Betreff
Bebauungsplan Nr. 170 "Bruchermühle"
hier: - Aufstellungsbeschluss, § 2 (1) BauGB,
- Beschluss der Planungsziele
Vorlage
61/034/2010
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

Planungsrechtliche Ausgangssituation

Das Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 170 "Bruchermühle" liegt im Geltungsbereich des Landschaftsplans des Kreises Mettmann, welcher für nahezu den gesamten Talabschnitt der Itter zwischen dem Eisenbahndamm und der Ittertalstraße ein Naturschutzgebiet festsetzt.

 

Der Flächennutzungsplan stellt den nördlichen Bereich (Talhang) als Wald, den südlichen Teil (Talaue) als Grünfläche dar (Anlage 2). Mit der Darstellung als Grünfläche wird die Bedeutung des Gebiets für die stadtnahe Erholung unterstrichen.

 

Bauplanungsrechtlich sind die Flächen dem Außenbereich nach § 35 BauGB zuzuordnen.

 

 

Landschaftsraum und historische Entwicklung

Das Plangebiet liegt innerhalb des Naturraums Ittertal, welcher von vitalen, naturnahen Buchenhochwäldern mit ausgeprägter Strauchschicht sowie der struktur- und artenreichen Talauenlandschaft charakterisiert ist.

 

Prägende Bestandteile des Talraums sind die entlang der Itter angesiedelten historischen Mühlengebäude und Schleifkotten. Im Haaner Talabschnitt östlich der Bahnlinie sind dies die Bruchermühle, der Schaafenkotten, die Breidenmühle, die Heidberger Mühle, der Ernenkotten und der Bastianskotten. Die aneinander gereihten Baudenkmäler begründen zusammen mit der naturnahen und abwechslungsreichen Ausprägung des Talraums für die angrenzenden Siedlungsbereiche Haans und Solingens eine besondere Funktion für die stille Naherholung.

 

Die Existenz der Bruchermühle ist seit den Anfängen des 15. Jahrhunderts, die des Schaafenkotten seit dem frühen 18. Jahrhundert historisch belegt.

 

Das historisch gewachsene Wegenetz nutzte zur Querung der lange Zeit unzugänglichen, steil eingeschnittenen Bachtäler besondere, meist topografisch begünstigte Stellen, z. B. einmündende Seitentäler.  Diese Querungen waren gleichzeitig eine wesentliche Voraussetzung zur Gründung von Mühlenstandorten. Eine solche Talquerung ist die Verbindung Caspersbroicher Weg - Müllersberg.

 

Der sumpfige und oftmals überschwemmte Talgrund der bergischen Bachtäler hingegen war in historischen Zeiten kaum erschlossen. Entsprechend selten sind historisch überlieferte Wege. So ist ein durchgängiger, parallel zur Itter verlaufender Talweg erst mit der sogenannten preussischen Neuaufnahme der Landesvermessung 1893 erstmalig kartografisch eindeutig belegt.

 

Dennoch spricht die geringe räumliche Distanz zwischen dem Schaafenkotten und der Brucher Mühle und damit die Möglichkeit, Anschluss an das damalige, überörtliche Wegenetz zu finden, für eine mit der Errichtung des Schaafenkottens erfolgte Wegeanlage. Der Verlauf des Weges orientiert sich im betreffenden Abschnitt eng an den Hangfuß und nutzt so den Vorteil eines weitgehend ebenen und überschwemmungsfreien Verlaufs bei gleichzeitiger Festigkeit des Untergrundes.

 

Wie in damaliger Zeit üblich, waren die Wege entweder Flächen ohne Eigentümer oder Bestandteil der jeweiligen privaten Besitzungen.

 

 

Anlass der Planung

Mit Beschluss vom 01.12.2009 hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf einer Feststellungsklage des Eigentümers der Bruchermühle stattgegeben. Das Gericht bestätigt hierin, dass der Verbindungsweg Schaafenkotten – Bruchermühle im Bereich des Mühlenumfelds Privatbesitz des Eigentümers ist. Darauf hin hat der Eigentümer den Weg für die Öffentlichkeit gesperrt.

 

Als Gründe für die Sperrung führt der Eigentümer vor allem das mit der allgemeinen Zunahme der Freizeitaktivitäten verbundene Gefahrenpotential für seine Familie an (Reitweg, frei laufende Hunde, rücksichtslose Radfahrer). Des weiteren werden Beeinträchtigungen durch Tierkot und eine Einschränkung der Privatsphäre angeführt.

 

Die Stadt hat sich seit Jahren vielfältig um eine Lösung des Wegeproblems unter  Einbeziehung der privaten Anliegerinteressen bemüht, u. a. wurde ein Mediationsverfahren zur einvernehmlichen Regelung durchgeführt. Eine abschließende Einigung zwischen der Stadt und dem Eigentümer konnte jedoch nicht herbeigeführt werden.

 

Aus städtebaulicher Sicht erfordert das Wohl der Allgemeinheit die weitere Öffnung des wichtigen Wegeabschnitts:

 

·      Der Weg ist seit mindestens 117 Jahren Teil eines zusammenhängenden Straßen- und Wegenetzes und wird seit diesem Zeitpunkt in den amtlichen Kartenwerken entsprechend dargestellt. Vieles spricht für eine Existenz seit dem frühen 18. Jahrhundert wie oben beschrieben. Allerdings kann der Nachweis einer Widmung als öffentlicher Weg kraft unvordenklicher Verjährung mangels eindeutiger Darstellung in den älteren Kartenwerken vor der preussischen Neuaufnahme nicht erbracht werden.

 

·      Der Weg ist für die siedlungsnahe, stille Erholung von herausragender Bedeutung, was allein schon die vielen fußläufigen Zuwegungen aus den benachbarten Wohngebieten zeigen. Er ist insbesondere Teil eines weitläufigen Wegenetzes, welches die kultur- und siedlungsgeschichtlich bedeutsamen Mühlenstandorte des Ittertals u. a. über das Horster- und das Haaner Bachtal mit dem Stadtzentrum und seinen Baudenkmälern verbindet. Südlich findet der Weg Anschluss an das Schloss Caspersbroich und den Solinger Klingenpfad.

 

·      Darüber hinaus ist der Weg aber auch notwendige Erschließungsanlage für die Bewirtschaftung des Talauenbereichs (Wiesen- und Weidewirtschaft), für Maßnahmen der Gewässerunterhaltung und der Landschaftspflege sowie für weitere Anlieger im Talraum. Laut Mitteilung des Landesbetriebs Wald und Holz NRW unterliegt der  Weg dem Forstrecht, da er innerhalb des Waldes verläuft.

 

Zwar existiert auf Solinger Stadtgebiet im Verlauf des "Klingenpfades" ein parallel verlaufender Wanderweg. Mit seinen Steigungen, Gegengefällen und abschnittsweise eingebauten Trittstufen ist er jedoch für mobilitätseingeschränkte Erholungssuchende sowie für viele Radfahrer nur bedingt benutzbar; er scheidet somit als Alternative aus.

 

Die Stadt Solingen teilt in einem Schreiben an die Stadt Haan vom 09.07.2009 mit, dass ein entsprechender Ausbau des Weges auf Grund des fehlenden Eigentums und der Lage innerhalb eines Naturschutzgebietes nicht möglich und auch nicht gewollt ist.

 

Objektiv kann das Interesse der Stadt an einer öffentlichen Erschließungsfunktion des Weges mit einer zumutbar geringen Beeinträchtigung der Grundflächen des Eigentümers in Übereinstimmung gebracht werden.

 

Die Verwaltung empfiehlt daher die Aufstellung eines einfachen Bebauungsplanes nach § 30 (3) BauGB, in dem lediglich die Verkehrsflächen bzw. Verkehrsflächen mit besonderer Zweckbestimmung festgesetzt werden. Hierdurch wird die zur Sicherung der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung erforderliche Lösung, die allen Interessen gerecht wird, planerisch fixiert. Der Bebauungsplan ist Grundlage, um die städtebaulichen Ziele zu definieren und dann mit den zur Verfügung stehenden bodenordnerischen Instrumenten umzusetzen (freihändiger Erwerb durch Vertrags- und Kaufverhandlungen, Ausübung des Vorkaufsrechts im Veräußerungsfall nach §§ 24 ff. BauGB, Enteignung nach §§ 85 ff. BauGB, eventuell auch Umlegungsverfahren, sofern die jeweiligen rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind).

 

Zur Sicherung der Bauleitplanung steht der Stadt ein Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, soweit es sich um Flächen handelt, für die nach dem Bebauungsplan eine Nutzung für öffentliche Zwecke festgesetzt ist, zu. (§ 24 BauGB).

 

Zur Erschließung oder Neugestaltung von Gebieten können bebaute und unbebaute Grundstücke durch Umlegung in einer Weise neu geordnet werden, dass nach Lage und Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen. Die Umlegung kann im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes im Sinne des § 30 BauGB durchgeführt werden. (§ 45 BauGB)

 

Die Enteignung ist im einzelnen Fall nur dann zulässig, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann. (§ 87 BauGB)

 

 

Zwecke und Ziele der Planung

Mit der Planung wird bezweckt, eine zusammenhängende, für Erholungssuchende als Wanderer, Radfahrer oder Reiter benutzbare Grünverbindung im Ittertal auf Haaner Stadtgebiet zu schaffen. Der - zur Zeit gesperrte - Weg an der Brucher Mühle ist Bestandteil des Hauptwanderweges X7, des überörtlichen Wanderweges N, des Wanderweges „Rund um Haan“ und wird in der amtlichen Freizeitkarte als Radweg empfohlen. Der Weg führt die Erholungssuchenden entlang der bedeutenden Denkmäler Brucher Mühle und Schaafenkotten.

 

Mit der örtlichen Ausschilderung des bestehenden Naturschutzgebietes und den bisher zugänglichen Wegen in dem Bereich werden umweltpädagogische Zwecke verfolgt. Den Bewohnern der benachbarten Städte wird die okölogische Bedeutung des Naturschutzgebietes Ittertal nahe gebracht. Es entsteht ein Bewußtsein für die Schönheit und Bedeutung des ungestörten Natur- und Kulturraumes. Das - jetzt gestörte - Wegesystem steuert die Zugänglichkeit ohne nachhaltige Beeinträchtigungen für Flora und Fauna. Die heute gesperrte Wegeverbindung an der Brucher Mühle ist auch deshalb wieder zu öffnen, um Erholungssuchende umweltverträglich zu leiten und von sensiblen Bereichen fernzuhalten.

 

Über den Weg werden das bedeutsame Freizeitzentrum Ittertal in Solingen mit dem großen Erholungsgebiet des Hildener Stadtwaldes verbunden. Die Wegeverbindung ist damit von regionalem Gewicht. Mit ihr werden die ortsnahe Erholung und ansässige Erholungseinrichtungen gefördert. Verliert das Ittertal als Erholungsraum an Attraktivität, weichen Erholungssuchende auf weiter entfernte Gebiete aus, was mehr Verkehr verursacht, aber auch vorhandene kommunale Investitionen in den Erholungsraum entwertet.

 

Weiterhin wird mit dem Bebauungsplan bezweckt, für den Schaafenkotten die öffentliche Erschließung mit Kraftfahrzeugen über den von der Stadt Haan den Anforderungen entsprechend ausgebauten und bestehenden Weg fest- und mit den vorhandenen bodenordnerischen Instrumenten nachfolgend auch umzusetzen.

 

Ziel des Bebauungsplanes ist daher die Festsetzung einer bis zu 4,00 m breiten Wegeverbindung als öffentliche Verkehrsfläche bzw. als Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung auf Haaner Stadtgebiet. Die besondere Zweckbestimmung ist die Ausweisung als „Öffentlicher Fuß-, Reit- und Radweg, Anliegerweg“ definiert. Die Verkehrsfläche wird auf der bestehenden Wegetrasse festgesetzt und quert dabei den Hofraum der Bruchermühle.

 

Eine Breite von 4,00 m ermöglicht den Begegnungsverkehr zwischen PKW und Radfahrer. Es wird davon ausgegangen, dass diese Breite nur an wenigen Ausweichstellen benötigt wird. Die genaue Ausgestaltung der Wegeflächen ist der Ausführungsplanung zu überlassen. Erschließungsanlagen können im übrigen hinter den Festsetzungen des Bebauungsplanes zurück bleiben.

 

Keine Alternative ist der Weg entlang der Itter auf Solinger Seite, da er für Mobilitätsbehinderte nicht entsprechend ausgebaut und ein Ausbau auch ausgeschlossen ist. Aber gerade älteren Menschen, Personen mit Kinderwagen soll der Naherholungsraum zugänglich gemacht werden.

 

Für die Querung der Hoffläche an der Bruchermühle steht ausreichend Raum zur Verfügung, um eine "Pufferzone" zwischen dem Weg und der Hauptgebäude/Hauseingang vorzusehen und verkehrssicher zu gestalten. Ebenfalls abgrenzbar sind der östliche Gartenbereich und die westliche Hoffläche. Dies kann z.B. mittels einer denkmalgerechten Zaunanlage erfolgen.

 

Mit der Aufteilung der Hoffläche in einen privaten und einen öffentlich nutzbaren Anteil wird die Privatsphäre des Eigentümers ausreichend geschützt. Weitergehende Maßnahmen, wie eine Schrankenanlage mit Durchgang sind denkbar. Solche Maßnahmen können aber nicht über die Bauleitplanung geregelt werden, sondern liegen im Ermessen der Stadt Haan als Straßenverkehrsbehörde.

 

Des weiteren wird mit dem Bebauungsplan das Ziel verfolgt, eine ausreichend große Wendefläche für Ver- und Entsorgungsfahrzeuge westlich Hofbereich „Brucher Mühle“ festzusetzen. Nach der gegenwärtigen Sperrung des Weges ist die Anfahrt für Müllfahrzeuge und dem Winterdienst am Müllersberg gefährdet. Mit der Festsetzung der Wendefläche wird bezweckt, dass ein sicheres Wenden der Fahrzeuge wieder ermöglicht wird, um die notwendigen Dienstleistungen zur Daseinsvorsorge in dem Gebiet sicherzustellen.

 

Der Bebauungsplan setzt als „einfacher Bebauungsplan“ nach § 30 (3) BauGB lediglich die benötigte Verkehrsfläche fest. Der Plangeltungsbereich ist auf die von der erforderlichen Grundstücksregelung betroffenen Parzellen beschränkt. Baugebiete und Bauflächen werden nicht festgesetzt, so dass die planungsrechtliche Beurteilung von Vorhaben außerhalb des Plangebietes weiterhin nach § 35 BauGB erfolgt.

 

 

Weiteres Vorgehen

Die Verwaltung empfiehlt, auf der Basis der in dieser Sitzungsvorlage formulierten städtebaulichen Ziele, den Aufstellungsbeschluss zu fassen. Auf der Grundlage des Aufstellungsbeschlusses ist die frühzeitige Beteiligung gemäß § 3 (1) und 4 (1) BauGB durchzuführen.

 

 

 

Anlagen:

 

1./              Planzeichnung zum Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 170 „Brucher Mühle“

2./      Auszug aus dem Flächennutzungsplan

 

Beschlussvorschlag:

 

1.    Der Bebauungsplan Nr. 170 „Bruchermühle“ ist gemäß § 2 (1) BauGB aufzustellen.

       Das Plangebiet befindet sich östlich des Eisenbahndamms der Strecke Solingen-Haan im Bachauenbereich des Ittertals. Der beabsichtigte räumliche Geltungsbereich des Bebauungsplanes umfasst ganz oder teilweise die Flurstücke Gemarkung Haan,

       Flur 24, Nrn. 76, 79, 82, 1961, 1962 sowie

       Flur 35, Nrn. 49, 55, 223, 234, 753 und 754.

       Die genaue Abgrenzung des Plangebiets erfolgt durch die Planzeichnung.

 

2.    Den Planungszielen entsprechend dieser Sitzungsvorlage wird zugestimmt.

       Sie sind dem weiteren Verfahren zur Aufstellung der Bauleitplanung zugrunde zu legen.

 

3.    Zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 (1) BauGB ist auf der Grundlage der Planungsziele eine Diskussionsveranstaltung durchzuführen, wobei über die Planung unterrichtet sowie Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung gegeben wird. Die Planunterlagen werden für 2 Wochen öffentlich ausgelegt.