Sachverhalt:
Umsatzsteuerpflicht nach § 2b UStG
Durch
das Steueränderungsgesetz 2015 wurde ein neuer § 2 b Umsatzsteuergesetz (UStG)
eingeführt. Mit der Neuregelung wird im Hinblick auf die umsatzsteuerrechtliche
Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts ein
grundsätzlicher Systemwechsel vollzogen, der seinen Grund in der bisherigen
Abweichung der nationalen Regelungen von den europarechtlichen Vorgaben findet.
Nach derzeit geltendem Recht sind juristische Personen des öffentlichen
Rechts (jPdöR) gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nur im Rahmen ihrer Betriebe
gewerblicher Art (BgA) i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 4 KStG sowie ihrer land-
und forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig. Durch diese Bindung
an den körperschaftsteuerlichen Begriff des Betriebs gewerblicher Art
unterliegt insbesondere die vermögensverwaltende Tätigkeit der öffentlichen
Hand, die nach Körperschaftsteuerrecht grundsätzlich keinen Betrieb
gewerblicher Art darstellt, nicht der Umsatzbesteuerung. Selbst rein
mechanische oder bürotechnische Vor- und Nebenarbeiten sind umsatzsteuerlich
unbeachtlich, obwohl diese Teilaufgaben auch von privatwirtschaftlich
organisierten Dritten erledigt werden könnten. Auch Beistandsleistungen
unterlagen weder der Körperschaftsteuer noch der Umsatzsteuer. Hier ergibt sich
nach der neuen gesetzlichen Regelung ein erweiterter Ansatz für die
Umsatzsteuer im öffentlichen Bereich.
Die
neue Vorschrift lautet wie folgt:
§ 2b Juristische Personen des öffentlichen
Rechts
(1) Vorbehaltlich des Absatzes 4 gelten
juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmer im Sinne des
§ 2, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen
Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten Zölle,
Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Satz 1 gilt nicht, sofern
eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen
würde.
(2) Größere Wettbewerbsverzerrungen liegen
insbesondere nicht vor, wenn
1. der von einer juristischen Person des
öffentlichen Rechts im Kalenderjahr aus gleichartigen Tätigkeiten erzielte
Umsatz voraussichtlich 17.500 Euro jeweils nicht übersteigen wird oder
2. vergleichbare, auf privatrechtlicher
Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht (§ 9) einer
Steuerbefreiung unterliegen.
(3) Sofern eine Leistung an eine andere
juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeführt wird, liegen größere
Wettbewerbsverzerrungen insbesondere nicht vor, wenn
1. die Leistungen aufgrund gesetzlicher
Bestimmungen nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht
werden dürfen oder
2. die Zusammenarbeit durch
gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Dies ist
regelmäßig der Fall, wenn
a) die Leistungen auf
langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhen,
b) die Leistungen dem Erhalt
der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteilig-ten
obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen,
c) die Leistungen
ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden und
d) der Leistende
gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere juristische Personen des
öffentlichen Rechts erbringt.
(4) Auch wenn die
Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 gegeben sind, gelten juristische Personen
des öffentlichen Rechts bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 2
Absatz 1 mit der Ausübung folgender Tätigkeiten stets als Unternehmer:
1. die Tätigkeit der Notare
im Landesdienst und der Ratschreiber im Land Baden-Württemberg, soweit
Leistungen ausgeführt werden, für die nach der Bundesnotarordnung die Notare
zuständig sind;
2. die Abgabe von Brillen
und Brillenteilen einschließlich der Reparaturarbeiten durch
Selbstabgabe-stellen der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung;
3. die Leistungen der
Vermessungs- und Katasterbehörden bei der Wahrnehmung von Aufgaben der
Landesvermessung und des Liegenschaftskatasters mit Ausnahme der Amtshilfe;
4. die Tätigkeit der
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, soweit Aufgaben der
Marktordnung, der Vorratshaltung und der Nahrungsmittelhilfe wahrgenommen
werden;
5. Tätigkeiten, die in
Anhang I der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der
jeweils gültigen Fassung genannt sind, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten
nicht unbedeutend ist.
Der Systemwechsel wird erhebliche Auswirkungen für die
Umsatzbesteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit sich
bringen. Vieles ist aber noch unklar, weil die neue gesetzliche Regelung eine
Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen aufweist, deren Auslegung sich erst
in der Zukunft verdichten wird. Insoweit liegt zwar bereits heute ein
erläuterndes BMF-Schreiben als Entwurf v. 19.04.2016 – Stand 28.09.2016 (wird
als Anlage beigefügt) vor. Mit der
beschlossenen Endfassung des BMF-Schreibens für § 2b UStG ist aber
voraussichtlich nicht mehr dieses Jahr zu rechnen.
Unabhängig davon kommen durch den Systemwechsel erhebliche
Änderungsanforderungen auf die juristische Person des öffentlichen Rechts zu.
Es sind die privatrechtlichen Vertragsverhältnisse der
juristischen Person des öffentlichen Rechts zu erheben, es sind die Erträge und
Einzahlungen, Aufwendungen und Auszahlungen der juristischen Person auf etwaige
neue Umsatzsteuerpflichten bzw. Vorsteuerabzugsmöglichkeiten zu untersuchen, es
ist zu überprüfen, inwieweit die bisherige Software die zukünftigen
Anforderungen abdecken kann, es ist der anstehende Investitionsbedarf in den
zukünftig umsatzsteuerrechtlich relevanten Bereich zu erheben, es ist zu
überprüfen, welche bislang privatrechtlich geregelten Bereiche einer
öffentlich-rechtlichen Regelung zugeführt werden können, es sind bestehende
Verträge umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht anzupassen usw.
Die anstehenden Herausforderungen hat auch der Gesetzgeber
gesehen und deswegen die Möglichkeit einer bis zu vierjährigen Übergangszeit
vorgesehen, deren Inanspruchnahme einer Erklärung (Optionserklärung) der
juristischen Person des öffentlichen Rechts bedarf (§ 27 Abs. 22 UStG).
Die
Option nach § 27 Abs. 22 UStG
hat folgenden Wortlaut:
§ 2 Absatz 3 in der am 31.
Dezember 2015 geltenden Fassung ist auf Umsätze, die nach dem 31. Dezember 2015
und vor dem 1. Januar 2017 ausgeführt werden, weiterhin anzuwenden. § 2b in der
am 1. Januar 2016 geltenden Fassung ist auf Umsätze anzuwenden, die nach dem
31. Dezember 2016 ausgeführt werden. Die juristische Person des öffentlichen
Rechts kann dem Finanzamt gegenüber einmalig erklären, dass sie § 2 Absatz 3 in
der am 31. Dezember 2015 geltenden Fassung für
sämtliche nach dem 31. Dezember 2016 und vor dem 1. Januar 2021
ausgeführte Leistungen weiterhin anwendet. Eine Beschränkung der Erklärung auf
einzelne Tätigkeitsbereiche oder Leistungen ist nicht zulässig. Die Erklärung
ist bis zum 31. Dezember 2016 abzugeben. Sie kann nur mit Wirkung vom Beginn
eines auf die Abgabe folgenden Kalenderjahres an widerrufen werden.
Die Optionserklärung ist durch die Bürgermeisterin oder einen
Bevollmächtigten abzugeben und grundsätzlich an das nach § 21 Abgabenordnung
(AO) zuständige Finanzamt (hier: Finanzamt Hilden) zu richten. Das UStG sieht
für die Optionserklärung keine spezielle Form vor. Die Schriftform ist aber
dringend zu empfehlen, ebenso ein Zustellungsnachweis.
Die Optionserklärung ist spätestens bis zum 31. Dezember 2016
abzugeben. Nach Einschätzung der Stadt Haan wird in Anbetracht der in weiten
Teilen noch nicht absehbaren Auswirkungen des neuen § 2 b UStG die Mehrzahl der
Kommunen zunächst von der Optionsmöglichkeit nach § 27 Abs. 22 UStG Gebrauch
machen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die
Optionserklärung mit Wirkung vom Beginn eines auf die Abgabe folgenden
Kalenderjahres an widerrufen werden kann. Nach einem Widerruf ist die Abgabe
einer erneuten Optionserklärung allerdings ausgeschlossen (siehe anbei BMF
Schreiben zu § 27 Absatz 22 UStG v. 19.4.2016).
Da es sich aus Sicht der Verwaltung bei dieser
Optionserklärung nicht um ein laufendes Geschäft der Verwaltung im Sinne der
Gemeindeordnung NRW (GO NW) handeln dürfte, liegt hier die Entscheidungszuständigkeit
beim Rat der Stadt Haan.
Die Verwaltung schlägt vor, das angekündigte endgültige
BMF-Schreiben zu § 2b UStG abzuwarten (derzeit: Entwurfsfassung v. 28.09.2016)
und die möglichen positiven wie negativen Auswirkungen eingehend zu ermitteln.
Mit fachlicher Unterstützung sollte dann ein passgenaues Konzept erarbeitet
werden, dass auf die Stadt Haan zugeschnitten ist. Ggf. müssen
Organisationsänderungen, Softwareumstellungen u. a. dadurch spätestens bis zum
31.12.2020 erfolgen.
Um jedoch dazu die richtige Entscheidung treffen zu können, bedarf es dringend näherer Erläuterung der Finanzbehörden, womit in diesem Jahr aber nicht mehr zu rechnen ist. Daher sollte vorsorglich die Optionserklärung abgegeben werden, so dass ggf. bis spätestens zum 31.12.2020 noch nach bisherigem Recht rechtssicher weitergehandelt werden kann.
Beschlussvorschlag:
Die Bürgermeisterin wird beauftragt, spätestens bis zum
31.12.2016 für die Stadt Haan folgende (widerrufliche) Optionserklärung nach §
27 Abs. 22 UStG an das Finanzamt Hilden abzugeben:
„Hiermit erkläre ich, dass die Stadt Haan § 2 Absatz 3 UStG
in der am 31.12.2015 geltenden Fassung für sämtliche nach dem 31.12.2016 und
vor dem 01.01.2021 ausgeführten Leistungen weiterhin anwendet.“