Betreff
Flüchtlings- und Obdachlosenbetreuung in Haan mit städtischem Personal
- hier: Anfrage der GAL-Fraktion vom 20.02.2020
Vorlage
50/035/2020
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Sachverhalt:

 

Mit Schreiben vom 20.02.2020 stellte die GAL-Fraktion für die Sitzung des SIA am 11.03.2020 die nachfolgende Anfrage:

 

„Hat die Verwaltung geprüft, ob und wie die Flüchtlings- und Obdachlosenbetreuung in Haan in Zukunft mit städtischem Personal umgesetzt werden kann?“ (siehe Anlage 1)

 

Die Verwaltung hat, auch und gerade wegen des bevorstehenden Amtsantrittes der neuen Dezernentin Frau Herz zum 01.04.2020 zugesagt, das Für und Wider der Umsetzung des Sozial- und Integrationsmanagements (im nachfolgenden SIM benannt) mit eigenem Personal in einer Vorlage für den SIA am 27.05.2020 darzustellen.

 

Die Stadt Haan als zuständige Behörde im Rahmen der Betreuung von Flüchtlingen und wohnungslosen Bürgern hat diese teilweise pflichtigen Aufgaben aufgrund fehlender personeller Ressourcen im Jahre 2008 auf den Caritasverband im Kreis Mettmann übertragen.

 

Aufgrund der geänderten Auffassung der Verwaltung zur Zulässigkeit der Auftragsvergabe ohne Ausschreibungsverfahren und dem sich daraus ergebenden Beschluss des Rates der Stadt Haan vom 12.12.2017 (Einstellung der Haushaltsmittel) wurde das bisherige Betreuungsmanagement für Flüchtlinge und Obdachlose erstmals als Sozial- und Integrationsmanagement (SIM) für den Leistungszeitraum ab 01.07.2018 öffentlich ausgeschrieben.

 

Bei den anzustellenden Überlegungen ist seitens des Fachamtes einerseits von der sozialen Betreuung der Wohnungslosen bzw. Obdachlosen und andererseits von der sozialen Betreuung von anerkannten Flüchtlingen, asylsuchenden Personen und ausreisepflichtigen Personen ausgegangen worden.

 

Es ergibt sich nachfolgendes Lagebild:

 

(Aufenthalts-) Status

Personenanzahl

 

01.05.2019

01.05.2020

 

 

 

Aufenthaltserlaubnis (u. a. anerkannte Flüchtlinge, Familiennachzug)

246

256

Duldung (ausreisepflichtig)

92

122

Aufenthaltsgestattung (lfd. Asylverfahren)

110

95

heimische Wohnungslose (Deutschland / EU)

33

25

 

 

 

Summe

481

498

 

Die vorgenannten Zielgruppen sind in städtischen Unterkünften an bis zu acht verschiedenen Standorten untergebracht sowie dezentral in Privatwohnungen wohnhaft. 

 

Zunächst ist festzustellen, dass die Kommunen vor Ort die nächsten Ansprechpartner für die Menschen sind. Sie tragen Sorge dafür, diesen dabei zu helfen, die Gründe z. B. für Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu überwinden, einen Asylantrag weiterzuverfolgen oder eine Aktivierung der Selbsthilfe zu ermöglichen. Ziel ist u.a. die Unabhängigkeit von Transferleistungen.

Hierbei ist die Aufgabenstellung des SIM von den Aufgaben des Allgemeinen Sozialen Dienstes der Stadt Haan (ASD) abzugrenzen. Beim ASD werden Klienten im Bereich der Wohnungslosigkeit insbesondere im Vorfeld der Räumung beraten und intensiv begleitet. Im Aufgabenbereich der geflüchteten bzw. zugewanderten Personen übernimmt der ASD die Klienten, wenn sie bereits drei Jahre in einer eigenen Wohnung leben (siehe auch Leistungsbeschreibung SIM).

Die Ausführung der Flüchtlings- und Obdachlosenbetreuung durch eigenes Personal weist insbesondere die nachfolgend dargestellten Vorteile und Nachteile auf:

 

Vorteile:

 

  • Vermeidung des Wechsels der Bezugsperson der sozialen Arbeit für den Klienten in Folge der neuen Beauftragung eines Dienstleisters. Hier lässt sich eine längerfristige und stringente Konsistenz der Beratung erreichen. Mithin entstehen bessere Möglichkeiten, die Entwicklung der Klienten positiv zu forcieren, realistischere Einschätzungen bzgl. ihrer Wohnfähigkeit vorzunehmen, Unterstützung bei der persönlichen Entwicklung zielgenau anzubieten und Vermittlungshindernisse abzubauen, um so dem Ziel der Unabhängigkeit von Transferleistungen näher zu kommen.

  • Langfristige und verlässliche Netzwerkarbeit mit ehrenamtlichen Unterstützern, Vermietern, Beratungsstellen, Ansprechpartnern für kommunale Dienstleistungen (KITA, Schule usw.), Jobcenter, Anbietern von Integrationskursen etc.

  • Dienst- und Fachaufsicht bei der verantwortlichen Führungskraft; abteilungsinterne engere Steuerung und Zusammenarbeit zwischen Leitung bzw. Sachbearbeitung hinsichtlich der Unterkünfte als Ordnungsbehörde einerseits und der Sozialarbeit (SIM) andererseits

  • Höhere Identifikation eigener Mitarbeitender mit der Aufgabenstellung und Zielerreichung

  • Fachwissen geht durch Anbieterwechsel nicht mehr verloren.

  • Wegfall etwaiger Qualitätsunterschiede bei verschiedenen Dienstleistern (bei einem Wechsel des Auftragnehmers)

  • Bessere Planbarkeit finanzieller Ressourcen unabhängig vom Ausschreibungsverfahren (ungewisse Preisentwicklungen im Bereich soziale Arbeit)

 

  • Verminderung des Verwaltungsaufwandes für die regelmäßige Durchführung von Vergabeverfahren (Erstellung Leistungsbeschreibung usw.)

 

Nachteile:

 

  • Das Risiko für die Stellenbesetzung und denkbare Personalausfälle liegt ausschließlich bei der Stadt Haan (Fachkräftemangel in sozialen Berufen).

 

  • Entsprechend der derzeitigen Personalausstattung für die Erfüllung der Aufgabe durch European Homecare müssen mindestens drei Mehrstellen längerfristig im Stellenplan ab Januar 2022 vorgesehen werden (gebundene finanzielle Ressourcen; Personalkosten siehe unten).

 

  • Es bestehen besondere Anforderungen hinsichtlich durchzuführender Fortbildungen, die nicht vom Basiswissen sozialpädagogischen Fachpersonals abgedeckt wird und daher zusätzlichen finanziellen Aufwand darstellt (z.B. Fortbildungen in Sachen Traumabewältigung, Ausländerrecht)

 

  • Auf Veränderungen z.B. bei der Anzahl der zu betreuenden Bewohner der städtischen Unterkünfte kann weniger spontan reagiert werden. Bei regelmäßigen Ausschreibungen dagegen kann über die Leistungsbeschreibung eine ständige Anpassung erfolgen. Über einen Dienstleister könnte bei ad hoc steigenden Flüchtlingszahlen das SIM-Beratungsteam voraussichtlich wesentlich schneller aufgestockt werden (leichte Skalierbarkeit).

 

  • Bei Schlecht- bzw. Minderleistungen der eigenen Mitarbeiter besteht regelmäßig ein größerer Aufwand im Sinne der Qualitätsverbesserung im Gegensatz zum Austausch eines Mitarbeitenden durch den Auftragnehmer.

 

Neben der Betrachtung der möglichen Vor- und Nachteile im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung sind die zu erwartenden Personalkosten nebst den Kosten des Arbeitsplatzes zu berücksichtigen.

 

Wie der anliegenden Leistungsbeschreibung zu entnehmen ist, ist bei der externen Vergabe der Betreuung von Wohnungslosen und Flüchtlingen von einem Personalbedarf von drei Sozialarbeitern / Sozialpädagogen ausgegangen worden. Dabei entfallen auf die Flüchtlingsberatung zwei Stellen und auf die Betreuung von Wohnungslosen eine Stelle.

 

Die zu erwartenden Personalkosten stellen sich wie folgt dar, wenn von einer Eingruppierung in die S 14, Stufe 3 TVöD ausgegangen wird:

 

 

Monatlich

jährlich

TVöD-Entgelt

3.827,20 €

48.616,70 €

Sozialversicherung

760,70 €

9.662,50 €

RZVK

296,60 €

3.767,80 €

Bruttokosten

4.884,50 €

62.047,00 €

Sachkosten

808,30 €

9.700,00 €

Gemeinkosten

161,70 €

1.940,00 €

Gesamtkosten

5.854,50

73.387,00 €

 

Die Personalkosten zuzüglich der Kosten des Arbeitsplatzes beliefen sich bei Berücksichtigung von drei Sozialarbeitern/-pädagogen auf jährlich durchschnittlich 220.161 €. Hinzu kommen Fortbildungskosten i.H.v. jährlich ca. 5.000 €

 

Für das Sozial- und Integrationsmanagement (SIM) 2020 / 2021 steht gemäß Haushaltsplanung ein Jahresbudget in Höhe von maximal 280.000 € zur Verfügung. Hierbei werden bis zu drei Mitarbeiter durch den Auftragnehmer eingesetzt und eine stundengenaue Abrechnung der Arbeitsleistung vorgenommen. Es ist davon auszugehen, dass die vertraglich zugesicherte Jahressumme nicht oder nicht wesentlich unterschritten wird. Damit ergibt sich ein jährliches Einsparpotential i.H.v. von je ca. 55.000 € (abhängig von der jeweiligen Spitzabrechnung des Vertragspartners).

 

Unter Abwägung aller aufgelisteten Vor- und Nachteile empfiehlt die Verwaltung, die Flüchtlings- und Obdachlosenbetreuung perspektivisch mit eigenem Personal durchzuführen, sobald der Vertrag mit European Homecare zum 31.12.2021 ausläuft.

 

Beschlussvorschlag:

 

Die Betreuung der Flüchtlinge und Obdachlosen wird perspektivisch mit eigenem Personal durchgeführt, sobald der Vertrag mit European Homecare zum 31.12.2021 ausläuft. Die Verwaltung wird beauftragt wird, keine erneute externe Ausschreibung der Leistung vorzunehmen, sondern hierfür drei Stellen im Stellenplan 2022 zu berücksichtigen.

 

Finanz. Auswirkung:

 

siehe Sachverhalt