Betreff
Bericht über Finanzierungsmöglichkeiten der Straßenreinigung über Grundsteuer sowie deren Vor- und Nachteile
Vorlage
60/012/2010
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

Anlass:

Der HFA hat in seiner Sitzung vom 14.09.2010, basierend auf Vorlage 10/062/2010, die Verwaltung beauftragt, die Abschaffung der Straßenreinigungs- und Winterdienstgebühren und die Finanzierung dieser Dienstleistungen durch einen Aufschlag auf die Grundsteuer B zu prüfen und hierüber zu berichten.

 

Bericht:

Zunächst zu den rechtlichen Grundlagen:

Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenreinigungsgesetz alter Fassung waren die Gemeinden verpflichtet, von den Eigentümern der durch die Straße erschlossenen Grundstücke als Gegenleistung für die Kosten der Straßenreinigung eine Benutzungsgebühr zu erheben. Zum 01.01.1998 wurde die Vorschrift dahingehend geändert, dass die Gemeinden keine Gebühren mehr erheben müssen, dies aber weiterhin können.

Dem steht § 77 Abs. 2 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen gegenüber. Hiernach hat die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel soweit vertretbar und geboten aus speziellen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen, im übrigen aus Steuern zu beschaffen.

 

Hierzu hat das OVG Münster am 26.11.2009 wie folgt geurteilt:

"Die Gemeinden sind berechtigt, die Kosten für die Straßenreinigung bei der Grundsteuer zu berücksichtigen und eine Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes mit dem Wegfall einer Straßenreinigungsgebühr zu verknüpfen".

 

Dies beinhaltet keinen Verstoß gegen die Einnahmebeschaffungsgrundsätze des § 77 Abs. 2 GO NRW.

"§ 77 Abs. 2 GO NRW kann nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass eine satzungsrechtliche Hebesatzfestsetzung, die gegen das in dieser Vorschrift geregelte haushaltsrechtliche Subsidiaritätsgebot verstößt, nichtig ist. Eine derartige Auslegung verletzt die Kompetenzordnung des Grundgesetztes. Das bundesrechtliche Hebesatzrecht der Gemeinden für die Grundsteuer aus Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG i. V. m. § 25 Abs. 1, 26 GrStG gewährt dem Landesgesetzgeber keine Kompetenz, die Bemessung der Hebesätze an die Ausschöpfung des Gebührenrahmens für besondere Leistungen der Gemeinde zu binden".

 

Die haushaltsrechtliche Wirksamkeit des § 77 Abs. 2 GO NRW ist jedoch geblieben.

 

 

Vor- und Nachteile einer Finanzierung von Straßenreinigung/Winterdienst aus Gebühren:

 

Vorteile:

·        weitgehende Entkopplung vom städtischen Haushalt in Zeiten zunehmend knapper Kassen ("eigener Gebührenhaushalt" zur Deckung der notwendigen Kosten).

·        Der konkreten Leistungserbringung wird unmittelbar eine Gebühr zugeordnet, dies suggeriert zumindest "Verursachergerechtigkeit". Allerdings ergeben sich auch viele Konstellationen, die von den Bürgern als ungerecht empfunden werden, vgl. Punkt 2 Nachteile.

·        keine Kosten für Grundstückseigentümer bei Anliegerreinigung.

·        rechtlich grundsätzlich unbedenklich (etabliert).

 

Nachteile:

·        Eine bedarfsorientierte Reinigung ist schwierig umsetzbar. Die gebührenzahlenden Bürger erwarten, dass die Kehrmaschine als Gegenleistung für die Gebühr alle 14 Tage vor ihrem Grundstück reinigt. Dadurch werden die Kapazitäten gebunden. Bei einer bedarfsorientierten Reinigung bestände die Möglichkeit, bei dringendem gründlichem Reinigungsbedarf in einer bestimmten Straße andere Straßen, die kaum ver­schmutzt sind, auszulassen.

·        "Gerechtigkeitsdiskussionen" zu Maßstäben, Veranlagungsformen (Hinterlieger, Eckgrundstücke etc.), Übertragungsregelungen usw. Z. B. wird oft als ungerecht empfunden, dass Hinterlieger das gleiche zahlen wie die Direktanlieger und zwar mit der gesamten der Straße zugewandten Grundstücksseite. Meist wird der Verdacht geäußert, man kassiere doppelt und dreifach. Z. B. werden mit ihrer schmalen Seite zur Straße liegende Grundstücke geringer belastet, als Grundstücke, die mit ihrer breiten Seite zur Straße liegen, obwohl die Gebühr nicht für die Reinigung vor dem Grundstück, sondern als Anteil für die Reinigung der gesamten Straße erhoben wird.

·        Wenig Berücksichtigung des Solidaritätsprinzips: Bei Übertragung der Straßenreinigung auf die Bürger (in Anliegerstraßen) werden diese nicht an den Kosten der Straßenreinigung beteiligt. Sie profitieren jedoch auch von der städtischen Straßenreinigung, da sie sich ebenfalls auf den Hauptverkehrs- und Haupterschließungsstraßen bewegen. Gerade bezüglich des Winterdienstes sind sie auf die städtische Leistung dringend angewiesen. Noch bevorzugter sind Hinterlieger, die in Straßen wohnen, die auf die Anlieger übertragen sind. Diese zahlen weder Straßenreinigungsgebühren, noch sind sie zur Straßenreinigung verpflichtet, dies sind nur die Direktanlieger.

·        Verwaltungsaufwand (Veranlagung, Gebührenbedarfsberechnung)

 

 

Finanzierung aus Steuern:

Vorteile:

·        größere Spielräume hinsichtlich der Bedarfsorientierung

·        Solidaritätsprinzip ("jeder hat Interesse an einer sauberen Stadt") weniger Verwaltungsaufwand

·        Entfall der Diskussion zu Maßstäben, Hinterliegerproblematik, Eckgrundstück etc.

 

Nachteile:

·        keine unmittelbare Refinanzierung der Kosten 1:1. Bei Einführung der Steuerfinanzierung kann auf Durchschnittswerte zurückgegriffen werden. Im Laufe der Zeit kann es jedoch zu Abweichungen kommen. Neben der allgemeinen Preisentwicklung ist besonders die Kostenentwicklung im Winterdienstbereich nicht absehbar. Einerseits könnten hier die Kosten auf Dauer wegen der Erderwärmung sinken. Andererseits sind die Umwelteinflüsse auf das Wetter sehr komplex, so dass auch eine gegenläufige Entwicklung nicht auszuschließen ist.

·        neue Gerechtigkeitsdiskussion zum Gleichheitsgrundsatz (alle Anlieger zahlen, ob­wohl viele bei Übertragungen auch selbst reinigen müssen).

·        höhere Ansprüche der Öffentlichkeit an den Umfang und die Qualität der Straßenreinigung und des Winterdienstes (Unterstellung von Leistungsminderungen).

·        Da die Grundsteuer nicht zweckgebunden und die Mittel generell knapp sind, könnte es unter diesem Druck zu dem Wunsch nach mehr Übertragung von Leistungen auf den Bürger kommen. Dem steht aber gegenüber, dass aufgrund der immer älter werdenden Gesellschaft der Bedarf nach Wahrnehmung der Leistung durch die Kommune eher steigen wird (kommunale Daseinsvorsorge) und die Gerichte bei der Frage, welche Leistungen dem Bürger noch zumutbar sind, immer mehr zugunsten der Bürger entscheiden.

 

Finanzielle Auswirkungen:

Die Personalkosten ließen sich auf lange Sicht um ca. 11.500 € reduzieren. Bei diesem Wert wurde nicht nur die nicht mehr erforderliche Gebührenbedarfsberechnung und die nicht mehr erforderliche separate Veranlagung durch das Steueramt berücksichtigt, sondern vor allem auch ein geringerer Personalbedarf aufgrund der o. a. Gerechtigkeitsdiskussionen. Die Gerechtig­keitsdiskussion wird oft durch die Ausweisung der Straßenreinigungsgebühr auf dem Heranziehungsbescheid ausgelöst, Fragen nach der Hinterliegerproblematik usw. kommen hoch. Auch sind Beschwerden, dass die Straße gerade vor dem eigenen Haus nicht optimal gereinigt wurde (Problematik parkende Autos) darauf zurückzuführen, dass dem Bürger durch die Ausweisung von Frontmetern im Bescheid suggeriert wird, dass er hierfür bezahle und nicht anteilmäßig für die Reinigung der gesamten Straße.

Es kommt zwar, wie oben angeführt, zu einer anderen Gerechtigkeitsdiskussion, da auch Bürger, die selbst reinigen, dennoch über die Grundsteuer an den Kosten der Straßenreinigung beteiligt werden. Durch den fehlenden Gebührenbescheid werden sie jedoch nicht mehr an diesen Sachverhalt erinnert, so dass zu erwarten ist, dass der Diskussionsbedarf langfristig sinkt.

Für ein, zwei Jahre ist jedoch damit zu rechnen, dass die neue Gerechtigkeitsdiskussion mehr Personalkapazität bindet als das Verhaften an dem alten System, da dieses schon seit Jahren den Bürgern kontinuierlich kommuniziert wird, während sich bei einer Umstellung eine große Anzahl von Selbstreinigern schlagartig ungerecht behandelt fühlen wird. Dieser erhöhte Diskussionsbedarf wird den Vorteil der nicht mehr notwendigen Gebührenberechnung und Veranlagung zunächst eliminieren.

Es wurde ein bisheriger durchschnittlicher Finanzbedarf für von rd. 360.000 € für die Straßenreinigung inklusive Winterdienst (hierin ist der städtische Kostenanteil von 10% nicht enthalten, der auch bisher schon aus allgemeinen Finanzmitteln finanziert wurde) ermittelt, reduziert man diesen Betrag um die langfristig zu erwartende Personalkosteneinsparung, verbleiben rd. 349.000 €.

Um diese über die Grundsteuer B einzunehmen, müsste der Hebesatz von 380% auf 406% erhöht werden. Dies entspräche wiederum einer Erhöhung von 6,8%.

 

 

Fazit:

Mögliche Einsparungen (Personalkosten) sind vergleichsweise gering, treten zudem nicht sofort, sondern bestenfalls in einigen Jahren auf.

 

Beschlussvorschlag:

 

Beschluss nach Beratung

 

Finanz. Auswirkung:

 

siehe Vorlage