Haushaltsdaten für Amt 51 "Jugend und Soziales"
- vertiefende Informationen
Sachverhalt:
Ausgehend von den Haushaltsplanberatungen 2010 sowie den stattgefundenen Diskussionen im Jugendhilfeausschuss (JHA) zum Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen über die „Überörtliche Prüfung der Stadt Haan von Oktober bis Dezember 2008“ ist die Verwaltung beauftragt, ergänzende Haushaltsinformationen dem JHA vorzulegen. Darüber hinaus sind diese Unterlagen eine zusätzliche Erläuterung für die neuen Mitglieder im JHA.
Dieses Datenmaterial ist als Anlage beigefügt und gliedert sich wie folgt:
Anlage 1: Produktplan 2010 Amt 51 – Übersicht
Anlage 2: Produktbeschreibungen Amt 51 - Kurzfassung
Anlage 3: Liste Produktsachkonten mit Planzahlen Haushaltsjahr 2009 und 2010
Anlage 4: Aufstellung / Fallzahlen ambulante und stationäre Hilfen
Der vorliegende GPA-Bericht geht für den Bereich des Amtes 51 u.a. schwerpunktmäßig auf die Umsetzung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung (§ 8 a SGB VIII) sowie auf das Verhältnis der ambulanten und stationären Hilfen und den damit erforderlichen und eingesetzten Ressourcen ein.
Seit dem Prüfzeitraum hat in Teilbereichen eine Weiterentwicklung in organisatorischer und personeller Hinsicht stattgefunden, die teilweise auch die Hinweise der Gemeindeprüfanstalt aufgreift. Die nachstehenden Ausführungen stellen insofern eine Beschreibung der Ist-Situation in 2010 dar. So ist u.a. bei der Steuerung des Bereichs Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung zwischenzeitlich die von der GPA geforderte Transparenz betr. Fallzahlen und Personaleinsatz / Personalkosten umgesetzt worden.
Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung (§ 8a SGB VIII)
Mit dem Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK - aus 2005
wurde der eingehend geregelte Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung als § 8a
ins Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) eingefügt.
In der Regierungsbegründung (BT-Drucks. 15/3676/2004) heißt es
einführend: "Vor dem Hintergrund spektakulärer Fälle von
Kindeswohlgefährdung (Vernachlässigung, sexueller Missbrauch) erscheint es
geboten, den aus dem staatlichen Wächteramt (Artikel 6 Abs. 2 Satz 2 GG)
abgeleiteten Schutzauftrag des Jugendamtes gesetzlich eindeutig zu formulieren.
….."
Mit dem Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei
Gefährdung des Kindeswohls aus 2008 (BGBl. I Nr. 28 vom 11.07.2008) wurden die
Verfahrensbefugnisse des Familiengerichts erweitert, hierdurch wird ein
intensives Zusammenwirken von Familiengericht und Jugendamt sichergestellt im
Sinne einer "Verantwortungsgemeinschaft". In § 1666 Abs. 3 BGB wurde
ein beispielhafter Maßnahmenkatalog eingeführt, hierüber hierüber kann das
Familiengericht unterhalb des Sorgerechtsentzugs Maßnahmen als
"niederschwelligen Eingriff" anordnen.
Mit § 8a SGB VIII wird klargestellt, dass das Jugendamt (jedem) Hinweis
auf eine Kindeswohlgefährdung nachzugehen hat, sich (ggf.) Informationen zur
Klärung des Sachverhaltes beschaffen soll und folgend eine Risikoabwägung
vornehmen muss. Die Risikoabwägung erfolgt mit dem Ziel der Feststellung, ob
der Schutz eines Kindes oder die Abwehr einer Gefahr durch eine Hilfe zur
Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII), durch die Einschaltung des Familiengerichts im
Hinblick auf Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB oder die Einschaltung anderer
Institutionen, z. B. Polizei, Psychiatrie o. a., zu gewährleisten ist.
Die Risikoabwägung (oder auch Gefährdungseinschätzung) stellt eine
besonders verantwortungsvolle Tätigkeit dar und erfordert eine entsprechende
Qualifikation. Das Gefährdungsrisiko ist im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte
einzuschätzen, hierbei sind der/die Personensorgeberechtigte/n sowie das Kind
bzw. die/der Jugendliche einzubinden, soweit dies den Schutzauftrag nicht
gefährdet. Im Rahmen der Wahrnehmung des Schutzauftrages sind alle
erforderlichen Dienststellen bzw. Institutionen zu beteiligen.
"Kindeswohl" als unbestimmter Rechtsbegriff kann nicht
eindeutig bzw. abschließend rechtlich definiert werden. Ebenso ist der Begriff
"Gefährdung" kein rechtlich in sich geschlossenes Wertprinzip. Das
Jugendamtes als vorbewertende, ggf. Hilfegewährende oder entscheidungsvorbereitende
Stelle und das Gericht als letzte Entscheidungsinstanz haben unter Anwendung
fachlicher Standards im Einzelfall Konkretisierungen vorzunehmen.
Die Tätigkeit nach § 8a SGB VIII umfasst regelmäßig (zusammengefasst
dargestellt) die zeitnahe Intervention, Diagnostik, Hilfeplanung und
kontinuierliche Kontrolle.
In
2009 / 2010 entstanden Vorgänge nach § 8a SGB VIII im Umfang von
- 2009: 50
Fälle
- 2010 (bis 25.08.): 50 Fälle - hochgerechnet bis 31.12.: rd. 70 Fälle
Unter Berücksichtigung der Ausführungen der GPA im Bericht über die
überörtliche Prüfung von Oktober bis Dezember 2008 (1 vollzeitverrechnete
Stelle je 120 Fälle/Jahr bei durchschnittlichen Laufzeiten von vier bis sechs
Wochen) ist aktuell ein Personalbedarf von rd. 0,5 Vollzeitstelle für die
Aufgabenerfüllung bereit zu stellen. Der von der GPA dargestellte
Bearbeitungsaufwand ist hier realistisch. Die erforderliche Personalressource
steht aktuell nicht zur Verfügung, der Aufwand muss von den vorhandenen Kräften
im BSD zu Lasten anderer Bearbeitungszeiten mit geleistet werden.
Der Jugendhilfeausschuss empfahl in der Sitzung am 10.02.2009 den Aufbau
eines "Sozialen Frühwarnsystems". In seiner Sitzung am 31.03.2009
überwies der Rat die Angelegenheit wegen "des weiterhin bestehenden
Beratungsbedarfes" an den Arbeitskreis Personal und Organisation.
Im Wesentlichen sind für ein "Soziales Frühwarnsystem"
Kooperationsstrukturen aufzubauen, die in Gefährdungssituationen von Kindern
und Jugendlichen die Handlungsoptionen bei allen Beteiligten erweitern. Hierzu
sind verbindliche und transparente Informations- und Kooperationsstrukturen zu
schaffen und die verschiedenen Fachkräfte und Dienste (u. a. Hebammen,
Kindertagesstätten, Kinderärzte, Gesundheitsamt, Kinder- und Jugendhilfe u. a.)
in einem Netzwerk zu verzahnen. Die Verwaltung betrachtet das in diesem Jahr
gestartete "Begrüßungspaket" für Neugeborene und deren Mütter / Väter
als ein unterstützendes Element eines Frühwarnsystems.
Hinsichtlich der im Bereich "Begrüßungspaket" tätigen Fachkraft
ist klarzustellen, dass von dieser keine Tätigkeiten nach § 8a SGB VIII
wahrgenommen werden. Allenfalls können von dieser Fachkraft ggf. Hinweise, ggf.
aus einem Hausbesuch, im Sinne von
§ 8a SGB VIII aufgenommen werden und im Jugendamt der zuständigen Stelle
(Bezirkssozialdienst bzw. Abteilungsleitung 51-1) zugeleitet werden. Ebenso
kann von der für das "Begrüßungspaket" eingesetzten Fachkraft die mit
dem Frühwarnsystem verbundene erforderliche Netzwerkarbeit - wie zuvor
beschrieben - kapazitätsmäßig nicht geleistet werden.
Personalkosten der
Kindeswohlgefährdung
Bezirk |
Anzahl Vorgänge |
|
||||
|
2009 |
2010[1] |
|
|||
|
Bezirk 1 (Gruiten, Haan-Nord) |
13 |
7 |
|||
|
Bezirk 2 (Haan-Ost) |
16 |
11 |
|||
|
Bezirk 3 (Innenstadt, teilw. Haan-West) |
10 |
14 |
|||
|
Bezirk 4 (Haan-Süd, teilw. Haan-West) |
11 |
18 |
|||
|
Summe |
50 |
50 |
|||
|
2009 |
2010 |
Anzahl der Fälle |
50 |
70[2] |
Anzahl der Vollzeitstellen[3] |
0,42 |
0,58 |
Durchschnittl. Anzahl der
Vollzeitstellen |
0,50 |
|
Kosten pro Vollzeitstelle[4] |
57.000
Euro |
|
Durchschnittliche Kosten der
Kindeswohlgefährdung |
28.500
Euro |
Ambulante Hilfen zur Erziehung nach § 27 ff SGB VIII
(siehe auch Anlage 4)
Die Anlage 4 stellt ferner für die aktuelle und zukünftige Diskussion im Detail die Fallzahlenentwicklung für stationäre und ambulante Hilfen dar. Diese ist Basis für die Konkretisierung der Haushaltsbudgets 2011 und wird auch in die Kennzahlendarstellung / Produktbeschreibungen des Haushaltsplanes 2011 eingearbeitet.
Eine ambulante Hilfe zur Erziehung wird eingesetzt, wenn schwierige oder belastende Situationen und Entwicklungsphasen bei Kindern /Jugendlichen eintreten, Defizite in der Erziehungskompetenz der Eltern die Hilfeleistung notwendig machen oder andere individuelle Hilfestellungen flexibel auf den Bedarf des Kindes/ Jugendlichen und /oder dessen Familie zugeschnitten werden müssen. Welche Hilfe für den Einzelfall am besten geeignet ist, hängt davon ab, wie ernst die aktuelle Gefährdung des Kindes einerseits und wie beschaffen die Konfliktlage der Familie in ihren Zusammenhängen (Umfeld, Berufssituation etc.) andererseits sind. Ambulanten Leistungen wird hier bei vergleichbarer Wirksamkeit regelmäßig der Vorzug vor stationären Hilfen eingeräumt.
Zu den ambulanten Hilfen gem. SGB VIII zählen folgende Hilfearten:
Produktkonto |
Hilfeart gem. SGB VIII |
|
|
060310.533116 |
§ 28 |
Erziehungsberatung durch Erziehungsberatungsstellen u.
andere Beratungsdienste |
Erziehungsberatung dient dazu, Kindern und ihren Familien
individuelle Beratung in Bezug auf familienbezogene Probleme,
Erziehungsfragen sowie zu Fragen bei Trennung und Scheidung zu geben |
060310.533117 |
§ 29 |
Soziale Gruppenarbeit |
Hier geht es um die Überwindung von
Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen. |
060310.533118 |
§ 30 SGB VIII |
Erziehungsbeistand |
Kinder/Jugendliche sollen durch eine
Erziehungsbeistandschaft bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen unter
Einbeziehung ihres sozialen Lebensumfelds unterstützt werden |
060310.533119 |
§ 31 SGB VIII |
Sozialpädagogische Familienhilfe |
Ziel dieser Hilfe ist es, Familien in ihren
Erziehungsaufgaben zu betreuen und zu begleiten. |
060310.533122 |
§ 35 SGB VIII |
Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung |
Die Hilfe wird Jugendlichen in besonders gefährdenden
Lebenssituationen gewährt u. umfasst neben der intensiven Hilfestellung bei
persönlichen Problemen auch Hilfestellung bei der Beschaffung und dem Erhalt
einer geeigneten Wohnmöglichkeit |
060310.533123 |
§ 35 a SGB VIII |
Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und
Jugendliche |
Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf
Eingliederungshilfe, wenn ihre seel. Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit
länger als 6 Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht,
u. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder
die Beeinträchtigung zu erwarten ist. |
Hilfen zur Erziehung sind Unterstützungsleistungen für junge Menschen und ihre Familien in schwierigen Lebenskonstellationen. Auch schulische Probleme spielen eine nicht unwesentliche Rolle im Rahmen eines Arbeitseinsatzes einer pädagogischen Fachkraft. Eine Gefährdung des Kindeswohls als Grund für eine Hilfe zur Erziehung hat bei den familienersetzenden Maßnahmen eine größere Bedeutung als bei den eher familienunterstützenden und familienergänzenden Leistungen.
Das Spektrum der Gründe für eine erzieherische Hilfe liegt nicht nur in
der eingeschränkten Erziehungskompetenz der Eltern, sondern ist differenzierter
zu beschreiben wie z.B. durch:
· unzureichende Betreuung/Versorgung des Kindes oder Jugendlichen z.B. Ausfall der Bezugspersonen wegen Krankheit, stationärer Unterbringung, Inhaftierung, Tod
· unzureichende Förderung/Betreuung/Versorgung des Kindes/Jugendlichen z.B. soziale, gesundheitliche , wirtschaftliche Probleme
· Belastungen des Kindes/Jugendlichen durch Problemlagen der Eltern z.B. psychische Erkrankung, Suchtverhalten, geistige oder seelische Behinderung
· Belastungen des Kindes/ Jugendlichen durch familiäre Konflikte z.B. Partnerschaftskonflikte, Trennung und Scheidung, Umgangs- Sorgerechtsstreitigkeiten, Eltern-Stiefeltern-Kind-Konflikte, migrationsbedingte Konfliktlagen
· Auffälligkeiten im sozialen Verhalten des Kindes/Jugendlichen z.B. Gehemmtheit, Isolation, Geschwisterrivalität, Weglaufen, Aggressivität, Drogen- Alkoholkonsum, Delinquenz
· Entwicklungsauffälligkeiten/seelische Probleme des Kindes/Jugendlichen z.B. Entwicklungsrückstand, Ängste, Zwänge, selbst verletzendes Verhalten, suizidale Tendenzen
· schulische/berufliche Probleme des Kindes/Jugendlichen z.B. Schwierigkeiten mit Leistungsanforderungen, Konzentrationsprobleme, schulvermeidendes Verhalten
· Gefährdung des Kindeswohls z.B. Vernachlässigung, körperliche, psychische, sexuelle Gewalt in der Familie
Seit Anfang des Jahres 2002 wird das Team der ambulanten Fachkräfte von
einem hauptamtlichen Mitarbeiter mit 14 Wochenstunden begleitet. Aktuell
besteht das Team aus 12 freiberuflichen Fachkräften, mit folgenden Qualifikationen:
2 Dipl. Psychologen mit verschiedenen Zusatzqualifikationen wie
Psychotherapeut oder Sozialtherapeut
1 Dipl. Sozialarbeiter mit Zusatzqualifikation als
Jugendfreizeitleiter
7 Dipl. Sozialpädagoginnen mit unterschiedlichen
Zusatzqualifikationen wie unter anderem: systemische Familienberaterin,
Familientherapeutin, heilpädagogische Spieltherapeutin, zertifizierte
Medienpädagogin, Klientenzentrierte Beraterin,
2 Familienpflegerinnen
Alle Fachkräfte verfügen über eine mehrjährige Berufserfahrung in
weiteren pädagogischen Bereichen wie Heimerziehung, Psychiatrie,
Schulsozialarbeit, verfügen über längere Erfahrungen im Bereich ambulante
erzieherische Hilfen und arbeiten in der Regel im Bereich der Jugendhilfe für
weitere Träger und Jugendämter.
Grundsätzlich werden ambulante Leistungen in den o.g. Hilfearten in Form
von Fachleistungsstunden erbracht. Dabei wird in diesem Bereich mit einer
Pauschalierung des Stundenumfanges gearbeitet, der in besonderen Problemfällen
auf Antrag der Fachkraft von 16 Fachleistungsstunden im Monat erhöht werden
kann. Die Fachkräfte erhalten einen Stundensatz von 25,31 EUR, mit Ausnahme der Familienhelferinnen. Hier
wird eine Fachkraftstunde mit 22,50 EUR vergütet.
Das ambulante Modell hat sich seit Jahren sehr gut
bewährt. Im Sinn einer integrativen Jugendhilfeorientierung, die an die
Ressourcen einer Familie anknüpft und die Möglichkeiten im Lebensfeld
einbezieht, besteht durch die Nähe zur Fallführung im Bezirkssozialdienst eine
gute Steuerungsmöglichkeit. Durch eine enge Kooperation zwischen der ambulanten
Fachkraft und der fallführenden Sozialarbeiterin bzw. dem Sozialarbeiter ist
ein flexibles Handeln im Einzelfall gewährleistet. Es entsteht ein
maßgeschneidertes sozialpädagogisches Arrangement für die einzelne Familie. Das
bedeutet, es wird nicht nur ein multiprofessionelles Team ambulanter Fachkräfte
vorgehalten, vielmehr kann ad hoc für jede Problemstellung eine Unterstützung
angeboten werden.
Zentrale Bedeutung für die Bestimmung der konkreten Hilfe im Einzelfall
haben die Verfahrensvorschriften für den § 36 SGB VIII zur Hilfeplanung. Der
sozialpädagogischen Diagnose und der Entwicklung des Hilfeplans kommt eine
große Bedeutung zu. Bei gründlicher Ermittlung des erzieherischen Bedarfs wird
nur eine geringe Bandbreite von Hilfen in Frage kommen, die sowohl notwendig
als auch geeignet zur Besserung der Mangellage sind. Grundsätzlich wird vor der
Entscheidung über die Gewährung einer stationären Hilfe eine ambulante
Unterstützung in einem Familiensystem vorgeschaltet.