Betreff
Informationsvorlage über die in Amt 20 / Kämmerei angesiedelten und angrenzender Projekte
Vorlage
20/049/2022
Aktenzeichen
20
Art
Informationsvorlage

Sachverhalt:

Aufgrund neuer gesetzlicher Anforderungen an die Kämmerei hat zum 01.03.2022 eine Umorganisation stattgefunden, die insgesamt einen Stellenmehrbedarf von 2,7 Stellen erforderte. Dieser Stellenmehrbedarf wurde im Rahmen der Haushaltsplanberatungen 2022 eingebracht und für den Stellenplan 2022 beschlossen (Vorlage 10/064/2021). Während der Haushaltsplanberatungen wurde deutlich, dass das Aufgabenspektrum der Kämmerei weniger bekannt ist und mehr oder weniger auf die klassischen Zuständigkeiten Haushaltsplanung, Jahresabschluss, Vollstreckung sowie die Veranlagung der Real- und Aufwandssteuern reduziert wurde.

Mit dieser Vorlage soll das weitere Aufgabenspektrum der Kämmerei als Querschnittsamt insbesondere in Bezug auf die Digitalisierung des Finanzverfahrens und die Anbindung der Vorverfahren erstmals gebündelt dargestellt werden.

Das Finanzverfahren ist in jeder Kommune das zentrale Verfahren, in dem sämtliche finanzrelevanten Informationen aller anderen Fachverfahren unmittelbar oder über Schnittstellen zusammenlaufen. Rd. 70% aller Verwaltungsleistungen ziehen unmittelbar finanzielle Transaktionen nach sich. Die Administration von Fachverfahren (Fachsoftware) wird in der Gartenstadt Haan grundsätzlich durch die Fachämter wahrgenommen. Die Administration für das Finanzverfahren ist somit seit seiner Einführung im Jahr 2001 in der Kämmerei angesiedelt. Aufgrund des Programmumfangs, aber auch der Tatsache, dass das Finanzverfahren ein kritisches Verfahren darstellt, muss die störungsfreie Nutzung jederzeit vollumfänglich sichergestellt werden. Aus diesem Grund ist die Systemadministration des Finanzverfahrens redundant besetzt. Nur hierdurch ergeben sich ausreichend Personalkapazitäten, um die vielfältigen Projekte zur Weiterentwicklung des Finanzverfahrens und die automatisierte Anbindung der Vorverfahren initiieren oder begleiten zu können.

Die Kämmerei ist somit nicht nur zuständig für alle Projekte, die sich unmittelbar aus ihren originären Aufgabenbereichen ergeben, sondern auch in vielfältige Projekte der übrigen Fachämter eingebunden, die Bezug zum zentralen Finanzverfahren haben.

Im textlichen Teil erfolgt ein differenzierter Überblick, der in der beigefügten Tabelle zusammengefasst dargestellt wird.

 

Onlinezugangsgesetz ab 01.01.2023

Vor dem Hintergrund des OZG wurden bereits die Hundesteueran- und -abmeldungen, die Anmeldung von Garten-/ Abzugswasserzählern, die Erteilung von SEPA-Lastschriftmandaten, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen und weitere Bescheinigungen auf der Internetseite der Gartenstadt Haan eingerichtet.

Neben der Bereitstellung von Leistungen fordert das OZG die Einrichtung bürgerfreundlicher Bezahlmöglichkeiten ggf. über Bezahlplattformen für ein- und ausgehende Zahlungen.

Die Kämmerei ist hier federführend für die Ausweitung elektronischer Bezahlverfahren / Einführung eines e-Payment-Systems. Der bargeldlose Zahlungsverkehr muss ausgeweitet und den neuen Nutzergewohnheiten angepasst werden. Neben der Ausweitung des Einsatzes von EC-Geräten, sollen auch alle Bescheide mit einem QR-Code versehen und ein Bezahldienstleister (z.B. paypal) implementiert werden. Verantwortlich hierfür ist die Kämmerei gemeinsam mit der Fachadministration und den betroffenen Fachämtern.

Aus dem OZG ergibt sich weiterhin, dass nach dem Registermodernisierungsgesetz Verwaltungsdaten mit Hilfe eines unveränderbaren Zuordnungsmerkmals für den einzelnen Bürger, der Steuer-ID, sicher und datenschutzkonform der richtigen Person zugeordnet werden müssen. Die Steuer-ID liegt in den Stammdaten des Einwohnermeldeverfahrens vor, muss aber auch in den Stammdaten der Personenkonten des Finanzverfahrens hinterlegt werden.

Aus der Historie ergeben sich vielfältige Schwierigkeiten, da bei Einführung des Finanzverfahrens Anfang der 2000er Jahre, die Stammdatenerfassung nicht auf eine Person, sondern aufgabenbezogen erfolgte. Da eine Person mehrfach angelegt ist, müssen entsprechend die Personenkonten zusammengeführt werden, um die Anforderung erfüllen zu können. Aufgrund der Vielzahl und des Umfangs erforderlicher Vorarbeiten wurde hieraus ein Projekt unter Einbeziehung der Digitalisierungsstabsstelle. Ziel ist ein automatische Datenabgleich mit den Stammdaten des Einwohnermeldewesens.

 

Optimierung Bargeldumlauf

Die Prozesse zur Bargeldverwaltung sind sehr aufwendig und zeitintensiv und damit nicht mehr zeitgemäß. Zur Optimierung des Bargeldumlaufs sind die Prozesse stark zu verschlanken. Sofern auf Bargeld nicht verzichtet werden kann, soll eine interne zentrale Barkasse zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands in den verschiedenen Fachämtern bei Bargeldgeschäften in der Finanzbuchhaltung implementiert werden. Durch die zentrale Barkasse wird somit auch der Bargeldverkehr reduziert und Kosten eingespart. Nicht vermeidbare Bargeldein- und -auszahlungen sollen in einer zentralen Barkasse ausgeglichen und dann zentral von der Finanzbuchhaltung abgewickelt werden – sei es bei der Bank direkt oder über einen Dienstleister. Die Kämmerei ist hier in engem Austausch mit den Fachämtern.

Seit dem 01.01.2018 unterliegen die elektronischen oder computergestützten Kassensysteme und Registrierkassen im Sinne der KassenSichV der Kassennachschau gem. § 146b Abs. 1 Satz 2 AO. Die Verordnung zur Bestimmung der technischen Anforderungen an elektronischen Aufzeichnungs- und Sicherungssystemen im Geschäftsverkehr, abgekürzt KassenSichV, ist eine Rechtsverordnung des Bundesfinanzministeriums zur Präzisierung der steuerrechtlichen Mitwirkungspflichten bei aufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfällen. Die (TSE) ist eine Schutzmaßnahme vor Manipulationen an digitalen Aufzeichnungen und Voraussetzung für: Erfüllung der Vorgaben aus dem TCMS.

Die Einrichtung einer zentralen Barkasse sowie die gesetzlich verpflichtende Einführung von TSE (technischen Sicherungseinrichtung) -Kassen umfasst die Umstellung aller bisher manuell geführten Barkassen (Ein- und Ausgabekassen) auf das Barkassenmodul des Finanzverfahrens durch die Finanzbuchhaltung und die Fachadministration bei gleichzeitiger Verfahrensoptimierung.

 

Einführung E-Rechnung

Über Portallösungen u.a. des Bundes sollen elektronische Rechnungen empfangen und digital im Workflow weiterverarbeitet werden können. Umgekehrt sollen aus den Fachverfahren Ausgangsrechnungen/Bescheide erstellt, dem Workflow zugeführt und über entsprechende Portale „versandt“ werden können. Grundsätzlich wurde die Möglichkeit E-Rechnungen zu empfangen bereits umgesetzt, bislang wurden aber keine E-Rechnungen empfangen, da v.a. die Portallösung des Bundes nicht stabil ist. Sobald effiziente Portallösungen vorliegen, wird davon ausgegangen, dass E-Rechnungen über das Portal an uns versandt werden.

Der Workflow im Finanzverfahren ist unmittelbare Voraussetzung für die Umsetzung der E-Rechtsverordnung für elektronische Rechnungen an öffentliche Auftraggeber auch im Sinne des OZG. Der digitale Anordnungsworkflow für Eingangsrechnungen wurde durch Amt 20 bereits in einigen Ämtern/Abteilungen umgesetzt: Amt 10, Abt. 20-3 Vollstreckung, Amt 32 Standesamt und Ordnungsamt, Amt 40 inkl. Bücherei und Amt 60. Weitere Ämter folgen. Da zum einen in die Organisation des bisherigen analogen Anordnungsprozesses eingegriffen wird und zum anderen sehr enge gesetzliche Voraussetzungen hinsichtlich der Dokumentation der elektronischen Rechnungen bestehen, ist eine enge Abstimmung zwischen den Fachämtern, der Organisationsabteilung und der Kämmerei erforderlich.

Im Workflow werden sämtliche Eingangsrechnungen nach dem Einscannen ausschließlich digital im Finanzverfahren weiterverarbeitet, in die zuständigen Ämtern geleitet und von diesen nach Prüfung angeordnet. Sowohl die eingegangenen Rechnungen als auch die Anordnungen müssen im Anschluss digital revisionssicher abgelegt. Dies erfolgt mit dem DMS. Aus den Erkenntnissen bei der Einrichtung des Workflows, aber auch aus den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoBD) und des internen Kontrollsystems (IKS) ergeben sich grundsätzliche Änderungserfordernisse für das Rechtekonzept des Finanzverfahrens. Die Neuordnung Nutzerrechte im Finanzverfahren erfolgt seitens der Fachadministration des Finanzverfahrens in enger Abstimmung mit der Servicehotline des Finanzverfahrens H+H proDoppik und den Fachämtern.

Im weiteren Verlauf ergibt sich auch die Notwendigkeit der Prozessoptimierung im Anordnungswesen. Vor dem Hintergrund der gestiegenen Anforderungen hinsichtlich der rechtlich einwandfreien steuerlichen Verbuchung und zur präventiven Korruptionsvermeidung wird in der Kämmerei ein Zentraler Rechnungseingang zur zentralen Rechnungsvorerfassung angestrebt. Hierfür müssen die organisatorischen Abläufe in den Fachämtern vereinheitlicht werden. Zur Umsetzung eines zentralen Rechnungseingangs mit automatischer Zuordnung eingehender Rechnungen sind von den Fachämtern erteilte Aufträge unmittelbar im Finanzverfahren zu erfassen und die Mittel zu binden. Zum 01.04.2022 wurde der Auftragszwang für investive Baumaßnahmen eingeführt. Zukünftig sollen auch die Aufträge für weitere Auszahlungen vorab angeordnet werden.

 

Elektronische Fachakten

Die praktische Einführung des Dokumenten-Management-Systems (DMS) der Fa. Optimal Systems GmbH mit der Software „enaio“ startete dieses Jahr mit der Einbindung vier verschiedener Fachbereiche (Wohngeld Abt. 50-1, Steuerakte Abt. 20-1, Gewerbeakte Abt. 32-2 und Liegenschaftsakte Amt 60) an die „elektronische Fachakte“.

Das bisher im Steueramt genutzte DMS „Winyard“ wurde durch das DMS „enaio“ abgelöst. Zusammen mit der bereits genutzten E-Steuer (Grundsteuer- u. Gewerbesteuermessbescheide erreichen das Steueramt über eine digitale ELSTER-Schnittstelle) und der Nutzung des Postdienstleisters, erfolgt die Steuersachbearbeitung damit weitgehend papierlos.

Damit sind die ersten Voraussetzungen für die Teilnahme am einheitlichen Gewerbesteuerbescheidformat bzw. den digitaler Gewerbesteuerbescheid geschaffen. Derzeit gibt es in deutschen Kommunen rund 600 verschiedene Gewerbesteuerbescheidformate in Papierform. Verschiedene Finanzsoftwareanbieter haben hierzu ein Projekt gestartet, um eine medienbruchfreie Bereitstellung des Gewerbesteuerbescheides in elektronischer Form bundesweit ab 2023 etablieren zu können. Damit Unternehmen und Steuerbüros zukünftig die Bescheide maschinell weiterverarbeiten können, müssen die Kommunen zusammen mit den Finanzverwaltungen und der jeweiligen Finanzsoftwareanbietern die Voraussetzungen für diese Umsetzung schaffen. Die Koordination und Durchführung dieser Aufgabe obliegt der Steuerabteilung und der Fachadministration für das Finanzverfahren.

Die Umstellung des Archivs des Sachgebiets Vollstreckung befindet sich in der Umsetzung. Im Anschluss an die pilotierten Fachämtern wird das Sachgebiet Vollstreckung auf die digitale Fachakte in „enaio“ umgestellt.

 

TCMS und § 2b Umsatzsteuergesetz (UStG)

Die grundsätzliche Unternehmereigenschaft für juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) hat sich geändert und ab 01.01.2023 werden Kommunen mit ihren Leistungen wie Unternehmer betrachtet; soweit nicht eine Ausnahme zu § 2b UstG vorliegt. Hierfür ist im Rahmen einer Inventur jede Tätigkeit und jeder Leistungsaustausch der Stadt Haan einzeln zu untersuchen. Siehe hierzu auch Informationsvorlage 20/044/2022 zur Einrichtung einer Projektgruppe TCMS inkl. Präsentation, DOPA am 15.03.2022.

Darüber hinaus ergibt sich ab 01.01.2023 auch für die jPöR die Verpflichtung organisatorisch ein System (Tax Compliance Management System) zu implementieren und personell auszustatten, um alle Pflichten, die sich aus den Steuergesetzen und untergesetzlichen Regelungen ergeben, vollständig und termingerecht zu erfüllen. Eine Folge dieser Neuerungen ist die Ausweitung und Vervollständigung des Internes Kontrollsystem (IKS), in dem sämtliche Prozesse hausweit (s.o.) optimiert, aufeinander abgestimmt und anhand von Verfahrensdokumentationen und Dienstanweisungen dokumentiert und strukturiert werden müssen. Von der Kämmerei sind die bestehenden Richtlinien, Dienstanweisungen, Rechtevergaben und Prüfverfahren anzupassen, Frühwarnsysteme zu implementieren und Bilanzierungsrichtlinien und ein Kontierungshandbuch zu erstellen.

Darüber hinaus erfordern die Regelungen des TCMS den Aufbau eines zentralen Vertragskatasters mit allen Daten aus allen bestehenden Verträgen, in denen die Stadt Haan Vertragspartner ist (Vertragsmanagement). Aus dem Erfordernis eines zentralen Vertragskatasters ergibt sich das Erfordernis der Einführung einer Vertragssoftware, welche durch eine Auftragserweiterung zum implementierten DMS enaio bereitgestellt werden kann. Die vollständige Aufarbeitung und Dokumentation aller vertraglichen Regelungen inkl. der Einrichtung einer Vertragssoftware ist erst später realistisch.

 

Zentrales Fördermittelmanagement

Zur rechtlich einwandfreien Fördermittelbeschaffung und -abrechnung und zur Vermeidung von Rückzahlungen bzw. zur aktiven Fördermittelgewährung wurde in der Kämmerei ein zentrales Fördermittelmanagement zum 01.03.2022 eingerichtet. Die Kämmerei folgt damit den Feststellungen und Empfehlungen aus dem Gesamtbericht zur überörtlichen Prüfung der GPA. Dabei steht die Standardisierung von Abläufen und verfahrensbezogenen Arbeitsschritten zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Effizienz bei der Gewährung und Inanspruchnahme von Fördermitteln im Vordergrund. Zur Vermeidung von Rückforderungen trägt die Implementierung eines Fördercontrollings bei. Zur technischen Unterstützung bei der Planung, Überwachung, Terminierung und Dokumentation des gesamten Verfahrensablaufs, der Mittelabrufe und Verwendungsnachweise wurde die Auswahl und Beschaffung einer Fördermittelsoftware gestartet. Die informatorische Nutzung soll durch alle Fachämter, die Fördermittel erhalten oder auszahlen sichergestellt werden; die Administration erfolgt durch Kämmerei als Fachamt. Eine Anbindung ans Finanzverfahren erfolgt später.

Beschlussvorschlag:

Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen.

Finanz. Auswirkung:

keine