Sachverhalt:
Aufgrund neuer gesetzlicher Anforderungen an die Kämmerei hat zum 01.03.2022 eine Umorganisation stattgefunden, die insgesamt einen Stellenmehrbedarf von 2,7 Stellen erforderte. Dieser Stellenmehrbedarf wurde im Rahmen der Haushaltsplanberatungen 2022 eingebracht und für den Stellenplan 2022 beschlossen (Vorlage 10/064/2021). Während der Haushaltsplanberatungen wurde deutlich, dass das Aufgabenspektrum der Kämmerei weniger bekannt ist und mehr oder weniger auf die klassischen Zuständigkeiten Haushaltsplanung, Jahresabschluss, Vollstreckung sowie die Veranlagung der Real- und Aufwandssteuern reduziert wurde.
Mit dieser Vorlage soll das weitere Aufgabenspektrum der Kämmerei als Querschnittsamt insbesondere in Bezug auf die Digitalisierung des Finanzverfahrens und die Anbindung der Vorverfahren erstmals gebündelt dargestellt werden.
Das Finanzverfahren ist in jeder Kommune das zentrale Verfahren, in dem sämtliche finanzrelevanten Informationen aller anderen Fachverfahren unmittelbar oder über Schnittstellen zusammenlaufen. Rd. 70% aller Verwaltungsleistungen ziehen unmittelbar finanzielle Transaktionen nach sich. Die Administration von Fachverfahren (Fachsoftware) wird in der Gartenstadt Haan grundsätzlich durch die Fachämter wahrgenommen. Die Administration für das Finanzverfahren ist somit seit seiner Einführung im Jahr 2001 in der Kämmerei angesiedelt. Aufgrund des Programmumfangs, aber auch der Tatsache, dass das Finanzverfahren ein kritisches Verfahren darstellt, muss die störungsfreie Nutzung jederzeit vollumfänglich sichergestellt werden. Aus diesem Grund ist die Systemadministration des Finanzverfahrens redundant besetzt. Nur hierdurch ergeben sich ausreichend Personalkapazitäten, um die vielfältigen Projekte zur Weiterentwicklung des Finanzverfahrens und die automatisierte Anbindung der Vorverfahren initiieren oder begleiten zu können.
Die Kämmerei ist somit nicht nur zuständig für alle Projekte, die sich unmittelbar aus ihren originären Aufgabenbereichen ergeben, sondern auch in vielfältige Projekte der übrigen Fachämter eingebunden, die Bezug zum zentralen Finanzverfahren haben.
Im textlichen Teil erfolgt ein differenzierter Überblick, der in der beigefügten Tabelle zusammengefasst dargestellt wird.
Onlinezugangsgesetz ab 01.01.2023
Vor dem Hintergrund des OZG
wurden bereits die Hundesteueran- und -abmeldungen, die Anmeldung von Garten-/
Abzugswasserzählern, die Erteilung von SEPA-Lastschriftmandaten, steuerliche
Unbedenklichkeitsbescheinigungen und weitere Bescheinigungen auf der
Internetseite der Gartenstadt Haan eingerichtet.
Neben der Bereitstellung von Leistungen
fordert das OZG die Einrichtung bürgerfreundlicher Bezahlmöglichkeiten ggf.
über Bezahlplattformen für ein- und ausgehende Zahlungen.
Die Kämmerei ist hier federführend für die Ausweitung
elektronischer Bezahlverfahren / Einführung eines e-Payment-Systems. Der
bargeldlose Zahlungsverkehr muss ausgeweitet und den neuen Nutzergewohnheiten
angepasst werden. Neben der Ausweitung des Einsatzes von EC-Geräten, sollen
auch alle Bescheide mit einem QR-Code versehen und ein Bezahldienstleister
(z.B. paypal) implementiert werden. Verantwortlich hierfür ist die Kämmerei
gemeinsam mit der Fachadministration und den betroffenen Fachämtern.
Aus dem OZG ergibt sich weiterhin, dass nach
dem Registermodernisierungsgesetz Verwaltungsdaten mit Hilfe eines
unveränderbaren Zuordnungsmerkmals für den einzelnen Bürger, der Steuer-ID,
sicher und datenschutzkonform der richtigen Person zugeordnet werden müssen. Die
Steuer-ID liegt in den Stammdaten des Einwohnermeldeverfahrens vor, muss aber
auch in den Stammdaten der Personenkonten des Finanzverfahrens hinterlegt
werden.
Aus der Historie ergeben sich vielfältige
Schwierigkeiten, da bei Einführung des Finanzverfahrens Anfang der 2000er
Jahre, die Stammdatenerfassung nicht auf eine Person, sondern aufgabenbezogen
erfolgte. Da eine Person mehrfach angelegt ist, müssen entsprechend die Personenkonten
zusammengeführt werden, um die Anforderung erfüllen zu können. Aufgrund
der Vielzahl und des Umfangs erforderlicher Vorarbeiten wurde hieraus ein
Projekt unter Einbeziehung der Digitalisierungsstabsstelle. Ziel ist ein automatische
Datenabgleich mit den Stammdaten des Einwohnermeldewesens.
Optimierung Bargeldumlauf
Die Prozesse zur Bargeldverwaltung sind sehr
aufwendig und zeitintensiv und damit nicht mehr zeitgemäß. Zur Optimierung des
Bargeldumlaufs sind die Prozesse stark zu verschlanken. Sofern auf Bargeld
nicht verzichtet werden kann, soll eine interne zentrale Barkasse zur
Reduzierung des Verwaltungsaufwands in den verschiedenen Fachämtern bei
Bargeldgeschäften in der Finanzbuchhaltung implementiert werden. Durch die
zentrale Barkasse wird somit auch der Bargeldverkehr reduziert und Kosten eingespart.
Nicht vermeidbare Bargeldein- und -auszahlungen sollen in einer zentralen Barkasse
ausgeglichen und dann zentral von der Finanzbuchhaltung abgewickelt werden –
sei es bei der Bank direkt oder über einen Dienstleister. Die Kämmerei ist hier
in engem Austausch mit den Fachämtern.
Seit dem 01.01.2018 unterliegen die
elektronischen oder computergestützten Kassensysteme und Registrierkassen im
Sinne der KassenSichV der Kassennachschau gem. § 146b Abs. 1 Satz 2 AO. Die Verordnung zur Bestimmung der
technischen Anforderungen an elektronischen Aufzeichnungs- und
Sicherungssystemen im Geschäftsverkehr, abgekürzt KassenSichV, ist eine
Rechtsverordnung des Bundesfinanzministeriums zur Präzisierung der steuerrechtlichen
Mitwirkungspflichten bei aufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfällen. Die (TSE)
ist eine Schutzmaßnahme vor Manipulationen an digitalen Aufzeichnungen und Voraussetzung
für: Erfüllung der Vorgaben aus dem TCMS.
Die Einrichtung einer zentralen Barkasse sowie
die gesetzlich verpflichtende Einführung von TSE (technischen
Sicherungseinrichtung) -Kassen umfasst die Umstellung aller bisher
manuell geführten Barkassen (Ein- und Ausgabekassen) auf das Barkassenmodul des
Finanzverfahrens durch die Finanzbuchhaltung und die Fachadministration bei
gleichzeitiger Verfahrensoptimierung.
Einführung E-Rechnung
Über Portallösungen u.a. des Bundes sollen
elektronische Rechnungen empfangen und digital im Workflow weiterverarbeitet
werden können. Umgekehrt sollen aus den Fachverfahren
Ausgangsrechnungen/Bescheide erstellt, dem Workflow zugeführt und über
entsprechende Portale „versandt“ werden können. Grundsätzlich wurde die Möglichkeit
E-Rechnungen zu empfangen bereits umgesetzt, bislang wurden aber keine E-Rechnungen
empfangen, da v.a. die Portallösung des Bundes nicht stabil ist. Sobald
effiziente Portallösungen vorliegen, wird davon ausgegangen, dass E-Rechnungen
über das Portal an uns versandt werden.
Der Workflow im Finanzverfahren ist
unmittelbare Voraussetzung für die Umsetzung der E-Rechtsverordnung für
elektronische Rechnungen an öffentliche Auftraggeber auch im Sinne des OZG. Der
digitale Anordnungsworkflow für Eingangsrechnungen wurde durch Amt 20 bereits
in einigen Ämtern/Abteilungen umgesetzt: Amt 10, Abt. 20-3 Vollstreckung, Amt
32 Standesamt und Ordnungsamt, Amt 40 inkl. Bücherei und Amt 60. Weitere Ämter
folgen. Da zum einen in die Organisation des bisherigen analogen Anordnungsprozesses
eingegriffen wird und zum anderen sehr enge gesetzliche Voraussetzungen
hinsichtlich der Dokumentation der elektronischen Rechnungen bestehen, ist eine
enge Abstimmung zwischen den Fachämtern, der Organisationsabteilung und der
Kämmerei erforderlich.
Im Workflow werden sämtliche
Eingangsrechnungen nach dem Einscannen ausschließlich digital im
Finanzverfahren weiterverarbeitet, in die zuständigen Ämtern geleitet und von
diesen nach Prüfung angeordnet. Sowohl die eingegangenen Rechnungen als auch
die Anordnungen müssen im Anschluss digital revisionssicher abgelegt. Dies
erfolgt mit dem DMS. Aus den Erkenntnissen bei der Einrichtung des Workflows,
aber auch aus den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoBD) und des
internen Kontrollsystems (IKS) ergeben sich grundsätzliche
Änderungserfordernisse für das Rechtekonzept des Finanzverfahrens. Die Neuordnung
Nutzerrechte im Finanzverfahren erfolgt seitens der Fachadministration des
Finanzverfahrens in enger Abstimmung mit der Servicehotline des
Finanzverfahrens H+H proDoppik und den Fachämtern.
Im weiteren Verlauf ergibt sich auch die Notwendigkeit
der Prozessoptimierung im Anordnungswesen. Vor dem Hintergrund der gestiegenen
Anforderungen hinsichtlich der rechtlich einwandfreien steuerlichen Verbuchung
und zur präventiven Korruptionsvermeidung wird in der Kämmerei ein Zentraler
Rechnungseingang zur zentralen Rechnungsvorerfassung angestrebt. Hierfür
müssen die organisatorischen Abläufe in den Fachämtern vereinheitlicht werden. Zur
Umsetzung eines zentralen Rechnungseingangs mit automatischer Zuordnung
eingehender Rechnungen sind von den Fachämtern erteilte Aufträge unmittelbar im
Finanzverfahren zu erfassen und die Mittel zu binden. Zum 01.04.2022 wurde der Auftragszwang
für investive Baumaßnahmen eingeführt. Zukünftig sollen auch die Aufträge für
weitere Auszahlungen vorab angeordnet werden.
Elektronische Fachakten
Die praktische Einführung des Dokumenten-Management-Systems
(DMS) der Fa. Optimal Systems GmbH mit der Software „enaio“ startete dieses
Jahr mit der Einbindung vier verschiedener Fachbereiche (Wohngeld Abt. 50-1,
Steuerakte Abt. 20-1, Gewerbeakte Abt. 32-2 und Liegenschaftsakte Amt 60) an
die „elektronische Fachakte“.
Das bisher im Steueramt genutzte DMS
„Winyard“ wurde durch das DMS „enaio“ abgelöst. Zusammen mit der bereits
genutzten E-Steuer (Grundsteuer- u. Gewerbesteuermessbescheide erreichen das
Steueramt über eine digitale ELSTER-Schnittstelle) und der Nutzung des
Postdienstleisters, erfolgt die Steuersachbearbeitung damit weitgehend
papierlos.
Damit sind die ersten Voraussetzungen für
die Teilnahme am einheitlichen Gewerbesteuerbescheidformat bzw. den digitaler
Gewerbesteuerbescheid geschaffen. Derzeit gibt es in deutschen Kommunen rund
600 verschiedene Gewerbesteuerbescheidformate in Papierform. Verschiedene
Finanzsoftwareanbieter haben hierzu ein Projekt gestartet, um eine
medienbruchfreie Bereitstellung des Gewerbesteuerbescheides in elektronischer
Form bundesweit ab 2023 etablieren zu können. Damit Unternehmen und Steuerbüros
zukünftig die Bescheide maschinell weiterverarbeiten können, müssen die
Kommunen zusammen mit den Finanzverwaltungen und der jeweiligen Finanzsoftwareanbietern
die Voraussetzungen für diese Umsetzung schaffen. Die Koordination und
Durchführung dieser Aufgabe obliegt der Steuerabteilung und der
Fachadministration für das Finanzverfahren.
Die Umstellung des Archivs des Sachgebiets
Vollstreckung befindet sich in der Umsetzung. Im Anschluss an die pilotierten
Fachämtern wird das Sachgebiet Vollstreckung auf die digitale Fachakte in
„enaio“ umgestellt.
TCMS und § 2b Umsatzsteuergesetz (UStG)
Die grundsätzliche Unternehmereigenschaft
für juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) hat sich geändert und
ab 01.01.2023 werden Kommunen mit ihren Leistungen wie Unternehmer betrachtet; soweit
nicht eine Ausnahme zu § 2b UstG vorliegt. Hierfür ist im Rahmen einer Inventur
jede Tätigkeit und jeder Leistungsaustausch der Stadt Haan einzeln zu
untersuchen. Siehe hierzu auch Informationsvorlage 20/044/2022 zur Einrichtung
einer Projektgruppe TCMS inkl. Präsentation, DOPA am 15.03.2022.
Darüber hinaus ergibt sich ab 01.01.2023
auch für die jPöR die Verpflichtung organisatorisch ein System (Tax Compliance Management
System) zu implementieren und personell auszustatten, um alle Pflichten, die
sich aus den Steuergesetzen und untergesetzlichen Regelungen ergeben,
vollständig und termingerecht zu erfüllen. Eine Folge dieser Neuerungen ist die
Ausweitung und Vervollständigung des Internes Kontrollsystem (IKS), in
dem sämtliche Prozesse hausweit (s.o.) optimiert, aufeinander abgestimmt und
anhand von Verfahrensdokumentationen und Dienstanweisungen dokumentiert und
strukturiert werden müssen. Von der Kämmerei
sind die bestehenden Richtlinien, Dienstanweisungen, Rechtevergaben und Prüfverfahren
anzupassen, Frühwarnsysteme zu implementieren und Bilanzierungsrichtlinien und
ein Kontierungshandbuch zu erstellen.
Darüber hinaus erfordern die Regelungen des
TCMS den Aufbau eines zentralen Vertragskatasters mit allen Daten aus allen
bestehenden Verträgen, in denen die Stadt Haan Vertragspartner ist (Vertragsmanagement).
Aus dem Erfordernis eines zentralen Vertragskatasters ergibt sich das
Erfordernis der Einführung einer Vertragssoftware, welche durch eine
Auftragserweiterung zum implementierten DMS enaio bereitgestellt werden kann. Die
vollständige Aufarbeitung und Dokumentation aller vertraglichen Regelungen
inkl. der Einrichtung einer Vertragssoftware ist erst später realistisch.
Zentrales Fördermittelmanagement
Zur rechtlich einwandfreien
Fördermittelbeschaffung und -abrechnung und zur Vermeidung von Rückzahlungen
bzw. zur aktiven Fördermittelgewährung wurde in der Kämmerei ein zentrales
Fördermittelmanagement zum 01.03.2022 eingerichtet. Die Kämmerei folgt damit den
Feststellungen und Empfehlungen aus dem Gesamtbericht zur überörtlichen Prüfung
der GPA. Dabei steht die Standardisierung von Abläufen und verfahrensbezogenen
Arbeitsschritten zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Effizienz bei der
Gewährung und Inanspruchnahme von Fördermitteln im Vordergrund. Zur Vermeidung
von Rückforderungen trägt die Implementierung eines Fördercontrollings bei. Zur
technischen Unterstützung bei der Planung, Überwachung, Terminierung und
Dokumentation des gesamten Verfahrensablaufs, der Mittelabrufe und
Verwendungsnachweise wurde die Auswahl und Beschaffung einer Fördermittelsoftware
gestartet. Die informatorische Nutzung soll durch alle Fachämter,
die Fördermittel erhalten oder auszahlen sichergestellt werden; die Administration
erfolgt durch Kämmerei als Fachamt. Eine Anbindung ans Finanzverfahren erfolgt
später.
Beschlussvorschlag:
Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen.
Finanz. Auswirkung:
keine