Sachverhalt:

 

1.    Anlass

Die Gebäude Dieker Straße 49 beherbergten bis 1978 die „Schule zum Diek“. Heute beschränkt sich ihre Nutzung auf die Unterbringung der Musikschule und der Volkshochschule Hilden-Haan. 2011 wird die Musikschule in den Neubau für die Grundschule Mittelhaan ziehen. Die Volkshochschule wird ebenfalls ihre Gebäude verlassen. Auch für die aktuelle Zwischennutzung des Gebäudes Feldstraße 23 durch die Haaner Feuerwehr wird es mit der Ertüchtigung der Feuer- und Rettungswache keinen Bedarf mehr geben. Die städtischen Flurstücke 83 und 684, Flur 28, Gemarkung Haan können nach dem Freizug verkauft und einer neuen Nutzung zugeführt werden.

 

Mit Schreiben vom 27.10.2010 bat die GAL-Fraktion um Aufnahme des Tagesordnungspunkts "Klimaschutzsiedlung Dieker Straße" in der Ratssitzung am 14.12.2010.

 

Sie empfahl folgende grundlegende Beschlüsse zu fassen:

 

  1. „Das frei werdende Grundstück Dieker Straße / Feldstraße (Musikschule / VHS) wird ausschließlich für Geschosswohnungsbau vermarktet, der die Anforderungen des Projekts „100 Klimaschutzsiedlungen in Nordrhein-Westfalen“ erfüllt. Eine Anerkennung und Teilnahme am Projekt ist umzusetzen. Hierzu stellt die Verwaltung Möglichkeiten der baurechtlichen und vertraglichen Steuerung dar.“
  2. „Ausgleichsmaßnahmen sind ausschließlich auf dem Grundstück vorzunehmen. Die das Stadtbild prägenden Kastanien an der Dieker Straße sind zu erhalten. Gebäude halten einen Mindestabstand von 15 m zu den Kastanien ein.“
  3. „Es ist anzustreben, dass das alte Schulgebäude erhalten bleibt und im Rahmen eines ganzheitlichen Konzepts durch den Investor einer dauerhaften Nutzung zugeführt wird.“

 

Der Antrag der GAL und ihre Begründung wurden der Sitzungsvorlage beigefügt (Anlage 1).

Die Beratung wurde vom Rat auf den Planungs- und Umweltausschuss delegiert.

 

 

2.    Das Projekt "100 Klimaschutzsiedlungen in Nordrhein-Westfalen"

Das Projekt "100 Klimaschutzsiedlungen in Nordrhein-Westfalen", auf das sich der GAL-Antrag bezieht, startete 2009 als Bestandteil der nordrhein-westfälischen Energie- und Klimaschutzstrategie. Mit dem Projekt sollen die wärmebedingten CO2-Emmissionen in Wohnsiedlungen in der „EnergieRegion.NRW“ konsequent reduziert werden. Hierfür können alle Technologien, die zur CO2-Einsparung geeignet sind, eingesetzt werden. Die zulässigen CO2-Emissionen liegen beim Neubau in Abhängigkeit vom Gebäudetyp etwa 50 - 60 % unter den Werten, die sich für Referenzgebäude entsprechend der geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) ergeben. Auch wenn es bei den Klimaschutzsiedlungen schwerpunktmäßig um die Vermeidung von CO2-Emissionen geht, sollen sich diese über das innovative Energiekonzept hinaus durch besondere städtebauliche und soziale Qualitäten auszeichnen. Die Landesregierung fordert u. a. Kommunen und Investoren auf, sich mit Bauvorhaben am Projekt zu beteiligen. Die „EnergieAgentur.NRW“ koordiniert und begleitet das Projekt im Auftrag der Landesregierung.

 

In einem von der „EnergieRegion.NRW“ herausgegebenen Planungsleitfaden werden Anforderungen und Empfehlungen für die Klimaschutzsiedlungen dargestellt. Der Planungsleitfaden steht im Internet unter „www.100-klimaschutzsiedlungen.de“ zum Download zur Verfügung. Es sind energetische, gestalterische, städtebauliche, soziale und ökologische Anforderungen zu erfüllen. Die "Checkliste der Anforderungen und Empfehlungen an eine Klimaschutzsiedlung" ist der Sitzungsvorlage beigefügt (Anlage 2). Die generell zu erfüllenden Anforderungen sind orange unterlegt. Sollte die Einhaltung von Anforderungen im Einzelfall nicht möglich sein, so ist dies plausibel zu begründen. Zusätzlich werden Empfehlungen gegeben, die die gewünschten Qualitäten der Siedlung beschreiben, aber nicht umgesetzt werden müssen. Diese sind hellgelb unterlegt. Über die Vergabe des Status Klimaschutzsiedlung entscheidet die Auswahlkommission für das Projekt "100 Klimaschutzsiedlungen in Nordrhein-Westfalen".

 

 

3.                 Argumente für eine Klimaschutzsiedlung „Dieker Straße / Feldstraße“ und die Projektteilnahme

Klimaschutz in Haan ist nicht nur im städtischen „10-Punkte Klimaschutzprogramm“ manifestiert, das am 20.06.2007 einstimmig vom Rat verabschiedet wurde[1]. Klimaschutzmaßnahmen sind auch in das Handlungsprogramm zum nachhaltigen Flächenmanagement eingegangen, das am 23.02.2010 vom Rat der Stadt Haan beschlossen wurde[2].

 

Die Grundstücke Dieker Straße / Feldstraße eignen sich für eine Projektteilnahme, da die standortbezogenen Anforderungen und Empfehlungen erfüllt werden:

-          Das Areal lässt die Umsetzung der Mindestgröße für Klimaschutzsiedlungen zu.

-          Es gibt eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr und an Infrastruktureinrichtungen.

-          Die Lage ist nicht wind- und bioklimatisch ungünstig (keine Kuppenlage, Muldenlage, Nordhanglage).

-          Es handelt sich um eine bereits baulich genutzte Fläche.

 

Vor dem Hintergrund, dass etwa ein Drittel des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland für die Raumwärme und Warmwassererzeugung in Gebäuden benötigt wird, kann mit dem Bau und einer kompletten Klimaschutzsiedlung ein wirksamer Beitrag zur CO2-Reduzierung geleistet werden.

 

Durch die Teilnahme am Projekt und die Anerkennung als Klimaschutzsiedlung ist eine positive Außenwirkung der Stadt Haan zu erwarten.

 

 

4.       Restriktionen

Die Auflagen für Investoren könnten eine Reduzierung des von der Stadt Haan zu erzielenden Grundstücksverkaufserlöses bewirken. Vor diesem Hintergrund bat die Stadt Haan um eine Stellungnahme des Kreises Mettmann zur Umsetzung einer Klimaschutzsiedlung im Kontext des Nothaushaltes. Mit Schreiben vom 09.12.2010 teilte der Landrat mit, dass ein teilweiser Verzicht auf Veräußerungserlöse (bzw. deren Reduzierung) nicht mit den haushaltsrechtlichen Handlungsvorgaben vereinbar ist (Anlage 3). Es gibt aber für Investoren umfangreiche Möglichkeiten zur Förderung von Gebäuden in Klimaschutzsiedlungen (u. a. Landesmittel). Die Stadt Haan muss den Bau deshalb nicht zusätzlich durch geringere Grundstückspreise fördern. Auch erscheint vor diesem Hintergrund ein Veräußerungserlös in maximal erzielbarer Höhe möglich.

 

 

5.    Lösung der Planungsaufgabe „Klimaschutzsiedlung Dieker Straße / Feldstraße“

Um eine optimale Lösung der Planungsaufgabe „Klimaschutzsiedlung Dieker Straße / Feldstraße“ zu gewährleisten, wurde seitens der Verwaltung die Durchführung eines städtebaulichen Wettbewerbs oder eines an die geltenden Richtlinien für Planungswettbewerbe angelehnten Investorenauswahlverfahrens in Betracht gezogen[3]. Beide Verfahren fordern im wetteifernden Vergleich die schöpferischen Kräfte heraus und fördern innovative Lösungen. Eine Orientierung an den Richtlinien gewährleistet ein klar strukturiertes, transparentes Verfahren für die Entscheidungsfindung. Darüber hinaus sind die Verfahren eine gute Werbung für das Projekt und den Bauherrn, wenn die Ergebnisse ausgestellt werden.

 

Die Überlegung zur Durchführung eines Wettbewerbs erfolgte auch vor dem Hintergrund des Schreibens des Landrats vom 07.12.2010. Hierin teilt er mit, dass der Kreis Mettmann flächen- und energieeffizientes Planen und Bauen fördert. Gemeinsam mit der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen bietet er an, einen städtebaulichen Wettbewerb unterstützend zu begleiten und ein Auszeichnungsverfahren für besonders gelungene Gebäude mit durchzuführen. Die Architektenkammer hat den Ablauf eines städtebaulichen Wettbewerbs zum flächen- und energieeffizienten Bauen im Kreis Mettmann skizziert (Anlage 4). Seitens des Kreises Mettmann konnte am 18.01.2011 jedoch noch nicht beantwortet werden, ob der Wettbewerb nur für den Gewerbebau oder auch für den Wohnungsbau vorgesehen ist und das Angebot somit für einen Wettbewerb Klimaschutzsiedlung Dieker Straße / Feldstraße“ in Frage kommt. Ebenso konnte noch nicht mitgeteilt werden, wie die „unterstützende Begleitung“ durch den Kreis Mettmann und die Architektenkammer konkret aussehen würde. Generell besteht bei einem „reinen“ Wettbewerb auch immer die Gefahr, dass zwar eine gute Lösung erarbeitet, aber später kein Investor zur Umsetzung des Wettbewerbsergebnisses gefunden wird.

 

Bei einem Investorenauswahlverfahren wird direkt ein Investor gesucht, der sich auch dazu verpflichtet, den vom ihm präsentierten Wettbewerbsentwurf zu realisieren. Deswegen ist aber auch mit einer geringeren Teilnehmerzahl an diesem Verfahren zu rechnen. Aus haushalts- und beihilferechtlichen Gründen sind bei Investorenauswahlverfahren bestimmte Regeln zu beachten. Die Durchführung eines Investorenauswahlverfahrens für die „Klimaschutzsiedlung Dieker Straße / Feldstraße unterläge aber nicht dem Vergaberecht. Der Europäische Gerichthof (EuGH) hat in einer grundlegenden Entscheidung vom 25. März 2010 festgestellt, dass der Verkauf kommunaler Grundstücke an Investoren zum Zwecke der Bebauung durch diese auch dann nicht ausschreibungspflichtig ist, wenn die Bebauung nach den städtebaurechtlichen Vorgaben der Gemeinde erfolgt. Der Gerichtshof urteilte, dass nur ausgeschrieben werden muss, wenn die öffentliche Hand ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse an der Bauleistung hat. Der EuGH hat damit eine knapp drei Jahre bestehende und auf der „Ahlhorn-Rechtsprechung“ des Oberlandesgerichts Düsseldorf fußende Rechtsunsicherheit für Kommunen und Investoren beendet. Schwierige Projektentwicklungen und Verzögerungen bei Investorenauswahlverfahren infolge einer Anwendung des komplexen Vergaberechts und eingeleiteter Nachprüfungsverfahren sind damit nicht mehr zu erwarten.

 

In der Gegenüberstellung der Verfahren unter Einbeziehung ihrer finanziellen Auswirkungen (siehe Kapitel 7) erscheint die Durchführung eines Investorenauswahlverfahrens für die Stadt Haan günstiger und wird deswegen von der Verwaltung empfohlen.

 

Die städtischen Grundstücke sind nicht zweckmäßig zugeschnitten. Ggf. ist eine Nachverdichtung benachbarter privater Grundstücke sinnvoll[4]. Die Verwaltung empfiehlt deswegen, beim Investorenauswahlverfahren benachbarte Flächen mit in das Plangebiet einzubeziehen (Anlage 5). 

 

 

6.    Kriterien für ein Investorenauswahlverfahren „Klimaschutzsiedlung Dieker Straße / Feldstraße“

Nach den „Regeln für die Auslobung von Wettbewerben“ (RAW 2004) bzw. den Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW 2008) trifft das Preisgericht die Entscheidungen nur aufgrund derjenigen Kriterien, die in der Auslobung benannt wurden. Die Verwaltung empfiehlt, beim Investorenauswahlverfahren die Anforderungen (und Empfehlungen) einer Klimaschutzsiedlung als Kriterien zu übernehmen. Diese wären durch spezifische Haaner Anforderungen und Empfehlungen zu ergänzen. Im Antrag der GAL sind bereits folgende mögliche weitergehende Anforderungen und Empfehlungen benannt:

 

-          „Ausgleichsmaßnahmen sind ausschließlich auf dem Grundstück vorzunehmen. Die das Stadtbild prägenden Kastanien an der Dieker Straße sind zu erhalten. Gebäude halten einen Mindestabstand von 15 m zu den Kastanien ein.“ 

-          „Es ist anzustreben, dass das alte Schulgebäude erhalten bleibt und im Rahmen eines ganzheitlichen Konzepts durch den Investor einer dauerhaften Nutzung zugeführt wird.“

 

Aus Sicht der Verwaltung erscheint die Forderung nach Ausgleichsmaßnahmen ausschließlich auf den städtischen Grundstücken umsetzbar. Denn für die Ermittlung des Ausgleichserfordernisses ist u. a. das geltende Planungsrecht maßgebend. Der größte Teil des Plangebiets ist durch den einfachen Bebauungsplan D1 und / oder § 34 Baugesetzbuch (BauGB) bestimmt. Hiernach ist bereits heute eine hohe Versiegelung der Grundstücke zulässig, weswegen mit einem geringen oder keinem Ausgleichserfordernis zu rechnen ist. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen zur Aufstellung eines Bebauungsplans der Innenentwicklung nach § 13a BauGB gegeben sind. Beim diesem beschleunigten Verfahren kann auf einen Ausgleich der Eingriffe in Natur und Landschaft verzichtet werden.

Aus Sicht der Verwaltung, sollte die Forderung der GAL zum Ausgleich am Ort des Eingriffs jedoch auf die „Nachbargrundstücke“ ausgeweitet werden, da ggf. Bodenordnungsmaßnahmen erforderlich werden. Die Einhaltung eines Mindestabstands von 15 m zwischen den Gebäuden und den Kastanien kann nur als Empfehlung formuliert werden. Denn die Kastanie, die im Südosten von Flurstück 684 von der Dieker Straße aus betrachtet in zweiter Reihe steht, hält nur einen Abstand von rd. 12 Metern zur Musikschule ein. Aus Sicht der Verwaltung sollte zusätzlich zu dieser Empfehlung ein Abstand „Kronenradius + 3 Meter“ zu neuen Gebäuden gefordert werden, um die Bäume nicht zu beschädigen. Die Bauweise (Vorschlag der GAL: Geschosswohnungsbau) sollte noch nicht festgelegt werden, um nicht gute Lösungen der Planungsaufgabe „Klimaschutzsiedlung Dieker Straße / Feldstraße“ auszuschließen.[5]

 

 

7.       Finanzielle Auswirkungen

Bei der Durchführung eines städtebaulichen Wettbewerbs gemäß RAW 2004 bzw. RPW 2008 entstünden insbesondere Kosten für die Preisgelder. Die Summe der Preisgelder orientiert sich an der Höhe des Honorars, das gemäß der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) für die zu erbringenden Leistungen vergütet werden würde. Die Wettbewerbssumme bei städtebaulichen Leistungen ist in der Regel 40% des Gesamthonorars nach HOAI (Vorplanung), bei Gesamthonoraren bis 12.500 Euro der fünffache Satz, bis 25.000 Euro der dreifache Satz der Vorplanung. Auch die Preisrichter/innen erhalten für ihre Tätigkeit eine nach Tagessätzen bemessene Aufwandsentschädigung. Insgesamt werden von der Verwaltung für die Durchführung des Wettbewerbs Kosten in der Höhe von rd. 25.000 Euro geschätzt. Bei der Durchführung eines Investorenauswahlverfahrens müssen die RAW 2004 bzw. RPW 2008 keine Anwendung finden. Das Verfahren kann ohne finanzielle Auswirkungen durchgeführt werden.

 

 

8.       Beschlussempfehlung und weitere Vorgehensweise

In der Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses am 08.03.2011 werden Herr Andreas Gries, Mitarbeiter der „EnergieAgentur.NRW“ und Ansprechpartner für das Projekt „100 Klimaschutzsiedlungen in NRW“ sowie Herr Helmut Mohr, Architekt der ersten Klimaschutzsiedlung in Gelsenkirchen, in das Thema „Klimaschutzsiedlungen“ einführen.

 

Die Verwaltung erarbeitet Möglichkeiten der bauplanungsrechtlichen und vertraglichen Steuerung einer Klimaschutzsiedlung „Dieker Straße / Feldstraße“ und bereitet Unterlagen für ein Investorenauswahlverfahren vor. Letztere wird sie in einer der nächsten Sitzungen des Planungs- und Umweltausschusses einbringen.

 



[1] Der Wortlaut der hier relevanten Maßnahme 9 wird im GAL-Antrag zitiert.

[2] Maßnahme 2.3.2: „Gewährleistung hoher Energiestandards bei Neubauten / neuen Wohngebieten über der gültigen Energieeinsparverordnung (EnEV 2009)“

[3] In Deutschland sind 2009 die Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW 2008) vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Kraft getreten. Mittelfristig sollen sie die Regeln für die Auslobung von Wettbewerben (RAW 2004) ersetzen.

[4] So wäre im rückwärtigen Bereich der Grundstücke an der Düppelstraße eine Ausweisung von überbaubaren Grundstücksflächen denkbar.

[5] Aus Sicht der Verwaltung wären z. B. in Teilen des Plangebiets auch dreigeschossige Stadthäuser in Ordnung. 

Beschlussvorschlag:

 

„Ein Investorenauswahlverfahren für eine „Klimaschutzsiedlung Dieker Straße / Feldstraße“ ist vorzubereiten. Der Antrag der GAL wird zurückgewiesen. Es ist im weiteren Verfahren zu prüfen, ob und wie die aufgeführten Punkte berücksichtigt werden können.“