Betreff
Drittes Gesetz zur Weiterentwicklung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements
Vorlage
14/047/2024
Art
Informationsvorlage

Anlass

Drittes NKFWG NRW vom 5. März 2024 mit Auswirkungen u.a. auf Jahresabschluss und Rechnungsprüfung, Vorschläge zur Änderung der KomHVO NRW und der VV Muster zur GO NRW und KomHVO NRW inkl. Anlagen (Mai 2024), Positionspapier des Instituts der Rechnungsprüfer e.V. IDR zur Standardisierung und Harmonierung der öffentlichen Rechnungslegung (August 2024)

Sachverhalt

1.    Drittes NKF-Weiterentwicklungsgesetz vom 5. März 2024

Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen stehen vor enormen haushaltswirtschaftlichen Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund hat der nordrhein-westfälische Landtag am 28. Februar 2024 mit dem dritten NKF-Weiterentwicklungsgesetz Nordrhein-Westfalen (NKFWG NRW) umfassende Änderungen für die Haushaltswirtschaft und kommunale Unternehmen verabschiedet, um gemäß der Gesetzesbegründung die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen im Land abzusichern. Mit dem Gesetzesvorhaben verfolgte die Landesregierung das Ziel, der zunehmenden Unsicherheit in Bezug auf die steigenden Aufwendungen in Verbindung mit rückläufigen Erträgen – auch mit Blick auf die immensen Zukunftsaufgaben – zu begegnen. Das Gesetz sieht wesentliche Änderungen beim Haushaltsausgleich und der Pflicht zur Erstellung von Haushaltssicherungskonzepten vor und trat bereits zum 31.12.2023 rückwirkend in Kraft.

Die Änderungen beinhalten

·         neue Ausgleichsregeln für Haushaltsplanung und Jahresabschluss (gestuftes Ausgleichssystem),

·         die Verlängerung des Aufstellungszeitraumes für den kommunalen Jahresabschluss,

·         Erleichterungen bei bestimmten Anhangsangaben im Rahmen des kommunalen Jahresabschlusses und

·         bezogen auf die Gemeindewirtschaft: Erleichterungen für die Erstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen bei juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts der Kommunen sowie für (rechtlich unselbständige) Eigenbetriebe nach der Eigenbetriebsverordnung für das Land Nordrhein-Westfalen.

An der Expertenanhörung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren, die auch auf einen politischen Antrag zur Überarbeitung der Kommunalhaushaltsverordnung Nordrhein-Westfalen (KomHVO NRW) einschloss, hatte erstmals auch die Rechnungsprüfung teilgenommen. Vertreten durch die Landesgruppe NRW des Instituts der Rechnungsprüfer e.V. (IDR) hat sie den Prozess konstruktiv-kritisch begleitet. Wesentliches Anliegen der Rechnungsprüfung war es, auf die Risiken hinzuweisen, die mit einer noch weitreichenderen Verzerrung der Darstellung der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (VFE-Lage) in den NRW-Kommunen und einer weiteren Abkehr vom NKF-Konzept verbunden wären. Aus Sicht der Rechnungsprüfung ist nur eine auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen geeignet, den Herausforderungen und Krisen der Gegenwart und Zukunft zu begegnen

Die kommunalen Spitzenverbände NRW fordern seit langem eine schnelle und durchgreifende Verbesserung der finanziellen Ausstattung ihrer Mitgliedskörperschaften angesichts der beachtlichen Finanz- und Investitionsbedarfe.

Im Juni 2024 von der nordrhein-westfälischen Landesregierung vorgestellte Eckpunkte für einen Abbau des Bestandes an kommunalen Liquiditätskrediten ab dem Jahr 2025 liegen dem Bundesfinanzministerium zur weiteren Abstimmung vor. Darin hat das Land NRW seine Bereitschaft erklärt, den Kommunen ab 2025 jährlich 250 Millionen Euro zur Tilgung der kommunalen Altschulden bereitzustellen. Über 30 Jahre hinweg sollen somit 7,5 Milliarden Euro der rund 21 Milliarden Euro Altschulden der Kommunen getilgt werden. Vom Bund erwartet die Landesregierung ebenfalls eine Beteiligung im Umfang von 7,5 Milliarden Euro. Die Kommunalen Spitzenverbände Nordrhein-Westfalen haben das vorgeschlagene Modell grundsätzlich begrüßt.

2.    Die Rechnungs- bzw. Jahresabschlussprüfung betreffenden Änderungen

Das 3. NKFWG NRW beinhaltet Änderungen, die die Aufgaben des Rechnungsprüfungsausschusses und des Prüfungsamtes als örtliche Rechnungsprüfung betreffen.

Verlängerung des Aufstellungszeitraumes für den kommunalen Jahresabschluss

Bisher war der Jahresabschluss einer Kommune innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten nach Schluss des Haushaltsjahres dem Rat zur Feststellung zuleiten, d.h. spätestens bis zum 31. März. Dieser Zeitraum wurde in § 95 Abs. 5 Satz 2 GO NRW auf sechs Monate, d.h. bis zum 30. Juni, verlängert.

Aus Sicht der Rechnungsprüfung sollte es dennoch weiterhin Ziel sein, den Jahresabschluss möglichst zeitnah aufzustellen, um entsprechend frühzeitig auf Grundlage der Erkenntnisse der Ist-Daten im Sinne der Verwaltung und vor allem ihrer Bürgerinnen und Bürger reagieren zu können. Belastbare Vorjahreswerte in Form aufgestellter und geprüfter Jahresabschlüsse sind Voraussetzungen, um valide Haushalte planen und Haushaltskonsolidierungsprozesse gestalten zu können. Die Finanzmanagementprozesse sollten optimiert und digitalisiert werden.

Die Frist für die Feststellung des Jahresabschlusses hat sich hingegen nicht geändert. Dadurch verringert sich der Zeitraum für die Durchführung der Jahresabschlussprüfung, in dem notwendige Prüfungshandlungen durchzuführen sind, erheblich. Unter Berücksichtigung der notwendigen Beratungsläufe vor dem Feststellungsbeschluss verbleiben für das Prüfungsamt nur noch wenige Wochen, die zudem größtenteils in die Sommerferien fallen. Dies erschwert eine sachgemäße Prüfung, zumal Ansprechpersonen nur eingeschränkt zur Verfügung stehen.

Änderungen des § 95 GO NRW (Jahresabschluss)

a)    Maßgeblichkeit der im Handelsrecht geltenden Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung unter Berücksichtigung besonderer gemeindehaushaltsrechtlicher Bestimmungen

Diese Klarstellung in § 95 Abs. 1 GO NRW wird prüfungsseitig begrüßt.

b)    Explizite Erwähnung von Rückstellungen als Bilanzposition

Die explizite und hervorgehobene Auflistung von Rückstellungen als Bilanzposition ist aus Sicht der Rechnungsprüfung nicht schlüssig. Diese könnte suggerieren, dass es sich hierbei nicht um Schulden i. S. von Fremdkapital handeln würde. Zum anderen fehlen in der Aufzählung weitere Bilanzpositionen wie z.B. Forderungen, Sonderposten oder liquide Mittel.

c)    Behandlung eines Jahresfehlbetrages im Jahresabschluss

Die Behandlung des Jahresfehlbetrages wird in § 95 Abs. 2 GO NRW neu geregelt. Aus der Perspektive der Rechnungsprüfung ist sehr zu begrüßen, dass der Verlustvortrag nur optional anzuwenden ist, birgt er doch das Risiko, notwendige Haushaltskonsolidierungen hinauszuzögern. Den Kommunen ist somit freigestellt, auf diese Option zu verzichten und frühzeitiger in die Haushaltssicherung zu gehen.

d)    Auslegungsfragen

Aus dem Gesetzestext heraus ergeben sich Auslegungsfragen, z.B. zur differenzierten Verbuchung und Darstellung der Verlustvorträge aus mehreren Jahren, zum Umgang mit einem Verlustvortrag nach drei Jahren oder zur eindeutigen Einordnung der Regelung, dass die allgemeine Rücklage nicht negativ sein darf.

Das zuständige Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung NRW hat bereits eine erste FAQ-Liste herausgegeben.

e)    Weiterer Einbezug der Teilrechnungen in den Jahresabschluss

Die Teilrechnungen stellen wichtige Grundlagen für die Jahresabschlussprüfung und auch wichtige Informationen für die politischen Gremien dar. Die Entscheidung des Landesgesetzgebers, sie entgegen ursprünglicher Überlegungen nicht als Bestandteile des Jahresabschlusses ersatzlos zu streichen, stößt daher auf die Zustimmung der Rechnungsprüfung.

f)     Erleichterungen bei bestimmten Anhangsangaben im Rahmen des kommunalen Jahresabschlusses

Angesichts der öffentlichen Diskussion der vergangenen Jahre zu Compliance und Korruptionsprävention wird der mit bürokratischer Entlastung begründete Verzicht auf die weiteren Angaben der Ratsmitglieder nach § 95 Abs. 3 Ziffer 2 bis 5 GO NRW (Mitgliedschaft in Organen privatrechtlicher Unternehmen u.a.) prüfungsseitig als ein falsches Signal betrachtet. Der tatsächliche Entlastungseffekt ist zudem marginal, da diese - vergleichsweise statischen - Informationen ohnehin vorliegen.

3.    Vorschläge zur Überarbeitung der KomHVO NRW sowie der VV Muster zur GO NRW und KomHVO NRW

Ende Mai 2024 hat das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes NRW auf der Grundlage des Dritten NKFWG NRW den kommunalen Spitzenverbänden einen Entwurf zur Änderung der KomHVO NRW sowie einen Entwurf eines Runderlasses zur Änderung der VV Muster zur GO NRW und KomHVO NRW inklusive Anlagen zwecks Stellungnahme zugeleitet. Diese Entwürfe befanden sich zum Zeitpunkt der Vorlagenerstellung noch im Verordnungsgebungsverfahren.

Die Vorschläge werden aus Sicht der Rechnungsprüfung als insgesamt unausgereift und hinsichtlich des Zwecks des NKF insgesamt kritisch zu beurteilen. Ein Ziel des NKF war es, durch eine realistische, objektive und transparente Darstellung der wirtschaftlichen Lage der Kommune, eine nachhaltige Haushaltswirtschaft auch unter dem Gesichtspunkt der intergenerativen Gerechtigkeit zu forcieren. Ein Hauptkritikpunkt des IDR ist, dass dies mit den geplanten Anpassungen der KomHVO NRW und den vorherigen Änderungen der GO NRW ins Gegenteil verkehrt wird. Zugunsten einer vermeintlichen „Verschnaufpause“ durch kurzfristige Einmaleffekte werden richtige und wichtige Grundprinzipien des NKF dauerhaft aufgeweicht.

Änderungen an der NKF-Systematik sollten aus der Perspektive der Rechnungsprüfung dem Ziel dienen, die finanzwirtschaftlichen Vorfälle realistisch wiederzugeben, auch im Sinne der intergenerativen Gerechtigkeit. Ein in der Rechnungslegung „angepasster“ Ausweis der Geschäftsvorfälle verfälscht die realitätsgetreue Wiedergabe der ökonomischen Lage – die wirtschaftliche Lage hat sich aber nicht verändert.

4.    Notwendigkeit der Modernisierung der öffentlichen Rechnungslegung

Allgemeine Tendenzen zur Abkehr von Regelungen der kommunalen Doppik in den Bundesländern werden von der Rechnungsprüfung insgesamt kritisch betrachtet. Ein zentrales Anliegen des IDR ist die Standardisierung und Harmonisierung der öffentlichen Rechnungslegung über alle Ebenen, d.h. die kommunale, Länder- und Bundesebene, bis hin zur Rechnungslegung auf Europäischer Ebene. In einem aktuellen Positionspapier (August 2024) tritt das IDR daher für eine flächendeckende Einführung der Doppik nach bundeseinheitlichen Rechnungslegungsstandards sowie eine konsequente einheitliche Digitalisierung aller Finanzmanagement-Prozesse über alle drei Ebenen (Bund, Länder, Kommunen) ein.

Dabei sieht die öffentlich-rechtliche Rechnungsprüfung es als notwendig an, dass die Bundesländer zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bilanzierung zurückkehren und die in den letzten Jahren vorgenommenen Abweichungen vom Handelsgesetzbuch (HGB) korrigieren. Nur dies ermögliche eine Gesamtschau der Vermögenswerte und Schulden, die für eine nachhaltige und generationengerechte Finanzpolitik erforderlich ist. Das Haushaltsgrundsätzegesetz des Bundes sieht in § 49a die Einrichtung eines gemeinsamen Gremiums von Bund und Ländern zur Gewährleistung einer einheitlichen Verfahrens- und Datengrundlage jeweils für Kameralistik, Doppik und Produkthaushalte vor. Aufgabe des Gremiums ist, Standards für kamerale und doppische Haushalte sowie für Produkthaushalte zu erarbeiten.

Das IDR fordert in seinem Positionspapier die politischen Entscheidungsträger auf allen staatlichen Ebenen auf, die bestehenden Strukturen zu ändern und die erforderlichen Schritte für eine nachhaltige Transformation des öffentlichen Rechnungswesens umzusetzen. Dazu gehöre auch die Bereitstellung von Ressourcen zur Schulung der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Einsatz von digitalen Lösungen zur effizienten Umsetzung des Doppik-Systems.

Ziel sei es, eine kohärente, verständliche und vergleichbare Rechnungslegung und Finanzberichterstattung für den kompletten öffentlichen Sektor zu gewährleisten.


Beschlussvorschlag:

Der Rechnungsprüfungsausschuss nimmt den Bericht zur Kenntnis.