Anlass
Drittes NKFWG NRW vom 5. März 2024 mit Auswirkungen u.a. auf
Jahresabschluss und Rechnungsprüfung, Vorschläge zur Änderung der KomHVO NRW
und der VV Muster zur GO NRW und KomHVO NRW inkl. Anlagen (Mai 2024),
Positionspapier des Instituts der Rechnungsprüfer e.V. IDR zur Standardisierung
und Harmonierung der öffentlichen Rechnungslegung (August 2024)
Sachverhalt
1. Drittes
NKF-Weiterentwicklungsgesetz vom 5. März 2024
Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen stehen vor enormen
haushaltswirtschaftlichen Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund hat der
nordrhein-westfälische Landtag am 28. Februar 2024 mit dem dritten
NKF-Weiterentwicklungsgesetz Nordrhein-Westfalen (NKFWG NRW) umfassende
Änderungen für die Haushaltswirtschaft und kommunale Unternehmen verabschiedet,
um gemäß der Gesetzesbegründung die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen
im Land abzusichern. Mit dem Gesetzesvorhaben verfolgte die Landesregierung das
Ziel, der zunehmenden Unsicherheit in Bezug auf die steigenden Aufwendungen in
Verbindung mit rückläufigen Erträgen – auch mit Blick auf die immensen
Zukunftsaufgaben – zu begegnen. Das Gesetz sieht wesentliche Änderungen beim
Haushaltsausgleich und der Pflicht zur Erstellung von
Haushaltssicherungskonzepten vor und trat bereits zum 31.12.2023 rückwirkend in
Kraft.
Die Änderungen
beinhalten
·
neue
Ausgleichsregeln für Haushaltsplanung und Jahresabschluss (gestuftes
Ausgleichssystem),
·
die
Verlängerung des Aufstellungszeitraumes für den kommunalen Jahresabschluss,
·
Erleichterungen
bei bestimmten Anhangsangaben im Rahmen des kommunalen Jahresabschlusses und
·
bezogen
auf die Gemeindewirtschaft: Erleichterungen für die Erstellung und Prüfung von
Jahresabschlüssen bei juristischen Personen des öffentlichen und privaten
Rechts der Kommunen sowie für (rechtlich unselbständige) Eigenbetriebe nach der
Eigenbetriebsverordnung für das Land Nordrhein-Westfalen.
An der Expertenanhörung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren, die auch
auf einen politischen Antrag zur Überarbeitung der Kommunalhaushaltsverordnung
Nordrhein-Westfalen (KomHVO NRW) einschloss, hatte erstmals auch die
Rechnungsprüfung teilgenommen. Vertreten durch die Landesgruppe NRW des
Instituts der Rechnungsprüfer e.V. (IDR) hat sie den Prozess
konstruktiv-kritisch begleitet. Wesentliches
Anliegen der Rechnungsprüfung war es, auf die Risiken hinzuweisen, die mit
einer noch weitreichenderen Verzerrung der Darstellung der tatsächlichen
Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (VFE-Lage) in den NRW-Kommunen und einer
weiteren Abkehr vom NKF-Konzept verbunden wären. Aus Sicht der Rechnungsprüfung
ist nur eine auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen geeignet, den
Herausforderungen und Krisen der Gegenwart und Zukunft zu begegnen
Die kommunalen Spitzenverbände NRW fordern seit langem eine schnelle und
durchgreifende Verbesserung der finanziellen Ausstattung ihrer
Mitgliedskörperschaften angesichts der beachtlichen Finanz- und
Investitionsbedarfe.
Im Juni 2024 von der nordrhein-westfälischen Landesregierung
vorgestellte Eckpunkte für einen Abbau des Bestandes an kommunalen Liquiditätskrediten
ab dem Jahr 2025 liegen dem Bundesfinanzministerium zur weiteren Abstimmung
vor. Darin hat das Land NRW seine Bereitschaft erklärt, den Kommunen ab 2025
jährlich 250 Millionen Euro zur Tilgung der kommunalen Altschulden
bereitzustellen. Über 30 Jahre hinweg sollen somit 7,5 Milliarden Euro der rund
21 Milliarden Euro Altschulden der Kommunen getilgt werden. Vom Bund erwartet
die Landesregierung ebenfalls eine Beteiligung im Umfang von 7,5 Milliarden
Euro. Die Kommunalen Spitzenverbände Nordrhein-Westfalen haben das
vorgeschlagene Modell grundsätzlich begrüßt.
2. Die
Rechnungs- bzw. Jahresabschlussprüfung betreffenden Änderungen
Das 3. NKFWG NRW
beinhaltet Änderungen, die die Aufgaben des Rechnungsprüfungsausschusses und
des Prüfungsamtes als örtliche Rechnungsprüfung betreffen.
Verlängerung des Aufstellungszeitraumes für
den kommunalen Jahresabschluss
Bisher war der Jahresabschluss einer Kommune innerhalb eines Zeitraumes
von drei Monaten nach Schluss des Haushaltsjahres dem Rat zur Feststellung
zuleiten, d.h. spätestens bis zum 31. März. Dieser Zeitraum wurde in § 95 Abs.
5 Satz 2 GO NRW auf sechs Monate, d.h. bis zum 30. Juni, verlängert.
Aus Sicht der Rechnungsprüfung sollte es dennoch weiterhin Ziel sein,
den Jahresabschluss möglichst zeitnah aufzustellen, um entsprechend frühzeitig
auf Grundlage der Erkenntnisse der Ist-Daten im Sinne der Verwaltung und vor
allem ihrer Bürgerinnen und Bürger reagieren zu können. Belastbare
Vorjahreswerte in Form aufgestellter und geprüfter Jahresabschlüsse sind
Voraussetzungen, um valide Haushalte planen und
Haushaltskonsolidierungsprozesse gestalten zu können. Die
Finanzmanagementprozesse sollten optimiert und digitalisiert werden.
Die Frist für die Feststellung des Jahresabschlusses hat sich hingegen
nicht geändert. Dadurch verringert sich der Zeitraum für die Durchführung der
Jahresabschlussprüfung, in dem notwendige Prüfungshandlungen durchzuführen
sind, erheblich. Unter Berücksichtigung der notwendigen Beratungsläufe vor dem
Feststellungsbeschluss verbleiben für das Prüfungsamt nur noch wenige Wochen,
die zudem größtenteils in die Sommerferien fallen. Dies erschwert eine
sachgemäße Prüfung, zumal Ansprechpersonen nur eingeschränkt zur Verfügung
stehen.
Änderungen des § 95 GO NRW (Jahresabschluss)
a) Maßgeblichkeit
der im Handelsrecht geltenden Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung unter
Berücksichtigung besonderer gemeindehaushaltsrechtlicher Bestimmungen
Diese Klarstellung
in § 95 Abs. 1 GO NRW wird prüfungsseitig begrüßt.
b) Explizite
Erwähnung von Rückstellungen als Bilanzposition
Die explizite und hervorgehobene Auflistung von Rückstellungen als
Bilanzposition ist aus Sicht der Rechnungsprüfung nicht schlüssig. Diese könnte
suggerieren, dass es sich hierbei nicht um Schulden i. S. von Fremdkapital
handeln würde. Zum anderen fehlen in der Aufzählung weitere Bilanzpositionen
wie z.B. Forderungen, Sonderposten oder liquide Mittel.
c) Behandlung
eines Jahresfehlbetrages im Jahresabschluss
Die Behandlung des Jahresfehlbetrages wird in § 95 Abs. 2 GO NRW neu
geregelt. Aus der Perspektive der Rechnungsprüfung ist sehr zu begrüßen, dass
der Verlustvortrag nur optional anzuwenden ist, birgt er doch das Risiko,
notwendige Haushaltskonsolidierungen hinauszuzögern. Den Kommunen ist somit
freigestellt, auf diese Option zu verzichten und frühzeitiger in die
Haushaltssicherung zu gehen.
d) Auslegungsfragen
Aus dem Gesetzestext heraus ergeben sich Auslegungsfragen, z.B. zur
differenzierten Verbuchung und Darstellung der Verlustvorträge aus mehreren Jahren,
zum Umgang mit einem Verlustvortrag nach drei Jahren oder zur eindeutigen
Einordnung der Regelung, dass die allgemeine Rücklage nicht negativ sein darf.
Das zuständige Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und
Digitalisierung NRW hat bereits eine erste FAQ-Liste herausgegeben.
e) Weiterer
Einbezug der Teilrechnungen in den Jahresabschluss
Die Teilrechnungen stellen wichtige Grundlagen für die
Jahresabschlussprüfung und auch wichtige Informationen für die politischen
Gremien dar. Die Entscheidung des Landesgesetzgebers, sie entgegen
ursprünglicher Überlegungen nicht als Bestandteile des Jahresabschlusses
ersatzlos zu streichen, stößt daher auf die Zustimmung der Rechnungsprüfung.
f) Erleichterungen
bei bestimmten Anhangsangaben im Rahmen des kommunalen Jahresabschlusses
Angesichts der öffentlichen Diskussion der vergangenen Jahre zu
Compliance und Korruptionsprävention wird der mit bürokratischer Entlastung
begründete Verzicht auf die weiteren Angaben der Ratsmitglieder nach § 95 Abs.
3 Ziffer 2 bis 5 GO NRW (Mitgliedschaft in Organen privatrechtlicher
Unternehmen u.a.) prüfungsseitig als ein falsches Signal betrachtet. Der
tatsächliche Entlastungseffekt ist zudem marginal, da diese - vergleichsweise
statischen - Informationen ohnehin vorliegen.
3. Vorschläge
zur Überarbeitung der KomHVO NRW sowie der VV Muster zur GO NRW und KomHVO NRW
Ende Mai 2024 hat das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und
Digitalisierung des Landes NRW auf der Grundlage des Dritten NKFWG NRW den
kommunalen Spitzenverbänden einen Entwurf zur Änderung der KomHVO NRW sowie
einen Entwurf eines Runderlasses zur Änderung der VV Muster zur GO NRW und
KomHVO NRW inklusive Anlagen zwecks Stellungnahme zugeleitet. Diese Entwürfe
befanden sich zum Zeitpunkt der Vorlagenerstellung noch im
Verordnungsgebungsverfahren.
Die Vorschläge werden aus Sicht der Rechnungsprüfung als insgesamt
unausgereift und hinsichtlich des Zwecks des NKF insgesamt kritisch zu
beurteilen. Ein Ziel des NKF war es, durch eine realistische, objektive und
transparente Darstellung der wirtschaftlichen Lage der Kommune, eine
nachhaltige Haushaltswirtschaft auch unter dem Gesichtspunkt der
intergenerativen Gerechtigkeit zu forcieren. Ein Hauptkritikpunkt des IDR ist,
dass dies mit den geplanten Anpassungen der KomHVO NRW und den vorherigen
Änderungen der GO NRW ins Gegenteil verkehrt wird. Zugunsten einer
vermeintlichen „Verschnaufpause“ durch kurzfristige Einmaleffekte werden
richtige und wichtige Grundprinzipien des NKF dauerhaft aufgeweicht.
Änderungen an der NKF-Systematik sollten aus der Perspektive der
Rechnungsprüfung dem Ziel dienen, die finanzwirtschaftlichen Vorfälle
realistisch wiederzugeben, auch im Sinne der intergenerativen Gerechtigkeit.
Ein in der Rechnungslegung „angepasster“ Ausweis der Geschäftsvorfälle
verfälscht die realitätsgetreue Wiedergabe der ökonomischen Lage – die
wirtschaftliche Lage hat sich aber nicht verändert.
4. Notwendigkeit
der Modernisierung der öffentlichen Rechnungslegung
Allgemeine Tendenzen zur Abkehr von Regelungen der kommunalen Doppik in
den Bundesländern werden von der Rechnungsprüfung insgesamt kritisch
betrachtet. Ein zentrales Anliegen des IDR ist die Standardisierung und
Harmonisierung der öffentlichen Rechnungslegung über alle Ebenen, d.h. die
kommunale, Länder- und Bundesebene, bis hin zur Rechnungslegung auf
Europäischer Ebene. In einem aktuellen Positionspapier (August 2024) tritt das
IDR daher für eine flächendeckende
Einführung der Doppik nach bundeseinheitlichen Rechnungslegungsstandards
sowie eine konsequente einheitliche Digitalisierung aller
Finanzmanagement-Prozesse über alle drei Ebenen (Bund, Länder, Kommunen) ein.
Dabei sieht die öffentlich-rechtliche Rechnungsprüfung es als notwendig
an, dass die Bundesländer zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bilanzierung
zurückkehren und die in den letzten Jahren vorgenommenen Abweichungen vom
Handelsgesetzbuch (HGB) korrigieren. Nur dies ermögliche eine Gesamtschau der
Vermögenswerte und Schulden, die für eine nachhaltige und generationengerechte
Finanzpolitik erforderlich ist. Das
Haushaltsgrundsätzegesetz des Bundes sieht in § 49a die Einrichtung eines
gemeinsamen Gremiums von Bund und Ländern zur Gewährleistung einer
einheitlichen Verfahrens- und Datengrundlage jeweils für Kameralistik, Doppik
und Produkthaushalte vor. Aufgabe des Gremiums ist, Standards für kamerale und
doppische Haushalte sowie für Produkthaushalte zu erarbeiten.
Das IDR fordert in seinem Positionspapier die politischen
Entscheidungsträger auf allen staatlichen Ebenen auf, die bestehenden Strukturen
zu ändern und die erforderlichen Schritte für eine nachhaltige Transformation
des öffentlichen Rechnungswesens umzusetzen. Dazu gehöre auch die
Bereitstellung von Ressourcen zur Schulung der betroffenen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter sowie der Einsatz von digitalen Lösungen zur effizienten Umsetzung
des Doppik-Systems.
Ziel sei es, eine kohärente, verständliche und vergleichbare
Rechnungslegung und Finanzberichterstattung für den kompletten öffentlichen
Sektor zu gewährleisten.
Beschlussvorschlag:
Der Rechnungsprüfungsausschuss
nimmt den Bericht zur Kenntnis.