Betreff
Dichtheitsprüfung von privaten Abwasserleitungen
- Abänderung der Fristen innerhalb der Wasserschutzzone -
Vorlage
66/015/2011
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

Erläuterungen

 

1. Allgemeines

 

Der Anfang 2008 mit der letzten Änderung des Landeswassergesetzes (LWG NRW) neu eingeführte § 61a behandelt die Dichtheitsprüfung privater Abwasseranlagen (S. Anlage 1). Die gesetzliche Regelung wendet sich zwar in erster Linie an den privaten Grundstückseigentümer, der für die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich ist, erlegt den Gemeinden jedoch auch gewisse Pflichten auf. Die Vorgaben entstammen dem früheren § 45 der Landesbauordnung. Sie wurden jedoch nicht nur einfach in das Wasserrecht übernommen, sondern modifiziert und weiter entwickelt. So ist z.B. die Gemeinde verpflichtet, die Grundstückseigentümer bei der Durchführung der Dichtheitsprüfung zu beraten und zu unterstützen.

Die Dichtheitsprüfungen privater Abwasserleitungen sind durch Sachkundige vorzunehmen. Sie sind bei einer Änderung der Grundstücksentwässerungsanlagen sofort, und bei bestehenden Anlagen bis spätestens zum 31.12.2015 durchzuführen. Über das Ergebnis der Dichtheitsprüfung ist eine Bescheinigung zu fertigen, und der Gemeinde auf Verlangen vorzulegen. Die Prüfung ist in Abständen von maximal 20 Jahren zu wiederholen.

Neben der bereits erwähnten Beratung der Grundstückseigentümer ist die Gemeinde verpflichtet,

 

ü      die Bescheinigungen über die Dichtheitsprüfungen entgegenzunehmen

ü      abweichende Zeiträume für die Dichtheitsprüfung festzulegen, wenn

Ø      Sanierungsmaßnahmen an öffentlichen Abwasseranlagen in gesonderten Konzepten (ABK, Kanalsanierungs- oder Fremdwassersanierungskonzept) festgelegt sind

Ø      in abgegrenzten Bereichen des Gemeindegebietes die öffentliche Kanalisation im Zuge der Selbstüberwachungsverpflichtung nach § 61 überprüft wird

Ø      die privaten Abwasseranlagen in einem Wasserschutzgebiet liegen und

·        vor dem 01.01.1990 errichtet und der Fortleitung industriellen oder gewerblichen Abwassers dienen

·        vor dem 01.01.1965 errichtet wurden und der Fortleitung häuslichen Abwassers dienen.

 

 

 

2. Dichtheitsprüfung innerhalb einer Wasserschutzzone

 

Im Grundsatz fordert der § 61a eine Dichtheitsprüfung aller privaten im Erdreich oder unzugänglich verlegten Schmutzwasser führenden Abwasserleitungen bis zum 31.12.2015. Innerhalb einer Wasserschutzzone ist diese Frist jedoch von der Gemeinde zwingend durch Satzung zu verkürzen. Hiervon betroffen sind allerdings nur Grundstücke mit

·        Ableitungen für häusliches Abwasser, die vor 1965 oder

·        Ableitungen für gewerbliches oder industrielles Abwasser, die vor 1990

errichtet wurden.

 

Im Stadtgebiet von Haan gibt es eine Wasserschutzzone für die Wassergewinnungsanlagen "Sandheide" und "Sedental" in Erkrath (S. Anlage 2). Sie erstreckt sich von der westlichen Stadtgrenze zwischen der A 46 und der L 357 bis zur "Stropmütze".

 

Innerhalb dieser Fläche betreibt die Stadt Haan nur äußerst wenige öffentliche Kanäle die vor dem 01.01.1965 bzw. vor dem 01.01.1990 gebaut wurden. Allerdings befinden sich hier ca. 35 Grundstücke mit privaten Entwässerungsanlagen. Davon wurden zu Wohnzwecken etwa 18 Stück vor 1965 errichtet und sind somit von der verkürzten Frist zur Dichtheitsprüfung betroffen.

 

Als Gewerbeflächen wurden nur ca. 9 Grundstücke erschlossen, deren Abwasseranlagen älter als 1990 sind. Industrielles Abwasser fällt überhaupt nicht an.

Insgesamt sind also ca. 27 Grundstücke jetzt zu prüfen. Die Verwaltung empfiehlt jedoch auch die anderen 8 Grundstücke mit einzubeziehen. Damit wäre innerhalb der Wasserschutzzone ein einheitliches Vorgehen sichergestellt. Die Eigentümer würden sich nicht ungleich behandelt fühlen, und die Wiederholungsprüfung wäre wieder bei allen Beteiligten zum gleichen Termin fällig.

 

Gestützt durch die bisherigen Erfahrungen bei der Grundstücksanschlussprüfung (zuletzt bei der Bismarckstraße, Wilhelmstraße, Bahnhofstraße), sowie von Veröffentlichungen in der Fachliteratur, geht die Verwaltung davon aus, dass alle Abwasseranlagen die älter als 1970 sind, undicht sind und saniert werden müssen. Auch wenn hierfür der Grundstückseigentümer verantwortlich ist, bleibt die Beratungspflicht bei der Stadt Haan. In Anbetracht der geringen bei der Verwaltung zur Verfügung stehenden personellen Mittel, kann die Frist für die Dichtheitsprüfung innerhalb der Wasserschutzzone frühestens auf den 31.12.2012 gelegt werden. Das bedeutet, dass die Betroffenen noch fast zwei Jahre Zeit hätten, und die Verwaltung die notwendigen Ressourcen für eine qualifizierte Beratung bereitstellen kann.

 

Die Verwaltung beabsichtigt, alle von der verkürzten Prüffrist betroffenen Grundstückseigentümer persönlich anzuschreiben und zu informieren. Die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen zeigen sehr deutlich, dass eine tiefgreifende und aufwändige Beratung der Bürger erforderlich ist, um schlussendlich ein für alle Seiten zufrieden stellendes Ergebnis zu erzielen. Der Bürger ist in der Regel mit der Problematik völlig überfordert. Er benötigt daher nicht nur die allgemeinen Informationen, sondern eine auf die individuellen Bedingungen zugeschnittene Beratung. Hierzu gehört aber keinesfalls eine detaillierte Sanierungsplanung durch die Verwaltung.

 

Im Allgemeinen haben die Grundstückseigentümer durchaus Verständnis für die Maßnahmen. Letztlich dienen die Prüfungen ja auch dem Werterhalt ihrer Immobilien.

Die Kosten für die Prüfung sind sehr vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Aber selbst bei günstigsten Verhältnissen ist ein Dichtheitsnachweis mit Luft- oder Wasserdruck selten unter ca. 400,- € zu erhalten. Bei schwierigen Rahmenbedingungen können die Kosten leicht ein Vielfaches dieser Summe betragen. Gerade in diesen Fällen ist eine gute Beratung zwingend erforderlich.

 

Die Verwaltung erprobt zurzeit eine weitere Form der Bürgerinformation und Beratung. Im Rahmen der "Kanalsanierungsmaßnahme Bahnhofstraße" wurde ein Ingenieurbüro beauftragt, die anliegenden Grundstückseigentümer über die anstehenden Arbeiten sowie insbesondere über die damit im Zusammenhang stehenden Überprüfungen der privaten Grundstücksanschlussleitungen zu informieren. Alle Betroffenen werden zu einer gemeinsamen Einführungsveranstaltung eingeladen, in der Ihnen die allgemeinen Sachverhalte anhand einer Powerpoint-Präsentation und eines Videofilms erläutert werden. Darüber hinaus soll das Büro eine erste, für den jeweiligen Eigentümer kostenlose, vor Ort Beratung im Sinne des § 61a LWG anbieten. Sollten weitere Untersuchungen und Dienstleistungen (z. B. Durchführung des Dichtheitsnachweises oder eine Sanierungsplanung) erforderlich werden, kann der Eigentümer diese Arbeiten an das Ingenieurbüro vergeben. Diese Kosten hat er allerdings selbst zu tragen.

 

Mit dieser Verfahrensweise ist sichergestellt, dass die Grundstückseigentümer eine seriöse und fachtechnisch einwandfreie Beratung erhalten, und die Mitarbeiter der Verwaltung spürbar entlastet werden. Die Kosten können über die Kanalbenutzungsgebühren refinanziert werden. Wenn sich dieses Modell bewährt, soll es auf das gesamte Stadtgebiet ausgedehnt werden.

 

 

 

3. Dichtheitsprüfung außerhalb von Wasserschutzzonen

 

Wie bereits erläutert, besteht die Pflicht zur Dichtheitsprüfung nicht erst seit ihrer Einführung in das LWG. Der § 45 der Landesbauordnung schrieb schon 1995 den Endtermin 31.12.2015 verbindlich fest. Es zeichnet sich jedoch landesweit ab, dass nicht alle Grundstückseigentümer ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen werden. Zudem wären die von den Kommunen zu erbringenden Beratungsleistungen neben dem normalen "Tagesgeschäft" nicht zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund erlaubt der Gesetzgeber den Gemeinden durch Satzung längere Fristen festzulegen:

1. wenn Sanierungsmaßnahmen an öffentlichen Abwasseranlagen in dem Abwasserbeseitigungskonzept nach § 53 Abs. 1a oder in einem gesonderten Kanalsanierungs- oder Fremdwassersanierungskonzept festgelegt sind oder

2. wenn die Gemeinde für abgegrenzte Teile ihres Gebietes die Kanalisation im Rahmen der Selbstüberwachungsverpflichtung nach § 61 überprüft.

Die Verwaltung beabsichtigt die Variante 2 umzusetzen. Gegenüber der "Stichtagsregelung 31.12.2015" ergeben sich dabei folgende Vorteile:

 

·        Schon heute sind viele Dienstleister mit den Untersuchungen ausgelastet. Wenn innerhalb der nächsten fünf Jahre alle ca. 5.000 bebauten Grundstücke zu überprüfen wären, gingen die Preise hierfür in astronomische Höhen.

·        Die Verwaltung könnte ihrer Beratungspflicht in keiner ausreichenden Weise nachkommen. Bei ca. 1.000 Fällen pro Jahr wären alle Kapazitäten weit überschritten.

·        Voraussichtlich wird über die Hälfte aller untersuchten Abwasseranlagen schadhaft sein. Das betrifft natürlich auch die Grundstücksanschlussleitungen im öffentlichen Bereich. Für die Sanierung/Erneuerung dieser Leitungsabschnitte ist nach der Entwässerungssatzung die Stadt Haan (gegen Kostenersatz) zuständig. Mit ca. 500 Sanierungen pro Jahr wäre die Verwaltung sowohl im reinen verwaltungs-, als auch im technischen Bereich, völlig überfordert.

 

Im Rahmen der Selbstüberwachungsverordnung Kanal (SüwV Kan) muss die Stadt Haan ihr eigenes Kanalnetz jeweils innerhalb von 15 Jahren einmal komplett untersuchen. Hierzu wird das Stadtgebiet in 15 Teilabschnitte aufgegliedert, und sukzessive abgearbeitet. Wenn die Stadt Haan die Dichtheitsprüfung der privaten Abwasseranlagen an diese Selbstüberwachung des öffentlichen Kanals koppelt, muss die Untersuchungshäufigkeit der SüwV Kan berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass die Dichtheitsprüfung gemäß § 61a LWG beginnend mit Inkrafttreten des Landeswassergesetzes 2008 in einem Zeitraum von max. 15 Jahren durchzuführen ist, und die letzten Dichtheitsprüfungen 2023 abgeschlossen sein müssen.

 

Die geplante Verfahrensweise mit Angabe der Details wie z. B. der Zeitplan, die Aufgliederung der grundstücksscharfen Teilgebiete, die genaue Anzahl der jeweiligen Betroffenen etc., wird noch von der Verwaltung erarbeitet und mit der Unteren Wasserbehörde abgestimmt. Das Ergebnis wird dem Ausschuss und dem Rat der Stadt Haan im Laufe des Jahres vorgestellt, so dass dann auch die Satzung zur Festsetzung der Einzelfristen beschlossen werden kann.

 

 

 

4. Durchführung der Dichtheitsprüfung

 

Die Festlegung der Art der jeweilig durchzuführenden Dichtheitsprüfung (optisch / mit Luft / mit Wasser) sollte in der Satzung problembezogen, d. h. abhängig von den örtlichen Gegebenheiten wie zum Beispiel Fremdwasserproblematik, Bodenverhältnisse, Wasserschutzzonen, Alter der Abwasserleitungen, erfolgen. Wegen der besonderen Anforderungen für die Trinkwassergewinnung ist innerhalb der Wasserschutzzone eine Prüfung ausschließlich mit Luft oder Wasser zuzulassen. Eine optische Untersuchung in Form einer Kamerabefahrung ist lediglich eine Zustandsfeststellung. Über die Dichtheit der Abwasserleitungen kann sie keine gesicherte Aussage treffen. So können etwa fehlende Dichtungen in den Rohrverbindungen nur erkannt werden, wenn entweder Sickerwasser sichtbar eindringt, oder Abwasser nicht nur geringfügig aus den Rohrleitungen exfiltriert. Daher ist auch bei einem Neubau oder einer wesentlichen Veränderung der Abwasseranlagen eine Druckprüfung notwendig. Nur bei bestehenden Anlagen außerhalb einer Wasserschutzzone wird eine TV-Inspektion als Nachweis anerkannt.

 

Die Dichtheitsprüfung darf nur von einem Sachkundigen durchgeführt werden. Die Feststellung der Sachkunde erfolgt durch die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern und die Ingenieurkammer-Bau. Die Liste der zugelassenen Sachkundigen wird durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes NRW /LANUV NRW) geführt und ist unter www.lanuv.nrw.de/wasser/abwasser/dichtheit.htm abrufbar.

 

 

 

5. Personelle Auswirkungen

 

Die aus dem § 61a LWG resultierenden personellen Auswirkungen für die Verwaltung sind enorm. Die Kommunal- und Abwasserberatung NRW schätzt den Aufwand für die fachtechnische Beratung der Grundstückseigentümer auf zwei Stellen pro 1.000 Fällen und Jahr. Auf Haan übertragen bedeutet das einen Bedarf von ca. 0,5 Stellen für die Technik (ca. 7.000 Fälle/13 Jahre). Dazu kommt noch der zusätzliche Aufwand für die Sanierungsarbeiten an den Grundstücksanschlussleitungen im öffentlichen Bereich. Wenn auch nicht alle schadhaften Leitungen im offenen Rohrgraben zu erneuern sind, sondern viele Rohre auch grabenlos saniert werden, ist der personelle Einsatz pro Einzelfall höher als bei der Beratung. Die Verwaltung rechnet daher mit einem zusätzlichen Personalbedarf von wenigstens einem neuen Mitarbeiter. Die Personalkosten wären über die Abwassergebühr refinanzierbar. Sollte sich das Modell "Bahnhofstraße" wie oben beschrieben bewähren, könnte der zusätzliche Personalbedarf wahrscheinlich geringer gehalten werden. Daher sollen zunächst noch erst Erfahrungen gesammelt werden.

 

Neben der Technik ist aber auch die Verwaltung betroffen. Insbesondere ist hier das Liegenschaftsamt zu nennen, welches über das KAG NRW den Kostenersatz von den Grundstückseigentümern betreibt. Wie hoch der Stellenbedarf genau ist, wird sich erst noch zeigen. Diese Kosten sind nicht refinanzierbar, sondern belasten den allgemeinen Haushalt.

 

 

 

Beschlussvorschlag:

 

Die mit dieser Sitzungsvorlage vorgelegte „Satzung der Stadt Haan zur Abänderung der Fristen bei der Dichtheitsprüfung von privaten Abwasserleitungen gemäß § 61 a Abs. 3 bis 7 LWG NRW innerhalb der Wasserschutzzonen im Stadtgebiet Haan“ wird beschlossen.