Sachverhalt:

 

Mit dem Inkraftreten der novellierten Bauordnung (BauO NRW) 2019 wurden die NRW-Kommunen ermächtigt, mittels Stellplatzsatzung individuelle Regelungen zur Herstellung von notwendigen Stellplätzen für Kraftfahrzeuge und von Fahrradabstellplätzen festzulegen. Die politische Beschlusslage in Haan sieht die Einführung einer Stellplatzsatzung vor, die als „Chance für einen Baustein zur Nachhaltigen Kommune zu begreifen“ ist. Die Verwaltung ist mit Beschlussvorlage 61/014/2021[1] näher auf den zugrunde liegenden Beschluss des Fachausschusses, die Satzungsermächtigung und vorhandene Hilfestellungen zur Einführung einer Stellplatzsatzung[2] sowie auf ein gutes Praxisbeispiel eingegangen. Sie hat auf dieser Grundlage mit vorgenannter Vorlage einen ersten Verwaltungsentwurf einer Stellplatzsatzung für Haan zur politischen Beratung eingebracht.

 

Im Rahmen der Beratung wurden seitens der Fraktionen verschiedene Fragen gestellt und Änderungs- und Ergänzungswünsche vorgetragen bzw. in schriftlicher Form eingereicht. Die Verwaltung hat die schriftlichen Eingaben der Fraktionen mit Vorlage 61/029/2021[3] zur Kenntnis gegeben.

 

Mit der Neufassung der Landesbauordnung, die am 02.07.2021 in Kraft getreten ist, wurde auch die Vorschrift zu Stellplätzen, Garagen und Fahrradabstellplätzen in § 48 BauO NRW neu gefasst.

 

In der Neufassung des § 48 BauO NRW werden die Regelungsinhalte dieses Paragrafen, die vormals umfangreicher waren, weitgehend auf die Herstellungspflicht und den Ort der notwendigen Stellplätze, Garagen und Fahrradabstellplätze, weiterhin das Verhältnis zu anderweitigen Festlegungen durch Bebauungsplan oder örtliche Bauvorschrift sowie den Verwendungszweck für Ablösebeträge zurückgeführt. Die Befugnis zur kommunalen Satzung wird unter § 89 (1) Nr. 4 BauO neu verortet und mit wenigen Änderungen nun allgemeiner definiert. Demnach können "die Gemeinden durch Satzung örtliche Bauvorschriften erlassen über" (...) "Zahl, Größe und Beschaffenheit der Stellplätze und Fahrradabstellplätze ein-schließlich deren Zubehörnutzungen (§ 48 (1), die unter Berücksichtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Bedürfnisse des ruhenden Verkehrs, der städtebaulichen Situation und der Erschließung durch Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs für Anlagen erforderlich sind, bei denen ein Zu- und Abgangsverkehr mit Kraftfahrzeugen und Fahrrädern oder fahrradähnlichen Leichtkrafträdern zu erwarten ist (notwendige Stellplätze, notwendige Fahrradabstellplätze), einschließlich des Mehrbedarfs bei Änderungen und Nutzungsänderungen der Anlagen, sowie die Ablösung der Herstellungspflicht und die Höhe der Ablösungsbeträge, die nach Art der Nutzung und Lage der Anlage unterschiedlich geregelt werden kann. Zudem wird im Hinblick auf die Möglichkeit, durch Satzung örtliche Bauvorschriften zu erlassen, in § 89 (1) Nr. 5 BauO nun auch die Gestaltung der Stellplätze für Kraftfahrzeuge genannt.

 

Aufgrund der Neufassung der BauO NRW und um Vorschläge aus der Politik berücksichtigen zu können, ergibt sich die Notwendigkeit zur Anpassung des Satzungsentwurfs.

 

Die Erarbeitung einer Stellplatzsatzung erfolgt dabei aufgrund der verschiedenen teils entgegenstehenden Belange in einem großen Spannungsfeld.[4] Entsprechend gab es auch im verwaltungsinternen Austausch zur Stellplatzsatzung zunächst unterschiedliche Sichtweisen zu Wertungen von Eingaben bzw. sinnvollen Regelungsinhalten.

U. a. wurde auf die erhebliche Bindung von Personalkapazitäten im Zusammenhang mit der Einzelfallprüfung, Billigung und Sicherung von Maßnahmen zu einem geminderten Stellplatzbedarf hingewiesen. Ohne Erfahrungen in der praktischen Anwendung der Satzung kann diese jedoch erst im Rahmen der Evaluation konktretisiert werden. Gleichzeitig bilden gerade die Minderungsmöglichkeiten über einen ÖPNV-Bonus bzw. innovative Mobilitätskonzepte Anreize für ein Verkehrsverhalten im Sinne der Verkehrswende und sind damit aus Sicht der Verwaltung ein unverzichtbarer Bestandteil einer  Stellplatzsatzung mit o. g. Zielsetzung. Ein Interessenausgleich konnte zunächst nicht erzielt werden. Die Beratung über eine neue Stellplatzsatzung wurde entsprechend den Ausführungen der Verwaltung zurückgestellt.

 

Mit der originären Wiederbesetzung der Leitung des Baudezernats im Oktober wurde die verwaltungsinterne Abstimmung zur Stellplatzsatzung fortgesetzt.

In Anlage 1 dieser Vorlage ist das Prüfergebnis der Verwaltung zu den Fragen und Anmerkungen zum Entwurf der Stellplatzsatzung im Zuge der ersten politischen Beratung beigefügt. Die Verwaltung hat hierin auch eigene Vorschläge integriert. Zentraler Änderungsvorschlag der Verwaltung ist die Aufnahme einer Festsetzung zur Gestaltung von PKW-Stellplätzen. Entsprechend der Prüfergebnisse wird nun ein zweiter Verwaltungsentwurf einer Stellplatzsatzung zur politischen Beratung vorgelegt (s. Anlage 2).

 

Zu den wesentlichen Änderungen:[5]:

Präambel:

Die Rechtsgrundlagen werden entsprechend der aktuellen Fassung der BauO NRW und den erstmals vorgesehenen gestalterischen Festsetzungen ergänzt.

 

 

§ 2 Herstellungspflicht und Begriffe

§ 2 (2) Nr. 4, der die jeweils notwendige Mindestabstellfläche pro Fahrrad definiert, wird um eine Möglichkeit zur Flächenreduzierung bei Nachweis innovativer Abstellsysteme ergänzt.

 

 

§ 3 Anzahl der notwendigen Stellplätze und Fahrradabstellplätze

§ 3 (5) Satz 2 wird konkretisiert. Ein offensichtliches Missverhältnis, in dem die Gesamtzahl der nach Richtzahltabelle ermittelten Stellplätze und Fahrradabstellplätze zum tatsächlichen Bedarf stehen kann und das ggf. eine Erhöhung oder Minderung begründet, ist mittels Verkehrsgutachten oder einer gleichsam aussagekräftigen Stellungnahme zu belegen.

 

§ 3 (7) wurde dahingehend geändert, dass der Anwendungsbereich nun allgemein Änderungen oder Nutzungsänderungen, die dem Wohnen dienen, betrifft.

Der entstehende Mehrbedarf an notwendigen Stellplätzen muss nicht hergestellt werden, soweit nicht mehr als 50 m² Nutzfläche und nicht mehr als eine Wohneinheit durch die Nutzungsänderung oder die Änderung geschaffen werden.

 

Mit § 3 (8) wurde nun auch eine Sonderregelung für Änderungen und Nutzungsänderungen, die nicht dem Wohnen dienen für den Kernbereich der Innenstadt ergänzt. Ein Mehrbedarf muss nicht hergestellt werden, wenn dieser nicht mehr als zwei Stellplätze beträgt. Dies kann unter den Vorraussetzungen der weiteren Regelungen des Paragrafen in Anspruch genommen werden.

 

 

§ 4 Anforderungen an Stellplätze und Fahrradabstellplätze

In § 4 (3) Nr. 2 wird die Forderung eines "Anlehnbügels", mit dem ein sicherer Stand des Fahrrad ermöglicht werden soll, durch die Forderung einer "Anlehnvorrichtung" ersetzt.

 

In § 4 (4) wurde der bisherige Regelungsinhalt zur vorzuhaltenden Infrastruktur für Elektromobiliät durch einen Hinweis zu inzwischen bestehenden Reglungen durch das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz ersetzt.

 

Mit § 4 (5) wurde ein neuer Absatz zur Gestaltung von PKW-Stellplätzen aufgenommen. Demnach sind oberirdische Pkw-Stellplätze, wenn wasserrechtliche Bestimmungen nicht entgegenstehen, wasserdurchlässig anzulegen. Je angefangene 4 zusammenhängend angeordneter Stellplätze ist in räumlichem Zusammenhang ein Baum zu pflanzen und dauerhaft zu erhalten. Es werden weitere Vorgaben, wie zum erforderlichen Wurzelraum, gemacht.

 

§ 4 (6) wurde zur schlankeren Fassung der Stellplatzsatzung gestrichen, da die Regelungsinhalte bereits durch andere Rechtsvorschriften gegeben sind.

 

 

§ 5 Ablösung

Die Höhe des Ablösebeitrags für Fahrradabstellplätze wurde infolge der zusätzlichen Gestaltungsfestsetzung neu ermittelt und entsprechend erhöht.

Weiterhin wurde der Verwendungszweck in Anlehung an die aktuelle Formulierung in der BauO NRW angepasst.

 

 

Anlage 1: Richtzahlentabelle der verschiedenen Nutzungsarten und Nutzungen

Nr. 1.1 - Ein- und Zweifamilienhäuser:

Die Zahl der PKW-Stellplätze wurde auf zwei Stellplätze je Wohneinheit größer 60 m² Nutzfläche bei mindestens einem Stellplatz je Wohneinheit erhöht.

 

Nr. 1.3 (neu) - Geförderter Wohnungsbau:

Es wurde eine ergänzende Bemessungsregel für sozialen Wohnungsbau aufgenommen.

 

Nr. 6.5 - Sonstige Vergnügungsstätten:

Durch den Klammereinschub wurde klargestellt, dass die Richtzahl für sonstige Vergnügungsstätten auch auf Wettbüros und Spielhallen anzuwenden ist. Der Stellplatzschlüssel für sonstige Vergnügungsstätten wurde etwas angehoben.

 

Nr. 9.3 - Kraftfahrzeugwerkstätten:

Für die Richtzahl für Kraftfahrzeugwerkstätten wird eine andere Bezugsgröße vorgesehen (Stellplatz je Bühne anstelle Stellplatz je angefangener Wartungs- und Reparaturstand).

 

 

Fußnoten:

Die Erläuterungen zu dem in der Richtzahltabelle verwendeten Begriff der Bruttogrundfläche - bzw. umgangssprachlich Bruttogeschossfläche - wird klarer gefasst. Zudem wurde ein Hinweis zur möglichen Einsichtnahme in außerstaatliche Regelungen (hier eine DIN) aufgenommen, die im Amt für Stadtplanung und Vermessung eingesehen werden kann.

 

 

In Bezug auf die anstehende Beschlussfassung weist die Verwaltung noch einmal darauf hin, dass in schon bestehenden oder zukünftigen Bebauungsplänen oder sonstigen Satzungen abweichende Festsetzungen zu den Festlegungen der Stellplatzsatzungen getroffen sein bzw. werden können.

 

Die zum Beschluss anstehende Satzung beinhaltet zudem die Möglichkeit, den Stellplatzbedarf anhand der spezifischen Nutzungen und der Verkehrssituation des einzelnen Bauvorhabens individuell nachzuweisen.

 

 

Beschlussempfehlung / weiteres Vorgehen:

Die Verwaltung empfiehlt, die zum Beschluss vorgelegte Stellplatzsatzung in der Fassung vom 01.11.2021 zu beschließen. Nach erfolgtem Beschluss und Bekanntmachung im Amtsblatt kann die Stellplatzsatzung in Kraft treten. Die Stellplatzablösesatzung tritt damit außer Kraft. Die Stellplatzsatzung ist in der Praxis zu evaluieren.

 

Auf der Grundlage der Erfahrungen in der praktischen Anwendung der Satzung wird auch bewertet, in welchem Umfang sich ggf. ein Personalmehrbedarf bei der Bauaufsicht ergibt.

 



[1] für die Beratungsfolge des Ausschusses für Stadtentwicklung, Planung und Bau am 27.04.2021, des Ausschusses für Umwelt und Mobilität am 20.05.2021 (verschoben auf den 15.06.2021), des Haupt- und Finanzausschusses am 22.06.2021 (von der Tagesordnung genommen) und des Rates am 29.06.2021 (von der Tagesordnung genommen)

[2] wie die Musterstellplatzsatzung NRW und den begleitenden Leitfaden des Zukunftsnetzes Mobilität NRW

[3] für den Beratungslauf Ausschuss für Umwelt und Mobilität am 08.09.2021 und Ausschuss für Stadtentwicklung, Planung und Bau am 07.10.2021

[4] Belange sind z. B. die verkehrliche Erschließung von Nutzungen, Bestrebungen zur Stadtgestaltung, die Wirtschaftsförderung, die Gestaltung der Mobilitätswende, gleichzeitig aber auch der wirksame Vollzug der Stellplatzsatzung

[5] Eine nähere Erläuterung findet sich i.d.R. in dem in Anlage 1 dargestellten Prüfergebnis der Verwaltung.

Beschlussvorschlag:

 

Die Stellplatzsatzung der Stadt Haan in der Fassung vom 01.11.2021 wird beschlossen.

 

Finanz. Auswirkung:

 

Je nach Verlauf der weiteren Diskussion zur Stellplatzsatzung können sich Kosten für juristische oder fachgutachterliche Leistungen ergeben. Diese können jedoch ohne Kenntnis des Beratungsverlaufs nicht näher beziffert werden.