Leitung als freigestellte Kräfte finanziert werden (5 x 35.600 € = 178.000 €). Wenn der Rat einer entsprechenden Satzungsänderung nicht zustimmt, können die durch den OGS-Qualitätszirkel empfohlenen Standards (1 VZÄ OGS-Leitung pro OGS-Standort) nicht einmal zu 40 % finanziert werden.
Nachhaltigkeitseinschätzung:
Die Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Haan wird durch diese Vorlage nicht berührt.