Betreff
Kinder schützen- Familien unterstützen, frühe Hilfen für Familien
Vorlage
51/022/2009
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

I. Ausgangsbedingungen

              „Pflege und Erziehung sind  das natürliche Recht der Eltern

              und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ ( Art. 6 Abs.2 Satz 1 GG). 

Der Schutz des Kindes vor Gefahren für sein Wohl obliegt damit den Eltern im Rahmen ihrer elterlichen Sorge bzw. den Personen, denen die Eltern die Ausübung von Angelegenheiten der Personensorge vertraglich übertragen.

Erziehung, Betreuung und Bildung von Kindern liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Familie und Gesellschaft. Für das Aufwachsen von Kindern, für ihre Erziehung und Persönlichkeitsentwicklung, für Vertrauensbildung und Bindungsfähigkeit stehen zu allererst die Eltern in der Verantwortung.

Kommunale Familienpolitik ist in der Verantwortung, gute Rahmenbedingungen für das Aufwachsen von Kindern zu schaffen. Kommunale Kinder- und Jugendhilfe ist dann erfolgreich, wenn sie die Verantwortung übernimmt, tragfähige soziale Infrastrukturen zu schaffen sowie kinder- und familienfreundliche Lebensbedingungen zu erzeugen. Insbesondere die Unterstützung von Familien bei der Erfüllung ihrer erzieherischen Aufgaben gehört in diesen Bereich. Parallel dazu sind auch der Schutz und das Wohl von Kindern unverändert stark im Blickpunkt des öffentlichen Interesses.

Das Aufgabenfeld der Kinder- und Jugendhilfe erstreckt sich demzufolge von der aktiven Gestaltung der Lebensbedingungen bis zur Reaktion auf soziale Problemlagen. Hier zeigt sich die konzeptionelle Bandbreite der Kinder- und Jugendhilfe. Dabei kommt den Gesichtspunkten „Kindeswohl“ und „Kinderschutz“ eine besondere Bedeutung zu. Das Kindeswohl und der Kinderschutz sind die Richtschnur für das tägliche Handeln.

 

II. Kindeswohlgefährdungen

Die Verwaltung hat in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses vom 16.09.2008 mit dem Bericht zur Arbeit des Bezirkssozialdienstes die Aufgabenstellung des BSD detailliert vorgestellt, so dass in dieser Vorlage zum Thema * Kinderschutz* nur eingeschränkt darauf eingegangen werden soll.

Die sachliche Zuständigkeit und somit auch die Verantwortung bei jedem gewichtigen Anhaltspunkt für eine Kindeswohlgefährdung liegt bei der einzelfallzuständigen Fachkraft des Bezirkssozialdienstes. Diese Zuständigkeit umfasst zum einen die inhaltliche Aufgabenzuweisung, zum anderen muss die örtliche Zuständigkeit greifen, die im Jugendamt der Stadt Haan straßenbezogen zugeordnet ist.

Gehen einer zuständigen Fachkraft Mitteilungen oder Hinweise zu, die Anhaltspunkte über eine geschehene oder akut drohende Kindeswohlgefährdung beinhalten, so muss sie umgehend tätig werden. Durch Hausbesuche, Gespräche etc. macht die Fachkraft sich ein eigenes Bild von der Lebenssituation des Kindes. Gibt es daraus konkrete Anhaltspunkte für eine akute oder eine akut drohende Kindesvernachlässigung oder Kindesmisshandlung, hat die Fachkraft nach Beratung im Fachteam (Risikoabschätzung), unter Beteiligung der Eltern und des Kindes/Jugendlichen  Hilfe für das Kind durch sofortige Intervention einzuleiten, um die Gefährdung zu beseitigen. Ggf. ist auch das Familiengericht anzurufen.

Im internen Ablauf zur Beurteilung einer Gefährdungssituation und den sich daraus ergebenden Handlungsabläufen ist das Verfahren im Jugendamt festgelegt und wird entsprechend umgesetzt.

Das SGB VIII verpflichtet in § 16 die Jugendämter zu präventiven Angeboten und fordert sie auf, selbst offensiv auf Familien zuzugehen, sie über die Angebote zu informieren und Hilfen anzubieten. Sollen Familien in schwierigen Lebenssituationen frühzeitig erreicht werden, ihnen der Zugang zur Hilfe erleichtert und die Schwellen zu deren Inanspruchnahme verkleinert werden, erfordert dies verstärkt aufsuchende zugehende Angebote.

An dieser Stelle sei nur kurz darauf hingewiesen, dass durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen , zum Beispiel in Form der zu verabschiedenden Kooperationsvereinbarung mit dem Gesundheitsamt zur Sicherstellung der nachgehenden Hilfen bei fehlenden Vorsorgeuntersuchungen im Kreis Mettmann, die Aufgabenstruktur des BSD sich verändert bzw. einen höheren Standard erhält. Dieses Zusammenwirken von Jugendhilfe und Gesundheitshilfe verfolgt ebenfalls das Ziel, den Kinderschutz zu stärken. Diese zusätzliche, neue Aufgabe erweitert das Aufgabenfeld im BSD. 

Resümierend lässt sich festhalten, dass auf Grund der Aufgabendichte und dem wachsenden Aufgabenumfang im Bereich des Bezirkssozialdienstes,  keine Zeitkontingente zur Verfügung stehen, für zusätzliche Projekte und neue Aufgaben und um Angebote im präventiven Bereich für Familien auszubauen. Übereinstimmend wurde in bisherigen Diskussionen festgestellt, dass in diesem Aufgabengebiet dauerhaft zusätzlich eine halbe Fachkraftstelle erforderlich ist und diese auch im Stellenplanentwurf 2009 Berücksichtigung finden soll.

Der Gesetzgeber beschreibt in  § 79 Abs.3 SGB VIII dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe  für eine ausreichende Ausstattung der Jugendämter sorgen muss – dazu gehört eine dem Bedarf entsprechende Zahl von Fachkräften. Damit soll die Fachlichkeit der Jugendhilfe auch auf der organisatorischen Ebene abgesichert werden. Diesen gesetzlichen Anforderungen wird mit dem Stellenplanentwurf 2009 entsprochen.

 

III. Frühe Hilfen für Familien – Soziales Frühwarnsystem

 

Das Hilfe- und Unterstützungssystem im Bereich der Familie und Jugendhilfe, im Gesundheits- und Schulwesen sowie bei der Polizei und Ordnungsbehörden weist ein breites Spektrum adäquater Angebote und Leistungen für Familien auf.

„Frühe Hilfen“ sind dabei alle Maßnahmen für Kinder, Eltern und Familien, die dazu beitragen, die Entwicklungsbedingungen von Kindern zu verbessern. Für den Bereich der „Frühen Hilfen“ gibt es unterschiedliche und vielfältige Maßnahmen und Projekte. Angebote der Familienbildung und Erziehungsberatung, die Angebote der Kindertagesbetreuung und der Kindertagespflege, die Beratung durch das Jugendamt, der Ausbau der U-3 Betreuung sowie der Ausbau der Familienzentren  sind nur beispielhaft genannt für die Angebotspalette für „Frühe Hilfen“ für Eltern. Gleichwohl gibt es im Hinblick auf „Frühe Hilfen“ für Familien eine Lücke. Es fehlt an einem systematischen, abgestimmten institutionellen Verfahren und an entsprechenden Handlungsschritten für die Einleitung von „Frühen Hilfen“. Diese Lücke kann und muss durch den Aufbau eines präventiven sozialen Frühwarnsystems geschlossen werden.

Die Idee eines Frühwarnsystems ist nicht neu und wurde zuletzt im Januar 2007  verstärkt  durch das „Handlungskonzept der Landesregierung für einen besseren und wirksameren Kinderschutz in Nordrhein-Westfalen“; hierbei wird der flächendeckende Ausbau von sozialen Frühwarnsystemen angestrebt. Die verschiedenen, vorhandenen Projekte mit zum Teil unterschiedlichen Ansätzen eines Frühwarnsystems verfolgen ein gemeinsames Ziel: Vernachlässigte Kinder unter drei Jahren so früh wie möglich zu finden und zu schützen.

Frühe Hilfen für Familien mit Säuglingen und Kleinkindern werden nur durch eine gute Kooperation zwischen Gesundheitshilfe und Jugendhilfe erreichbar sein. Sollen Familien mit Kindern von 0 bis 3 Jahren angesprochen werden, können Einrichtungen des Gesundheitswesens wichtige Zugangs- und Vermittlungsfunktionen übernehmen. Meistens haben Familien zu den Einrichtungen des Gesundheitsbereiches größeres Vertrauen als zum Jugendamt.

In der öffentlichen Debatte gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, was dem Kindeswohl dient. Grundlage aller Interventionen sollte allerdings die Bündelung aller Fachkräfte und Handlungsstrategien vor Ort darstellen, um Misshandlungen, Missbrauch und Vernachlässigungen von Kindern und Jugendlichen vorzubeugen. Dazu ist es erforderlich, Kooperationsstrukturen aufzubauen, die in Gefährdungssituationen von Kindern und Jugendlichen die Handlungsoptionen bei allen Beteiligten erweitern.

Zur Umsetzung dieser Vernetzungsaufgaben müssen verbindliche und transparente Informations- und Kooperationsstrukturen vor Ort geschaffen werden. Um hilfsbedürftige Familien  frühzeitig zu erreichen, muss ein Netzwerk der verschiedenen Fachkräfte aufgebaut werden. Es werden Hebammen und Ärzte ebenso beteiligt sein, wie Kindertagesstätten und Kinderärzte. Im Sinn des Frühwarnsystems erfolgt eine systematische Verzahnung von Gesundheits-, Kinder -und Jugendhilfe auf kommunaler Ebene.

„Soziale Frühwarnsysteme zielen darauf ab, Probleme in unterschiedlichen Lebenslagen von Kindern und Familien frühzeitig zu erkennen, niederschwellig Hilfen zugänglich zu machen und die Qualität, Effektivität und Effizienz durch eine Kooperation aller potentiell beteiligten Fachkräfte und Institutionen zu verbessern“.(ISA 2007)

Soziale Frühwarnsysteme ( s. Anlage 1)  führen drei Basiselemente zusammen:

Wahrnehmen                            einer riskanten Entwicklung (in einem möglichst frühen Stadium)

Warnen                                      im Sinne des Aufzeigens von Handlungsbedarf

Handeln                                     nach einem zwischen den Beteiligten abgestimmten Verfahren

Damit ist das soziale Frühwarnsystem eine in sich geschlossene Reaktionskette. Sie wird zwischen Fachkräften verschiedener familienunterstützender Institutionen vereinbart.

 

IV. Projektumsetzung

 

Um in der Stadt Haan ein Soziales Frühwarnsystem aufbauen zu können, muss in enger Zusammenarbeit mit allen beteiligten Akteuren eine Angebotsstruktur entwickelt werden, die eine gesunde und geborgene Gestaltung der ersten Lebensjahre eines Kindes gewährleistet. Die aktuelle politische Diskussion in den Ratsgremien stellt hierbei auf die positiven Erfahrungen in den anderen Städten ab und fordert ein,  diese Struktur/ dieses Angebot auch bei der Stadt Haan vorzuhalten.  

Das Zusammenspiel von Fachleuten und Institutionen eröffnet im Interesse von Kindern neue Chancen des Aufwachsens in gemeinsamer Verantwortung. Dabei ist die Ausgestaltung und Weiterentwicklung der notwendigen Kooperationsbeziehungen ein wesentliches Ziel. Eine verbindliche Kooperation zwischen Jugendhilfe und Gesundheitshilfe ist als erfolgversprechend für „Frühe Hilfen“ einzuschätzen. Gerade die Schnittstelle zur Familienhebamme kann als planungsrelevanter Aspekt eingestuft werden.

In einem ersten Umsetzungsschritt ist zunächst festzustellen, welche bestehenden fachlichen Strukturen im Sinne eines Netzwerkes vorhanden sind und wie sie zur Weiterentwicklung genutzt werden können. Dazu zählen die diejenigen Personen und Einrichtungen, die unmittelbar mit Schwangerschaft, Geburt und  nachfolgender Versorgung befasst  sind (Kinderärzte, Gynäkologen, Beratungsstellen für Schwangere und Familie, Hebammen, Einrichtungen der Familienbildung). Bestehende andere Fachdienste, die ebenfalls in dem Stadium der Gründung einer Familie mit Kindern eingebunden sind, sind ebenso zu berücksichtigen. Indikatoren auf deren Grundlage Warnhinweise und mögliche Eingriffe zum Schutz des Kindeswohls erfolgen, sollen in Haan einheitlich vereinbart werden.

In der Fachtagung am 16.März 2009 werden hierzu erste konzeptionelle Überlegungen diskutiert. Grundsätzlich gilt dabei das Prinzip, auf bereits bestehende Angebote sowie entwickelte und bewährte Instrumentarien zurückzugreifen, um ein tragfähiges Gesamtsystem im kommunalen Raum aufzubauen.

Das Ziel des sozialen Frühwarnsystems und der frühzeitigen Förderangebote ist ein umfassendes, bedarfgerechtes, niederschwelliges Hilfsangebot, das die Betroffenen auch erreicht, das allen Kindern zu Gute kommt und Diskriminierungen vermeidet.

Die Verwaltung wurde aufgefordert, entsprechende Umsetzungsvorschläge einzubringen, die diesen direkten Kontakt mit den Eltern nach der Geburt unter anderem in den Mittelpunkt des Handelns stellt. Dies wird als eine verlässliche Basis für die Steuerung einer zukünftigen Betreuung gesehen.

Ein unterstützendes Element eines Frühwarnsystems in Haan können die sogenannten „Begrüßungspakete“ für Neugeborene und deren Mütter/ Väter sein.  Dieses Angebot kann als konsequenter Besuchsdienst eingerichtet werden, der die Familien nach jeder Geburt aufsucht. Die Besuche sollen sicherstellen, dass die jungen Familien Informationen und bedarfsgerechte Förder- und Unterstützungsangebote erhalten. Ein Besuchsdienst, der Familien nach der Geburt aufsuchen sollte, ist somit Bestandteil eines Netzwerkes von Fachlichkeit vor Ort, das möglichst alle Signale auffängt, wenn es um Gefährdung eines Kindes geht. Besondere Bedeutung hat hierbei eine präzise Abgrenzung zwischen Beratungs- und Unterstützungsangebot einerseits und Aufgabenwahrnehmung des Jugendamtes in seiner Schutzfunktion für Kinder. 

In der Sitzung der Arbeitsgemeinschaft nach § 78  SGB VIII am 17. November 2008 wurde das Begrüßungspaket der Stadt Heiligenhaus vorgestellt. Deutlich wurde dabei, dass  eine umfangreiche Vorarbeit zu leisten ist, um den Inhalt eines Begrüßungspaketes zu etablieren. In Heiligenhaus wurde das Begrüßungspaket durch eine intensive Vorbereitungsphase mit personeller Verstärkung im Jugendamt und durch eine sehr gute Vernetzungsarbeit eingeführt. Ebenso sind entsprechende  Kooperationspartner und Sponsoren anzusprechen und für ein solches Projekt zu gewinnen. Ein fester Bestandteil eines Begrüßungspaketes können Elternbriefe sein, die Informationen zum Entwicklungsstand des Kindes, entsprechend dem Alter des Kindes  geben.

Fazit:

Um den dargestellten Aufgabenkomplex zur Etablierung eines sozialen Frühwarnsystems und den Aufbau eines Begrüßungspaketes erarbeiten zu können, ist es notwendig, dass die personelle Ressource im Jugendamt in Form einer zusätzlichen 0,5 Stelle für den Einsatz einer pädagogischen Fachkraft zur Verfügung gestellt wird. Erst mit Einsatz dieser notwendigen Personalverstärkung ist eine Vorlauf- bzw. Vorbereitungsphase zur Koordination erforderlicher Gesprächsrunden mit den möglichen Netzwerkpartnern umsetzbar.

Nach  Berücksichtigung der erforderlichen Personalressource im Stellenplan 2009 und entsprechender Stellenbesetzung wird die Verwaltung zusammen mit dem Jugendhilfeausschuss die Konzeption für ein Haaner Frühwarnsystem abschließend erarbeiten.

 

Finanzielle Auswirkungen:

Für den beschriebenen umfangreichen Aufgabenkomplex auf der Präventionsebene sowie im Bezirkssozialdienst ist der Einsatz von pädagogischen Fachkräften, Sozialpädagogin/ Sozialpädagoge erforderlich. Bei einer Eingruppierung  nach dem TVÖD Entgeltgruppe 9, Stufe 2  entstehen  jährlich Personalkosten in Höhe von rd. 40.000 EUR für zwei halbe Stellen.

Bei verschiedenen öffentlichen Trägern der Jugendhilfe sind die bisherigen Eingruppierungen der sozialen Fachkräfte, insbesondere im Bezirkssozialdienst bzw. allgemeinen Sozialdienst, nach oben verändert worden. Weitergehende Bestrebungen sind bekannt, auch in der Haaner Verwaltung wurde zur Qualitätssicherung und Kontinuität in der Arbeit eine Höhergruppierung thematisiert, jedoch noch nicht abschließend entschieden.

Darüber hinaus werden Kosten für den Ausbau der Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten entstehen. Die Einführung und das Versenden von Elternbriefen für Kinder im Alter bis 9 Jahre verursacht  Kosten von rd. 50.000 EUR.

 

 

 

 

Beschlussvorschlag:

 

  1. Der Jugendhilfeausschuss schließt sich den Ausführungen der Verwaltung zum Aufbau eines Frühwarnsystems und den sich daraus ergebenden Handlungsschritten an.
  2. Der Jugendhilfeausschuss befürwortet die genannte personelle Verstärkung im Bereich der Prävention in Form einer zusätzlichen Fachkraft mit einem Stundenumfang einer 0,5 Stelle sowie die Aufstockung im Bezirkssozialdienst in Form einer halben zusätzlichen Fachkraftstelle.
  3.  Die Verwaltung wird gebeten, die sachgerechte Eingruppierung der sozialen Fachkräfte im Sinne der Qualität und Kontinuität zu überprüfen. 

 

 

Finanz. Auswirkung:

 s. Sachverhalt