Betreff
Umsatzsteuerpflicht (§ 2b UStG) und Option (§ 27 Abs. 22 UStG)
Vorlage
BM/011/2016
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

Umsatzsteuerpflicht nach § 2b UStG

 

Durch das Steueränderungsgesetz 2015 wurde ein neuer § 2 b Umsatzsteuergesetz (UStG) eingeführt. Mit der Neuregelung wird im Hinblick auf die umsatzsteuerrechtliche Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts ein grundsätzlicher Systemwechsel vollzogen, der seinen Grund in der bisherigen Abweichung der nationalen Regelungen von den europarechtlichen Vorgaben findet.

 

Nach derzeit geltendem Recht sind juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (BgA) i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 4 KStG sowie ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig. Durch diese Bindung an den körperschaftsteuerlichen Begriff des Betriebs gewerblicher Art unterliegt insbesondere die vermögensverwaltende Tätigkeit der öffentlichen Hand, die nach Körperschaftsteuerrecht grundsätzlich keinen Betrieb gewerblicher Art darstellt, nicht der Umsatzbesteuerung. Selbst rein mechanische oder bürotechnische Vor- und Nebenarbeiten sind umsatzsteuerlich unbeachtlich, obwohl diese Teilaufgaben auch von privatwirtschaftlich organisierten Dritten erledigt werden könnten. Auch Beistandsleistungen unterlagen weder der Körperschaftsteuer noch der Umsatzsteuer. Hier ergibt sich nach der neuen gesetzlichen Regelung ein erweiterter Ansatz für die Umsatzsteuer im öffentlichen Bereich.

 

Die neue Vorschrift lautet wie folgt:

 

§ 2b Juristische Personen des öffentlichen Rechts

 

(1) Vorbehaltlich des Absatzes 4 gelten juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmer im Sinne des § 2, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Satz 1 gilt nicht, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

(2) Größere Wettbewerbsverzerrungen liegen insbesondere nicht vor, wenn

1. der von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Kalenderjahr aus gleichartigen Tätigkeiten erzielte Umsatz voraussichtlich 17.500 Euro jeweils nicht übersteigen wird oder

2. vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht (§ 9) einer Steuerbefreiung unterliegen.

(3) Sofern eine Leistung an eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeführt wird, liegen größere Wettbewerbsverzerrungen insbesondere nicht vor, wenn

1. die Leistungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden dürfen oder

2. die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn

a) die Leistungen auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhen,

b) die Leistungen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteilig-ten obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen,

c) die Leistungen ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden und

d) der Leistende gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts erbringt.

(4) Auch wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 gegeben sind, gelten juristische Personen des öffentlichen Rechts bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 2 Absatz 1 mit der Ausübung folgender Tätigkeiten stets als Unternehmer:

1. die Tätigkeit der Notare im Landesdienst und der Ratschreiber im Land Baden-Württemberg, soweit Leistungen ausgeführt werden, für die nach der Bundesnotarordnung die Notare zuständig sind;

2. die Abgabe von Brillen und Brillenteilen einschließlich der Reparaturarbeiten durch Selbstabgabe-stellen der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung;

3. die Leistungen der Vermessungs- und Katasterbehörden bei der Wahrnehmung von Aufgaben der Landesvermessung und des Liegenschaftskatasters mit Ausnahme der Amtshilfe;

4. die Tätigkeit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, soweit Aufgaben der Marktordnung, der Vorratshaltung und der Nahrungsmittelhilfe wahrgenommen werden;

5. Tätigkeiten, die in Anhang I der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung genannt sind, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.

 

 

Der Systemwechsel wird erhebliche Auswirkungen für die Umsatzbesteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit sich bringen. Vieles ist aber noch unklar, weil die neue gesetzliche Regelung eine Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen aufweist, deren Auslegung sich erst in der Zukunft verdichten wird. Insoweit liegt zwar bereits heute ein erläuterndes BMF-Schreiben als Entwurf v. 19.04.2016 – Stand 28.09.2016 (wird als Anlage beigefügt) vor. Mit der  beschlossenen Endfassung des BMF-Schreibens für § 2b UStG ist aber voraussichtlich nicht mehr dieses Jahr zu rechnen.

 

Unabhängig davon kommen durch den Systemwechsel erhebliche Änderungsanforderungen auf die juristische Person des öffentlichen Rechts zu.

Es sind die privatrechtlichen Vertragsverhältnisse der juristischen Person des öffentlichen Rechts zu erheben, es sind die Erträge und Einzahlungen, Aufwendungen und Auszahlungen der juristischen Person auf etwaige neue Umsatzsteuerpflichten bzw. Vorsteuerabzugsmöglichkeiten zu untersuchen, es ist zu überprüfen, inwieweit die bisherige Software die zukünftigen Anforderungen abdecken kann, es ist der anstehende Investitionsbedarf in den zukünftig umsatzsteuerrechtlich relevanten Bereich zu erheben, es ist zu überprüfen, welche bislang privatrechtlich geregelten Bereiche einer öffentlich-rechtlichen Regelung zugeführt werden können, es sind bestehende Verträge umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht anzupassen usw.

Die anstehenden Herausforderungen hat auch der Gesetzgeber gesehen und deswegen die Möglichkeit einer bis zu vierjährigen Übergangszeit vorgesehen, deren Inanspruchnahme einer Erklärung (Optionserklärung) der juristischen Person des öffentlichen Rechts bedarf (§ 27 Abs. 22 UStG).

 

 

Die Option nach § 27 Abs. 22 UStG

 

hat folgenden Wortlaut:

 

§ 2 Absatz 3 in der am 31. Dezember 2015 geltenden Fassung ist auf Umsätze, die nach dem 31. Dezember 2015 und vor dem 1. Januar 2017 ausgeführt werden, weiterhin anzuwenden. § 2b in der am 1. Januar 2016 geltenden Fassung ist auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2016 ausgeführt werden. Die juristische Person des öffentlichen Rechts kann dem Finanzamt gegenüber einmalig erklären, dass sie § 2 Absatz 3 in der am 31. Dezember 2015 geltenden Fassung für  sämtliche nach dem 31. Dezember 2016 und vor dem 1. Januar 2021 ausgeführte Leistungen weiterhin anwendet. Eine Beschränkung der Erklärung auf einzelne Tätigkeitsbereiche oder Leistungen ist nicht zulässig. Die Erklärung ist bis zum 31. Dezember 2016 abzugeben. Sie kann nur mit Wirkung vom Beginn eines auf die Abgabe folgenden Kalenderjahres an widerrufen werden.

 

 

Die Optionserklärung ist durch die Bürgermeisterin oder einen Bevollmächtigten abzugeben und grundsätzlich an das nach § 21 Abgabenordnung (AO) zuständige Finanzamt (hier: Finanzamt Hilden) zu richten. Das UStG sieht für die Optionserklärung keine spezielle Form vor. Die Schriftform ist aber dringend zu empfehlen, ebenso ein Zustellungsnachweis.

Die Optionserklärung ist spätestens bis zum 31. Dezember 2016 abzugeben. Nach Einschätzung der Stadt Haan wird in Anbetracht der in weiten Teilen noch nicht absehbaren Auswirkungen des neuen § 2 b UStG die Mehrzahl der Kommunen zunächst von der Optionsmöglichkeit nach § 27 Abs. 22 UStG Gebrauch machen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Optionserklärung mit Wirkung vom Beginn eines auf die Abgabe folgenden Kalenderjahres an widerrufen werden kann. Nach einem Widerruf ist die Abgabe einer erneuten Optionserklärung allerdings ausgeschlossen (siehe anbei BMF Schreiben zu § 27 Absatz 22 UStG v. 19.4.2016). 

 

Da es sich aus Sicht der Verwaltung bei dieser Optionserklärung nicht um ein laufendes Geschäft der Verwaltung im Sinne der Gemeindeordnung NRW (GO NW) handeln dürfte, liegt hier die Entscheidungszuständigkeit beim Rat der Stadt Haan.

 

Die Verwaltung schlägt vor, das angekündigte endgültige BMF-Schreiben zu § 2b UStG abzuwarten (derzeit: Entwurfsfassung v. 28.09.2016) und die möglichen positiven wie negativen Auswirkungen eingehend zu ermitteln. Mit fachlicher Unterstützung sollte dann ein passgenaues Konzept erarbeitet werden, dass auf die Stadt Haan zugeschnitten ist. Ggf. müssen Organisationsänderungen, Softwareumstellungen u. a. dadurch spätestens bis zum 31.12.2020 erfolgen.

 

Um jedoch dazu die richtige Entscheidung treffen zu können, bedarf es dringend näherer Erläuterung der Finanzbehörden, womit in diesem Jahr aber nicht mehr zu rechnen ist. Daher sollte vorsorglich die Optionserklärung abgegeben werden, so dass ggf. bis spätestens zum 31.12.2020 noch nach bisherigem Recht rechtssicher weitergehandelt werden kann.

Beschlussvorschlag:

 

Die Bürgermeisterin wird beauftragt, spätestens bis zum 31.12.2016 für die Stadt Haan folgende (widerrufliche) Optionserklärung nach § 27 Abs. 22 UStG an das Finanzamt Hilden abzugeben:

 

„Hiermit erkläre ich, dass die Stadt Haan § 2 Absatz 3 UStG in der am 31.12.2015 geltenden Fassung für sämtliche nach dem 31.12.2016 und vor dem 01.01.2021 ausgeführten Leistungen weiterhin anwendet.“